Bundesgerichtshof:
Urteil vom 20. Juni 2016
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 26/14

(BGH: Urteil v. 20.06.2016, Az.: AnwZ (Brfg) 26/14)

Tenor

1. Das Verfahren wird hinsichtlich des Klägers zu 1 eingestellt.

Das Urteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 17. Februar 2014 ist hinsichtlich des Klägers zu 1 gegenstandslos.

Der Kläger zu 1 trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

2. Die Berufung der Klägerin zu 2 gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.

Die Klägerin zu 2 trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit eines belehrenden Hinweises.

Die Kläger betrieben gemeinsam eine Rechtsanwaltskanzlei in A. . Die Kanzlei ist spezialisiert auf die Abwicklung von Verkehrsunfällen. Sie bietet ihren Mandanten die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen- sowie Abschleppkosten in Höhe der geschätzten Haftungsquote an. In der Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretung ermächtigen die Mandanten die Kläger u.a. "zur Zahlung aller mit dem Unfall in Zusammenhang stehender Rechnungen aus Eigen- oder Fremdmitteln". Nach Erhalt der Rechnungen der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer gleicht die Kanzlei die Rechnungen jeweils in Höhe der geschätzten Haftungsquote aus. Die Kläger haben auf Anfrage den Inhabern von Kraftfahrzeugwerkstätten ihr Vorgehen erläutert. Diese Dienste bietet die Kanzlei auch Mandanten an, die nicht auf Empfehlung dieser Personen die Kläger aufsuchten.

Die Beklagte hält die Vorgehensweise für unzulässig. Sie hat daher beiden Klägern jeweils mit Schreiben vom 27. Juni 2013 einen belehrenden Hinweis gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO dahin gehend erteilt, dass die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen- und/oder Abschleppkosten für Mandanten im Rahmen der Bearbeitung von Verkehrsunfallangelegenheiten gegen § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO sowie gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO verstoße. Bei den verauslagten Beträgen handele es sich nicht um Aufwendungen i.S.v. § 670 BGB, sondern um Kosten i.S.v. § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO, welche die Kläger trügen, da sie das wirtschaftliche Risiko eines Forderungsausfalls übernähmen. Jedenfalls stelle die Zahlung einen Vorteil für die Reparaturwerkstatt, den Sachverständigen und den Abschleppunternehmer dar, weil die Kläger deren Streit- und Ausfallrisiko übernähmen. Diese würden dann ihren Kunden die Kanzlei der Kläger empfehlen.

Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage auf Aufhebung des belehrenden Hinweises abgewiesen. Zwar verstoße die praktizierte Abwicklung von Verkehrsunfällen nicht gegen § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO, weil sich die Kläger nicht dazu verpflichteten, unabhängig vom Ausgang der Schadensregulierung die Reparatur-, Sachverständigen- und Abschleppkosten endgültig zu übernehmen. Die Verfahrensweise stelle allerdings einen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO dar. Die Kläger gewährten den Kraftfahrzeugwerkstätten, die Mandanten an sie verwiesen, einen sonstigen Vorteil für die Vermittlung, der in der schnellen und risikofreien Bezahlung der Rechnungen liege. Der Senat hat die Berufung gegen dieses Urteil mit Beschluss vom 5. Dezember 2014 gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO zugelassen.

Der Kläger zu 1 ist am 2. April 2016 verstorben.

Seine Prozessbevollmächtige hat das Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, das Verfahren in Bezug auf den Kläger zu 1 einzustellen.

Die Klägerin zu 2 beantragt, das Urteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs BayAGH III - 4 - 7/13 vom 17. Februar 2014 sowie die Verwaltungsakte vom 27. Juni 2013 in Form von belehrenden Hinweisen B 1672/13 und B 1718/13 aufzuheben.

Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung hinsichtlich des Klägers zu 1 angeschlossen. Sie beantragt, die Berufung der Klägerin zu 2 zurückzuweisen.

Sie verteidigt ihren Bescheid hinsichtlich der Klägerin zu 2. Hinsichtlich des verstorbenen Klägers zu 1 hat sie ihn in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.

Gründe

I.

