Bundespatentgericht:
Urteil vom 17. Dezember 2002
Aktenzeichen: 3 Ni 12/01
(BPatG: Urteil v. 17.12.2002, Az.: 3 Ni 12/01)
Tenor
Das europäische Patent 0 548 723 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche folgende Fassung erhalten:
1.
Ziehmaschinenzugeinheit zum Transport eines metallischen Zugrohlings, die mit einem Ziehwerkzeug (14) zusammenwirkt und zumindest zwei Triebketten (12) mit Zuggliedern aufweist, welche auf derselben Ebene liegen und welche aus einer Mehrzahl von Gliedern (16) bestehen, die Triebketten (12) mit den Ziehgliedern mit lasttragenden Rollen und mit einer starren Führung (19) zusammenwirken, die Ziehwirkung durch eine Vorwärtsbewegung der Triebketten (12) mit den Ziehgliedern sowie durch den gegenseitigen Kontakt erreicht wird, der zwischen den Triebketten (12) mit den Ziehgliedern in ihren gegenüberliegenden Zugabschnitten (15) stattfindet, und die Einheit dadurch gekennzeichnet ist, dass die lasttragenden Rollen einer gelenkigen Kette (26), bestehend aus Mitlaufrollen (17), zugeordnet sind und dass diese in einer Schleife angeordnete Mitlaufrollen (17) sind, wobei die aus Mitlaufrollen (17) bestehende gelenkige Kette (26) durch Gleiten bewegt werden kann und zwischen der inneren Oberfläche der Glieder (16) und der starren Führung (19) angeordnet ist, und die Einheit auch dadurch gekennzeichnet ist, dass der Gliedkörper (24) in sich und auf seiner Mittellinie eine Gleitfläche (18) mit einer Breite aufweist, die im wesentlichen der Länge einer Mitlaufrolle (17) gleich ist, wobei jede Gleitoberfläche (18) zusammen mit den Gleitoberflächen der benachbarten Glieder eine einzige Gleitoberfläche bilden, die der Gleitoberfläche der starren Führung (19) gegenüberliegt, und weiter dadurch gekennzeichnet ist, dass das Glied (16) an den äußeren Seiten seitliche Mitlaufrollen (20) besitzt, wobei ein Gliedkörper (24) mit einem Verbindungsund Positionierzapfen (25) zusammenwirkt, der in einer mittleren Lage vorgesehen ist.
2.
Ziehmaschinenzugeinheit nach Anspruch 1, bei welcher Sicherungsplatten (23) zwischen den seitlichen Mitlaufrollen (20) und dem Gliedkörper (24) vorgesehen sind.
3.
Ziehmaschinenzugeinheit nach einem der vorgehenden Ansprüche, bei welcher die Höhe der seitlichen Zugstücke (22) größer ist als der Durchmesser der seitlichen Mitlaufrollen (20).
4.
Ziehmaschinenzugeinheit nach einem der vorgehenden Ansprüche, bei welcher die Breite der Gleitoberfläche (18) der starren Führung (19) im wesentlichen gleich der Länge einer Mitlaufrolle (17) ist.
5.
Ziehmaschinenzugeinheit nach einem der vorgehenden Ansprüche, bei welcher die Höhe der äußeren Verbindungen (28) der Mitlaufrollen (17) größer ist als der Durchmesser der Mitlaufrollen (17).
6.
Ziehmaschinenzugeinheit nach einem der vorgehenden Ansprüche, bei welcher die innen liegende Höhe der Sicherungsplatten
(23) die Nähe der Mittellinie der Mitlaufrollen (17) erreicht, wogegen die Breite des Gliedkörpers (24) größer ist als die Gesamtlänge der Verbindungen der Mitlaufrollen (17).
7.
Ziehmaschinenzugeinheit nach einem der vorgehenden Ansprüche, bei welcher die seitlichen starren Führungen mit den seitlichen Mitlaufrollen (20) zusammenwirken und eine Breite besitzen, die im wesentlichen gleich der Länge der seitlichen Mitlaufrollen (20) ist.
8.
