Landgericht Köln:
Urteil vom 30. April 2013
Aktenzeichen: 11 S 290/12

(LG Köln: Urteil v. 30.04.2013, Az.: 11 S 290/12)

Tenor

Bei Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 01.06.2012 - 269 C 251/11 - teilweise abgeändert wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 954,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.562,88 € für die Zeit vom 03.09.2011 bis zum 17.11.2011, aus 553,28 € für die Zeit vom 18.11.2011 bis zum 28.11.2011 und aus 954,89 € seit dem 29.11.2011 zu zahlen, außerdem weitere 171,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 775,64 € für die Zeit vom 23.07.2011 bis zum 04.08.2011 und aus 171,71 € seit dem 05.08.2011.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten beider Instanzen tragen der Kläger zu 25 Prozent und die Beklagte zu 75 Prozent.

Das Urteil und das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch die andere Partei abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Am 06.07.2011 kam es in Köln zu einem Verkehrsunfall, an dem der Kläger sowie das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Fahrzeug beteiligt waren. Die Beklagte anerkannte vorgerichtlich die Haftung dem Grunde nach zu 100 Prozent und regulierte neben anderen Positionen unter anderem Mietwagenkosten in Höhe von 1.009,60 € ohne Anerkennung eines Rechtsgrundes betreffend den Umfang ersatzfähiger Mietwagenkosten (Zahlungseingang am 17.11.2011) sowie 603,93 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (Zahlungseingang am 04.08.2011). Der Kläger macht weitere Mietwagenkosten in Höhe von 1.281,19 € geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Noch am Tage des Verkehrsunfalles verbrachte der Kläger sein zu diesem Zeitpunkt 11½ Monate altes und 9.680 km gelaufenes Fahrzeug Citroën C1 zu einem Werkstatthof und beauftragte einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Fahrzeuges und der Ermittlung von Reparatur- und Wiederbeschaffungskosten. Weiterhin noch am Unfalltag mietete der Kläger ein Ersatzfahrzeug (Typ Peugeot); dieses Fahrzeug gab er bis zum 09.08.2011 zurück, um am gleichen Tage ein anderes Fahrzeug (Citroën C4 HDI) zu einem günstigeren Tarif anzumieten.

Am 08.07.2011 stellte der mit der Schadensermittlung beauftragte Sachverständige fest, dass zur Reparatur des Klägerfahrzeuges ein Betrag von 10.044,64 € brutto aufzuwenden sei und der Wiederbeschaffungswert auf 8.950,00 € zu veranschlagen sei.

Mit Schreiben vom 14.07.2011 erfolgte seitens des zwischenzeitlich beauftragten Prozessbevollmächtigten des Klägers Unfallanzeige gegenüber der Beklagten.

Am Freitag, dem 15.07.2011 ging das vom 08.07.2011 datierende Sachverständigengutachten beim Prozessbevollmächtigten des Klägers ein. Noch am gleichen Tage rechnete dieser ohne vorherige abschließende Beratung mit dem Kläger gegenüber der Beklagten auf Reparaturkostenbasis ab. Am 18.07.2011 erfolgte auf Grundlage des vorliegenden Sachverständigengutachtens eine Beratung zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten zur Frage der Abrechnung auf Reparaturkosten- oder Wiederbeschaffungswert-Basis. Am 21.07.2011 entschied sich der Kläger für eine Reparatur des Unfallfahrzeuges. In der Folge wurden seitens der beauftragten Werkstatt zunächst Ersatzteile bestellt. Die Werkstatt stellte sodann aber fest, dass der Schaden so wie vom Sachverständigen vorgeschlagen nicht zu beheben war. Am 11.08.2011 erfolgte daraufhin eine sachverständige Nachbesichtigung des Fahrzeuges mit dem Ergebnis, dass tatsächlich 12.500,00 € statt 10.044,64 € für die Reparatur aufzuwenden wären; dies erfuhr der Kläger am gleichen Tage. Daraufhin nahm der Kläger von der Durchführung einer Reparatur, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen worden war, Abstand und bestellte am 16.08.2011 ein Neufahrzeug gleichen Typs (Citroën C1) als Ersatzfahrzeug für sein Unfallfahrzeug, was am 06.09.2011 ausgeliefert wurde. An genanntem Tag beendete der Kläger das Mietverhältnis über das am 09.08.2011 angemietete Fahrzeug.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 15.07.2011 forderte Kläger die Beklagte zur Regulierung u. a. von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.150,49 € bis zum 22.07.2011 auf. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 26.08.2011, in dem der Kläger nunmehr abändernd auf Totalschadensbasis abrechnete, forderte der Kläger die Beklagte u. a. zur Regulierung von Mietwagenkosten in Höhe von 1.562,88 € bis zum 02.09.2011 auf. Mit Schreiben vom 21.11.2011 machte der Kläger gegenüber der Beklagten weitere Mietwagenkosten, ergebend nun eine Gesamthöhe von Mietwagenkosten in Höhe von 2.290,79 € abzüglich bereits geleisteter 1.009,60 €, geltend. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Teilbetrag von 1.562,88 € für das erste Fahrzeug und 727,91 € für das zweite Fahrzeug. Er setzte eine Zahlungsfrist bis zum 28.11.2011 und kündigte an, für den Fall der Nichtzahlung "das gerichtliche Verfahren" gegen die Beklagte "in die Wege zu leiten".

