Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Juli 2004
Aktenzeichen: 11 W (pat) 701/03
(BPatG: Beschluss v. 05.07.2004, Az.: 11 W (pat) 701/03)
Tenor
Auf den Einspruch wird das Patent aufrechterhalten.
Gründe
I.
Die zugrunde liegende Patentanmeldung ist am 8. November 1997 beim Deutschen Patentamt eingereicht worden. Sie nimmt die innere Priorität der Voranmeldung 296 21 112.5 vom 5. Dezember 1996 in Anspruch. Nach der Prüfung ist die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung "Fliegenschutzgitter" am 8. Februar 2001 veröffentlicht worden.
Im Prüfungsverfahren sind folgende Entgegenhaltungen berücksichtigt worden:
D1: DE-Z. Der Rolladen-Jalousiebauer, 2/95 S 56 ff.
D2: US 3 080 621 D3: DE 78 07 667 U1 D4: US 3 025 906 Das Patent ist auf Antrag vom 26. September 2001, eingegangen am 27. September 2001, von S... GmbH in R..., auf die jetzige Patentinhaberin umgeschrieben worden.
Gegen das Patent haben die Fa. L... (Einsprechende I) am 3. Mai 2001 und die S... GmbH (Einsprechende II) am 8. Mai 2001 Einspruch erhoben. Die Einsprüche sind mit Gründen versehen und machen geltend, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu sei bzw. nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Die Einsprechende I nennt die bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten Entgegenhaltungen D1 sowie D2. Außerdem macht sie zwei offenkundige Vorbenutzungen geltend, wovon die eine das an die Familie K... in S... ge- lieferte und eingebaute Fliegenschutzgitter (Anlage E1) gemäß Rechnung vom 19. November 1996 und die andere das an die Familie S1... in W... im September 1996 gelieferte und eingebaute Fliegenschutzgitter (Anlage E14) gemäß Rechnung vom 26. September 1996 sei.
Zum Beweis der offenkundigen Vorbenutzungen des Gegenstands des geltenden Anspruchs 1 bietet die Einsprechende I mehrere Zeugen an. Außerdem reicht sie ein Konvolut von die Lieferung der Fliegenschutzgitter nach den Anlagen E1 und E14 betreffenden Schriftstücken, eidesstattliche Versicherungen, verschiedene Muster zu den angeblich vorbenutzten Fliegenschutzgittern sowie Videoaufnahmen und Fotos zum Ausbau der Fliegenschutzgitter bei den Familien K... und S... ein.
Die Einsprechende II nennt ebenfalls bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigte Entgegenhaltungen, die D1, D2 sowie D4, und darüber hinaus die Entgegenhaltungen:
D5: US 3 204 981 und D6: DE 39 10 121 A1.
Sie schließt sich dem Vorbringen der Einsprechenden I zu den geltend gemachten Vorbenutzungshandlungen an, s Schriftsatz vom 18. November 2002, S 2, 1. Abs.
Auf den Antrag der Einsprechenden II vom 18. November 2002, eingegangen am 20. November 2002, hin ist die Entscheidungsbefugnis auf den hierfür zuständigen 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts übergegangen.
Die Einsprechende I erklärt:
Die Einsprechende I und die Patentinhaberin haben eine einvernehmliche Regelung getroffen.
Die Einsprechende I nimmt den Einspruch zurück.
Die Einsprechende II beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten;
zusätzlich stellt sie den Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 27. Februar 2003, S 2, Abs. 2.
Sie führt dazu aus, die Erfindung sei gegenüber dem druckschriftlich genannten Stand der Technik patentfähig. Die beiden angeblichen offenkundigen Vorbenutzungen werden bestritten. Ein Sachverständigen-Gutachten (gemäß Beweisantrag) solle zur Klärung des Alters des angeblich von der Firma der Einsprechenden I am 19. November 1996 bei der Familie K... eingebauten und am 20. November 2000 als Beweismittel wieder ausgebauten Fliegenschutzgitters (Anlage E1) beitragen.
