Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Februar 2000
Aktenzeichen: 15 W (pat) 12/98
(BPatG: Beschluss v. 08.02.2000, Az.: 15 W (pat) 12/98)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die am 3. Mai 1997 eingereichte Patentanmeldung P 197 18 849.4-45 betrifft eine
"Agglomeratfreie Suspension ohne zusätzliches Dispergiermittel".
Sie wurde von der Prüfungsstelle für die Klasse H 01 M des Deutschen Patentamts mit Beschluß vom 13. November 1997 zurückgewiesen. Dem Beschluß lagen die Patentansprüche 1 bis 6 vom 4. November 1997 zugrunde. Der Patentanspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:
"Suspension, die Polyethylenimin, Wasser oder Alkohol oder ein Wasser-Alkohol-Gemisch sowie feinkörniges Perowskit-Pulver aufweist".
Die Zurückweisung der Patentanmeldung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Entwicklung der beanspruchten Suspension bei Kenntnis der
(1) DE 42 07 659 A1 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluß hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie verfolgt das Patentbegehren weiter auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 18. Dezember 1997 eingereichten Patentansprüche 1 bis 5 (Hauptantrag); hilfsweise mit dem mit Schreiben vom 12. Januar 2000 eingereichten Patentanspruch 1 und den Patentansprüchen 2 bis 4 gemäß Hauptantrag (Hilfsantrag).
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Verfahren zur Herstellung einer Funktionsschicht einer Hochtemperaturbrennstoffzelle, bei dem die Schicht mittels Suspension erzeugt wird und bei dem die Suspension Polyethylenimin, Wasser oder Alkohol oder ein Wasser-Alkohol-Gemisch sowie feinkörniges Perowskit-Pulver aufweist".
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Herstellung einer Funktionsschicht einer Hochtemperaturbrennstoffzelle, bei dem die Schicht mittels Suspension erzeugt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Suspension ausschließlich Polyethylenimin zur elektrostatischen und sterischen Stabilisierung, Wasser oder Alkohol oder ein Wasser-Alkohol-Gemisch sowie feinkörniges Perowskit-Pulver aufweist".
Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Patentanmelderin im wesentlichen vorgetragen, daß der Fachmann die entgegengehaltene Druckschrift (1) bei der Lösung der anmeldungsgemäßen Aufgabe nicht in Betracht ziehen würde, da der auf Hochtemperaturbrennstoffzellen spezialisierte, vom Maschinenbau kommende Fachmann nicht den Stand der Technik zur Herstellung photoelektrochemischer Zellen kenne. Im übrigen sei es nicht naheliegend, das aus (1) für Titandioxid als sterisch stabilisierendes Dispergiermittel bekannte Polyethylenimin auch für Perowskit zu verwenden, da die Wirksamkeit der Dispergiermittel von der Oberflächenbeschaffenheit der festen Bestandteile in einer Suspension abhängig sei. Außerdem gäbe der Stand der Technik keine Anregung, lediglich ein Dispergiermittel einzusetzen, welches gleichzeitig sowohl für die elektrostatische als auch die sterische Stabilität der Suspension sorge.
Die Patentanmelderin hat mit Schriftsatz vom 20. Januar 2000 (Telefax) sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 18. Dezember 1997 eingereichten Unterlagen (Hauptantrag), hilfsweise mit dem Patentanspruch 1, eingereicht mit Schreiben vom 12. Januar 2000, und den Patentansprüchen 2 bis 4 gemäß Hauptantrag (Hilfsantrag) zu erteilen.
Nach Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin mit Telefax vom 20. Januar 2000 den Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und damit sinngemäß um Entscheidung nach Lage der Akten gebeten. Nach telefonischer Rücksprache mit der Anmelderin, in der auf einen möglicherweise negativen Ausgang des Verfahrens hingewiesen wurde, wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung mit Telefax vom 20. Januar 2000 aufgehoben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden und zulässig (PatG § 73). Sie konnte jedoch nicht zum Erfolg führen.
1. Wegen der ausreichenden Offenbarung der Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 5 nach Hauptantrag bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale aus den ursprünglichen Unterlagen herleitbar sind. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 sind offenbart in den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 7 in Verbindung mit den Seiten 1, 2 und 5 Absatz 3 der Beschreibung. Die Patentansprüche 2 bis 5 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 6.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von dem nach Hauptantrag dadurch, daß er sich darauf beschränkt, daß die Suspension nach Hauptantrag die dort bezeichneten Bestandteile (ggf zusammen mit anderen Bestandteilen) aufweist, während die Suspension nach Hilfsantrag ausschließlich aus diesen Bestandteilen besteht. Diese Beschränkung ist zulässig. Die Zweckangabe in diesem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag, daß das eingesetzte Polyethylenimin der elektrischen und sterischen Stabilisierung diene, ist in den ursprünglichen Unterlagen nicht wörtlich offenbart. Jedoch läßt es sich dadurch davon ableiten, daß dort ausgeführt wird, daß es im Unterschied zu bisherigen Suspensionen vorteilhaft nicht mehr erforderlich sei, ein weiteres Dispergiermittel (neben dem Elektrolyten) einzusetzen (vgl ursprüngliche Beschreibung, S 4, Z 19 bis 22 und (1), Sp 3, Z 5 bis 14).
