Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. April 2003
Aktenzeichen: 21 W (pat) 315/02
(BPatG: Beschluss v. 01.04.2003, Az.: 21 W (pat) 315/02)
Tenor
Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent widerrufen.
Gründe
I Auf die am 27. Mai 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte und am 7. Dezember 2000 offengelegte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent unter der Bezeichnung "Endoskop" erteilt worden; die Veröffentlichung der Erteilung ist am 8. Mai 2002 erfolgt.
Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden.
Dem Einspruchsverfahren liegt der mit Eingabe vom 5. Februar 2003 eingereichte Patentanspruch 1 zugrunde:
"Starres Endoskop (10) mit einem rohrförmigen Schaft (12), in dessen distalem Endbereich eine Kamera (13) und eine distal abstrahlende Beleuchtungseinrichtung angeordnet ist, wobei der rohrförmige Schaft (12) einen sich in proximaler Richtung von der Kamera erstreckenden Hohlraum (15) aufweist, der von Versorgungs- und Datenübertragungsleitungen (14) für die Kamera und von Versorgungsleitungen (17) für die Beleuchtungseinrichtung durchlaufen wird, dadurch gekennzeichnet, daß der von Versorgungs- und Datenübertragungsleitungen (14, 17) freibleibende Querschnitt des Hohlraumes (15) zur Aufnahme von Geräten (19, 20, 23) genutzt wird."
Dem Gegenstand des Patents liegt die Aufgabe zugrunde, ein Endoskop zu schaffen, bei dem der zur Verfügung stehende Raum besser genutzt wird (Sp 1, Z 43-45 der Patentschrift).
Zur Begründung des Einspruchs verweist die Einsprechende unter anderem auf folgende Druckschriften:
(D1) US 58 95 350
(D2) JP 10-3 28 131 A
(D3) JP 60-1 82 928 A Die Einsprechende hat zu den japanischen Druckschriften englische Übersetzungen der relevanten Passagen eingereicht, auf die sich die folgenden Zitate beziehen.
Zur Begründung des Einspruchs führt die Einsprechende aus, dass aus der Druckschrift (D1) ein gattungsgemäßes starres Endoskop bekannt sei, das bereits im freibleibenden Hohlraum des rohrförmigen Schaftes ein Gerät in Form eines Antriebs für die Verstellung der Linsenanordnung enthalte, wobei allerdings der Motor außerhalb des Schaftes im proximalen Ende des Endoskops angeordnet sei. Diesen Hohlraum auch direkt zur Anordnung von Geräten zu verwenden, sei aber aus der Druckschrift (D2), dort in Form eines Sensors, oder aus der (D3), dort in Form eines Antriebsmotors, bekannt. Demnach beruhe der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber einer Zusammenschau der Druckschriften (D1) und (D2) oder (D1) und (D3) auf keiner erfinderischen Tätigkeit.
Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit den am 5. Februar 2003 eingegangenen Unterlagen (Anspruch 1, Beschreibungsänderungen) im übrigen (Patentansprüche 2 und 3, Beschreibung, 1 Blatt Zeichnung) gemäß der Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.
Mit Eingabe vom 18. März 2003 erklärt die Patentinhaberin die Teilung des Patents mit dem erteilten Anspruch 4.
Die Patentinhaberin führt im Wesentlichen aus, dass bei starren Endoskopen zusätzliche Geräte bislang im proximalen Hauptkörper angeordnet seien, und im Übrigen erst seit kurzem durch die Verwendung von CCD-Kameras anstelle von Relaislinsenanordnungen zusätzlicher Raum für eine neue Nutzung entstanden sei. Demgegenüber müsse bei flexiblen Endoskopen, wie sie beispielsweise aus der (D2) bekannt seien, allein schon aufgrund der Biegung des Schaftes die Anordnung zusätzlich erforderlicher Geräte im distalen Endoskopbereich erfolgen. Dieser grundlegende Unterschied zwischen beiden Endoskoptypen hindere im Übrigen den Fachmann daran, bei der Suche nach einer Lösung der Aufgabe die Druckschriften (D2) oder (D3) näher in Betracht zu ziehen. Zudem ergebe sich bei dem Endoskop nach (D3) der Hohlraum erst im Zusammenhang mit einer distalseitigen Aufweitung für die Unterbringung eines Antriebs. Eine solche Aufweitung führe aber zu einer zusätzlichen traumatischen Belastung des Patienten und gebe deshalb dem Fachmann keine Anregungen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Der Senat entscheidet im Einspruchsverfahren auf Grund mündlicher Verhandlung in entsprechender Anwendung von PatG § 78 (vgl BPatG Mitt 2002, 417, 418 - Etikettierverfahren).