Der Senat hat den von der Einsprechenden I angebotenen Zeugen ... K... zu der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung "K..." (An- lage E1) und zur weiteren Vorbenutzung "S..." (Anlage E14) den Zeugen S... geladen. Die Einsprechende I hat daraufhin mit Schriftsatz vom 28. Mai 2004 auf den Zeugenbeweis durch Vernehmung ihres Zeugen Herr S... ... verzichtet.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben zur Frage der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung "K..." (Anlage E1) gemäß Be- weisbeschluss vom 03. Mai 2004 (Bl 32-36 dA) durch Vernehmung des Zeugen K... und des zur mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden I mitgebrachten Zeugen S2....
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 5.Juli 2004 Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
1. Über die Einsprüche ist gemäß § 147, Abs. 3, 1. Satz, PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Die frist- und formgerecht erhobenen Einsprüche sind hinreichend substantiiert und somit zulässig.
3. Die Einsprüche sind nicht begründet.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
"Fliegenschutzgitter zum Einhängen von außen in den Blendrahmen von Fenstern oder Türen bei schließbarem Flügelrahmen bestehend aus einem Spannrahmen mit einem Gewebeeinsatz, wobei an der Oberseite und an der Unterseite des Spannrahmens jeweils mit einem Horizontalsteg durch die Fuge zwischen dem Flügelrahmen sowie einer Anschlagkante am Blendrahmen hindurchgreifende Einhängelaschen angeordnet sind, die mit einem vom Horizontalsteg abgewinkelten Vertikalsteg in eingehängter Lage die Anschlagkante am Blendrahmen hintergreifen, dadurch gekennzeichnet, dass die Einhängelaschen (8) an der Oberseite des Spannrahmens (1) an je einer Vertikalführung (9) gelagert sind und gegen die Kraft einer Feder (19) aus ihrer Eingriffslage zum Hintergreifen der Anschlagkante (22) am Blendrahmen (20) heraus bezogen auf die Einbaulage vertikal verschieblich sind."
Die Unteransprüche 2 bis 7 sind auf Ausgestaltungen des Fliegenschutzgitters gemäß dem Anspruch 1 gerichtet.
Der Erfindung liegt sinngemäß die Aufgabe zugrunde, ein Fliegenschutzgitter zu schaffen, das auch in solche Fenster- oder Türrahmen eingehängt werden kann, die zwischen den Anschlagkanten am Blendrahmen und dem Flügelrahmen eine nur schmale Fuge aufweisen.
Fachmann ist ein Meister oder ein Techniker auf dem Gebiet des Fenster- und Türenbaus, insbesondere Rollladen- und Jalousienbaus, mit langjähriger Erfahrung in der Projektierung und der Herstellung von entsprechenden Fliegenschutzgittern.
3.1. Der geltende Anspruch 1 ist zulässig.
Der geltende Anspruch 1 ist gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 in zulässiger Weise dadurch beschränkend geändert, dass aus dem ursprünglichen Anspruch 3 die Lagerung der Einhängelaschen 8 an je einer Vertikalführung 9 und aus dem ursprünglichen Anspruch 2 (unter Streichung desselben) die vertikale Verschieblichkeit der Einhängelaschen 8 aufgenommen sind sowie das fakultative Merkmal der Verschwenkbarkeit der Einhängelaschen 8 gestrichen ist.
3.2. Der gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
3.2.1. Druckschriftlicher Stand der Technik Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem im Verfahren genannten druckschriftlichen Stand der Technik ist gegeben, weil keine der Entgegenhaltungen die Merkmale des Kennzeichenteils des Anspruchs 1 zeigt, nämlich am Spannrahmen des Fliegenschutzgitters gelagerte, gegen die Kraft einer Feder vertikal verschiebliche Einhängelaschen.
