Bundespatentgericht:
Urteil vom 12. August 2010
Aktenzeichen: 10 Ni 5/09
(BPatG: Urteil v. 12.08.2010, Az.: 10 Ni 5/09)
Tenor
1.) Das europäische Patent EP 0 790 157 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche folgende Fassung erhalten:
1.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) jener Art, die eine Druckflasche (174) mit Druckgas, brennbare Mittel (186) zur Verstärkung des gespeicherten Gases und Auslassmittel (230) zur Zuführung von Aufblasgas aus der Aufblasvorrichtung (170) zu einem Primärairbag-Luftkissen (14) aufweist, wobei die Aufblasvorrichtung (170) eine als einen zweiten Auslass von der Druckflasche (174) definierte Lüftungsöffnung (132) zur Abgabe gespeicherten Druckgases daraus umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass eine zerberstbare Membran (120) zur Abdichtung der Lüftungsöffnung (132) und Verhinderung eines vorzeitigen Stroms durch die Lüftungsöffnung (132) angeordnet und ein Mittel (110) zum Zerbersten der Membran (120) vorgesehen ist, um als Reaktion auf ein Steuersignal gespeichertes Gasaus der Druckflasche (174) durch die Lüftungsöffnung (132) vom Airbag-Rückhaltesystem zu entlüften, wobei das Mittel (110) zum Zerbersten der Membran (120) einen Zünder (134) aufweist, der ein explosives Material enthält, das in einer dicht neben der Membran (120) angeordneten Abdeckung (136) zum Zerbersten der Membran (120) enthalten ist.
2.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) jener Art, die eine Druckflasche (174) mit Druckgas, brennbare Mittel (186) zur Verstärkung des gespeicherten Gases und Auslassmittel (230) zur Zuführung von Aufblasgas aus der Aufblasvorrichtung (170) zu einem Primärairbag-Luftkissen (14) aufweist, wobei die Aufblasvorrichtung (170) eine als einen zweiten Auslass von der Druckflasche (174) definierte Lüftungsöffnung (132) zur Abgabe gespeicherten Druckgases daraus umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass eine zerberstbare Membran (120) zur Abdichtung der Lüftungsöffnung (132) und Verhinderung eines vorzeitigen Stroms durch die Lüftungsöffnung (132) angeordnet und ein Mittel (110) zum Zerbersten der Membran (120) vorgesehen ist, um als Reaktion auf ein Steuersignal gespeichertes Gas aus der Druckflasche (174) einem mit der Lüftungsöffnung (132) verbundenen zusätzlichen Airbag zuzuführen, wobei das Mittel (110) zum Zerbersten der Membran (120) einen Zünder (134) aufweist, der ein explosives Material enthält, das in einer dicht neben der Membran (120) angeordneten Abdeckung (136) zum Zerbersten der Membran (120) enthalten ist.
3.
Verbesserte Hybrid-Aufblasvorrichtung, nach Anspruch 1 oder 2, bei der die Druckflasche (174) länglich ist und die Lüftungsöffnung (132) in der Seitenwand der Druckflasche (174) ausgebildet ist.
4.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 3, weiterhin mit einem Gasgenerator (178), der das brennbare Mittel (186) zur Verstärkung des gespeicherten Gases enthält, wobei der Gasgenerator (178) in der Druckflasche (174) enthalten ist und einen Auslass (210) aufweist, der die Verbrennungsprodukte zum Ende der Druckflasche leitet.
5.
Hybrid-Aufblasvorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, bei der sich der Zünder (134) außerhalb der Druckflasche (174) befindet.
6.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 1 oder 2, weiterhin mit einer sich quer über die zerberstbare Membran (120) erstreckenden Lüftungsplatte (130), wobei die Lüftungsplatte (130) die Lüftungsöffnung (132) definiert und sich quer über eine in der Druckflasche (174) definierte größere Druckflaschenöffnung erstreckt, die durch die zerberstbare Membran (120) abgedichtet ist.
7.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 6, bei der die zerberstbare Membran (120) und die Lüftungsplatte (130) an einer sich durch die Druckflaschenöffnung erstreckenden Hülse (112) angebracht sind, und die Druckflaschenöffnung in der Seitenwand der Druckflasche definiert ist.
8.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 7, bei der die Hülse (112) einen sich radial erstreckenden Flansch (114) aufweist, der durch die Druckflasche (174)
aufgenommen wird und die dadurch definierte Öffnung umgibt.
9. Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 2, weiterhin mit einer Leitung (154), die zum Empfang von Gas aus der Lüftungsöffnung (132) und zur Leitung von aus der Lüftungsöffnung empfangenem Gas von der Druckflasche (174) weg verwendet wird.
2.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.
) Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen.
4.
) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 790 157 (Streitpatent), das am 25. Januar 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 15. Februar 1996 (Az: US 601946) angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent (EP 0 790 157 B1), das in deutscher Übersetzung beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer DE 697 25 767 T2 veröffentlicht worden ist, betrifft eine "Hybride Aufblasvorrichtung mit einstellbarer Charakteristik". Es umfasst 8 erteilte Patentansprüche, die in deutscher Übersetzung wie folgt lauten:
"1. Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) jener Art, die eine Druckflasche (174) mit Druckgas, brennbare Mittel (186) zur Verstärkung des gespeicherten Gases und Auslassmittel (230) zur Zuführung von Aufblasgas aus der Aufblasvorrichtung (170) zu einem Primärairbag-Luftkissen (14) aufweist, wobei die Aufblasvorrichtung (170) eine als einen zweiten Auslass von der Druckflasche (174) definierte Lüftungsöffnung (132) zur Abgabe gespeicherten Druckgases daraus umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass eine zerberstbare Membran (120) zur Abdichtung der Lüftungsöffnung (132) und Verhinderung eines vorzeitigen Stroms durch die Lüftungsöffnung (132) angeordnet und ein Mittel (110) zum Zerbersten der Membran (120) vorgesehen ist, um als Reaktion auf ein Steuersignal gespeichertes Gas aus der Druckflasche (174) durch die Lüftungsöffnung (132) zuzuführen, wobei das Mittel (110) zum Zerbersten der Membran (120) einen Zünder (134) aufweist, der ein explosives Material enthält, das in einer dicht neben der Membran (120) angeordneten Abdeckung (136) zum Zerbersten der Membran (120) enthalten ist.
2.
Verbesserte Hybrid-Aufblasvorrichtung, nach Anspruch 1, bei der die Druckflasche (174) länglich ist und die Lüftungsöffnung (132) in der Seitenwand der Druckflasche (174) ausgebildet ist.
3.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 2, weiterhin mit einem Gasgenerator (178), der das brennbare Mittel (186) zur Verstärkung des gespeicherten Gases enthält, wobei der Gasgenerator (178) in der Druckflasche (174) enthalten ist und einen Auslass (210) aufweist, der die Verbrennungsprodukte zum Ende der Druckflasche leitet.
4.
Hybrid-Aufblasvorrichtung nach Anspruch 1, bei der sich der Zünder (134) außerhalb der Druckflasche (174) befindet.
5.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 1, weiterhin mit einer sich quer über die zerberstbare Membran (120) erstreckenden Lüftungsplatte (130), wobei die Lüftungsplatte (130) die Lüftungsöffnung (132) definiert und sich quer über eine in der Druckflasche (174) definierte größere Druckflaschenöffnung erstreckt, die durch die zerberstbare Membran (120) abgedichtet ist.
6.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 5, bei der die zerberstbare Membran (120) und die Lüftungsplatte (130) an einer sich durch die Druckflaschenöffnung erstreckenden Hülse (112) angebracht sind, und die Druckflaschenöffnung in der Seitenwand der Druckflasche definiert ist.
7.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 6, bei der die Hülse (112) einen sich radial erstreckenden Flansch (114) aufweist, der durch die Druckflasche (174) aufgenommen wird und die dadurch definierte Öffnung umgibt.
8.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 1, weiterhin mit einer Leitung (154), die zum Empfang von Gas aus der Lüftungsöffnung (132) und zur Leitung von aus der Lüftungsöffnung empfangenem Gas von der Druckflasche (174) weg verwendet wird."
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Er sei nicht neu, beruhe jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Klägerin beruft sich hierbei im Wesentlichen auf folgende vorveröffentlichte Druckschriften:
US 5 022 674 A (A1), US 5 031 932 A (A2), Die Klägerin führt in diesem Zusammenhang aus, dass es dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents gegenüber den Schriften US 5 022 674 A (A1) oder US 5 031 932 A (A2) deshalb an Neuheit mangele, weil dessen Merkmale in jeder der beiden Schriften vollständig beschrieben seien. Zumindest ergebe sich aus einer Zusammenschau von jeder der Schriften US 5 022 674 A (A1) oder US 5 031 932 A (A2), die jeweils eine Hybrid-Aufblasvorrichtung zeigten, mit einer der Schriften US 5 439 249 (A3), US 5 413 378 (A4), DE 40 41 049 A1 (A5) oder US 5 221 109 (A11), die jeweils lehrten, Aufblasgas an die Außenluft abzugeben, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
US 5 439 249 A (A3), US 5 413 378 A (A4), DE 40 41 049 A1 (A5), US 5 221 109 A (A11).