Ziehmaschinenzugeinheit nach einem der vorgehenden Ansprüche, bei welcher zumindest die starre Führung (19) die Nivelliermittel (30) und Gleitführungen (31) besitzt. "
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 14. Dezember 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der italienischen Patentanmeldung UD 910217 vom 24. Dezember 1991 in der Verfahrenssprache Englisch angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet des Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 548 723 (Streitpatent). Das Streitpatent betrifft eine Antriebsvorrichtung für eine Ziehmaschine und umfasst nach der Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 6. August 1997 9 Patentansprüche, deren Patentanspruch 1 in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut hat:
"Zugeinheit für eine Ziehmaschine, wobei die Zugeinheit mit einem Ziehwerkzeug (14) zusammenwirkt und zumindest zwei Triebketten
(12)
mit Zuggliedern aufweist, welche auf derselben Ebene liegen und welche aus einer Mehrzahl von Gliedern (16) bestehen, die Triebketten (12) mit den Ziehgliedern mit lasttragenden Rollen und mit einer starren Führung (19) zusammenwirken, die Ziehwirkung durch eine Vorwärtsbewegung der Triebketten (12) mit den Ziehgliedern sowie durch den gegenseitigen Kontakt erreicht wird, der zwischen den Triebketten (12) mit den Ziehgliedern in ihren gegenüberliegenden Zugabschnitten (15) stattfindet, und die Einheit dadurch gekennzeichnet ist, dass die lasttragenden Rollen einer gelenkigen Kette (26), bestehend aus Mitlaufrollen (17), zugeordnet sind und dass diese in einer Schleife angeordnete Mitlaufrollen (17) sind, wobei die aus Mitlaufrollen (17) bestehende gelenkige Kette
(26)
durch Gleiten bewegt werden kann und zwischen der inneren Oberfläche der Glieder (16) und der starren Führung (19) angeordnet ist, und die Einheit auch dadurch gekennzeichnet ist, dass der Gliedkörper (24) in sich und auf seiner Mittellinie eine Gleitfläche
(18)
mit einer Breite aufweist, die im wesentlichen der Länge einer Mitlaufrolle (17) gleich ist, wobei jede Gleitoberfläche (18) zusammen mit den Gleitoberflächen der benachbarten Glieder eine einzige Gleitoberfläche bilden, die der Gleitoberfläche der starren Führung (19) gegenüberliegt."
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Zum Stand der Technik nennt sie die folgenden Druckschriften (Anlagennummern in berichtigter Reihenfolge)
US-PS 3 103 306 (D1), US-PS 3 945 547 (D2), US-PS 2 212 132 (D3), US-PS 2 742 144 (D5), US-PS 3 045 886 (D7), US-PS 4 508 251 (D8), US-PS 3 559 905 (D9).
Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 548 723 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
In der mündlichen Verhandlung verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 8 gemäß Hauptantrag in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung und hilfsweise mit Patentansprüche 1 bis 7, für deren Wortlaut auf die Anlage zum Protokoll vom 17. Dezember 2002 verwiesen wird.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in der verteidigten Fassung richtet.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig.
Gründe
Die Klage erweist sich als teilweise begründet.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur teilweisen Nichtigerklärung des Streitpatents, und zwar soweit es über den sich aus der Urteilsformel ergebenden Umfang hinausgeht und nicht mehr verteidigt wird. Im übrigen erweist sich die Klage als unbegründet, denn der Senat konnte nicht feststellen, dass der Gegenstand des Patents in seiner mit dem in der mündlichen Verhandlung gemäß Hauptantrag verteidigten Fassung nicht patentfähig ist, Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a EPÜ, Art 52, 54 und 56 EPÜ.
I.
1. Das Streitpatent betrifft eine Zugeinheit für eine Ziehmaschine, bei der die Zugeinheit stromab eines Ziehwerkzeugs bzw einer Ziehform angeordnet ist undden Zweck hat, einen Metallrohling auf eine kontinuierliche und gleichmäßige Art und Weise durch die Ziehform zu ziehen, um ihn dadurch umzuformen.
