Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Januar 2005
Aktenzeichen: 5 W (pat) 421/03

(BPatG: Beschluss v. 19.01.2005, Az.: 5 W (pat) 421/03)

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung I vom 10. Dezember 2002 aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß das Gebrauchsmuster 91 12 082 von Anfang an unwirksam war, soweit es über den eingetragenen Schutzanspruch 4 und über den eingetragenen Schutzanspruch 5 in dessen Rückbezug auf den eingetragenen Schutzanspruch 4 hinausgegangen ist.

Im übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Löschungsverfahrens in beiden Rechtszügen.

Gründe

I Der Antragsgegner ist Inhaber des im Register eingetragenen Gebrauchsmusters 91 120 82 mit der Bezeichnung "Wasserdurchflußregler für Spielzwecke", das am 27. September 1991 mit 5 Schutzansprüchen angemeldet und am 14. November 1991 auf der Grundlage dieser Anmeldeunterlagen in das Register eingetragen worden ist. Die Schutzdauer des Gebrauchsmusters ist auf 10 Jahre verlängert worden. Die der Eintragung zugrundeliegenden Schutzansprüche 1 bis 5 lauten:

1. Wasserdurchflußregler für Spielzwecke mit Stauplatte (1), rechteckiger Durchflußöffnung (2) und Schieber (3), dadurch gekennzeichnet, daß der Schieber (3) parallel zur Ebene der Stauplatte (1) in der Durchflußöffnung (2) vertikal verschiebbar angeordnet und mit einem Griff versehen ist, der sich unabhängig von der Position des Schiebers (3) stets oberhalb der Stauplatte (1) befindet.

2. Wasserdurchflußregler nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Schieber (3) in mit der Stauplatte (2) verbundenen Schienen (4) geführt ist.

3. Wasserdurchflußregler nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Schieber (3) an seiner Oberseite mit einer oder mehreren, vertikalen, letzterenfalls annähernd parallelen Betätigungsstangen (5) versehen ist, die ein Führungsblech (6) längs beweglich durchgreifen.

4. Wasserdurchflußregler für Spielzwecke nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Betätigungsstangen (5) an ihrer Oberseite durch eine Querstange (7) verbunden sind, die ggf. an ihren Enden mit Kugeln (8), insbesondere aus Kunststoff, versehen ist.

5. Wasserdurchflußregler nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Stauplatte (1) trapezförmig ausgebildet ist".

Die Antragstellerin hat am 4. August 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung des Gebrauchsmusters im Umfang der Schutzansprüche 1, 2, 3 und 5 beantragt, "soweit sie sich auf einen der vorgenannten Ansprüche zurückbeziehen". Zur Begründung ihres Antrags hat die Antragstellerin folgenden Stand der Technik benannt:

D1 DE-PS 232 724 D2 DE-PS 76 879.

Der Antragsgegner hat dem Löschungsantrag widersprochen.

Nach Ablauf der zehnjährigen Schutzdauer des Gebrauchsmusters im Jahre 2001 hat die Antragstellerin den Löschungsantrag in einen Feststellungsantrag umgewandelt. Ihr Feststellungsinteresse hat sie damit begründet, daß sie wegen Verletzung des Gebrauchsmusters beim Landgericht Mannheim verklagt worden sei und diese Klage noch anhängig sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2002 vor der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Antragsgegner das Streitgebrauchsmuster mit folgenden Schutzansprüchen 1 bis 3 verteidigt:

"1. Wasserdurchflußregler für Spielzeuge mit Stauplatte 1, rechteckiger Durchflußöffnung 2 und Schieber 3, wobei der Schieber 3 parallel zur Ebene der Stauplatte 1 in der Durchflußöffnung 2 vertikal verschiebbar angeordnet und mit einem Griff versehen ist, der sich unabhängig von der Position des Schiebers 3 stets oberhalb der Stauplatte 1 befindet, dadurch gekennzeichnet, daß der Schieber 3 an seiner Oberseite mit mehreren vertikalen, annähernd parallelen Betätigungsstangen 5 versehen ist, die ein Führungsblech 6 längs beweglich durchgreifen die Betätigungsstangen 5 an ihrer Oberseite durch eine Querstange 7 verbunden sind und die Stauplatte 1 trapezförmig ausgebildet ist.