Aus der nächstkommenden DE-Z. Der Rolladen-Jalousiebauer, 2/95 S 56 ff. (D1) ist ein Fliegenschutzgitter mit allen Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 bekannt. Am Spannrahmen des Fliegenschutzgitters sind in den Eckbereichen vertikal angebrachte Einhängelaschen feststehend befestigt. Um die Montage am Blendrahmen eines Fensters oder einer Tür zu ermöglichen, ist der Abstand zwischen den Horizontalstegen der oberen und der unteren Einhängelaschen kleiner als die lichte Höhe zwischen den Anschlagkanten am Blendrahmen. Das Gitter wird von außen bei geöffnetem Fenster- oder Türflügel eingehängt, s Fig 1a. Dabei werden zunächst durch Hochschieben des Spannrahmens die oberen Einhängelaschen mit der oberen Anschlagkante am Blendrahmen in Eingriff gebracht, so dass der Spannrahmen mit seinen nach unten abgewinkelten unteren Einhängelaschen über die untere Anschlagkante am Blendrahmen hinweg nach innen geführt werden kann. Dann wird der Spannrahmen abgesenkt, bis die unteren Einhängelaschen mit ihren Horizontalstegen auf dem Rand der unteren Anschlagkante am Blendrahmen aufliegen, s Fig 1b. Dabei bewegen sich auch die fest am Spannrahmen befestigten oberen Einhängelaschen nach unten, wobei sich ihre Horizontalstege von der oberen Anschlagkante am Blendrahmen entfernen. Die Vertikalstege der oberen Einhängelaschen sind zwar in ihrer Länge so abgestimmt, dass sie auch nach dem Absenken die obere Anschlagkante am Blendrahmen hintergreifen. Nachteilig ist aber, dass in der Einhängelage die oberen Einhängelaschen nach unten in die Fensteröffnung des Blendrahmens überstehen. Dies erfordert breite Schattenfugen zwischen Blend- und Flügelrahmen oder führt bei Fenstern bzw. Türen mit schmaler Schattenfuge dazu, dass beim Schliessen des Fensters bzw. der Tür die oberen Einhängelaschen mit dem Flügelrahmen kollidieren.
Hier setzt die Erfindung ein, indem sie gegenüber einem gattungsgemäßen Fliegenschutzgitter bei gleicher komfortabler Handhabung auch bei schmaler Schattenfuge zwischen Blend- und Flügelrahmen eine Kollision zwischen den Einhängelaschen und dem geschlossenen Flügelrahmen vermeidet. Der Gegenstand nach Anspruch 1 unterscheidet sich vom bekannten Fliegenschutzgitter nach D1 durch die gegen die Kraft einer Feder verschiebliche Lagerung der oberen Einhängelaschen in je einer Vertikalführung. Aufgrund dieser Konstruktion bleiben während des Hochschiebens des Spannrahmens beim Einsetzen des Fliegenschutzgitters die oberen Einhängelaschen beim Anschlagen ihres Horizontalstegs an der oberen Anschlagkante am Blendrahmen stehen, so dass sie sich beim weiteren Hub des Spannrahmens gegenüber diesem gegen die Federkraft verschieben. Beim Absenken verschiebt sich der Spannrahmen relativ zu den oberen Einhängelaschen nach unten, wogegen die oberen Einhängelaschen aufgrund der sie beaufschlagenden Feder mit ihren Horizontalstegen an die obere Anschlagkante am Blendrahmen - auch in der abgesenkten unteren Endlage des Spannrahmens - gedrückt sind. Dadurch ist ein fester Sitz des Fliegenschutzgitters gewährleistet, wobei trotzdem auch bei schmaler Schattenfuge, insbesondere bei flächenbündigen Fenstern oder Türen, das Schließen des Flügels kollisionsfrei möglich ist. Die D1 gibt zu dieser einfachen, aber wirkungsvollen Lösung des Problems keinerlei Hinweis, weshalb der Fachmann - ausgehend von der D1 - nicht ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt.
Auch die weiteren im Verfahren genannten Entgegenhaltungen geben dem Fachmann weder Vorbild noch Anregung, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.
Aus der DE 39 10 121 A1 (D6), Fig 1b, 2b und 3b sowie Sp 3, Z 54-57, sind ebenfalls Fliegenschutzgitter mit die Anschlagkanten am Blendrahmen hintergreifenden Anschlagflanschen 34 bekannt, die der Funktion der gegenüber dem Spannrahmen unverschiebbaren Einhängelaschen des Fliegenschutzgitters nach der D1 entsprechen. Somit weisen auch diese bekannten Fliegenschutzgitter nur die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 auf. Sie sind jedoch - wie diejenigen nach D1 - nicht für Fenster mit einer schmalen Schattenfuge geeignet, da keine Maßnahmen vorgesehen sind, die beim Absenken des Spannrahmens den Anschlagflansch 34 an der Anschlagkante am Blendrahmen belassen, s Fig 1. Somit geht der Offenbarungsgehalt der D6 nicht über denjenigen der D1 hinaus.
