Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 16. Oktober 1998
Aktenzeichen: 6 U 85/98

(OLG Köln: Urteil v. 16.10.1998, Az.: 6 U 85/98)

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 31. März 1998 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 18/98 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Unterlassungsausspruch der mit dem vorbezeichneten landgerichtlichen Urteil bestätigten einstweiligen Verfügung (Beschluß des Landgerichts Köln vom 13. Januar 1998) die folgende Neufassung erhält: "Die Antragsgegnerin hat es bei Vermeidung eines von Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Sprachtelekommunikationsdienstleistungen im Call by Call-Verfahren mit der Angabe: "ohne Wech-selgebühr!" zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wie nachstehend wiedergegeben: pp. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie und insgesamt zulässige Berufung der Antragsgegnerin bleibt in der Sache erfolglos.

Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die zunächst im Beschlußweg erlassene einstweilige Verfügung aufrechterhalten. Das darin ausgesprochene Verbot erweist sich auch unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin mit ihrer Berufung vorgebrachten Einwände als berechtigt.

Die Antragsstellerin hat die tatsächlichen Voraussetzungen des im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Unterlassungsbegehrens in einer für den Erlaß und die Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung ausreichenden Weise glaubhaft gemacht. Das Unterlassungsbegehren, dessen Dringlichkeit gemäß § 25 UWG zu vermuten ist, erweist sich danach unter dem Gesichtspunkt der irreführenden Werbung mit Selbstverständlichkeiten gemäß §§ 3, 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG als begründet. Denn der in der verfahrensgegenständlichen Werbeanzeige der Antragsgegnerin enthaltene Hinweis "ohne Wechselgebühr" ist geeignet, zumindest einen nicht unbeachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs in wettbewerblich relevanter Weise über das beworbene Angebot der Antragsgegnerin bzw. die damit verbundenen Preise und Kosten in die Irre zu führen.

Allerdings trifft es zu, daß von der Antragsstellerin weder jemals geplant war, bei Gesprächen im "Call by Call"-Verfahren eine sogenannte "Wechselgebühr" zu erheben, noch jemals eine solche von ihr gefordert war. Derartige "Wechselgebühren" standen unstreitig immer nur für das sogenannte "Pre-Selection"-Verfahren sowie für die "Portierung" in Rede. Insoweit stellt sich der Hinweis "Keine Wechselgebühr" in der streitbefangenen Werbeanzeige der Antragsgegnerin, mit der - auch wenn dieser Begriff in der Anzeige ausdrücklich keine Erwähnung findet - unstreitig ausschließlich Gespräche im "Callby-Call"-Verfahren beworben werden, zwar objektiv als richtig dar. Auch die Werbung mit objektiv richtigen Angaben kann aber dann unzulässig sein, wenn sie bei einem nicht unbeachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs einen unrichtigen Eindruck erwecken. Dieses wiederum ist dann der Fall, wenn Werbeangaben selbstverständliche Umstände, die zum Wesen der angebotenen Ware oder Leistung gehören, besonders hervorheben, so daß beim unkundigen Publikum, welches die Selbstverständlichkeit nicht erkennt, irrig angenommen wird, es werde ein Vorzug der angebotenen Ware oder Leistung beworben, der dieser gegenüber anderen vergleichbaren Angeboten der Konkurrenz anhafte, während in Wirklichkeit die Eigenschaften und Umstände bei allen Konkurrenzwaren und -angeboten gleichermaßen vorhanden sind (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., Rdnr. 53 zu § 3 UWG m.w.N.). Der in der Werbeanzeige hervorgehoben gestaltete Hinweis "keine Wechselgebühr" stellt sich im Streitfall aber als nach diesen Grundsätzen irreführend dar. Denn jedenfalls ein nicht unbeachtlicher Teil des angesprochenen Verkehrs, dem die Mitglieder des erkennenden Senats als potentielle Interessenten und Abnehmer der antragsgegnerseits angebotenen Telekommunikationsdienstleistungen zugehörig sind, wird diesen Hinweis aufgrund seiner besonderen grafischen Gestaltung und Positionierung in der Anzeige als Angabe des Inhalts verstehen, daß damit ein Vorteil gerade und nur der beworbenen Leistung dargestellt werden soll. Der unmittelbar neben der in der Art einer Überschrift gehaltenen Angabe "T." gesetzte Hinweis "ohne Wechselgebühr!" fällt sowohl durch diese Positionierung als auch durch grafische Gestaltung, nämlich seine vor dem roten Hintergrund erfolgte Umrandung mit einer weißen Linie, besonders ins Auge. Aufgrund des Umstandes, daß der Hinweis nach den vorbezeichneten Merkmalen in der Anzeige besonders hervorgehoben ist, wird ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrs aber darauf schließen, daß dieser Art der Hervorhebung eine besondere Eigenschaft des beworbenen Angebotes korrespondiert bzw. daß damit ein "besonderer", d. h. ein gerade und nur die Leistung des werbenden Unternehmens kennzeichnender Vorteil betont werden soll. Denn der bloßen Information über eine Eigenschaft des beworbenen Produktes oder der beworbenen Leistung, die diesem bzw. dieser mit allen anderen konkurrierenden Angeboten gemeinsam ist, mißt der Verkehr in aller Regel keine Besonderheit der in einer Anzeige konkret beworbenen individuellen Leistung des werbenden Unternehmens bei, so daß er auch keinen hervorgehobenen werblichen Hinweis darauf erwartet. Wird daher in einer Anzeige das Merkmal bzw. ein Umstand des beworbenen Angebots besonders betont, erwartet ein nicht unerheblicher Teil der Werbeadressaten einen besonderen Vorteil, der bei der Ware der Mitbewerber nicht ohne weiteres zu erhalten ist. Dies alles würdigend suggeriert daher der hier zu beurteilende Hinweis "keine Wechselgebühr" in der streitbefangenen Anzeige, daß bei Entscheidung für das antragsgegnerseits in der Werbung angebotene "Callby-Call"-Verfahren, anders als dies bei entsprechenden Angeboten der Konkurrenz der Fall sei, eine Wechselgebühr nicht erhoben werde.

Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber einwendet, eine Irreführung entfalle deshalb, weil für den Verkehr ohne weiteres feststellbar sei, daß generell - also bei von allen Anbietern feilgebotenen Telekommunikationsleistungen im Callby-Call-Verfahren - eine Wechselgebühr nicht gefordert werde, rechtfertigt das keine abweichende Beurteilung. Dies gilt zum einen bereits deshalb, weil sich die Antragsgegnerin mit diesem Einwand im Widerspruch zu ihrer Argumentation im übrigen setzt, wonach durch Presseberichte sowie durch die eigene Werbung der Antragsstellerin hinsichtlich der "Wechselgebühren" Konfusion im Verkehr verursacht worden sei, die sie - die Antragsgegnerin - aber mit dem hier zu beurteilenden Hinweis gerade habe beseitigen wollen. Einen solchen Aufklärungszweck des Hinweises kann die Antragsgegnerin indessen nicht für sich in Anspruch nehmen, wenn dem Verkehr - wie sie im gegebenen Zusammenhang argumentiert - ohnehin entweder von vorherein klar ist, oder aber er unschwer prüfen kann und zu prüfen gewohnt ist, daß bzw. ob für Telefonate im Callby-Call-Service von der Antragsstellerin eine Wechselgebühr gefordert wird. Jedenfalls aber kann zum anderen im Tatsächlichen nicht davon ausgegangen werden, daß dem Verkehr mit Ausnahme eines für die wettbewerbliche Beurteilung zu vernachlässigenden Teils bekannt ist, daß die Antragsstellerin von Anfang an nur für das Pre Selection-Verfahren sowie für die Portierung Wechselgebühren fordern wollte und sich diese von der Regulierungsbehörde zwischenzeitlich auch genehmigen ließ, daher der Verkehr die Selbstverständlichkeit des Nichtanfalls einer Wechselgebühr im Callby-Call-Verfahren erkenne. Denn auch wenn in eigenen Werbeanzeigen der Antragsstellerin sowie in Publikationen der Presse und sonstigen Medien die Absicht der Antragsstellerin veröffentlicht und diskutiert wurde, ihre Kunden bei einem Wechsel zu anderem Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen mit "Wechselgebühren" zu belasten, ist nicht ersichtlich, daß diesen Publikationen mit hinreichender Deutlichkeit und unvermißverständlich zu entnehmen war, daß sich diese Absicht der Antragsstellerin auf die Inanspruchnahme von Diensten fremder Anbieter lediglich in den Pre-Selection- und Portierungs-Verfahren beschränkte. Daß die angesprochenen Adressaten der Werbung im Fall der tatsächlichen Erprobung des Callby-Call-Verfahrens unschwer die Nichterhebung einer Wechselgebühr durch die Antragsstellerin feststellen können, nimmt dem Hinweis aber - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - von vornherein nicht die Eignung zur Irreführung. Denn auch wenn der Bundesgerichtshof in der sogenannten "Wäschestärkemittel"-Entscheidung (BGH GRUR 1963, 371/375) ausgeführt hat, daß nach Lage des Falls eine Irreführung dann ausscheiden kann, wenn ein Umstand betroffen ist, dessen Vorhandensein der Abnehmer bei verkehrsüblicher Verwendung der Ware unschwer selbst prüfen kann und zu prüfen gewohnt ist, greift diese Argumentation im Streitfall nicht. Das gilt schon deshalb, weil die Antragsgegnerin weder konkret dargelegt, noch glaubhaft gemacht hat, daß Telefonkunden der Antragsstellerin, die sich mit dem Gedanken an einen "Wechsel" zum Callby-Call-Verfahren tragen, das Entstehen einer sog. "Wechselgebühr" hierfür zu prüfen gewohnt sind. Allein der Umstand, daß sie es im konkreten Fall unschwer feststellen können und gegebenenfalls tatsächlich feststellen reicht aber auch nach der vorbezeichenten "Wäschestärkemittel"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht aus. Im gegebenen Zusammenhang ist ferner auch dem Umstand Rechnung zu tragen, daß dem Verbot der wettbewerblichen Irreführung der Gedanke zugrundeliegt, daß der Interessent angelockt und für das beworbene Angebot interessiert oder in einem Maße interessiert wird, wie er es ohne die in Rede stehende Angabe nicht getan hätte. Gerade letzteres ist aber dann der Fall, wenn der Kunde, hat er sich erst für ein Angebot entschieden, sodann feststellt, daß die beworbene Eigenschaft nichts Besonderes, sondern ein allen Angeboten gemeinsames Merkmal ist (vgl. Baumbach/Hefermehl a.a.O., Rdnr. 54 a zu § 3 UWG m.w.N.).

