Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 22. Oktober 2003
Aktenzeichen: 13 U 48/03
(OLG Köln: Urteil v. 22.10.2003, Az.: 13 U 48/03)
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 21. Februar 2003 - 3 O 253/02 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abge-ändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird ihrem Anerkenntnis gemäß verurteilt, alle Daten über Umsätze auf den bei ihrer Filiale Euskirchen geführten Konten und Depots des Klägers aus der Zeit bis 31.12.1991 mit einem Sperrvermerk zu versehen, der eine Verwendung der Daten zu anderen Zwecken als der Zurverfügungstellung durch Anforderung der Finanzbehörden im Ermittlungsverfahren S 1603 B -XV- AB-Nr. 424/97 verhindert.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Löschung aller Daten über Umsätze auf seinen bei der Filiale Euskirchen der Beklagten geführten Konten und Depots aus der Zeit bis 31.12.1991 in Anspruch. Die Beklagte sieht sich hieran aufgrund eines im Rahmen einer bundesweiten Durchsuchung ihrer Geschäftsräume im Juni 1998 seitens der Steuerfahndung ausgesprochenen Vernichtungsverbots hinsichtlich aller hierbei nicht beschlagnahmter oder separat archivierter Unterlagen gehindert. Mit Urteil vom 21.02.2003, auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger in erster Linie sein Löschungsbegehren weiter. Er meint, nach zwischenzeitlicher Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Mitarbeiter der Beklagten sei auch das Vernichtungsverbot nicht mehr existent. Auf Anfrage der Beklagten hat das Finanzamt G V mit Schreiben vom 21.08.2003 mitgeteilt, dass nach Prüfung des dort noch offenen Bestandes an Haupttäterverfahren und Belegen zu bisher unbekannten Anlegern eine Aufhebung des Vernichtungsverbotes derzeit nicht möglich sei. In der Berufungsverhandlung beantragt der Kläger nunmehr hilfsweise die Verurteilung der Beklagten, die in Rede stehenden Daten mit einem Sperrvermerk zu versehen, der eine Verwendung der Daten zu anderen Zwecken als der Zurverfügungstellung auf Anforderung der ermittelnden Finanzbehörden verhindere. Die Beklagte erkennt den Hilfsantrag unter Verwahrung gegen die Kosten an.
II.
Hinsichtlich des Hilfsantrages ist die Beklagte ihrem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen (§ 307 Abs.1 ZPO). Im Übrigen bleibt die Berufung erfolglos.
Das Landgericht hat in zutreffender Interessenabwägung den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Löschung aller Daten über Umsätze auf seinen bei der Beklagten geführten Konten und Depots aus der Zeit vor dem 01.01.1992 als (sinngemäß: derzeit) unbegründet abgewiesen, solange das von der Steuerfahndung bei der Vollziehung der gerichtlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung angeordnete Vernichtungsverbot einer solchen Löschung entgegen steht. Die zwischenzeitliche Einstellung des Ermittlungsverfahrens, soweit dieses sich gegen Verantwortliche und Mitarbeiter der Beklagten wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung richtete, hat angesichts der Tatsache, dass die Finanzverwaltung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die noch offenen Haupttäterverfahren gegen bisher unbekannte Anleger eine Aufhebung des Vernichtungsverbotes ausdrücklich abgelehnt hat (Schreiben vom 21.08.2003, Bl. 208 GA), nichts daran geändert, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, sich im Interesse des Klägers über diese behördliche Anordnung hinweg zu setzen oder Rechtsbehelfe gegen die Aufrechterhaltung des Vernichtungsverbotes zu ergreifen, soweit es die vom Klageanspruch erfassten personenbezogenen Daten angeht:
Nach § 35 Abs.2 Satz 2 Nr.1 BDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Nach § 28 Abs.1 Satz 1 Nr.2 BDSG bleibt die Speicherung zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Sinn und Zweck dieser Interessenabwägung ist die weitgehende Wahrung des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen (Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Stand: 58. Lieferung, Rn. 17/113 m.w.Nachw. in Fußn. 7). In Übereinstimmung mit dem Landgericht kommt es für die Beurteilung des Interesses der Beklagten an der fortdauernden Speicherung nicht entscheidend darauf an, ob das von der Steuerfahndung ausgesprochene Vernichtungsverbot rechtmäßig war und ist. Es genügt vielmehr festzustellen, dass der Beklagten nicht zuzumuten ist, diese weiterhin aufrecht erhaltene Anordnung hinsichtlich der streitgegenständlichen Daten des Klägers unbeachtet zu lassen. Dass sich das von der Steuerfahndung ausgesprochene Vernichtungsverbot auch auf die hier in Rede stehenden Daten des Klägers aus der Zeit vor dem 01.01.1992 erstreckt, folgt bereits aus der entsprechenden Beschlagnahmeanordnung und dem Zweck des Vernichtungsverbots, den "status quo" zu erhalten, um auf diese Weise der Einschränkung gerecht werden zu können, nur solche Unterlagen aus der Zeit vor dem 01.01.1992 zu beschlagnahmen, die nach ihrem Inhalt zur Aufklärung des Tatverdachts der Steuerhinterziehung