Auch die DE 78 07 667 U1 (D3), Fig 5 und S 5, 1. Abs., zeigt ein Fliegenschutzgitter, das jedoch auf gänzlich andere Art im Blendrahmen befestigt wird als diejenigen nach D1 und D6. Es ist nämlich ein zusätzlicher, in den Blendrahmen eingesetzter Halterahmen 14 vorgesehen, der aus einem uförmigen Profil 18 mit federnden Schenkeln 19, 20 besteht. Diese elastischen Schenkel des Zusatzrahmens ermöglichen sowohl das Einsetzen als auch das klemmende Halten des Spannrahmens des Fliegenschutzgitters im eingebautem Zustand. Einhängelaschen sind bei dieser Konstruktion nicht vorgesehen, weshalb der Fachmann zur Lösung des erfindungsgemäßen Problems diese Druckschrift nicht näher in Betracht zieht, da sie keine Anregung zur beanspruchten Lösung liefern kann.
Aus der US 3 080 621 (D2), Fig 1 und 7, ist ein in einen Fensterrahmen einsetzbares Sturmfenster bekannt, das zur lösbaren Befestigung an seiner Oberkante seitlich in den Fensterrahmen einsetzbare Zapfen und an seiner Unterkante von Hand betätigte, seitlich verschiebbare Schnappriegelvorrichtungen aufweist. Eine Federbeaufschlagung von handbetätigten Schnappriegeln an einem Sturmfenster gibt dem Fachmann jedoch keine Anregung, erfindungsgemäß am Spannrahmen von Fliegenschutzgittern obere Einhängelaschen vorzusehen, die beim Hochschieben des Spannrahmens vertikal gegen die Kraft einer Feder verschoben werden und sich beim Absenken des Spannrahmens nicht mitbewegen, und so eine Kollision des Flügels mit den Einhängelaschen beim Schließen vermeiden.
Gleiches gilt für die lösbare Befestigung eines Sturmfensters an einem Fenster, wie es aus der US 3 025 906 (D4), Fig 1 und 2, bekannt ist. Dort ist eine Befestigungsvorrichtung mit einem Federmechanismus vorgesehen, die an der Außenseite des Blendrahmens des zu schützenden Fensters angebracht ist. Der Rahmen des Sturmfensters weist lediglich eine für die Aufnahme im Federmechanismus passende Ausnehmung auf. Erfindungsgemäße Einhängelaschen, die den Blendrahmen hintergreifend am Spannrahmen verschieblich angebracht sind, weist auch das Sturmfenster nach der D4 nicht auf. Daher gibt auch diese Druckschrift dem Fachmann keine zum Gegenstand des Anspruchs 1 führenden Hinweise.
Schließlich zeigt die US 3 204 981 (D5), Fig 1 bis 3, eine in einem Automobilfenster einhängbare Schutzvorrichtung mit einem federnden Rahmen, dessen starren oberen Laschen von der hochgefahrenen Fensterscheibe geklemmt werden. Somit liegt die D5 noch weiter ab als die übrigen Entgegenhaltungen und führt schon deshalb nicht zum Patentgegenstand.
Der Fachmann hat auch keine Veranlassung, die gattungsgemäßen D1 bzw D6 mit einer oder mehreren der übrigen im Verfahren genannten Druckschriften zu kombinieren. Denn keine dieser Druckschriften befasst sich mit dem Problem, ein Fliegenschutzgitter zu schaffen, das auch in solche Fenster- oder Türrahmen eingehängt werden kann, die zwischen den horizontalen Anschlagkanten am Blendrahmen und dem Flügelrahmen eine nur schmale Schattenfuge aufweisen, um eine Kollision des Flügels mit den Einhängelaschen beim Schließen zu verhindern.
Aus diesen Gründen bedurfte es aufgrund des genannten druckschriftlichen Stands der Technik erfinderischer Tätigkeit, um zur patentgemäßen Lösung der Aufgabe zu gelangen.
3.2.2. Offenkundige Vorbenutzungen Der Senat hat auch nach Rücknahme des von der Einsprechenden I erhobenen Einspruchs Ermittlungen zur Frage der offenkundigen Vorbenutzung gemäß §§ 46, 87 Abs. 1, 88 Abs. 1 PatG iVm §§ 59 Abs. 3, 61 Abs. 1 Satz 2, 147 Abs. 3 Satz 2 PatG für erforderlich gehalten, zumal sich die Einsprechende II das Vorbringen der Einsprechenden I zu eigen gemacht hat.