Das Verfahren ist durch den Tod des Klägers zu 1 nicht gemäß § 173 Satz 1 in Verbindung mit § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen worden, denn der Kläger zu 1 war durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten und dieser hat keinen Aussetzungsantrag gestellt (vgl. § 246 Abs. 1 ZPO). In einem solchen Fall wird das Verfahren mit Wirkung für und gegen die - noch unbekannten - Erben fortgeführt.

Nachdem das Verfahren von der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1 mit Schriftsatz vom 11. Mai 2016 für erledigt erklärt wurde und sich die Beklagte der Erledigungserklärung angeschlossen hat, ist es analog § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Die Erledigungserklärung der Prozessbevollmächtigten, deren Prozessvollmacht gemäß § 86 ZPO fortbesteht, ist als Erklärung der - noch unbekannten - Erben wirksam. Ferner war festzustellen, dass das Urteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 17. Februar 2014 hinsichtlich des Klägers zu 1 gegenstandslos geworden ist (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 ZPO).

Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten dem Kläger zu 1 aufzuerlegen, weil er ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre (siehe unter II.).

II.

Die Berufung der Klägerin zu 2 ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2, 3 VwGO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 VwGO) statthaft. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO hat er die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Stellt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer in Wahrnehmung seiner Aufgaben fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, so kann er diesen auf die Rechtsauffassung der Kammer hinweisen und über den Inhalt seiner Berufspflichten belehren; er kann ihm auch aufgeben, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Erteilt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer einem Kammermitglied eine derartige missbilligende Belehrung, so stellt diese eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie anfechtbar (BGH, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, AnwBl. 2012, 769 Rn. 5).

2. Die Berufung der Klägerin zu 2 hat keinen Erfolg. Der Anwaltsgerichtshof hat die Rechtslage im Ergebnis zutreffend gewürdigt.

a) Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht einen Verstoß gegen § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO verneint. Das in § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO enthaltene Verbot der Übernahme der Kosten eines vom Mandanten in Anspruch genommenen Gegners und/oder eines angerufenen Gerichts sowie von Verwaltungskosten durch den Rechtsanwalt ist mit Wirkung vom 1. Juli 2008 durch das Gesetz zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren in die Bundesrechtsanwaltsordnung aufgenommen worden. In den Gesetzgebungsmaterialien findet sich hierfür keine Begründung (BT-Drucks. 16/8384 S. 9); es dürfte auf die Überlegung zu stützen sein, dass eine entsprechende Kostenübernahme die anwaltliche Unabhängigkeit bei der Bearbeitung des Mandats gefährdet (Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 49b Rn. 70; ders., NJW 2010, 1845, 1846; vgl. auch BT-Drucks. 12/4993 S. 31).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO liegen hier nicht vor. Dem Rechtsanwalt ist es untersagt, Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder die Kosten anderer Beteiligter zu tragen. Er darf dem Mandanten nicht das Risiko der Rechtsverfolgung abnehmen, das heißt, bei erfolgloser Tätigkeit wirtschaftlich selbst für diese Kosten einstehen (Kilian, aaO Rn. 98). Hier unterfallen die von den Klägern verauslagten Beträge für Kraftfahrzeugwerkstätten und Abschleppunternehmer schon nicht den Rechtsverfolgungskosten; ob dies für die Auslagen für ein Sachverständigengutachten gilt, kann letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls gehen die von den Klägern getroffenen Vereinbarungen dahin, dass sie in jedem Fall, auch bei erfolgloser Tätigkeit und mithin fehlender Erstattung seitens Dritter, die verauslagten Kosten von den Mandaten ersetzt erhalten. Dass die Kläger ein wirtschaftliches Risiko tragen, im Falle einer Zahlungsunfähigkeit der Mandanten mit den Auslagen belastet zu bleiben, stellt sich nicht anders dar als bei sonstigen, zulässig vom Rechtsanwalt verauslagten Kosten der Rechtsverfolgung wie beispielsweise Gerichtskostenvorschüssen.

