Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Februar 2000
Aktenzeichen: 14 W (pat) 43/99

(BPatG: Beschluss v. 22.02.2000, Az.: 14 W (pat) 43/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluß vom 10. Mai 1999 hat die Prüfungsstelle für Klasse C 05 G des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Herstellung von festen, rieselfähigen Düngemitteln"

zurückgewiesen.

Dem Beschluß liegen die am 6. Mai 1999 eingegangenen Patentansprüche 1 bis 3 zugrunde, von denen der Hauptanspruch wie folgt lautet:

"Verfahren zur Herstellung von festen, rieselfähigen, vorzugsweise pelletisierten Düngemitteln aus trockenen Abfällen, die als Düngemittel oder Düngemittelzusätze geeignet sind, unter Verwendung von Wasser, welches in Form von schlammförmigen Abfällen eingebracht wird, wobei die Mengen an trockenem Abfall einerseits und schlammförmigem Abfall andererseits so gewählt werden, daß eine zusätzliche nachträgliche Trocknung vermieden wird, dadurch gekennzeichnet, daß als trockene Abfälle Wirbelschichtaschen und/oder trockene Produkte aus Rauchgasentschwefelungsanlagen verwendet werden, sowie gegebenenfalls zusätzlich Aschen aus der Verbrennung von Papierreststoffen und Schleif- und Schneidstäube aus der Verarbeitung von Kalkstein, Dolomit, Gips und Talk, und als schlammförmige Abfälle verwendet werden Phosphatschlamm aus der Gelatineproduktion, Schleif- und Schneidschlämme aus der Verarbeitung von Kalkstein, Dolomit, Gips und Talk, Naßgipse sowie sulfat- und carbonathaltige Schlämme aus der Prozeßwasseraufbereitung."

Die Zurückweisung ist im wesentlichen damit begründet, das beanspruchte Verfahren beruhe gegenüber dem durch die Entgegenhaltungen

(1) DE 42 40 807 C1

(2) DD 233 554 A1

(3) DE 41 19 504 A1

(4) DE-OS 15 92 587

(5) DE 42 11 013 A1 belegten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Aus diesen Entgegenhaltungen sei es bekannt, trockene und schlammförmige Abfälle unter Berücksichtigung ihrer düngerelevanten Inhaltsstoffe zur Herstellung fester Düngemittel zu verwenden. Das Argument der Anmelderin, Wirbelschichtaschen sowie trockene Produkte aus Rauchgasentschwefelungsanlagen würden aufgrund ihres Sulfitgehaltes hierfür als ungeeignet gelten, könne nicht durchgreifen, da in (3) und (5) bereits die Verarbeitung von Gips aus Rauchgasentschwefelungsanlagen und von Aschen zu Düngemitteln beschrieben sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ihr Patentbegehren auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 und 2 weiterverfolgt. Der geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Herstellung von festen, rieselfähigen, vorzugsweise pelletisierten Düngemitteln aus trockenen Abfällen, die als Düngemittel oder Düngemittelzusätze geeignet sind, unter Verwendung von Wasser, welches in Form von schlammförmigen Abfällen eingebracht wird, wobei die Mengen an trockenem Abfall einerseits und schlammförmigem Abfall andererseits so gewählt werden, daß eine zusätzliche nachträgliche Trocknung vermieden wird, dadurch gekennzeichnet, daß als trockene Abfälle sulfithaltige, trockene Produkte aus Rauchgasentschwefelungsanlagen aber kein REA-Gips verwendet werden, sowie gegebenenfalls zusätzlich Aschen aus der Verbrennung von Papierreststoffen und Schleif- und Schneidstäube aus der Verarbeitung von Kalkstein, Dolomit, Gips und Talk, und als schlammförmige Abfälle verwendet werden Phosphatschlamm aus der Gelatineproduktion, Schleif- und Schneidschlämme aus der Verarbeitung von Kalkstein, Dolomit, Gips und Talk, Naßgipse sowie sulfat- und carbonathaltige Schlämme aus der Prozeßwasseraufbereitung."