2. Wasserdurchflußregler nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Schieber 3 in mit der Stauplatte 2 verbundenen Schienen 14 geführt ist.

3. Wasserdurchflußregler nach Anspruch 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Querstange 7 an ihren Enden mit Kugeln 8, insbesondere aus Kunststoff, versehen ist."

Mit Beschluß vom 10. Dezember 2002 hat die Gebrauchsmusterabteilung festgestellt, daß das Gebrauchsmuster im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 3 und 5 von Anfang an unwirksam gewesen sei. In den Gründen hat sie sinngemäß ausgeführt, daß die verteidigten Schutzansprüche nicht Gegenstand des Verfahrens seien, weil sie auch Merkmale des nicht angegriffenen eingetragenen Schutzanspruchs 4 enthielten.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Im Beschwerdeverfahren hat er in der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2005 das Gebrauchsmuster weiterhin mit den Schutzansprüchen 1 bis 3 vom 10. Dezember 2002 verteidigt, die auch dem Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung zugrundelagen. Hierzu hat er vorgetragen, daß in dem verteidigten Schutzanspruch 1 lediglich das Merkmal, daß "die Betätigungsstangen (5) an ihrer Oberseite durch eine Querstange (7) verbunden sind", aus dem eingetragenen Anspruch 4 übernommen worden seien. Hierdurch sei der Schutzanspruch 1 weiter gefaßt, als wenn in ihm alle Merkmale des nicht angegriffenen Schutzanspruchs 4 aufgenommen wären. Zu der im eingetragenen Schutzanspruch 4 angegebenen Merkmalskombination gehörten nämlich zwingend die Kugeln 8, da sich das Wort "ggf." in dem Relativsatz des Schutzanspruchs 4 lediglich auf die ihm folgenden drei Worte "an ihren Enden" beziehen würde. Lediglich der Anbringungsort der Kugeln sei fakultativ und gehöre nicht zwingend zum Schutzanspruch 4. Das Vorhandensein der Kugeln sei dagegen nicht fakultativ im Schutzanspruch 4 angegeben. Dieser Sachverhalt würde sich für den Fachmann aus dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen, insbesondere der Figur 3 in Verbindung mit den Textstellen auf Seite 6, Absatz 1 und Seite 7 letzter Absatz erschließen.

Der Antragsgegner beantragt, den Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Dezember 2002 aufzuheben und den Teillöschungsantrag der Antragstellerin im Umfang der Schutzansprüche vom 10. Dezember 2002 zurückzuweisen.

Die Antragstellerinnen beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber nur insoweit begründet, als der Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung I über den Löschungsantrag der Antragstellerin hinausgegangen ist.

1. Das Gebrauchsmuster war im Umfang des Löschungsantrages gem § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG zu löschen, weil der Antragsgegner bereits im patentamtlichen Löschungsverfahren seinen Widerspruch gegen den Teillöschungsantrag der Antragstellerin zurückgenommen hat. Im patentamtlichen Löschungsverfahren hat der Antragsgegner das Gebrauchsmuster nur noch im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 3 vom 10. Dezember 2002 verteidigt. Diese Schutzansprüche entsprechen einer Beschränkung des Gebrauchsmusters auf denjenigen Gegenstand, der mit dem Teillöschungsantrag der Antragstellerin nicht angegriffen wurde.

Die Antragstellerin hat in ihrem Löschungsantrag vom 3. August 2001 die Löschung des Gebrauchsmusters im Umfang der Schutzansprüche 1, 2, 3 und 5 beantragt, soweit sie sich auf einen der vorgenannten Ansprüche zurückbeziehen. Dagegen hat die Antragstellerin nicht die Löschung des eingetragenen Schutzanspruchs 4 und des eingetragenen Schutzanspruches 5 in dessen Rückbezug auf den eingetragenen Schutzanspruch 4 beantragt.