3.2.2.1. Zur Vorbenutzung "K..."
Die Vorbenutzung "K..." soll nach dem schriftlichen Vorbringen der Einspre- chenden I darin bestehen, dass das Fliegenschutzgitter gemäß Anlage E1 am 19. November 1996 von der Firma der Einsprechenden I an die Familie K... geliefert sowie eingebaut worden sei und bereits alle Merkmale des Fliegenschutzgitters gemäß Anspruch 1 des Streitpatents aufgewiesen habe, der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 demgegenüber folglich nicht neu sei. Die Einsprechende I stützt ihr Vorbringen i.W. auf die Vorlage des Fliegenschutzgitters (Anlage E1), das beim Kunden K... am 19. November1996 eingebaut und am 20. November 2000 als Beweismittel wieder ausgebaut worden sei, sowie insbesondere auf die Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen K... und S2... .
Die Augenscheinnahme des als Anlage E1 dem Senat vorgelegten Fliegenschutzgitters läßt alle im geltenden Anspruch 1 angegebenen Merkmale erkennen.
Im Einzelnen hat die Beweisaufnahme durch die Vernehmung des Zeugen K... aber folgendes ergeben:
Aus den Angaben des Zeugen K1... geht hervor, dass er im Jahr 1996 nach dem Besuch der jährlich im Oktober stattfindenden Messe Konsumenta (in Nürnberg) und nach Maßnehmen dann bei der Fa. L... mehrere Fliegen- schutzgitter zum Ein- und Aushängen in Fensterrahmen bestellt hat. Der Einbau und die Rechnungsstellung erfolgten demnach etwa 14 Tage nach der Messe. Diese Zeitangaben decken sich mit den Datumsangaben des Schriftverkehrs zwischen dem Zeugen K1... und der Fa. L... (E4 - E6). Insbeson- dere stammt die nach dem Einbau der Fliegenschutzgitter erstellte Rechnung vom 19. November 1996 vor dem für die Anmeldung maßgeblichen Prioritätstag am 5. Dezember 1996. Damit ist die Vorbenutzung eines einhängbaren Fliegenschutzgitters der Fa. L... durch den Zeugen K1... glaubhaft ge- macht. Auch die Offenkundigkeit dieses Fliegenschutzgitters der Fa. ... L... erscheint aufgrund des Einbaus bei dem Kunden K... glaubhaft, da von einer Geheimhaltung nicht die Rede ist, im Gegenteil die Fa. L... geschäftliches Interesse an der Offenkundigkeit ihrer Erzeugnisse hat und Bekannte des Zeugen K1... die eingebauten Gitter gesehen haben sollen, wie z.B. die Schwiegermutter von Herrn K... beim Fensterputzen und Nachbarn.
Der Zeuge K1... konnte jedoch Zweifel hinsichtlich des Nachweises, ob ein von der Fa. L... in seine Fenster im 19. November 1996 eingebautes Gitter sämtliche Merkmale des geltenden Anspruchs 1 aufwies, also mit dem dem Senat vorgelegten Gitter nach der Anlage E1 übereinstimmt, aus folgenden Gründen nicht ausräumen:
Nach Aussage des Zeugen K1... sei auf der Messe kein Muster gezeigt worden und beim Maßnehmen sei über die genaue Beschaffenheit des Fliegengitters nicht gesprochen worden. Kurz nach dem Einbau des Gitters habe er das Aushängen des Gitters, das ihm gezeigt worden sei, probiert und später das Gitter zusammen mit seiner Schwiegermutter zum Putzen ausgehängt.
