Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 16. Oktober 2000
Aktenzeichen: AnwZ (B) 71/99
(BGH: Beschluss v. 16.10.2000, Az.: AnwZ (B) 71/99)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. August 1999 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 30.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Mitglied der Antragsgegnerin. Er wendet sich gegen drei Beschlüsse, die durch die Versammlung der Kammer am 14. April 1999 gefaßt worden sind.
Die Einladung zur Kammerversammlung enthielt unter anderem folgende Tagesordnungspunkte:
2.
Rechnungslegung 1998 3.
Entlastung des Vorstands zu Ziff. 2 4.
Nachtragshaushaltsplan 1999 5.
Haushaltsvoranschlag 2000 6.
Kammerbeitrag 2000 In der Versammlung erläuterte der Schatzmeister der Antragsgegnerin zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 5 die Rechnungslegung für das Haushaltsjahr 1998, den Nachtragshaushaltsplan 1999 und den Haushaltsvoranschlag 2000. Der Antragsteller stellte daraufhin den Antrag:
"Eine Entscheidung über die Entlastung des Vorstands zur Rechnungslegung 1998, zum Nachtragshaushaltsplan 1999 sowie zum Haushaltsvoranschlag 2000 wird zurückgestellt bis zur Vorlage einer ordnungsgemäßen die Einnahmen und Ausgaben der RAK H. sowie ihr Vermögen umfassenden Aufstellung für das Jahr 1998 sowie voraussichtlich für die Jahre 1999 und 2000." Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Die Kammerversammlung beschloß sodann, jeweils mit Mehrheit, die Entlastung des Vorstands, den Nachtragshaushaltsplan 1999 sowie den Haushaltsvoranschlag 2000.
Mit am 14. Mai 1999 beim Anwaltsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller beantragt, die in der Kammerversammlung am 14. April 1999 zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 5 gefaßten Beschlüsse für unwirksam zu erklären. Er hat dazu im wesentlichen geltend gemacht: Nach den bindenden Entscheidungen der Kammerversammlung über die Entlastung des Vorstands zur Rechnungslegung 1998, über den Nachtragshaushaltsplan für 1999 und über den Haushaltsvoranschlag 2000 könne zum einen der Vorstand der Antragsgegnerin nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden, was Ausgaben des Jahres 1998 anlange, die nicht den Aufwand für gemeinschaftliche Angelegenheiten beträfen; zum anderen dürfe die Antragsgegnerin danach die zukünftigen Einnahmen und Ausgaben in dem beschlossenen Umfange tätigen. Beides habe unmittelbare Auswirkungen auf die von der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller geltend gemachten Kammerbeitragsforderungen, so daß er durch die angefochtenen Beschlüsse in seinen Rechten verletzt werde. Diese Beschlüsse seien rechtswidrig. Der Vorstand der Antragsgegnerin habe vor der Beschlußfassung den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnungslegung und Vermögensverwaltung nicht genügt. Dazu gehöre die Aufstellung eines Haushalts, bei dem die Einnahme- und die Ausgabetitel so präzise wie möglich zu bezeichnen seien. Diesen Anforderungen genügten weder der Rechnungsabschluß 1998 noch der Nachtragshaushalt 1999 oder der Voranschlag für das Jahr 2000. Die Angaben zu Einnahmen und Ausgaben seien nicht ausreichend untergliedert und insgesamt nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich der Vermögensverwaltung fehlten bereits konkrete Angaben über Anfangsbestand, Zugänge, Abgänge, Kosten usw., so daß die Kammerversammlung nicht in die Lage versetzt worden sei, ihrer Prüfungsaufgabe ordnungsgemäß nachzukommen. Zweifel an einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung bestünden schließlich insbesondere hinsichtlich des Haushaltstitels "Fürsorgeleistungen".
Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag zurückgewiesen. Mit der zugelassenen sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 91 Abs. 6 Satz 1 BRAO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
1.
Wahlen und (u.a.) Beschlüsse der Versammlung der Kammer kann der Anwaltsgerichtshof auf Antrag der Justizverwaltung für ungültig oder nichtig erklären, wenn sie unter Verletzung des Gesetzes oder der Satzung zustande gekommen oder wenn sie ihrem Inhalt nach mit dem Gesetz oder der Satzung nicht vereinbar sind (§ 90 Abs. 1 BRAO). Den Antrag kann neben der Justizverwaltung auch ein Mitglied der Kammerstellen. Das gilt hinsichtlich der Anfechtung von Wahlen uneingeschränkt, hinsichtlich eines Beschlusses aber nur dann, wenn das Mitglied durch den Beschluß in seinen Rechten verletzt ist (§ 90 Abs. 2 BRAO). Rechtsschutz wird dem Mitglied demgemäß insoweit nur gewährt, als es die Verletzung subjektiver Rechte -und nicht nur rein objektiven Rechts -geltend machen kann. Die Antragsbefugnis setzt deshalb voraus, daß der Antragsteller mit seinem Antrag geltend macht, durch den angegriffenen Beschluß in seinen Rechten verletzt zu sein (BGH, Beschluß vom 13. Mai 1985 -AnwZ (B) 49/84 -NJW 1986, 992 unter 1 b, aa); er muß schlüssig darlegen, daß eine Verletzung seiner Rechte aufgrund seines Tatsachenvortrags jedenfalls möglich ist. Daran fehlt es, wenn eine Verletzung in eigenen Rechten auch unter Berücksichtigung dieses Vortrags nach keiner Betrachtungsweise gegeben sein kann (vgl. EGH Hamburg, NJW 1985, 1084 unter 1 a). Ist eine Verletzung in eigenen Rechten nicht ausreichend dargetan, fehlt dem Antragsteller die Antragsbefugnis, so daß eine Sachprüfung von vornherein ausscheiden muß; der Antrag ist in einem solchen Falle unzulässig. Der Anwaltsgerichtshof ist unter Anlegung dieses Maßstabs zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß der Antragsteller hinsichtlich der von ihm beanstandeten Beschlüsse der Kammerversammlung nicht antragsbefugt ist.