Der frist- und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen im einzelnen dargelegt, so dass der Patentinhaber und insbesondere der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können. Der Einspruch führt auch zum Erfolg.
1. Die mit Eingabe vom 18. März 2003 abgegebene Teilungserklärung ist formgerecht und rechtzeitig vor der Rechtskraft des Beschlusses über den Einspruch erklärt worden (Bl f PMZ 2000, 245 II 2c - Graustufenbild). Mit der Teilungserklärung ist für die Behandlung der entstehenden Teilanmeldung die Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts zuständig (BGH GRUR 1999, 150 III.1.d - Informationsträger).
Die Entscheidung über das Stammpatent kann erfolgen, denn es besteht kein "Schwebezustand" dahin gehend, dass im Einspruchsverfahren eine Entscheidung nicht möglich ist, solange nicht feststeht, ob für den abgetrennten Teil innerhalb von drei Monaten die nach den §§ 34 bis 36 PatG erforderlichen Anmeldeunterlagen eingereicht und die gemäß § 39 Abs. 2 PatG nachzuzahlenden Gebühren entrichtet sind oder die Teilung rückwirkend beseitigt wird, falls die Anmeldeunterlagen und Gebühren nicht fristgerecht eingehen (Mitt 2003, 69, III - Unterbrechungsbetrieb). Denn die wirksame Teilung eines Patents setzt nicht voraus, dass durch die Teilungserklärung ein gegenständlich bestimmter Teil des Patents definiert wird, der von diesem abgetrennt wird (vgl BGH in Bl f PMZ 2003, 66 - Sammelhefter). Demnach gibt es auch keinen mit der Teilungserklärung abgetrennten Teil, der wieder in das Stammpatent zurückfallen könnte, wenn die Teilungserklärung als nicht abgegeben gilt oder vorzeitig zurückgenommen wird.
2. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Sie finden ihre Stütze in den erteilten Unterlagen sowie den am Anmeldetag eingereichten Ansprüchen 1 bis 3 und der Beschreibung; der geltende Anspruch 1 speziell in dem erteilten Anspruch 1 und Spalte 1, Zeilen 54-56 der Patentschrift bzw. dem ursprünglichen Anspruch 1 sowie der ursprünglichen Beschreibung Seite 2, dritter Absatz und Seite 4, letzter Absatz bis Seite 5, vierter Absatz.
Der nach Merkmalen gegliederte Patentanspruch 1 lautet:
a) Starres Endoskop (10) mit einem rohrförmigen Schaft (12), b) in dessen distalem Endbereich eine Kamera (13) und eine distal abstrahlende Beleuchtungseinrichtung angeordnet ist, c) wobei der rohrförmige Schaft (12) einen sich in proximaler Richtung von der Kamera erstreckenden Hohlraum (15) aufweist, d) der von Versorgungs- und Datenübertragungsleitungen (14) für die Kamera und von Versorgungsleitungen (17) für die Beleuchtungseinrichtung durchlaufen wirddadurch gekennzeichnet, dasse) der von den Versorgungs- und Datenübertragungsleitungen (14, 17) freibleibende Querschnitt des Hohlraumes (15) zur Aufnahme von Geräten (19, 20, 23) genutzt wird.
Aus der Druckschrift (D1) ist ein starres Endoskop 10 mit einem rohrförmigen Schaft 18 bekannt (entspricht Merkmal a)), in dessen distalem Endbereich eine Kamera 22 und eine distal abstrahlende Beleuchtungseinrichtung 28, in Form von Lichtleitern, angeordnet sind (entspricht Merkmal b). Dabei weist der rohrförmige Schaft 18 einen sich in proximaler Richtung von der Kamera 22 erstreckenden Hohlraum (vgl den Raum um das Bezugszeichen 24) auf (entspricht Merkmal c)), der von Versorgungs- und Datenleitungen 24 für die Kamera 22 und von Versorgungsleitungen 28,12 für die Beleuchtungseinrichtung 28a ... 28N durchlaufen wird (vgl in (D1) Fig 1 in Verbindung mit Sp 4, Z 41 bis Sp 5, Z 15; entspricht Merkmal d)).