In der mündlichen Verhandlung standen zwei äußerlich gleiche, jedoch mit starren und mit verschiebbaren Einhängelaschen ausgestattete Gitter zur Verfügung, von denen der Zeuge K1... auf Befragen dasjenige mit gefederten Einhängelaschen weder durch Augenschein noch durch die Handhabung bei der darauffolgenden Demonstration des Ein- bzw. Aushängens erkannte. Da die beiden Gitter äußerlich gleich sind, hätte bei Kenntnis der unterschiedlichen Funktion nur ein Prüfen der Verschiebbarkeit der Einhängelaschen per Hand den Unterschied der beiden Gitter zeigen können. Dies tat der als Kfz.-Mechaniker technisch zumindest für einen derartigen einfachen Gegenstand vorgebildete Zeuge K1... jedoch nicht. Zur Demonstration nahm der Zeuge K1... anscheinend wahllos eines der beiden Gitter und schob zum Einhängen des Gitters in einen bereitstehenden Blendrahmen das Gitter zuerst nach oben, dann schwenkte er den unteren Teil des Gitters nach innen und senkte das Gitter wieder nach unten ab - bzw. umgekehrt zum Aushängen des Gitters.
Diese Handhabung der Funktion ist zwar richtig, aber bei beiden Gitterarten genau gleich, unabhängig von verschiebbaren oder starren Einhängelaschen.
Mit keinem Wort oder sonstiger Demonstration ging der Zeuge K1... auf die Besonderheit der gegen eine Federkraft verschiebbaren oberen Einhängelaschen ein, die sich beim Absenken des Gitters gegenüber dem Blendrahmen nicht mehr mit dem Gitter nach unten bewegen. Die Demonstration der Gitterhandhabung durch den Zeugen K1... ist demnach nicht als Nachweis dafür anzusehen, dass ein beim Zeugen K1... im November 1996 eingebautes Gitter bereits die erfindungsgemäßen Einhängelaschen aufgewiesen hat.
Erst auf Nachfragen des Senats sagte der Zeuge K1.... aus, ihm sei in etwa um die Zeit nach dem Gittereinbau gesagt worden, dass die oberen "Winkel" (Einhängelaschen) beweglich seien, sich nach oben bewegen ließen.
Letzteres trifft aber nicht zu, da sich genau umgekehrt die oberen Einhängelaschen - gegen die Kraft einer Feder - nach unten bewegen lassen, da die Federkraft die Einhängelaschen beständig nach oben schiebt.
Aufgrund der Aussage des Zeugen K1... ist somit nicht zweifelsfrei nachgewiesen, dass ein von der Fa. L... vor dem Prioritätstag des Patents an den Kunden K... geliefertes und eingebautes Gitter bereits die kennzeich- nenden Merkmale des geltenden Anspruchs 1 aufwies, also mit dem dem Senat vorgelegten Gitter nach der Anlage E1 übereinstimme oder dessen Merkmale offenkundig gewesen sind.
Aus diesem Grund hat der Senat zusätzlich den nicht geladenen, aber zur mündlichen Verhandlung erschienen Zeugen Markus Siebenhorn vernommen. Im Einzelnen hat die Beweisaufnahme durch die Vernehmung des Zeugen ... S... folgendes ergeben:
Aus den Angaben des Zeugen S3... geht hervor, dass er damals (im Jahr 1996) wie heute als freier Handelsvertreter die Produkte der Fa. L... vertrieben hat bzw. vertreibt und 600 - 700 Kundenaufträge pro Jahr hat, was 80 % seines Umsatzes ausmacht.
Die Details des 1996 an Herrn K... gelieferten Fliegenschutzgitters mit "ge- federten Winkellaschen" (Einhängelaschen) sind dem Zeugen S3... dadurch be- kannt, dass er mangels eigener Erinnerung die Unterlagen von damals durchgesehen hat. Aufgrund des Buchstaben "F" hinter 1/8 beim Fenster nach der Position 6 der Aufmassliste nach Anlage E12, die aufgrund der Herstellungsnummer "363" zum Auftrag vom 8. November 2004 (E5) gehört habe, schließt der Zeuge S..., dass es sich damals um ein Gitter mit einem "Federeinhängewinkel" gehandelt haben müsse, wogegen bei fehlendem "F" hinter 1/8 es sich um Gitter mit festen Einhängewinkeln gehandelt hätte. Federeinhängewinkel seien bei flächenbündigen Fenstern eingesetzt worden, wenn keine Löcher in den Blendrahmen gebohrt werden sollten. Dies sei bei Aluminiumfenstern der Fall, weniger bei Holzfenster wegen einer dann eingesetzten Hülse. Um ein solches hätte es sich beim Fenster nach Position 5 in Anlage E12 gehandelt, weil dort Bohrungen erfordernde "Federstifte", aber kein "F" für Federeinhängewinkel, angegeben seien.
