Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. September 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 110/01
(BPatG: Beschluss v. 17.09.2001, Az.: 30 W (pat) 110/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin hin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. Januar 2001 aufgehoben.
Gründe
I.
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist das Zeichenmit dem Warenverzeichnis
"Chipkartenlesegeräte und Datenverarbeitungsgeräte hierfür".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes, besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes, hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen, weil sie lediglich eine sprachüblich gebildete Wortkombination aus den Bestandteilen "CHIPDRIVE" und "smartpack" darstelle. "CHIPDRIVE" seinerseits sei aus dem Fachbegriff "CHIP" im Sinne einer integrierten Schaltung und "DRIVE" im Sinne von "Laufwerk, Treiber, Antrieb" zusammengesetzt; "smartpack" aus "smart" als der auf dem betreffenden Warengebiet üblichen Bezeichnung für gerätetechnische Intelligenz und "pack" als geläufigem Hinweis auf die Zusammensetzung mehrerer Einzelteile in einem "packet". Daher handle es sich unter Berücksichtigung der beanspruchten Waren um eine bloße beschreibende Angabe, der es an der notwendigen betriebskennzeichnenden Herkunftsfunktion mangele.
Die Anmelderin hat Beschwerde erhoben. Sie hält mit näheren Ausführungen die angemeldete Bezeichnung als sprachunüblich gebildete Wortsneuschöpfung sowohl für unterscheidungskräftig als auch für nicht freihaltebedürftig.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. Januar 2001 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die angemeldete Bezeichnung ist weder nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG noch nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.
An der angemeldeten Marke besteht kein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG. Es ist nicht ersichtlich, dass sie als konkrete unmittelbare Angabe über wesentliche Eigenschaften der unter dieser Marke angebotenen Waren dienen könnte und deshalb für die Mitbewerber der Anmelderin freigehalten werden müsste.
Zwar ist das angemeldete Zeichen aus den Bestandteilen "Chipdrive" und "smartpack" zusammengesetzt, wobei jeder dieser Bestandteile wiederum aus je zwei Einzelwörtern mit einem Bedeutungsgehalt besteht.
So wird "Chip" im hier angesprochenen Warensegment im Sinne eines einen oder mehrere integrierte Schaltkreise enthaltenden Halbleiterplättchens (vgl Brockhaus, Naturwissenschaften und Technik, Band 1, S 205), das aus einer Vielzahl elektronischer Bauelemente bestehen kann (vgl Irlbeck, Computerlexikon, 3. Aufl, S 158) verstanden, wie es allgemein in der Computertechnik Anwendung findet und damit einen Zentralbegriff der Rechnertechnologie darstellt (vgl Fachkompendium Informationstechnologie A-Z, Stichwort "Chip"). "Drive" als Substantiv wiederum ist die englische Bezeichnung für ein Computerlaufwerk (vgl PONS, Fachwörterbuch Datenverarbeitung, 1997, S 123) und in der Verbform für treiben oder antreiben, die infolge der Übernahme englischer Ausdrücke in die deutsche Fachsprache der Computertechnologie auch dort allgemein Verwendung finden.
"Smart" wiederum steht auf dem vorliegenden Warengebiet als geläufige Bezeichnung für eine gerätetechnische "Intelligenz", also die Möglichkeit der Anpassung an unterschiedliche Betriebszustände infolge vorheriger Programmierung (vgl BGH GRUR 1990, 517 - SMARTWARE). Der Bestandteil "pack" steht in diesem Zusammenhang als Hinweis auf die Zusammenfassung mehrerer Einzelteile in einem Gerät ("Paket") (vgl BPatG, 32 W (pat) 185/96 - POWERPACK, PAVIS-PROMA, Knoll).
Gleichwohl hat der Senat keine ausreichend sicheren Feststellungen dahingehend treffen können, dass die angemeldete Wortkombination in ihrer Gesamtheit, worauf abzustellen ist, da eine Marke vom Verkehr stets so und ohne zergliedernde Betrachtungsweise aufgenommen wird (vgl BGH GRUR 1996, 771 - THE HOME DEPOT; GRUR 1998, 394 Active Line; WRP 2001, 35 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION), eine für die damit angesprochenen Verkehrskreise verständliche beschreibende Angabe über die Art der damit gekennzeichneten Waren darstellt und daher freihaltebedürftig ist. Zwar mag die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit darauf hindeuten, dass damit ein besonders kompaktes Gerät -beziehungsweise die zu seinem Betrieb notwendige Software - zum Auslesen und Beschreiben mit Computerchips versehener Karten, also sogenannter Smartcards, bezeichnet wird, das vom angeschlossenen Computer wie ein Laufwerk angesprochen wird. Da sich für derartige, bereits längere Zeit bekannte Geräte die Bezeichnungen "card reader" oder "Kartenlesegerät" beziehungsweise "Kartenleser" als Fachbegriffe etabliert haben (vgl Microsoft Press Computer-Lexikon, Ausgabe 2001, S 398), ist nicht erkennbar, warum Mitbewerber der Anmelderin ein Interesse daran haben könnten, zur Bezeichnung derartiger Geräte auf den von der Anmelderin benutzten Begriff, der zumindest ungewöhnlich ist und nicht der Fachterminologie entspricht, zurückzugreifen, zumal dieser einer gewissen analysierenden Betrachtung bedarf. Gerade bei Fachbegriffen achtet der Verkehr darauf, sie einzuhalten, weil so nicht nur ein Mißverständnis, sondern auch der Eindruck mangelnder Sachkunde vermieden wird.
Der angemeldeten Marke kann auch nicht jede Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren eines Unternehmens gegenüber denjenigen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (st Rspr, vgl BGH MarkenR 2001, 34 - Zahnpastastrang; WRP 2001, 35 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; MarkenR 2001, 209 - Test it). Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, dh, jede, noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, dieses Schutzhindernis zu überwinden.
Die Unterscheidungskraft kann entfallen, wenn die Marke einen für die fraglichen Waren im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt hat. Das ist hier nicht der Fall, denn dass die angemeldete Bezeichnung im Zusammenhang mit dem beanspruchten Warenverzeichnis keine konkrete Sachangabe in Form einer Beschreibung aufweist, wurde bereits bei der Prüfung auf ein Freihaltebedürfnis festgestellt. Zwar unterliegen die Eintragungshindernisse des Freihaltebedürfnisses und der Unterscheidungskraft unterschiedlichen Voraussetzungen und sind - schon wegen des ungleichen Adressatenkreises - regelmäßig streng voneinander abzugrenzen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdnr 26). Wenn aber feststeht, dass ein in seinem Aussagegehalt verständliches Zeichen für die konkret betroffenen Waren keine Sachangabe ist und auch keine anderen Gesichtspunkte erkennbar sind, die gegen die Eignung des angemeldeten Ausdrucks als betrieblichen Herkunftshinweis sprechen, insbesondere, dass das Zeichen stets nur als (sinnhaltige) Wortfolge und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden wird (vgl zB BGH BlPMZ 1999, 408 - YES), kann ihm die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. So verhält es sich hier.
Dr. Buchetmann Schwarz-Angele Voit Hu
BPatG:
Beschluss v. 17.09.2001
Az: 30 W (pat) 110/01
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