Nach den Angaben der Streitpatentschrift EP 0 548 723 B2 (Sp 1 Z 5 - Sp 2 Z 1) sind auch Ziehmaschinen bekannt, bei denen die Ziehmittel diskontinuierlich auf den Rohling einwirken können. Diskontinuierliche Ziehmittel, die mit Hilfe von Greifzangen arbeiten, bringen das Problem mit sich, dass die Greifzangen Spuren an dem Werkstück hinterlassen. Außerdem genügen die Geschwindigkeiten dieser Ziehmittel nicht mehr heutigen Ansprüchen.
Kontinuierliche Ziehmittel besitzen im Allgemeinen eine Einrichtung, die aus zwei gegenüberliegenden Ketten besteht, die jeweils an den gegenüberliegenden Seiten des Werkstücks an dem Abschnitt zusammenwirken, der die Ziehform bereits durchlaufen hat. Diese Ketten bestehen aus einer Anzahl von Gliedern oder Spurstücken, die entweder miteinander verbunden oder nicht verbunden sind, und werden in einen kontinuierlichen Umlauf gebracht. Im Zusammenwirken mit starren Führungen ergreifen sie das Werkstück und ziehen es in einer geraden Linie, wobei die Glieder durch senkrechten Druck auf das Werkstück die notwendige Ziehwirkung ausüben. Dieser Druck ist ungefähr zehnmal so groß wie der Wert der Ziehwirkung in Längsrichtung. Der gegenseitige Kontakt zwischen den starren Führungen und den Ketten führt auf Grund der großen Gleitreibung zu Abnutzungsproblemen, da ein bestimmter Kontakt zumindest in dem Abschnitt auftritt, in dem die Ketten einander gegenüberliegend gleiten. Aus dem Stand der Technik sind verschiedene Lösungen bekannt, die zur Verringerung der Gleitreibung drehbare Elemente wie Kugeln oder Walzen vorsehen, die zwischen den starren Führungen und den Ketten angeordnet werden.
Die Vorrichtung der amerikanischen Patentschrift 2 642 280 (Streitpatentschrift Sp 2 Z 2 - 20) setzt zur Verringerung der Reibung anstelle der starren Führungen eine Reihe von Rollen ein, die nacheinander nach Art eines Balkens auf Kugellagern oder Lagern befestigt sind. Die Rollen haben infolge von Scherund Biegespannungen jedoch nur eine begrenzte Lebensdauer. Zudem können die Lasten bei einer balkenartigen Anordnung der Walzen zu einer Deformation der Walzen und der seitlichen Stützen führen, was den korrekten Kontakt zwischen Kette und den Walzen beeinträchtigt. Darüber hinaus werden die Walzen unterschiedlich abgenutzt, da der auf das Werkstück ausgeübte senkrechte Druck auf längere Zeit in Längsrichtung nicht konstant bleibt.
Die amerikanische Patentschrift 2 797 798 (Streitpatentschrift Sp 2 Z 21 - 30) offenbart eine Ausführung, bei der die stationären seitlichen Stützen der Walzen näher zusammenliegen und dadurch das Biegemoment reduziert wird. Wegen des geringen Spiels zwischen den Walzen und den Stützen besteht allerdings die Gefahr, dass sich das System festfrisst.
Aus der amerikanischen Patentschrift 3 945 547 (Streitpatentschrift Sp 2 Z 31 - Sp 3 Z 12) ist eine Ausführungsform bekannt, bei der zwei Kugelringe mit den Seiten der Glieder jeder einzelnen Kette zusammenwirken, wobei die Kugelringe kontinuierlich zirkulieren und eine unterschiedliche Abnutzung der Kugeln vermieden wird. Jedoch werden die seitlichen Enden der Glieder punktförmig belastet, so dass sich wegen des hohen Druck die seitlichen Enden deformieren und die notwenigen Kennwerte der Ziehwirkung nicht mehr eingehalten werden können. Da sich die Ringe zudem unabhängig voneinander frei bewegen können, ist eine koordinierte Anordnung der Kugeln auf beiden Seiten nicht sichergestellt, so dass der Druck auf das Glied wie auf den gezogenen Rohling nicht gleichmäßig wirkt. Die maximale Last, die von dem Glied getragen werden kann, ist reduziert, so dass Biegungen auftreten, die dazu führen, dass die Gliederstützen lediglich an den Kanten der Rollen und nicht auf ihrer gesamten Oberfläche wirken.