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass das Prognoserisiko auch im vorliegenden Fall beim Schädiger bzw. seinem Versicherer liege und dass beklagtenseits auch die sich aus der Bestellung eines Neuwagens ergebenden weiteren Mietwagenkosten zu tragen seien, da sein verunfalltes Fahrzeug noch kein Jahr alt war und er daher ein schützenswertes Interesse an der Bestellung eines Neufahrzeuges gehabt habe. Er hat behauptet, die Rechnungen für die Mietwagen ausgeglichen zu haben; mit einer Rückerstattung der geschuldeten und gezahlten Beträge sei nicht zu rechnen.

Die Beklagte hat behauptet, dass der Eintritt eines wirtschaftlichen Totalschadens von Anfang an offensichtlich gewesen sei. Der Kläger habe bei einer der namhaften Autovermieter billiger anmieten können; auch habe er nach Ansicht der Beklagten zu lange im Unfallersatztarif angemietet. Die Beklagte hat weiterhin behauptet, dass der Kläger bei entsprechender günstigerer Anmietung nicht nur in der ihm zuzubilligenden Frist von vierzehn Tagen für eine Fahrzeugersatzbeschaffung ein Mietfahrzeug hätte anmieten können, sondern auch eine 62-tägige Anmietung eines Ersatzfahrzeuges mit dem Betrag von 1.009,60 € hätte bezahlen können.

Der Kläger hat der Beklagten bereits erstinstanzlich Zugum-Zug die Abtretung von etwaigen Schadensersatzansprüchen gegen den das Schadensgutachten vom 08.07.2011 fertigenden Gutachter angeboten.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.281,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.562,88 € für die Zeit vom 03.09.2011 bis zum 17.11.2011, aus 553,28 € für die Zeit vom 18.11.2011 bis zum 28.11.2011 und aus 1.281,19 € seit dem 29.11.2011 zu zahlen, außerdem weitere 171,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 775,64 € für die Zeit vom 23.07.2011 bis zum 04.08.2011 und aus 171,71 € seit dem 05.08.2011.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen unter Verweis darauf, dass das an sich beim Schädiger liegende Prognoserisiko hinsichtlich der Reparaturkosten in dem Fall, dass laut Gutachten die Reparaturkosten oberhalb des Wiederbeschaffungswertes liegen, wenn auch Ersatz der Reparaturkosten noch verlangt werden könne, auf den Geschädigten übergehe.

Mit seiner Berufung beantragt der Kläger unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils weiterhin Verurteilung der Beklagten laut erstinstanzlichen Anträgen, die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

Die Parteien halten in zweiter Instanz ihren jeweiligen streitigen erstinstanzlichen Vortrag und ihre Rechtsansichten aufrecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen, insbesondere betreffend den Inhalt der Rechnungen der Autovermietungen auf Bl. 4 f. der Akten.