2.
a) Eine Befugnis des Mitglieds, sich mit einem Antrag gemäß § 90 Abs. 1 BRAO gegen Beschlüsse der Kammerversammlung zu wenden, ist in der Rechtsprechung bisher vor allem in Fällen bejaht worden, in denen dem angegriffenen Beschluß unmittelbare Auswirkungen auf Leistungspflichten des Mitglieds gegenüber der Kammer zukam (BGHZ 35, 292 ff. -Erhebung einer Umlage -; BGH, Beschluß vom 25. Januar 1971 -AnwZ (B) 16/70 -EGE XI, 41 -Festsetzung des Kammerbeitrags -; BGHZ 66, 297 ff. -Gewährung von Zuschüssen mit Erhöhung des Kammerbeitrags -; EGH Berlin, BRAK-Mitt. 1986, 230 -Änderung der Sterbegeldregelung -). Zum anderen ist eine Verletzung des Mitglieds in eigenen Rechten in solchen Fällen angenommen worden, in denen etwa geltend gemacht worden war, der angegriffene Beschluß verletze das Mitglied in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, weil die Kammer mit dem Beschluß ihren Aufgabenbereich überschreite und sich ein politisches Mandat anmaße (BGH, Beschluß vom 13. Mai 1985, aaO; BayEGH, BRAK-Mitt. 1993, 48 ff.). Um die letzte Fallgruppe handelt es sich im vorliegenden Falle ersichtlich nicht. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann nach seinem Vorbringen aber auch nicht davon ausgegangen werden, daß die angegriffenen Beschlüsse unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe des von ihm erhobenen Kammerbeitrags haben. Über den Kammerbeitrag verhält sich der zu Tagesordnungspunkt 6 gefaßte Beschluß der Kammerversammlung (vgl. § 89 Abs. 2 Nr. 2 BRAO); ihn greift der Antragsteller mit seinem Antrag gemäß § 90 Abs. 1 BRAO aber gerade nicht an.
b) Wie der Antragsteller selbst vorträgt, sieht er eine Verletzung eigener Rechte letztlich darin, daß der Vorstand der Antragsgegnerin den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnungslegung, an eine detaillierte Haushaltsaufstellung nicht genügt, die Vermögensverwaltung nicht nachvollziehbar dargestellt habe; damit seien für die Kammerversammlung -und mithin auch für deren Mitglieder -nicht die Voraussetzungen geschaffen worden, um Beschlüsse im Rahmen des § 89 Abs. 2 Nr. 4, 6 BRAO zu fassen. Aber auch bei dieser Betrachtungsweise ist eine Verletzung des Antragstellers in eigenen Rechten nicht zu erkennen.
Die Wahrnehmung der Aufgaben nach § 89 Abs. 2 BRAO obliegt der Kammerversammlung in ihrer Gesamtheit, nicht ihrem einzelnen Mitglied. Die zur Wahrnehmung dieser Aufgabe erforderliche Unterrichtung und Information ist demgemäß der Kammerversammlung zu erteilen (vgl. § 73 Abs. 2 Nr. 7 BRAO), ohne daß insoweit und hierauf bezogen durch Gesetz oder Satzung ein Anspruch ihres einzelnen Mitglieds begründet worden ist. Sieht die Kammerversammlung keine ausreichende Tatsachengrundlage für ihre Entscheidung, kann sie die Beschlußfassung zurückstellen oder etwa dem Vorstand die Entlastung verweigern. Ebensowenig schreiben Gesetz oder Satzung vor, in welcher Art und Form die der Versammlung im Vorfeld ihres Beschlusses zu gewährende Unterrichtung zu erfolgen hat. Es bleibt insoweit der autonomen Entscheidung der Kammerversammlung überlassen, die Anforderungen an Rechnungslegung und Haushaltsplanung näher zu bestimmen. Daß durch diese rechtliche Gestaltung der Haushaltskontrolle subjektive Rechte des Antragstellers als Mitglied der Kammer verletzt werden könnten oder verletzt worden sind, ist nicht festzustellen. Die Rechtsstellung des Antragstellers als Mitglied der Kammerversammlung wird vielmehr durch das ihm zukommende Wahl- und Stimmrecht konkretisiert; damit verbunden ist das Recht des Mitglieds -unter den in der Geschäftsordnung näher geregelten Voraussetzungen -selbst Anträge zu stellen, dies gegebenenfalls auch, um weitere Unterrichtung über die nach § 89 Abs. 2 BRAO zu treffenden Entscheidungen zu erlangen. Daß diese Rechte des Antragstellers im vorliegenden Falle verletzt worden sein könnten, behauptet er selbst nicht. Die mehrheitliche Ablehnung des von ihm gestellten Antrages durch die Kammerversammlung kann eine Verletzung in eigenen Rechten ohnehin nicht begründen.
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BGH:
Beschluss v. 16.10.2000
Az: AnwZ (B) 71/99
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