geeignet sind. Die Beklagte hat weder die Möglichkeit noch die Befugnis, darüber zu befinden, ob die streitgegenständlichen Unterlagen, wie der Kläger geltend macht, "erkennbar in keinerlei Zusammenhang mit dem Gegenstand des Strafverfahrens stehen, weil - wie im vorliegenden Fall - die Kunden keine anonymen Geldtransfers getätigt haben" (Bl. 157 GA). Es obliegt auch nicht dem Gericht, im Rahmen des vorliegenden Zivilrechtsstreits um das Löschungsverlangen des Klägers zu entscheiden, ob ein solcher Zusammenhang ausgeschlossen ist oder nicht. Wenn - wie vom BVerfG (WM 1995, 234 ff.) gebilligt - zur sachgemäßen Aufklärung sogar die Beschlagnahme von Unterlagen solcher Bankkunden zulässig ist, bei denen ein Verdacht auf Verletzung ihrer steuerrechtlichen Pflichten nicht besteht, dann muss das allgemeine Interesse des Klägers an einer Löschung der in Rede stehenden Daten erst recht hinter dem Interesse der Beklagten zurückstehen, ein weniger einschneidendes Vernichtungsverbot zu beachten, um - für sie wie für ihre Kunden - belastendere Eingriffe zu vermeiden. Ein Vernichtungsverbot ist zwar in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen. Es besteht daher für die Beklagte auch keine mit staatlichen Zwangsmitteln durchsetzbare Pflicht, es zu beachten. Das Vernichtungsverbot stellt indessen gegenüber den gesetzlich geregelten Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchung und Beschlagnahme den geringeren Eingriff dar und kann daher zur Vermeidung solcher Zwangsmaßnahmen die fortdauernde Speicherung sonst zu löschender Daten rechtfertigen. Eine - sei es auch nur teilweise - Nichtbeachtung des Vernichtungsverbotes könnte die Beklagte zudem in den Verdacht der Beweisvereitelung bringen. Es ist auch nicht Aufgabe der Zivilgerichte, durch eine Löschungsverurteilung der Beklagten der Ermittlungsbehörde in Betracht kommendes Beweismaterial zu entziehen, obwohl diese "nach Prüfung des hier noch offenen Bestandes an Haupttäterverfahren und Belegen zu bisher unbekannten Anlegern" eine Aufhebung des Vernichtungsverbotes als "derzeit nicht möglich" ansieht (Bl. 208 GA). Die Beklagte hatte die Finanzverwaltung bereits im Jahre 2001 im eigenen Interesse um eine Aufhebung des im Juni 1998 ausgesprochenen Vernichtungsverbotes ersucht. Dies wurde abgelehnt, weil "Vorgänge aus den betroffenen Jahren auch für die Enttarnung von anonymen Transfers in das Ausland von Bedeutung sein" können (Schreiben vom 13.06.2001, Bl. 65 GA). In der erneuten Anfrage der Beklagten vom 18.06.2003 wurde eigens auf den vorliegenden Rechtsstreit (ohne Individualisierung) verwiesen und "zur Vorlage bei dem Gericht" um Mitteilung hinsichtlich des Fortbestandes oder - zumindest teilweiser - Aufhebung des Vernichtungsverbotes gebeten. Ausweislich des bereits angeführten Antwortschreibens vom 21.08.2003 betrifft die dort angesprochene teilweise Aufhebung des Vernichtungsverbots nur solche Unterlagen, die ihrem Inhalt nach zur Aufklärung des Tatverdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung geeignet sein konnten ("Unterlagen mit Beihilfebezug"), während es für die fortdauernden Ermittlungen gegen bisher unbekannte Anleger derzeit noch aufrecht erhalten bleibt. Zu weitergehenden Bemühungen um eine Aufhebung des Vernichtungsverbotes im Interesse des Klägers war und ist die Beklagte nicht verpflichtet. Die Beklagte hat kein Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung der Speicherung; sie will verständlicherweise aber keine beeinträchtigenderen Maßnahmen der Steuerfahndung provozieren und deshalb das Vernichtungsverbot trotz der damit für sie verbundenen Archivierungslast über die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen hinaus beachten. Der Kläger kann sein Interesse an einer Aufhebung bzw. Einschränkung des Vernichtungsverbotes, soweit es die streitgegenständlichen Unterlagen angeht, selbst gegenüber der Ermittlungsbehörde verfolgen. Dass er sich dort erst gar nicht als ein von dem Vernichtungsverbot Betroffener zu erkennen geben möchte, begründet nicht die (nachvertragliche) Verpflichtung der Beklagten, sich im Interesse des Klägers mit Rechtsbehelfen gegen die Aufrechterhaltung des Vernichtungsverbots zu wenden. Dem Interesse des Klägers, eine Verwendung der Daten für ermittlungsfremde Zwecke zu verhindern, wird durch die vom Kläger hilfsweise beantragte und von der Beklagten sofort anerkannte Sperrung der Daten, die zu einem relativen Nutzungsverbot führt, hinreichend Rechnung getragen.
III.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass eine Zulassung der Revision ausscheidet. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch bedarf es aus Gründen der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs.2 ZPO n.F.). Die prozessualen Nebenentscheidungen im Übrigen beruhen auf den §§ 93, 97 Abs.1, 708 Nr.1, Nr.11 2. Altern., 713 ZPO.
Streitwert der Berufung: bis 6.000 EUR (wie erste Instanz).
OLG Köln:
Urteil v. 22.10.2003
Az: 13 U 48/03
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