II.

Die verfahrensrechtlich bedenkenfreie Berufung hat auch in der Sache teilweisen Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten in tenorierter Höhe gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG.

Einem Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten steht zunächst nicht der Vortrag der Beklagten entgegen, der Eintritt eines "absoluten" Totalschadens sei von Anfang an offensichtlich gewesen. Denn angesichts der ersten sachverständigen Unfallkosteneinschätzung, die als solche von der Beklagten nicht angegriffen worden ist, war der Schaden sachverständigenseits kein offensichtlicher "absoluter" Totalschaden.

Sodann steht einem solchen Anspruch nicht bereits zuwider, dass entgegen der ersten Einschätzung des sachverständigen Unfallgutachters kein sogenannter "relativer", sondern ein sogenannter "absoluter" Totalschaden vorlag und der besonders lange Zeitraum einer Fahrzeuganmietung teilweise aus der Realisierung eines Schadenshöhe-Prognoserisikos herrührte:

Zwar hat der VI. Senat des BGH in einer Entscheidung vom 20.06.1972 - VI ZR 61/71 - jedenfalls für den Fall, dass die ursprüngliche Begutachtung des verunfallten Fahrzeuges ergibt, dass die Reparaturkosten die Wiederbeschaffungskosten übersteigen, jedoch innerhalb des Bereiches liegen, in dem der Geschädigte aufgrund seines Integritätsinteresses gleichwohl bei Ersatz der Reparaturkosten sein Fahrzeug reparieren lassen darf (im Einzelfall zu modifizierende Grenze eines Betrages von 130% des Wiederbeschaffungswertes), einen Übergang des zunächst stets beim Schädiger liegenden Prognoserisikos hinsichtlich der Reparaturkosten auf den Geschädigten als interessengerecht angesehen, jedenfalls, wenn die Reparatur, wie hier, ohne Befragen des Schädigers beauftragt wurde. Diese Auffassung wird damit begründet, dass zwar der Geschädigte sein Fahrzeug grundsätzlich auch bei Überschreiten der Wiederbeschaffungskosten reparieren darf, dass dies jedoch ein Sonderopfer des Schädigers darstellt, das nicht dadurch auszuweiten ist, dass dieser auch in dieser Fallgestaltung auch noch das Prognoserisiko für eine Kostenüberschreitung trägt. Vielmehr habe der Geschädigte dieses in diesem Fall zu tragen, in dem er sich für den teureren Weg der Reparatur trotz ("relativem") Totalschaden entscheidet. Dieser Rechtsansicht sind gefolgt das LG Tübingen (Urteil vom 26.09.2002, 1 S 49/02), das OLG München (Urteil vom 17.09.1993, 10 U 2711/93 - unter wohl fehlerhaftem Beruf auf BGH, Urteil vom 15.10.1991, VI ZR 314/90 und ggfs. aufgrund der Erwägung eines exorbitanten Reparaturzeitraumes) und das LG Essen (Urteil vom 16.05.1989, 2 O 125/89).

Ein anderer Teil der Rechtsprechung sieht auch im Fall einer Entscheidung für eine Reparatur trotz relativem Totalschaden das Prognoserisiko beim Schädiger verbleibend (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 11.10.2000, 7 U 203/98, OLG Bremen, Beschluss vom 21.10.2009, 3 U 44/09, AG Saarburg, Urteil vom 23.02.1988, 5 C 468/87, AG Dachau, Urteil vom 05.04.2011, 3 C 407/10, LG Bonn, Urteil vom 24.06.1997, 2 S 9/97, LG Stuttgart, Urteil vom 09.12.2011, 10 O 134/11, LG München, Urteil vom 17.03.2005, 19 S 18073/04, LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 09.12.2003, 10 O 4441/03, AG Hof, Urteil vom 02.08.2002, 15 C 804/02).