Nach einer Variante werden die Kugelringe durch Ringe ersetzt, die miteinander verbundene Rollen aufweisen, die ihrerseits mit den seitlichen Enden zusammenwirken. Dadurch wird die punktförmige Belastung beseitigt, nicht jedoch das Problem der fehlenden Koordinierung der Bewegungen der beiden Ringe, deren Rollen koaxial laufen sollen. Die Variante führt zusätzlich zu einer größeren seitlichen Abmessung der Vorrichtung, so dass entweder die Breite des zentralen freitragenden Teils des Gliedes verringert oder die seitlichen Stützen des Gliedes verbreitert werden müssen. Auch bei dieser Variante ist die Gesamtabmessung der Kette und der gesamten Zugeinheit erhöht, und es ist notwendig, die Ringe aus Rollen auszurichten, um Fehlbelastungen zu vermeiden.
Die japanische Offenlegungsschrift JP-A-58-154412 (Streitpatentschrift Sp 3 Z 13
- 34) beschreibt eine Zugeinheit für eine Ziehmaschine mit drei Elementen, nämlich einem Zuggurt mit einer gezahnten Rückseite, die eine gegen Druckrollen drückende Metallkette zieht. Jede Druckrolle ist unabhängig und nur in an den Seiten vorgesehenen Rillen geführt. Diese Vorrichtung erlaubt weder Belastungen, die nicht ausgerichtet sind, noch eine ungleichmäßige Benutzung der Kontaktkette. Treten Konstruktionsmängel wie Ungleichförmigkeit der Rollen, unebene Führungen oder eine ungleiche Dicke der Kette auf, stellen sich die Rollen quer und blockieren wegen des Spiels in den Führungsrillen das System, so dass es wegen der notwendigen kurzen Standund Servicezeiten für moderne Ziehmaschinen nicht in Frage kommt. Darüber hinaus werden die Gummizähne der Kette durch die bewegte Last mit untragbaren Werten belastet.
2.
Aufgabe des Streitpatents ist es vor diesem Hintergrund (Streitpatentschrift Sp 3 Z 42-48), ein System zu schaffen, das an modernen und schnellen Ziehmaschinen mit sehr geringen Anforderungen von Erneuerungsund Servicearbeiten angewendet werden kann und des weiteren sehr unempfindlich ist gegenüber nichtkoaxialen oder nichtausgerichteten Belastungen, gegenüber ungleichmäßiger Abnutzung und gegenüber Mängeln in der Konstruktion, der Installierung und der Einstellung.
3.
Zur Lösung dieser Aufgabe spezifiziert der Patentanspruch 1 in der in erster Linie verteidigten Fassung eine Ziehmaschinenzugeinheit, deren Merkmale sich bei Vereinheitlichung der Bezeichnungen und Umordnung zusammengehörender Merkmale wie folgt gliedern lassen:
1.1 Die Ziehmaschinenzugeinheit dient zum Transport eines metallischen Rohlings, 1.2 wirkt mit einem Ziehwerkzeug zusammen, 1.3 weist mindestens zwei Triebketten mit Zuggliedern auf;
2.1 die Zugglieder liegen auf derselben Ebene 2.2 und bestehen aus einer Mehrzahl von Gliedern;
3.