Diese gattungsbildende Druckschrift (D1) (vgl Absatz [0003] gemäß Beschreibungsänderung vom 5. Februar 2003) zeigt im Ausführungsbeispiel nach Figur 6 weiter eine im sich proximal erstreckenden Hohlraum angeordnete Steuerstange 129, mit deren Hilfe die Kamera relativ zur Linsenanordnung 126 verfahren werden kann, um eine optimale Justierung zu erhalten. Der Antrieb (Motor 135) für die Steuerstange ist hierbei im proximalen Handgriff 16 des Endoskops angeordnet (vgl Sp 12, Z 11-43).
Angeregt durch den in der Druckschrift (D1) aufgezeigten Antrieb, wird der Fachmann, ein Diplomingenieur mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Endoskopieentwicklung, vor dem Hintergrund der gestellten Aufgabe auch auf dem Gebiet der flexiblen Endoskope nach Lösungen für diese Aufgabe suchen, da, wie auch die Patentinhaberin ausführt, bei diesen Endoskopen die Geräte (wie zB ein Antrieb) wegen der Biegefähigkeit des Schaftes komplett im Bereich des Schaftes untergebracht werden müssen.
Hierbei fällt sein Blick auf die Druckschrift (D2). Aus dieser ist ein flexibles Endoskop 2 mit einem rohrförmigen Schaft, bestehend aus einer Spitze 24, einem Biegeteil 23 und einem flexiblen Rohr 22, bekannt (vgl Fig 4 iVm S 2, Z 14-24; entspricht Merkmal a) bis auf den Merkmalsteil "Starres"). Im distalen Endbereich dieses Schaftes, genauer gesagt in der Spitze 24, sind eine Kamera 27 und eine distal abstrahlende Beleuchtungseinrichtung 54 in Form einer LED angeordnet (vgl Fig 4 iVm S 3, Z 10-16; entspricht Merkmal b)). Dabei weist der rohrförmige Schaft einen sich in proximaler Richtung von der Kamera erstreckenden Hohlraum auf, in dem die Versorgungsleitungen 28, 28a für die Beleuchtungseinrichtung 54 und 29 für die Kamera 27 geführt werden (vgl Fig 4 iVm S 3, Z 21 bis S 4, Z 5; entspricht Merkmal c) und d)).
Weiter ist der Druckschrift (D2) zu entnehmen, dass der von den Versorgungs- und Datenübertragungsleitungen 28,28a,29 freibleibende Querschnitt des Hohlraums für die Aufnahme eines Sensors 26a dient, mit dem die durch einen Betätigungsdraht 26 verursachte Biegerichtung detektiert wird (vgl S 3, Z 3-9). Dieser Sensor stellt, wie u.a. dem Anspruch 3 nach Streitpatent zu entnehmen ist, ein Gerät nach dem Patentanspruch 1 dar (vgl auch Sp 2, Z 15-18 der Patentschrift).
Überträgt der Fachmann vor dem Hintergrund der Aufgabe diese Lehre nach der (D2) (die sich im Übrigen nur in dem Merkmalsteil "starres" Endoskop vom Gegenstand nach Anspruch 1 unterscheidet) auf das starre Endoskop nach (D1), so gelangt er auf ganz selbstverständliche Weise zum Gegenstand nach Patentanspruch 1.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist demnach aus einer Zusammenschau der Entgegenhaltungen (D1) und (D2) nahegelegt.
Der Patentanspruch 1 hat somit wegen fehlender Patentfähigkeit seines Gegenstandes keinen Bestand. Mit ihm fallen auch die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3.
Dr. Winterfeldt Klosterhuber Dr. Franz Dr. Strößner Be
BPatG:
Beschluss v. 01.04.2003
Az: 21 W (pat) 315/02
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d34577d67f5a/BPatG_Beschluss_vom_1-April-2003_Az_21-W-pat-315-02