Die Kammer schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Es erscheint inkonsequent, dem Geschädigten mit Blick auf sein Integritätsinteresse eine Reparatur mit höheren Kosten als dem Wiederbeschaffungswert (im Einzelfall zu modifizierende Grenze von 130 %) zuzubilligen, ihn aber in dem Fall, dass er sich für eine Reparatur und gegen eine Ersatzbeschaffung entscheidet, mit dem Prognoserisiko zu belasten. Die Belastung des Schädigers mit den Wiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeuges übersteigenden Reparaturkosten stellt keine "Privilegierung" des Geschädigten zulasten des Schädigers aus affektivem Interesse heraus dar, sondern berücksichtigt, dass der Geschädigte ein Interesse haben kann, dass er ein Fahrzeug, das er als überdurchschnittlich zuverlässig erfahren hat, nicht zugunsten eines unbekannten Gebrauchtfahrzeuges oder des Wertes eines vergleichbaren Fahrzeugs aufgeben muss. Die Belastung ist letztlich Ausfluss des Prinzips der Naturalrestitution. Insofern ist es auch nicht so, dass eine Reparatur eines relativ totalbeschädigten Fahrzeuges als wirtschaftlich unvernünftig anzusehen ist. Die Kammer sieht sich in dieser Rechtsauffassung gestützt auch durch zwei Entscheidungen des VI. Senates des BGH aus den Jahren 1974 und 1991 (Entscheidungen vom 29.10.1974, VI ZR 42/73, und vom 15.10.1991, VI ZR 314/90). Der erstgenannten Entscheidung ist eine deutliche Betonung des Gedankens zu entnehmen, dass der Geschädigte wirtschaftlich so weit wie möglich so zu stellen ist, als ob der Unfall nicht eingetreten wäre, und dass der Geschädigte durch das Schadensereignis zwar nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt werden soll (vgl. juris-Rn. 9 der Entscheidung). Zugleich betont der VI. Senat des BGH in dieser Entscheidung, dass Kosten nur dann nicht als erforderlich angefallen anzusehen sind, wenn der Geschädigte diese wegen schuldhafter Verletzung seiner Pflicht zur Geringhaltung des Schadens zu verantworten hat (vgl. juris-Rn. 18 der Entscheidung). Dies steht aus Sicht der Kammer im Widerspruch dazu, dass dem Geschädigten aus der Ausübung eines ihm zustehenden Rechtes, nämlich der Wahl des Reparaturweges trotz "relativem" Totalschaden, auch ohne eigenes Verschulden bei der Einschätzung des Reparaturaufwandes ein Schaden entsteht, weil ihm das Prognoserisiko auferlegt wird. In der Entscheidung aus dem Jahr 1991 führt der VI. Senat des BGH aus, dass erst die Unverhältnismäßigkeit bei möglicher Naturalrestitution die Grenze bildet, ab der sich der Ersatzanspruch nicht mehr auf Herstellung, sondern auf Wertausgleich richtet (vgl. juris-Rn. 9 der Entscheidung). Aus Kammersicht hat dieser Gedanke ebenfalls zur Konsequenz, dass die Frage der Unverhältnismäßigkeits-Grenze nicht mit der Frage der Tragung des Prognoserisikos zu verquicken ist.

Die genannten Erwägungen haben Geltung nicht nur für die Reparaturkosten, sondern sind auch auf die Frage von Mietwagenkosten zu erstrecken. Der Kläger ist also nicht schon deshalb mit seinem Anspruch abzuweisen, weil die Mehrkosten letztlich auf einer fehlerhaften, aber nicht unsorgfältigen Kostenprognose beruhen. Weil bis zum 11.08.2011 noch keine Reparaturkosten angefallen waren, konnte er sich nach dem 11.08.2011 aufgrund neuer Kostenprognose (aufgrund derer er im Falle einer Reparatur nur noch den Wiederbeschaffungswert hätte verlangen können) noch für eine Ersatzfahrzeugbeschaffung umentscheiden, ohne dass ihm dies in Bezug auf seinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für ein Mietfahrzeug zum Nachteil zu gereichen hatte.