b) Zutreffend haben der Anwaltsgerichtshof und die Beklagte in der beanstandeten Verfahrensweise jedoch einen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO gesehen. § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO untersagt dem Rechtsanwalt, für die Vermittlung von Aufträgen einen Teil der Gebühren zu zahlen oder sonstige Vorteile zu gewähren. Es soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten, die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate "gekauft" und "verkauft" werden (BT-Drucks. 12/4993 S. 31; Kilian, aaO Rn. 159). Ein Rechtsanwalt, dem ein Mandat vermittelt wird, darf hierfür den Vermittler nicht belohnen (Kilian, aaO Rn. 161; vgl. auch OLG Thüringen, DStRE 2003, 700, 702 zum Steuerberater). Unter sonstigem Vorteil ist auch die Erbringung von berufsfremden Dienstleistungen zu verstehen, wie hier die sofortige Bezahlung der Rechnungen von Kraftfahrzeugwerkstätten und Abschleppunternehmern für den Mandanten. Die betroffenen Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer erhalten als Geldzahlung zwar nur ihre Leistungen im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfallereignis vergütet. Sie haben aber den sonstigen Vorteil einer sofortigen, sicheren Zahlung und sind deshalb an der von der Kanzlei der Kläger angebotenen Verfahrensweise interessiert, wie auch die von den Klägern geschilderten Kontaktaufnahmen mit der Bitte um Erläuterung des Vorgehens zeigen. Immerhin stammt nach den eigenen Angaben der Kläger etwa die Hälfte der Mandate aus diesem Geschäftsmodell.

Das Verbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO erfasst nur Provisionszahlungen bzw. die Gewährung von Vorteilen für ein konkret vermitteltes Mandat (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1298 Rn. 24). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Kläger bieten zwar allen Mandanten die Bezahlung der Rechnungen der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmern in Höhe der geschätzten Haftungsquote an, unabhängig davon, ob und gegebenenfalls auf wessen Empfehlung die Mandanten den Anwaltsvertrag mit ihnen geschlossen haben. Wenn die Mandanten jedoch auf Empfehlung der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer die Kanzlei der Kläger mit der Abwicklung der Verkehrsunfallsache beauftragt haben, ist in diesen konkreten Fällen die Ursächlichkeit gegeben. Die Kläger streben mit ihrer Vorgehensweise gerade an, dass die Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer, die den ersten Kontakt mit Verkehrsunfallopfern mit spezifischem Beratungsbedarf haben, ihre Kanzlei empfehlen. Die Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer erhalten den sonstigen Vorteil jeweils in einem konkreten Fall, in dem entweder ihre Empfehlung zur Mandatierung der Kläger geführt hat oder der Mandant aus sonstigen Gründen die Kläger beauftragt hat. Der Vorteil wird hingegen nicht allgemein und unabhängig vom konkreten Mandat gewährt. Dass mindestens in einem Fall eine Mandantin auf Empfehlung der Werkstatt die Kanzlei der Kläger beauftragt hat, ergibt sich aus der Beschwerdesache C. K. , die auf Empfehlung ihres Autohauses dem Kläger zu 1 das Mandat erteilt hatte.

c) Es kann dahinstehen, ob die Kläger durch die Zahlungen auf die Zahlungspflichten ihrer Mandanten deren Geschäft besorgen und sie lediglich einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) geltend machen oder ob es sich möglicherweise um erlaubnispflichtige Kreditgeschäfte des Rechtsanwalts im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 KWG handelt. Das Verhalten der Kläger gegenüber den Mandanten widerspricht auch dann den §§ 43, 43b BRAO, wenn eine Genehmigungspflicht nach den Kreditwesengesetz für diese Tätigkeit nicht besteht. Durch die Zusage, Werkstatt-, Abschlepp- und Sachverständigenkosten zu verauslagen, werden auch die Mandanten mit einer unentgeltlichen Leistung geworben, die in deren Situation keinen geringen Wert hat. Diese Werbung ist nicht berufsbezogen und zudem auf die Erteilung des Mandats im Einzelfall gerichtet. Die Verauslagung der Kosten des Mandanten wird in Aussicht gestellt, um diese nach Verkehrsunfällen, also bei bestehendem Beratungsbedarf, konkret zum Abschluss des Anwaltsvertrags zu bewegen. Dies ist unzulässig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser Roggenbuck Lohmann Kau Merk Vorinstanzen:

AGH München, Entscheidung vom 17.02.2014 - BayAGH III - 4 - 7/13 -






BGH:
Urteil v. 20.06.2016
Az: AnwZ (Brfg) 26/14


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