Demnach wären bei den Fenstern des Kunden K... Gitter sowohl mit Feder- einhängewinkel (Pos. 6 ) als auch mit Bohrungen erfordernden "Federstiften" (Pos. 5) mit dem gleichen Auftrag geliefert worden, was bei - nicht nachgewiesenem - unterschiedlichem Werkstoff der Fenster sein könnte, aber nicht zwingend so sein müsste. Auf Vorlage eines Fotos mit einem Fenster des Kunden K... erkennt der Zeuge S... das Fenster nicht, glaubt aber ein flächenversetztes Fenster zu erkennen. Flächenversetzte Fenster erfordern aber weder ein Gitter mit verschiebbaren Einhängelaschen noch Federstifte wie nach Position 5 in Anlage E12, da bei flächenversetzten Fenstern Gitter mit starren Einhängelaschen die einfachere Lösung darstellen.
Somit ist der Buchstabe "F" in der Aufmassliste E12 in Verbindung mit der Erinnerung des Zeugen S... an die damalige Bedeutung von "F" nach der Durchsicht der Unterlagen von 1996 der einzige schriftliche Hinweis darauf, dass vor dem Prioritätstag des Patents bereits Gitter mit verschiebbaren Einhängelaschen verkauft worden sein sollen. Es wurde kein weiteres Beweismittel vorgelegt, wie es zB eine Skizze oder eine Erläuterung der Bezeichnungen des "Neher-Systems" wie zB für die Abkürzung "F" in der Aufmaßliste E12. Auch fehlen Angaben zur Gitterausführung im Auftrag E5 und in der Rechnung E6 oder zur Ausführung der Fenster (flächenversetzt oder flächenbündig) oder zum Rahmenwerkstoff, die die Aussagen des Zeugen S... zum Buchstaben "F" untermauern hätten können.
Die Aufmassliste E12 war ein internes Dokument der Einsprechenden I, dessen Kennzeichnung mit dem Buchstaben "F" nur durch den von der Einsprechenden I wirtschaftlich abhängigen Zeugen S... zum Vorgang in 1996 gedeutet wird als "federbelastet verschiebbare Einhängelaschen". Eine Offenkundigkeit der betreffenden Merkmale bestätigt der Zeuge S... nicht.
Aus diesen Gründen ist auch unter Berücksichtigung der Zeugenaussage Siebenhorn nicht mit der gebotenen Sicherheit nachgewiesen, dass das von der Fa. L... seinerzeit an den Kunden "K..." gelieferte und ursprüng- lich eingebaute Fliegenschutzgitter bereits einen Spannrahmen mit Federeinhängewinkel gemäß dem angegriffenen Patent aufgewiesen hat und dass ein solches Gitter vor dem Zeitrang des angegriffenen Patents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.
Ein Fliegenschutzgitter mit Federeinhängewinkel gemäß den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents 1 kann damit nicht dem Stand der Technik zugerechnet werden.
Ein Fliegenschutzgitter mit starr am Spannrahmen befestigten Einhängewinkeln entspricht dem in der D1 gezeigten und beschriebenen Gitter und kann aus den gleichen, zur D1 ausgeführten Gründen dem angegriffenen Patent nicht patenthindernd im Wege stehen.
Aus diesen Gründen ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Patentgegenstand nicht patentfähig sei.
Der ebenfalls zur mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden I mitgebrachte Zeuge W... ist vom Senat nicht vernommen worden, da er lediglich als Zeuge für den Ausbau des Fliegenschutzgitters E1 bei der Familie K... am 20. November 2000 benannt worden ist. Diese Vernehmung hätte aber weder einen Nachweis über den Einbautag noch über den genauen Aufbau des von der Familie K... vorbenutzten Fliegenschutzgitters gebracht, zumal die zum Ausbau des Fliegenschutzgitters E1 eingereichten Fotos (Anlagen E2 und E3) ein als Ersatz am 20. November 2000 eingebautes Fliegenschutzgitter neueren Datums zeigen, was von der Einsprechenden I mit Schriftsatz vom 10. September 2002, S 4, le Abs., zugestanden worden ist.