Die Klage hat aber nur teilweise Erfolg, weil die Anmietung des Ersatzfahrzeuges gleichwohl nicht über den gesamten Zeitraum vom 06.07. - 06.09.2011 erforderlich bzw. unfallbedingt war, sondern nur für den Zeitraum vom 06.07.2011 bis zum 25.08.2011 einschließlich:

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 15.07.2011 vom Inhalt des Erstschadensgutachtens erfuhr und der Kläger selbst jedenfalls nicht früher. Zuvor war der Kläger nicht gehalten, sich nach dem Stand der Begutachtung zu erkundigen, denn er hatte bis dahin noch keine Veranlassung von nicht sachgerechter bzw. zügiger Gutachtenerarbeitung auszugehen. Wie lange der Sachverständige für die Fertigstellung des Gutachtens und dessen Übermittlung benötigt, hat der Geschädigte nicht in der Hand. Ein Zeitraum von neun Tagen, der (naturgemäß) ein Wochenende beinhaltet, ist zudem nicht übermäßig lang. Denn das Gutachten muss nach Besichtigung des Fahrzeuges durch den Sachverständigen und Feststellung der Reparaturkosten sowie des Wiederbeschaffungswertes erstellt, diktiert, geschrieben und versandt werden. Auch die Tatsache, dass die Beratung des Klägers mit seinem Prozessbevollmächtigten erst am Montag, dem 18.07.2011 erfolgte, ist nicht zu beanstanden. Gleiches gilt - in Anbetracht des besonderen Umstandes, dass das Fahrzeug noch besonders neu war und auch eine Anschaffung eines Neufahrzeuges zu bedenken war - auch noch im Hinblick auf die dann noch drei Tage dauernde Zeit bis zur Entscheidung des Klägers zur Reparatur. Diesem Ergebnis steht die noch am 15.07.2011 erfolgende Anmeldung des Ersatzes von Reparaturkosten nicht entgegen, da diese vorauseilend und sicherheitshalber durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers ohne Rücksprache mit diesem erfolgte. Einem Anspruch nicht entgegenstehend ist auch der Umstand, dass dem Klägervortrag nicht explizit zu entnehmen ist, ob und wann der Kläger davon Kenntnis bekam, dass der vorgeschlagene Reparaturweg nicht gangbar war und eine Nachbesichtigung notwendig wurde. Vielmehr ist - auch in Anbetracht fehlenden Vortrags der Beklagten zu diesem Punkt - davon auszugehen, dass er von diesem Umstand erst am 11.08.2011 Kenntnis erlangt hat.

Für die Zeit ab dem 11.08.2011 ist aber dem Kläger nur noch eine Frist von zwei Wochen für die Ersatzbeschaffung für das verunfallte Fahrzeug zuzubilligen. Denn der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe einen Neuwagen bestellen dürfen, denn er trägt nicht vor, dass das Fahrzeug erst 1.000 km bzw. 3.000 km gelaufen sei und erst einen Monat alt gewesen sei (vgl. Grünewald in Palandt, § 249, Rn. 17 f.). Vielmehr war das Fahrzeug mehr als elf Monate alt und wies eine Fahrtleistung von über 9.500 km auf.

Die weiteren Einwände der Beklagten - betreffend den Anfall der Kosten sowie die Höhe der Tageskosten - sind nicht geeignet, den Anspruch des Klägers, soweit er nach dem obigen begründet ist, zu Fall zu bringen:

Der bestrittene Einwand, der Kläger habe die Mietwagenrechungen K2 und K3 nicht beglichen, ist unerheblich. Die Kammer schließt sich in diesem Zusammenhang den Ausführungen des OLG Hamm an:

"Denn das Interesse der Beklagten, als Befreiungsschuldner selbst zu bestimmen, wie sie die ihr obliegende Freistellung bewirkt, ist nur solange schützenswert, als sie überhaupt zur Leistung bereit ist. Lehnt sie diese generell ab, tritt ihr Interesse hinter dem des Gläubigers wegen des Verzuges nicht in Vorleistung treten zu müssen, wenn er zur Vereinfachung - ähnlich einem Vorschussverlangen nach § 669 BGB - unmittelbar auf Zahlung klagen kann, zurück. [...] Dementsprechend kann dahinstehen, ob der Kläger die Aufwendungen bereits erbracht, d.h. die Rechnung seines Anwalts bereits beglichen hat, und ihm schon aus diesem Grund ein Anspruch auf Zahlung statt auf Freistellung zusteht (vgl. Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 12 UWG Rdnr. 1.92a; MünchKomm-Krüger, 6. Aufl., § 257 BGB Rdnr.5; Staudinger-Bittner, Neub. 2009, § 257 BGB Rdnr. 8 mit jeweils unterschiedlicher Begründung zum selben Ergebnis)" (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 23.10.2012, I-4 U 134/12, 4 U 134/12, juris-Rn. 73 und 84).