die Ziehwirkung wird durch eine Vorwärtsbewegung der Triebketten mit den Zuggliedern sowie durch den gegenseitigen Kontakt zwischen den Triebketten mit den Zuggliedern in ihren gegenüberliegenden Zugabschnitten erreicht;
4.1 die Triebketten mit den Zuggliedern wirken mit lasttragenden Rollen 4.2 und mit einer starren Führung zusammen;
5.1 die lasttragenden Rollen sind einer gelenkigen aus in einer Schleife angeordneten Mitlaufrollen bestehenden gelenkigen Kette zugeordnet, 5.2 diese Kette kann durch Gleiten bewegt werden 5.3 und ist zwischen der inneren Oberfläche der Glieder und der starren Führung angeordnet;
6.1 jedes Glied der Triebketten besitzt an den äußeren Seiten seitliche Mitlaufrollen, 6.2 wobei in einer mittleren Lage ein Gliedkörper vorgesehen ist, 6.3 der mit einem Positionierzapfen zusammenwirkt;
7.1 der Gliedkörper weist in sich und auf seiner Mittellinie eine Gleitoberfläche auf, 7.2 deren Breite im wesentlichen der Länge einer Mitlaufrolle gleich ist;
8.1 jede Gleitoberfläche bildet zusammen mit den Gleitoberflächen der benachbarten Glieder eine einzige Gleitoberfläche, 8.2 die einer Gleitoberfläche der starren Führung gegenüber liegt.
II.
1. Die Fassung des Patentanspruchs 1, mit der die Beklagte nunmehr das Patent nach ihrem Hauptantrag verteidigt, ist zulässig. Durch die Beschränkungen werden weder der Gegenstand noch der Schutzbereich des Streitpatents erweitert. Die im Vergleich zum Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung neu hinzugekommen Merkmale 1.1 und 6.1 bis 6.3 sind im Streitpatent und waren bereits in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als zur erfindungsgemäßen Lehre gehörend offenbart. So ist in der Beschreibungseinleitung angegeben, dass die Erfindung vorteilhafterweise auf dem Gebiet des Ziehens von Metall angewendet werde (EP 0 548 723 B2 Sp 1 Z 5 bis 12). Die Merkmale 6.1 bis 6.3 stammen aus dem Patentanspruch 2 des Streitpatents. Dass sich der Relativsatz "der in einer mittleren Lage vorgesehen ist" am Ende des verteidigten Patentanspruchs 1 auf den Gliedkörper und nicht auf den Positionierzapfen bezieht, ergibt sich sowohl aus dem Patentanspruch 2 in der Verfahrenssprache Englisch als auch aus der Beschreibung (EP 0 548 723 B2 Sp 5 Z 27 bis 35). Demnach ist der Gliedkörper in der Mitte zwischen den seitlichen Mitlaufrollen und ggfs weiteren Elementen auf dem Positionierzapfen (pivot) angeordnet.
Bei den lasttragenden Rollen und den Mitlaufrollen (Merkmale 4.1, 5.1 u 6.1) handelt es sich um die gleichen Elemente. Laut Merkmal 5.2 kann die aus Mitlaufrollen bestehende Kette durch Gleiten bewegt werden. Dementsprechend werden die der Flächen der Gliedkörper, mit der die Mitlaufrollen in Kontakt kommen, einzeln und in ihrer Gesamtheit als Gleitoberfläche bezeichnet (Merkmale 7.1 und 8.1). Die Mitlaufrollen selber gleiten jedoch nicht auf diesen Flächen sondern sie rollen darauf ab (EP 0 548 723 B2 Sp 4 Z 5 bis 12 u 31 bis 36).
Die seitlichen Mitlaufrollen gemäß Merkmal 6.1 stützen sich und somit auch die Glieder der Triebketten wie die lasttragenden Rollen bzw Mitlaufrollen gemäß den Merkmalen 4.1 bis 5.1 an starren Führungen ab. Dies ergibt sich zum einen aus der gleichlautenden Bezeichnung der lasttragenden Rollen und der seitlichen Rollen als Mitlaufrollen. Zum andern ist diese Funktion in der Beschreibung des Streitpatents angegeben (Sp 6 Z 11 bis 19 u Sp 7 Z 15 bis 17). Außerdem dienen die seitlichen Mitlaufrollen aber auch noch als Angriffspunkte für die Antriebs-Kettenräder (StrPS Sp 6 Z 26 bis 30).
2. Der Gegenstand des in erster Linie verteidigten Anspruchs 1 ist neu, denn keine der aus den aufgezeigten Entgegenhaltungen bekannten Einrichtungen weist alle Merkmale dieses Gegenstands auf.
Als zuständiger Fachmann ist hier ein Diplomingenieur des Maschinenbaus mit vertieften Kenntnissen und Erfahrungen in der Konstruktion von Ziehmaschinen anzusehen.