Auch der von der Antragsgegnerin bereits in erster Instanz vorgebrachte und in der Berufung wiederum aufgegriffene Gesichtspunkt der Abwehr und Aufklärung kann dem Verbot der in Rede stehenden Werbung nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Dies gilt im Streitfall schon deshalb, weil weder die Abwehr des vorangegangenen werblichen "Angriffs" eines Konkurrenten, noch die Aufklärung der angesprochenen Werbeadressaten eine Irreführung zumindest eines nicht unerheblichen Teil des Publikums rechtfertigen kann (vgl. BGH GRUR 1983, 335/336 - "Trainingsgerät"-).

Da ferner auch die wettbewerbliche Relevanz der Fehlvorstellung, bei Entscheidung für das beworbene Angebot der Antragsgegnerin einen besonderen Vorteil, nämlich eine Leistung ohne gleichzeitigen Anfall einer "Wechselgebühr" zu erlangen, ohne weiteres bejaht werden kann, ist insgesamt der Irreführungstatbestand im Sinne des § 3 UWG erfüllt.

Die Antragsstellerin ist dabei gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG schließlich auch prozeßführungsbefugt und aktivlegitimiert, den daraus folgenden Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Sie bietet nicht nur ebenso wie die Antragsgegnerin bundeweit Telekommunikationsdienste, mithin Leistungen zumindest vergleichbarer Art auf dem selben Markt wie die Antragsgegnerin an. Die in Rede stehende Handlung der Antragsgegnerin, deren Verbot die Antragsstellerin im vorliegenden Verfahren verfolgt, ist darüber hinaus auch geeignet, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Dies kann angesichts der das Angebot der Antragsgegnerin favorisierenden erheblichen Anlockwirkung der in Rede stehenden irreführenden Werbeangabe ohne weiteres bejaht werden.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig (§ 545 Abs. 2 ZPO).






OLG Köln:
Urteil v. 16.10.1998
Az: 6 U 85/98


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