Die Anmelderin trägt im wesentlichen vor, mit der Angabe "aber kein REA-Gips" werde eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei sulfithaltigen trockenen Produkten aus Rauchgasentschwefelungsanlagen im Sinne des Anspruchs 1 um Produkte des Sprühabsorptionsverfahrens (SAV) mit hohem Sulfitgehalt gemäß der vom Senat eingeführten Literaturstelle

(6) Zement-Kalk-Gips (46. Jg) Nr 5/1993, Seiten 268 bis 274 handele. Die Angabe sei als Disclaimer zur Ausnahme des Standes der Technik formuliert, da SAV-Produkte selbst in den ursprünglichen Unterlagen nicht wörtlich erwähnt seien. Es werde eingeräumt, daß REA-Gipse, wie zB auch durch (6) Tabelle 1 belegt, Spuren von Sulfit enthielten. Die vorbeschriebene Verwendung von REA-Gipsen zur Düngemittelherstellung in (3), die im übrigen in der Praxis nicht verwirklicht worden sei, habe aber nicht zur Verwendung von Trockenprodukten mit hohem Sulfitgehalt aus der Rauchgasentschwefelung führen können. Die nunmehr mit großem Erfolg und großen Umsätzen durchgeführte Düngemittelherstellung unter Einsatz der als problematisch geltenden SAV-Produkte ergebe überraschenderweise ein Düngemittel mit vorteilhaften Eigenschaften, da nicht nur die erwartete keimtötende Wirkung von Sulfit ausbleibe, sondern eine günstige Depotwirkung aufgrund der langsamen Aufoxidation des schwererlöslichen Calciumsulfits zum erwünschten Calciumsulfat beobachtet wurde.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 und 2 und einer noch anzupassenden Beschreibung zu erteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig (PatG § 73), kann aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen.

Der geltende Anspruch 1 geht nämlich mit der Angabe "sulfithaltige trockene Produkte aus Rauchgasentschwefelungsanlagen aber kein REA-Gips" über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist (PatG § 21, (1), 4).

In diesen ursprünglich eingereichten Unterlagen sind zwar ua trockene Produkte aus Rauchgasentschwefelungsanlagen als für die Düngemittelherstellung geeignete trockene Abfälle offenbart (vgl S 2 Abs 3 und urspr Anspruch 2). Über den möglichen Sulfitgehalt dieser trockenen Abfälle ist den ursprünglichen Unterlagen aber ausschließlich folgendes zu entnehmen (S 4 Abs 1): "Sofern der trockene Abfall einen Gehalt aus Sulfit aufweist, ist dieser beispielsweise in der Lage, Chrom-VI-haltige Aschen aus der Holzverbrennung zu entgiften, da das Sulfit zu einer Reduktion zu Chrom-III führt."

Damit liegt weder über die Herkunft noch über die Höhe des Sulfitgehaltes eine Aussage vor.

Mit der Angabe "aber kein REA-Gips" soll jedoch nunmehr ein trockenes REA-Produkt definiert werden, das einem SAV-Produkt (iSv (6) Tabelle 2) mit hohem Sulfitgehalt entspricht, der sich deutlich von dem üblichen Sulfitgehalt von REA-Gips (vgl zB (6) Tabelle 1) unterscheidet.

Eine derartige Lehre ist aber in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht enthalten. Die Maßgabe "aber kein REA-Gips" nimmt daher nicht lediglich einen bestimmten eng umgrenzten Bereich der trockenen Produkte aus Rauchgasentschwefelungsanlagen aus, sondern definiert eine besondere Spezies dieser Produkte, die einerseits - durch Aufnahme eines ursprünglich fakultativen Merkmals - sulfithaltig sein soll, sich aber andererseits von den sonstigen sulfithaltigen trokkenen Produkten aus der Rauchgasentschwefelung durch einen besonders hohen Sulfitgehalt unterscheiden soll. Nach der ursprünglichen Aufzählung insbesondere geeigneter trockener Abfälle (Anspruch 2 bzw S 2 Abs 3) - Klärschlammverbrennungsaschen, trockene Produkte aus Rauchgasentschwefelungsanlagen, Wirbelschichtaschen, Holzverbrennungsaschen und Aschen aus der Verbrennung von Papierreststoffen sowie Schleif- und Schneidstäube aus der Verarbeitung von Kalkstein, Dolomit, Gips und Talk - kam es aber auf einen besonders hohen Sulfitgehalt, wie auch auf die übrige Beschaffenheit, ersichtlich überhaupt nicht an.

Da der geltende Anspruch 1 somit mangels ausreichender Offenbarung seines Gegenstandes in den ursprünglichen Unterlagen nicht gewährbar ist [vgl hierzu auch BPatGE 3, 37 sowie die unveröffentlichte Entscheidung 16 W (pat) 22/83 vom 7. März 1985, referiert in GRUR 1986, 565 - (I.2.b)] war die Beschwerde zurückzuweisen.

Für die Beurteilung der Patentfähigkeit der in unzulässiger Weise beanspruchten Lehre bleibt bei dieser Sachlage kein Raum.

Moser Philipp Wagner Harrer Pü






BPatG:
Beschluss v. 22.02.2000
Az: 14 W (pat) 43/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d41662263037/BPatG_Beschluss_vom_22-Februar-2000_Az_14-W-pat-43-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share