2. Die Neuheit des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist gegeben, da in keiner der im Verfahren erörterten Druckschriften ein Verfahren zur Herstellung einer Funktionsschicht einer Hochtemperaturbrennstoffzelle mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 beschrieben ist. Das gleiche gilt auch für das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag.
3. Die Entwicklung des mit Haupt- und Hilfsantrag beanspruchten Verfahrens beruht jedoch auf keiner erfinderischen Tätigkeit.
Die Anmelderin hat festgestellt, daß bei der Herstellung von Funktionsschichten einer Hochtemperaturbrennstoffzelle unerwünschte Mikrostrukturen entstehen können, die auf Agglomerationen der feinkörnigen Bestandteile beruhen. Es soll daher mit dem beanspruchten Verfahren die Aufgabe gelöst werden, Suspensionen zu schaffen, bei denen Agglomerationen vermieden werden können. Der hier angesprochene Fachmann kann ein Maschinenbauer oder Elektrochemiker sein, der durch langjähriges Arbeiten auf dem Gebiet von Hochtemperaturbrennstoffzellen spezielle Kenntnisse unter anderem bei der Herstellung von Elektroden gesammelt hat. Dieser Fachmann wird sein Wissen nicht nur in der Literatur über Hochtemperaturbrennstoffzellen auf dem Laufenden halten sondern auch auf Nachbargebieten, die ebenfalls mit elektrochemischen Elektroden zu tun haben. So ist ihm auch das in (1) DE 42 07 659 A1 beschriebene Verfahren zur Herstellung einer Elektrode in einer photoelektrochemischen Zelle bekannt. Dort wird die poröse Funktionsschicht einer Elektrode mittels einer feinkörnigen Titandioxid-Suspension erzeugt, bei der die Suspension als Lösungsmittel unter anderem Wasser oder Alkohol und als Dispergiermittel Polyethylenimin aufweist (vgl (1), Anspruch 3, 5 und 7 iVm Sp 2, Z 66 bis Sp 3, Z 14). Die Korngröße des feinkörnigen Titandioxids ist dort bevorzugt 15 nm (vgl (1), Anspruch 4) und unterscheidet sich damit nicht vom anmeldungsgemäßen feinkörnigen Pulver, das nach Anspruch 3 eine Korngröße von weniger als 1 µm hat. Dieses bekannte Verfahren unterscheidet sich vom anmeldungsgemäßen lediglich dadurch, daß dort Titandioxid anstelle des anmeldungsgemäßen Perowskit eingesetzt ist. Allerdings wird in (1) bereits darauf hingewiesen, daß das dort verwendete Titandioxid zwar vorteilhaft sei, für derlei Elektroden aber auch unter anderem Perowskit geeignet sei (vgl (1), Sp 1, Z 29 bis 41). Sollte der Fachmann, aus welchen Gründen auch immer, anstelle von Titandioxid Perowskit für die Herstellung der Elektroden verwenden, wird ihm durch (1) nahegelegt, die Suspension nach einem der dort beschriebenen Verfahren herzustellen. Ein erfinderischer Schritt kann darin nicht erkannt werden.
Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist daher nicht patentfähig. Mit ihm fallen die Patentansprüche 2 bis 5 (vgl BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich - wie bereits ausgeführt - von dem nach Hauptantrag dadurch, daß die Suspension ausschließlich die dort aufgezählten Bestandteile beinhaltet, dh daß Polyethylenimin als alleiniges Dispergiermittel verwendet wird. Diese Möglichkeit ist jedoch auch in (1) angesprochen. Nach dem dortigen Patentanspruch 7 ist eine Variante, daß zur Ausbildung einer elektrostatisch und sterisch stabilisierten Dispersion Zusätze von Säuren, Basen oder Chelatbildnern beigemischt werden, worunter nach Patentanspruch 8 auch Polyethylenimin fällt. Der Fachmann liest daraus, daß auch dort Polyethylenimin ausschließlich als Dispergiermittel verwendet werden kann.
Daher ist auch das Verfahren nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar. Mit ihm fallen die ihm untergeordneten Patentansprüche 2 bis 4.
Kahr Deiß
Jordan Schroeter Mü/Na
BPatG:
Beschluss v. 08.02.2000
Az: 15 W (pat) 12/98
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