2.1. In der amerikanischen Patentschrift 2 742 144 ist eine mit einem Ziehwerkzeug 13 zusammenwirkende Zugeinheit mit zwei Triebketten 18, 22 beschrieben, die jeweils aus einer Vielzahl von Gliedern 23, 24 bestehen, die (im Eingriffsbereich) in einer Ebene liegen. Zur Aufbringung des erforderlichen Drucks zum Anpressen der Glieder jeder Triebkette an das Werkstück dienen Rollen 32, die in einer frei beweglichen Kette 31 angeordnet sein können und sich an einer starren Führung 33 abstützen (Sp 2 Z 50 bis 66). Demzufolge weisen die Glieder der Triebketten 18, 22 Gleitoberflächen iSd Streitpatents als Laufbahn für die Rollen 32 auf. Wie die Ketten 31 verlaufen, ist in der Druckschrift nicht ausführlich dargestellt. Der Fachmann entnimmt der Fig 1 (untere Triebkette) jedoch, dass die Ketten 31 um die Kettenräder herum geführt sind, über die auch die Triebketten laufen, und zwar auf einem kleineren Radius als die Triebketten (s insb am Treibrad 19). Radialschnitte durch ein Kettenrad sind - ohne Bezugszeichen -in den Figuren 2 und 3 der Druckschrift dargestellt. In der Figur 3 ist das Rad links außen auf der gleichen Achse wie das Antriebszahnrad 34 ein Kettentreibrad. Der Fachmann sieht, dass das Kettentreibrad zwei in Achsrichtung beabstandete Zahnkränze und einen dazwischen liegenden vertieften Abschnitt aufweist. In der Figur 2 ist das Treibrad auf derselben Achse mit dem Zahnrad 35 angeordnet. Aus den Figuren 1 bis 3 ergibt sich für den Fachmann, dass die Rollenketten zwischen den Zahnkränzen um die Treibräder laufen und dass somit die Mittellinien der Triebketten 18, 22 und der Rollenketten 31 in einer Ebene liegen. Der Fachmann wird davon ausgehen, dass die Breite der Gleitoberfläche jedes Zug-Kettengliedes der Triebketten im wesentlichen gleich der Länge einer Rolle 32 ist.
Wie die Glieder der Triebketten gestaltet sind, ist in der genannten Druckschrift nicht näher ausgeführt. Insbesondere sind keine seitlichen Mitlaufrollen an den Triebkettengliedern offenbart (Merkmalsgliederung 6.1).
2.2. Auch in keiner der übrigen zum Stand der Technik genannten Druckschriften ist eine Zugeinheit einer Ziehmaschine mit Triebketten beschrieben, deren Glieder sowohl über frei laufenden Ketten zugeordnete, in der Mitte der Glieder angreifende Mitlaufrollen als auch über an den äußeren Enden der Glieder auf die Glieder durchsetzenden Positionierzapfen angeordnete seitliche Mitlaufrollen an starren Führungen abgestützt werden.
In der amerikanischen Patentschrift 3 045 886 ist eine Vorrichtung zum Bewegen einer Schiene in einer Maschine zum Verschweißen einzelner Schienenstücke beschrieben, die eine große Vortriebskraft auf die Schiene aufbringen können soll. Die Schiene wird von unten und oben zwischen einer Antriebssohle (drive tread 660) und einer Andrücksohle (squeeze tread 661) gefasst und durch entsprechendes Bewegen der Antriebssohle transportiert, wobei die Andrücksohle frei mitläuft. Die Antriebsohle und die Andrücksohle bestehen jeweils aus zwei parallel laufenden Rollenketten 682, 683 und 709, 710, an denen Platten 691, 711 befestigt sind. Diese Platten greifen von unten (Antriebssohle) und von oben (Andrücksohle) an der Schiene an. Die Andrückkraft wird von mehreren in Ketten gefassten Rollen (roller assemblies 694, 695) aufgebracht, die auf die Rückseite der Platten einwirken und deren Länge deutlich kleiner ist als die Breite der Platten (Fig 2). Die unteren Rollenketten 682, 683 laufen auf Winkelarmen 692, 693, die Teil des Maschinenrahmens sind (Sp 3 Z 59 bis 62). Für die oberen Rollenketten sind in der Figur 2 ebenfalls Winkelarme dargestellt, auf denen die Rollenketten aber - zumindest in der dargestellten Schnittebene -nicht abrollen. Somit weisen zumindest die Glieder der oberen Triebkette keine seitlichen Mitlaufrollen auf.
