Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Mai 2006
Aktenzeichen: 30 W (pat) 120/04
(BPatG: Beschluss v. 15.05.2006, Az.: 30 W (pat) 120/04)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Eingetragen am 8. August 2000 - veröffentlicht am 7. September 2000 - unter der Nummer 300 11 215 u. a. für die Waren CDs, Kassetten, Videos und andere Tonträgerist die Wortmarke SOLID-SOUND.
Widerspruch - im Umfang der o. g. Waren - wurde erhoben aus der unter der Nummer 282 640 am 31. Juli 2000 für Apparate zur Aufnahme, Übertragung oder Reproduktion von Ton, Lautsprecher, Verstärker, Tuner, CD-Spieler, Tonaufzeichnungsplatten, Tonaufzeichnungsträger, CDs, Kassettenbänder, Schallplatten; Teile und Bestandteile für alle vorstehend genannten Wareneingetragenen Gemeinschaftsmarke SOLID.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zwischen den Waren "CDs, Kassetten, Videos und andere Tonträger" und den Widerspruchswaren "Lautsprecher" bestehe aufgrund multimediatechnischer Schwerpunkte eine beachtliche, nicht dagegen eine hochgradige Ähnlichkeit; der dadurch gebotene mittlere Abstand sei noch eingehalten. Zwischen der mehrgliedrigen angegriffenen Marke und der Einwortmarke bestehe ein unterschiedlicher Gesamteindruck, Anhaltspunkte für eine Vernachlässigung des Bestandteils "SOUND" in der angegriffenen Marke ergäben sich nicht. Die angegriffene Marke sei eine Bindestrichverknüpfung aus zwei kennzeichnungsschwachen Bestandteilen, die einen Gesamtbegriff im Sinne von "kompakter Klang" bildeten.
Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und im wesentlichen ausgeführt, die Widerspruchsmarke sei identisch in der angegriffenen Marke enthalten, deren prägender Bestandteil "SOLID" sei; der Bestandteil "SOUND" sei auf dem Gebiet Tonträger glatt beschreibend und der Bestandteil "SOLID" werde nicht als "kompakt" im Sinne von Kompaktanlage verstanden; im Englischen bedeute "solid" zudem "fest". Durch den Bindestrich sei der beschreibende Zusatz "SOUND" deutlich abgesetzt.
Sie beantragt sinngemäß, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. März 2004 aufzuheben und die Löschung der Marke 300 11 215 anzuordnen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Eine Äußerung des Inhabers der angegriffenen Marke ist nicht zu den Akten gelangt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 282 640 besteht nicht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 125b Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 9 Absatz 1 Nr. 2 MarkenG, so dass die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen ist.
1. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH st. Rspr. vgl. GRUR 2005, 513 - MEY/Ella May; WRP 2004, 1281 - Mustang; WRP 2004, 1043 - NEUROVIBOLEX-/NEURO-FIBRAFLEX; WRP 2004, 907 - Kleiner Feigling).
2. Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer eher unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem eingeschränkten Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Das englische Wort "solid" bedeutet im Deutschen "solide, gediegen, stabil" (vgl. LEO Online-Lexikon der TU München) und ist daher allgemein im Sinne einer Qualitäts- oder Wertangabe zu verstehen. Im Zusammenhang mit den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren lässt sich zumindest ein beschreibender Anklang im Sinne eines Hinweises auf Waren von solider, gediegener Ausführung und damit guter Qualität nicht verneinen.
3. Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist hinsichtlich der Vergleichswaren von der Registerlage auszugehen.
Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist entscheidend, ob die beiderseitigen Waren in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte - so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. BGH GRUR 2004, 241, 243 - GeDIOS).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist von identischen bzw. hochgradig ähnlichen Waren auszugehen. Die von der jüngeren Marke beanspruchten Waren sind im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten oder finden Verwendung beim Gebrauch der von der Widersprechenden beanspruchten Apparate und ergänzen sich daher (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen S. 310).
4. Die unter diesen Umständen insgesamt gebotenen mittleren Anforderungen an den Markenabstand sind eingehalten.
Für die Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der Zeichen abzustellen, der bei mehrgliedrigen Marken auch durch einzelne Bestandteile geprägt werden kann. Dabei nimmt der Verkehr eine Marke so auf, wie sie ihm ihn entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. § 9 Rdn. 111).
In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Vergleichsmarken indessen klar und unverwechselbar in allen für die Beurteilung des Gesamteindrucks wesentlichen Kriterien. So handelt es sich bei der angegriffenen Marke um eine mehrteilige Marke aus zwei durch Bindestrich verbundenen Wortelementen, bei der Widerspruchsmarke dagegen um eine einteilige Marke.
5. Somit kommt Verwechslungsgefahr nur dann in Betracht, wenn der in der Widerspruchsmarke sowie in der angegriffenen Marke identische Wortbestandteil "Solid" die angegriffene Marke allein kollisionsbegründend prägt und die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 232 ff. m. w. N.).
Dabei ist aber zu beachten, dass beschreibende oder kennzeichnungsschwache Markenteile zwar nicht von Vornherein unberücksichtigt bleiben dürfen, ihnen aber grundsätzlich die Eignung fehlt, den Gesamteindruck einer Marke zu prägen. Insoweit scheidet bei schutzunfähigen Bestandteilen eine Verwechslungsgefahr schon aus Rechtsgründen aus, da aus diesen Bestandteilen keine gesonderten Rechte hergeleitet werden können (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 221, 274).
Bei der Beurteilung der prägenden Bedeutung eines Markenteils stellt sich zunächst die Frage, ob für den Verkehr überhaupt Veranlassung besteht, sich nur an einem einzelnen Markenbestandteil zu orientieren. Das muss insbesondere bei Marken verneint werden, die sich als einheitliche Gesamtbegriffe darstellen. Dabei wird die Vorstellung eines Gesamtbegriffes gefördert durch die sprachliche Ausgestaltung der Kombinationsmarke, die eine begriffliche Verbindung mit dem folgenden Zeichenteil herstellt (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 270, 271).
Von der Frage der Schutzfähigkeit der einzelnen Bestandteile abgesehen, wird im vorliegenden Fall die Verbindung der beiden englischen Worte "Solid" und "sound" (deutsch: "Ton, Klang") durch einen Bindestrich eine Klammerwirkung der beiden Worte erzeugt (vgl. BGH WRP 2002, 326, 329 - ASTRA/ESTRA-PUREN). Die Zusammensetzung "solidsound" lässt sich mit "Vollklang, gediegener Klang" übersetzen und ist wie vergleichbar gebildete Kombinationen wie zum Beispiel "surround sound, spatial sound" (Raumklang) (vgl. LEO Online-Lexikon der TU München) als einheitlicher Gesamtbegriff zu verstehen. Eine Prägung durch den Bestandteil "solid" und die Gefahr von Verwechslungen scheidet daher aus.
Anhaltspunkte dafür, dass aus sonstigen Gründen die Gefahr von Verwechslungen bestehen könnte, sind nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
BPatG:
Beschluss v. 15.05.2006
Az: 30 W (pat) 120/04
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