Aus diesen Gründen sind die von der Einsprechenden I hinsichtlich des Ausbaus des Fliegenschutzgitters E1 behaupteten Tatsachen entscheidungsunerheblich.
Die zur geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung "K..." außerdem be- nannten Zeugen Herr L... und Herr P... sind vom Senat ebenfalls nicht vernommen worden. Herr L... kann nicht Zeuge sein, da er als Inhaber der Fa. L... gesetzlicher Vertreter der Einsprechenden I ist (Schulte PatG, 6. Aufl., § 46 Rdn 28). Der bei der Einsprechenden I angestellte Zeuge Herr P... ist nur im Zusammenhang mit der Herstellung des an die Familie K... ausgelieferten Fliegenschutzgitters E1 benannt worden.
Auf den zusätzlichen Beweisantrag der Patentinhaberin, ein Sachverständigen-Gutachten zur Klärung des Alters des Fensterschutzgitters E1 einzuholen, brauchte nicht eingegangen zu werden, da das Patent aufrechterhalten wurde.
3.2.2.2. Zur Vorbenutzung "S..."
Die von der Einsprechenden I geltend gemachte weitere offenkundige Vorbenutzung durch die Familie S... soll nach dem schriftlichen Vorbringen darin bestehen, dass das Fliegenschutzgitter gemäß Anlage E14 im September 1996 von der Firma der Einsprechenden I an die Familie S... geliefert sowie eingebaut worden sei und bereits alle Merkmale des Fliegenschutzgitters gemäß Anspruch 1 des Streitpatents aufgewiesen habe, weshalb der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 demgegenüber folglich nicht neu sei.
Da die Einsprechende I mit Schriftsatz vom 28. Mai 2004 auf den Zeugenbeweis durch Vernehmung ihres Zeugen S... verzichtet hat, hat sie - auch schon vor Rücknahme ihres Einspruchs - nicht mitgewirkt, den Sachverhalt hinsichtlich der weiteren Vorbenutzung "S..." festzustellen. Die Mitwirkung der Einsprechenden I ist aber bei - hier zutreffendem - schwer zu ermittelndem Sachverhalt Voraussetzung, gemäß der Amtsermittlungspflicht den Sachverhalt einer geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung festzustellen (Schulte PatG, 6. Aufl., § 59, Rdn 101).
Da der Zeuge Herr S... nicht zur Verfügung steht und auch die Ein- sprechende II nichts zum Nachweis der Vorbenutzung "S..." beiträgt, kann der Senat den behaupteten Sachverhalt nicht ermitteln.
Die übrigen von der Einsprechenden I zur offenkundigen Vorbenutzung "S..." im Schriftsatz vom 4. August 2003 benannten weiteren Zeugen sind vom Senat nicht vernommen worden, da sie lediglich als Zeugen für den Ausbau des Fliegenschutzgitters nach Anlage E14 bei der Familie S... am 28. April 2003 benannt worden sind. Diese Vernehmung hätte aber weder einen Nachweis über den Einbautag noch über den genauen Aufbau des von der Fami- lie S... vorbenutzten Fliegenschutzgitters gebracht - ebenso wenig wie die zum Ausbau des Fliegenschutzgitters nach Anlage E14 eingereichten Videoaufnahmen (Anlagen E15) und Fotos (Anlagen E15a und 15b). Daher sind die von der Einsprechenden I hinsichtlich des Ausbaus des Fliegenschutzgitters nach Anlage E14 behaupteten Tatsachen entscheidungsunerheblich.
Aus diesen Gründen ist auch die angebliche offenkundige Vorbenutzung "S...- ..." nicht dem vor dem Anmeldetag bekannt gewordenen Stand der Technik zuzurechnen.
4. Der geltende Anspruch 1 hat Bestand, da aus den dargelegten Gründen kein dem Patentgegenstand entgegenstehender Stand der Technik vorliegt.
Die geltenden Ansprüche 2 bis 7 enthalten zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Patentgegenstands und haben daher mit Anspruch 1 ebenfalls Bestand.
Dellinger Dr. Henkel Richter Sekretaruk ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert.
Dellinger Harrer Bb
BPatG:
Beschluss v. 05.07.2004
Az: 11 W (pat) 701/03
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