Auch bei der aus der amerikanischen Patentschrift 3 559 905 bekannten Vorrichtung, mit der eine lange Stange zum Antrieb einer Pumpe am unteren Ende eines Bohrlochs aus diesem herausgezogen werden soll, sind Greifblöcke 11 jeweils an zwei parallel laufenden Rollenketten 10 befestigt. Die Anpresskraft für die Greifblöcke wird über Ketten 36 von Rollen 36A auf die Rückseite der Greifblöcke aufgebracht. Die Rollen der Rollenketten 10 stellen keine Mitlaufrollen iSd Streitpatents dar, da sie nicht mit starren Führungen zusammenwirken.
Die amerikanische Patentschrift 2 212 132 betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Formen und Komprimieren von Kabeln. Die Kabel werden zum Vorformen durch Ziehformen 71, 72 gezogen und anschließend in Formblöcken komprimiert und geformt. Die Formblöcke sind jeweils mittels eines Tragelements 38 an zwei Ketten 35, 36 angeordnet. Innerhalb der Schleifen der Ketten 35, 36 verlaufen Ketten 42 mit Rollen 41, die im Bereich, in dem das Kabel verformt wird, auf den Rückseiten der die Formblöcke tragenden Glieder der Ketten 35, 36 abrollen und auf diese die zum Fassen und Verformen des Kabels erforderliche Kraft aufbringen, wobei sie an starren Führungen abgestützt sind. Die Maschine arbeitet kontinuierlich, indem die Ketten 35, 36 mit den daran befestigten Formblöcken gleichzeitig den Transport des zu formenden Kabels bewirken und auch die zum Durchlaufen der Ziehformen 71, 72 erforderliche Zugkraft aufbringen. Seitliche Mitlaufrollen und Positionierzapfen iSd Streitpatents sind nicht vorhanden.
Bei der Zugeinheit für eine Ziehmaschine nach der amerikanischen Patentschrift 3 945 547 laufen die das Werkstück fassenden und ziehenden Glieder in einer geschlossenen, die Glieder führenden Bahn um. Die Glieder füllen die Bahn dicht aus. Sie aber bilden keine Kette im eigentlichen Sinne, da sie nicht miteinander verbunden sind. Die Glieder werden nur an ihren beiden Seiten abgestützt, zB über gesondert geführte Rollenketten (Fig 10 bis 12). In der Mitte ihrer Rückseite ist eine Verzahnung zum Eingriff eines Treibrades 80 angebracht, das die Glieder durch ihre Führungsbahn schiebt (Fig 6, 7).
Die Zugeinheit für eine Ziehmaschine nach der amerikanischen Patentschrift 3 103 306 weist Triebketten 28, 30 auf, deren die Klemmkraft für das Ziehmaterial aufbringenden Elemente ebenfalls nur an ihren beiden Seiten abgestützt sind, und zwar über an den Gliedern befestigte Rollen 56, 58 (Fig 2 bis 6). Die Elemente weisen an ihrer Rückseite Glieder 44 auf, die miteinander verbunden sind und so die Triebkette bilden (Fig 1, 7).
Die amerikanische Patentschrift 4 508 251 betrifft eine Maschine zum Ziehen von Kabeln mit einer Einrichtung zum Messen der Zugkraft. Die Maschine fasst das Kabel zwischen Gummiblöcken, die an Ketten 20a, 20b befestigt sind. Die Ketten laufen zur Erzeugung der erforderlichen Anpresskraft offenbar auf starren Führungen (Fig 5a). In keiner der vorgenannten 3 Druckschriften sind frei laufenden Ketten zugeordnete, in der Mitte der Glieder der Triebketten angreifende Mitlaufrollen offenbart.