Nichts anderes kann für die hier in Rede stehenden Mietwagenkosten gelten.

Warum der Kläger zur Zahlung der Mietwagenkosten nicht verpflichtet sein soll und im Falle einer Zahlung kondizieren können soll, ist nicht klar, da die Beklagte - auch in Ansehung der nicht angegriffenen eingeführten Anlagen K2 und K3 - hierzu in keiner Weise ausgeführt hat, ihr Vortrag statt dessen offensichtlich ins Blaue erfolgt.

Die Wochensatzhöhe liegt bezüglich beider Anmietungen unter dem Wert, den die in ständiger Rechtsprechung der Kammer für relevant gehaltene Schwacke-Liste, hier für das Jahr 2011, bezüglich des einschlägigen Postleitzahlenbereiches für die Mietwagenklasse 1 abzüglich eines Betrages von 10 % für ersparte Aufwendungen ausweist. Unter Berücksichtigung eines Betrages von 375,03 € als Wochenpauschale (arithmetisches Mittel), ergeben sich Beträge von (375,03 € * 5 * 0,9 =) 1.687,64 € bzw. (375,03 € * 4 * 0,9 =) 1.350,11 €, die geltend gemachten Beträgen von 1.562,88 € und 727,91 € gegenüberstehen. Dabei ist bei der ersten Anmietung trotz eines Zeitraumes von nur vier Wochen und sechs Tagen wie in der dem Kläger erteilten Rechnung von einem fünffachen Betrag der Wochenpauschale auszugehen, da dieser Betrag auch nach der Schwackeliste niedriger ist als der Betrag von vier Wochen- und sechs Tagespauschalen bzw. vier Wochen- und zwei Drei-Tages-Pauschalen. Der Einwand der Beklagten betreffend die Möglichkeit einer günstigeren Anmietung ist im Übrigen unsubstantiiert. Es ist zudem - insbesondere unter Berücksichtigung dieses Umstandes - nicht erkennbar, warum der Kläger verpflichtet gewesen sein soll, bereits vor dem 09.08.2011 in einen günstigeren Tarif zu wechseln.

Somit ist der Betrag der ersten Mietwagenanmietung hinsichtlich der Anmietdauer voll erstattungsfähig, der der zweiten nur zu 16/29 (entspricht 401,61 €); insbesondere ist in Ermangelung eines anderweitigen Vortrages des Klägers der Betrag für das zweite Mietfahrzeug linear zu kürzen.

Der Anspruch auf die vorgerichtlichen Kosten seines Prozessbevollmächtigten ergibt sich unter Berücksichtigung des Umstandes, dass auch in Ansehung der nur teilweise berechtigten Mietwagenkosten insgesamt ein Betrag von über 9.000,00 € zurecht gefordert wurde und sich somit der Betrag von 775,64 € errechnet.

Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich jeweils aus Verzug. Die Setzung von Zahlungsfristen in den Schreiben vom 15.07.2011, 16.08.2011 und 21.11.2011 seitens des Prozessbevollmächtigten des Klägers an die Beklagte als Versicherungsunternehmen ist als verzugsbegründend anzusehen; die gesetzten Fristen sind noch als angemessen anzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO war veranlasst, da die Frage der Tragung des Prognoserisikos in Fällen mit vergleichbaren Sachverhalten von grundlegender Bedeutung ist und aufgrund der oben bezeichneten Erwägungen trotz der Entscheidung des VI. Senates des BGH vom 20.06.1972, VI ZR 61/71, als erforderlich anzusehen ist zur die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Berufungsstreitwert: 1.281,19 €






LG Köln:
Urteil v. 30.04.2013
Az: 11 S 290/12


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