Der Schutzanspruch 1, den der Antragsgegner vor dem Deutschen Patent- und Markenamt verteidigt hat, betrifft eine solche, durch den Löschungsantrag nicht angegriffene Merkmalskombination. Er umfaßt nämlich in vollem Umfang die Merkmale der eingetragenen Schutzansprüche 1, 3, 4 und 5. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners handelt es sich bei den Merkmalen des eingetragenen Schutzanspruchs 4, die nicht in den verteidigten Schutzanspruch 1, sondern in den verteidigten Schutzanspruch 3 aufgenommen sind, um Merkmale, die im eingetragenen Schutzanspruch 4 lediglich fakultativ angegeben sind. Die in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Auffassung des Antragsgegners verbietet sich allein schon aus dem Wortlaut des Schutzanspruchs 4. Wenn sich das Wort "ggf." lediglich auf die folgenden drei Worte hätte beziehen sollen, so wäre es erforderlich gewesen, diese Worte zwischen Bindestriche zu setzen oder dies durch eine entsprechende Kommasetzung zum Ausdruck zu bringen, z.B. "... verbunden sind, die, ggf. an den Enden, mit Kugeln (8) ....". Daß der gesamte Relativsatz fakultativ verstanden werden sollte, ergibt sich gerade auch aus den vom Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung genannten Textstellen und Figuren. Aus keiner der angegebenen Stellen ist auch nur ansatzweise die Möglichkeit zu entnehmen, daß mit der in Rede stehenden Formulierung im eingetragenen Schutzanspruch 4 lediglich die Anbringung der Kugeln an den Enden fakultativ sein sollte. Auf Seite 6, Zeile 3 der Unterlagen des Streitgebrauchsmusters ist nämlich aufgrund der auch dort gewählten Kommasetzung nichts anderes zu entnehmen, als daß das ganze Merkmal, nämlich die Anbringung der Kugeln an den Enden der Querstange, fakultativ sein soll. Die Figuren 1 und 2 zeigen diese Ausgestaltung offensichtlich. Für die Figur 3 gilt im Ergebnis nichts anderes. Gemäß Seite 7, Zeilen 30 bis 33 sind nämlich "in allen Zeichnungen die Kunststoffkugeln (8) dargestellt, mit denen die Querstange (7) an ihren Enden zur Erleichterung des Zugriffs versehen sind". Diese Angabe gilt somit auch für das Verständnis der Figur 3. Somit ist keine der vom Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung angegebenen Stellen ein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß im eingetragenen Schutzanspruch 4 lediglich der Anbringungsort der Kugel fakultativ sein soll.

Sieht man somit von den im eingetragenen Schutzanspruch 4 lediglich fakultativ angegebenen Merkmalen ab, so enthält der verteidigte Schutzanspruch 1 alle für den Schutzanspruch 4 zwingend angegebenen Merkmale. Da die verteidigten Schutzansprüche 2 und 3 auf den verteidigten Schutzanspruch 1 zurückbezogen sind, handelt es sich auch bei ihnen um Merkmalskombinationen, die durch den Löschungsantrag nicht angegriffen sind. Der Rückzug ausschließlich auf solche Schutzansprüche, die mit dem anhängigen Löschungsantrag nicht angegriffen wurden, entspricht jedoch einer vollständigen Rücknahme des Widerspruchs des Antragsgegners.

2. Der angefochtene Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung geht über den Teillöschungsantrag der Antragstellerin hinaus.

Der Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung umfaßt nämlich auch die Löschung des Schutzanspruchs 5 in dessen Rückbezug auf den Schutzanspruch 4. Da der Schutzanspruch 4 jedoch nicht angegriffenen war, war der Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung aufzuheben und wie aus dem Tenor ersichtlich zu beschließen.

III Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs. 2 PatG und §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Daß die Billigkeit eine andere Kostenentscheidung erfordert (§ 84 Abs. 2 Satz 2 PatG), ist nicht ersichtlich.

Werner Riegler Schneider Pr






BPatG:
Beschluss v. 19.01.2005
Az: 5 W (pat) 421/03


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