2.3. Der Senat konnte nicht feststellen, dass der Gegenstand des in erster Linie verteidigten Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Bei den bekannten Einrichtungen mit gesonderten Ketten von lasttragenden Mitlaufrollen zusätzlich zu den Triebketten (US-PS 2 212 132, 3 045 886, 3 559 905 und 3 945 547) sind die Funktionen des Vortriebs der Zugglieder der Triebketten mit der zum Ziehen des Werkstücks durch das Ziehwerkzeug erforderlichen Zugkraft und des Anpressens der Zugglieder zum sicheren Fassen des Werkstücks von einander getrennt. Soweit die entsprechenden Einzelheiten aus den Entgegenhaltungen ersichtlich sind, weisen die Triebketten entweder zwei an den Greifbzw Formblöcken befestigte Transportketten (US-PS 2 212 132, 3 045 886 und 3 559 905) oder eine Verzahnung auf der Rückseite der Zugglieder (US-PS 3 945 547) auf, die keine Anpresskraft vermitteln. Dies gilt auch für die Einrichtung der amerikanischen Patentschrift 3 045 886, denn dort ist angegeben, dass die Ketten 682, 683 auf den Winkelarmen abrollen und dass die Platten 691 durch die Mitlaufrollen abgestützt werden. Der Fachmann misst daher den Winkelarmen nur die Funktion einer Führung der Ketten, zB gegen Durchhängen zwischen den zwei Anordnungen von Mitlaufrollenketten 694, 695 zu. Dies um so mehr, als die Winkelarme, wie sie in der Figur 2 dargestellt sind, aufgrund ihrer Form und des Angriffspunkts der Kräfte - die Ketten 682, 683 laufen nahe dem freien Ende der Winkelarme - kaum geeignet sind, Anpresskräfte zu vermitteln. Eine Anregung für die Anordnung an der Aufbringung der Anpresskraft für die Zugglieder mitwirkender seitlicher Mitlaufrollen auf Positionierzapfen der Zugglieder zusätzlich zu lasttragenden Mitlaufrollenketten erhält der Fachmann daraus nicht.
Auch bei der aus der amerikanischen Patentschrift 3 103 306 bekannten Einrichtung, die keine gesonderten Ketten mit lasttragenden Mitlaufrollen, sondern an den Zuggliedern seitlich angeordnete lasttragende Mitlaufrollen aufweist, dienen diese Mitlaufrollen lediglich der Vermittlung der Anpresskraft und der Führung der Triebketten, während deren Vortrieb über eine die Zugglieder an deren Rückseite verbindende Kette aufgebracht wird, die keinen Beitrag zum Anpressen der Zugglieder an das Werkstück leistet . Diese Lösung liefert ebenfalls kein Vorbild für die gleichzeitige Abstützung der Zugglieder der Triebketten über besondere Mitlaufrollenketten und über seitliche Mitlaufrollen auf einem Positionierzapfen der Zugglieder.
Die aus der amerikanischen Patentschrift 4 508 251 (Fig 5a) bekannte Einrichtung hat zwar Ketten, die sowohl dem Vortrieb als auch dem Anpressen der Zugglieder dienen. Dort handelt es sich jedoch um eine Kabelziehmaschine, die nur vergleichsweise geringe Zugund damit auch Anpresskräfte aufbringen muss (das Aufbringen zu hoher Zugkräfte soll ausdrücklich verhindert werden, Sp 1 Z 9 bis 46). Demzufolge sind auch keine gesonderten Ketten von lastragenden Mitlaufrollen vorgesehen.
Nach alledem konnte der Senat nicht die Überzeugung gewinnen, dass sich der Gegenstand des Streitpatents in seiner gemäß Hauptantrag verteidigten Fassung mit auf einem Positionierzapfen angeordneten seitlichen Mitlaufrollen und Gliedkörpern, die an ihrer Rückseite durch Ketten von Mitlaufrollen abgestützt sind, für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 ZPO.
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BPatG:
Urteil v. 17.12.2002
Az: 3 Ni 12/01
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