Die Klägerin macht ferner geltend, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents über den Inhalt der Patentanmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Das abschließende Merkmal "wobei das Mittel (110) zum Zerbersten der Membran (120) einen Zünder (134) aufweist, der ein explosives Material enthält, das in einer dicht neben der Membran (120) angeordneten Abdeckung (136) zum Zerbersten der Membran (120) enthalten ist" sei in den ursprünglichen Unterlagen nur im Zusammenhang mit einer Lüftungsöffnung
(132) beschrieben, die in einem Abstand von und quer zu dem Auslass des Gasgenerators (178) angeordnet sei, um das Ablassen von heißen Verbrennungsteilchen auf ein Minimum zu reduzieren.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 12. August 2010 folgende 9 Patentansprüche vorgelegt, mit der sie ihr Patent beschränkt verteidigt:
1.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) jener Art, die eine Druckflasche (174) mit Druckgas, brennbare Mittel (186) zur Verstärkung des gespeicherten Gases und Auslassmittel (230) zur Zuführung von Aufblasgas aus der Aufblasvorrichtung (170) zu einem Primärairbag-Luftkissen (14) aufweist, wobei die Aufblasvorrichtung (170) eine als einen zweiten Auslass von der Druckflasche (174) definierte Lüftungsöffnung (132) zur Abgabe gespeicherten Druckgases daraus umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass eine zerberstbare Membran (120) zur Abdichtung der Lüftungsöffnung (132) und Verhinderung eines vorzeitigen Stroms durch die Lüftungsöffnung (132) angeordnet und ein Mittel (110) zum Zerbersten der Membran (120) vorgesehen ist, um als Reaktion auf ein Steuersignal gespeichertes Gas aus der Druckflasche (174) durch die Lüftungsöffnung (132) vom Airbag-Rückhaltesystem zu entlüften, wobei das Mittel (110) zum Zerbersten der Membran (120) einen Zünder (134) aufweist, der ein explosives Material enthält, das in einer dicht neben der Membran (120) angeordneten Abdeckung (136) zum Zerbersten der Membran (120) enthalten ist.
2.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) jener Art, die eine Druckflasche (174) mit Druckgas, brennbare Mittel (186) zur Verstärkung des gespeicherten Gases und Auslassmittel (230) zur Zuführung von Aufblasgas aus der Aufblasvorrichtung (170) zu einem Primärairbag-Luftkissen (14) aufweist, wobei die Aufblasvorrichtung (170) eine als einen zweiten Auslass von der Druckflasche (174) definierte Lüftungsöffnung (132) zur Abgabe gespeicherten Druckgases daraus umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass eine zerberstbare Membran (120) zur Abdichtung der Lüftungsöffnung (132) und Verhinderung eines vorzeitigen Stroms durch die Lüftungsöffnung (132) angeordnet und ein Mittel (110) zum Zerbersten der Membran
(120) vorgesehen ist, um als Reaktion auf ein Steuersignal gespeichertes Gas aus der Druckflasche (174) einem mit der Lüftungsöffnung (132) verbundenen zusätzlichen Airbag zuzuführen, wobei das Mittel (110) zum Zerbersten der Membran (120) einen Zünder (134) aufweist, der ein explosives Material enthält, das in einer dicht neben der Membran (120) angeordneten Abdeckung (136) zum Zerbersten der Membran (120) enthalten ist.
3.
Verbesserte Hybrid-Aufblasvorrichtung, nach Anspruch 1 oder 2, bei der die Druckflasche (174) länglich ist und die Lüftungsöffnung (132) in der Seitenwand der Druckflasche (174) ausgebildet ist.
4.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 3, weiterhin mit einem Gasgenerator (178), der das brennbare Mittel (186) zur Verstärkung des gespeicherten Gases enthält, wobei der Gasgenerator (178) in der Druckflasche (174) enthalten ist und einen Auslass (210) aufweist, der die Verbrennungsprodukte zum Ende der Druckflasche leitet.
5.
Hybrid-Aufblasvorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, bei der sich der Zünder (134) außerhalb der Druckflasche (174) befindet.
6.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 1 oder 2, weiterhin mit einer sich quer über die zerberstbare Membran (120) erstreckenden Lüftungsplatte (130), wobei die Lüftungsplatte (130) die Lüftungsöffnung (132) definiert und sich quer über eine in der Druckflasche (174) definierte größere Druckflaschenöffnung erstreckt, die durch die zerberstbare Membran (120) abgedichtet ist.
7.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 6, bei der die zerberstbare Membran (120) und die Lüftungsplatte (130) an einer sich durch die Druckflaschenöffnung erstreckenden Hülse (112) angebracht sind, und die Druckflaschenöffnung in der Seitenwand der Druckflasche definiert ist.
8.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 7, bei der die Hülse (112) einen sich radial erstreckenden Flansch (114) aufweist, der durch die Druckflasche (174) aufgenommen wird und die dadurch definierte Öffnung umgibt.
9.
Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) nach Anspruch 2, weiterhin mit einer Leitung (154), die zum Empfang von Gas aus der Lüftungsöffnung (132) und zur Leitung von aus der Lüftungsöffnung empfangenem Gas von der Druckflasche (174) weg verwendet wird.
Die Klägerin hält das Streitpatent auch in der verteidigten Fassung nicht für rechtsbeständig.
Die Klägerin stellt den Antrag, das europäische Patent EP 0 790 157 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland auch im Umfang des verteidigten Anspruches 1 und der auf diesen Anspruch unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Unteransprüche für nichtig zu erklären.
Die Beklagte stellt den Antrag, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in Form der in der mündlichen Verhandlung vom 12. August 2010 überreichten Ansprüche 1 bis 9 richtet.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik für patentfähig. Sie ist ferner der Auffassung, dass der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung nicht gegeben und die von ihr verteidigte Fassung des Patents zulässig sei.
Gründe
Die Nichtigkeitsklage, mit der die in Artikel II § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit. a und c EPÜ i. V. m. Artikel 54 Abs. 1, 2 und Artikel 56 EPÜ bestimmten Nichtigkeitsgründe -nämlich einerseits mangelnde Patentfähigkeit und andererseits eine unzulässigen Erweiterung des europäischen Patents gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung geltend gemacht werden, ist zulässig und gemäß §§ 99 Abs. 1 PatG, 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO weiterhin richtig gegen die Beklagte gerichtet, auch nachdem nach Rechtshängigkeit der Klage das Streitpatent im Patentregister auf eine andere Patentinhaberin umgeschrieben worden ist (vgl. BGH BIPMZ 1992, 255 - Tauchcomputer). Die Klage ist aber im weitaus überwiegenden Umfang nicht begründet.
I.
Das Streitpatent ist zunächst ohne Sachprüfung insoweit für nichtig zu erklären, als es über die von der Beklagten nur noch beschränkt verteidigte Fassung hinausgeht. Dies folgt alleine aus dem Umstand, dass es sich bei der verteidigten Anspruchsfassung um eine zulässige Beschränkung des Patents handelt (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 81 Rdn. 131 m. w. N.). Die Beklagte hat zwar in den verteidigten Ansprüchen 1 und 2 das von der Klägerin im erteilten Anspruch 1 als unzulässige Erweiterung beanstandete, abschließende Merkmal "wobei das Mittel (110) zum Zerbersten der Membran (120) einen Zünder (134) aufweist, der ein explosives Material enthält, das in einer dicht neben der Membran (120) angeordneten Abdeckung (136) zum Zerbersten der Membran (120) enthalten ist" übernommen. Der Einschätzung der Klägerin kann jedoch nicht gefolgt werden. Bei dem genannten Merkmal handelt es sich um ein in den ursprünglich eingereichen Unterlagen als erfindungswesentlich offenbartes Merkmal, wie in den nachfolgenden Kapiteln zur Zulässigkeit noch näher ausgeführt wird.
II.
Die weitergehende Klage hat keinen Erfolg. Der Gegenstand des beschränkt verteidigten Streitpatents ist neu und er ergibt sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ).
1. Stand der Technik Das Patent betrifft eine Hybrid-Aufblasvorrichtung zum Aufblasen eines Airbag-Rückhaltesystems in einem Fahrzeug. Ein derartiges Airbag-Rückhaltesystem beinhaltet ein von einer Aufblasvorrichtung aufblasbares Gaskissen, dessen Aufblasen bzw. Füllen bei einem Unfall erfolgt und der Sicherheit des Fahrzeuginsassen dient. Sowohl auf der Fahrerseite, als auch auf der Beifahrerseite sind in modernen Fahrzeugen derartige Airbag-Systeme vorhanden. Bei modernen Systemen, insbesondere bei größeren Airbags wird die Leistungscharakteristik (also bspw. die Verzögerung der Auslösung nach dem Fahrzeugaufprall, die Aufblasgeschwindigkeit und die Aufblasmenge) vorzugsweise als Funktion von Variablen, die die Kollision charakterisieren, von einer Steuerung optimiert. Bekannt ist es zum Beispiel, bei pyrotechnischen Gasgeneratoren das zur Gaserzeugung verwendete brennbare Material in mehreren oder abgestuften brennbaren Einheiten entsprechend der jeweiligen Kollision gesteuert zu zünden oder durch einen Diffusor einen Teil des Aufblasgases vom Airbag weg abzulassen (Streitpatent, Abs. [0004]). Bei Hybrid-Aufblasvorrichtungen ist auch das stufenweise Aufblasen des Airbags durch die Steuerung des Aufblasgaszuflusses bekannt. Die deutsche Offenlegungsschrift DE 40 41 049 A1 (A5), die den Oberbegriff von Anspruch 1 des Streitpatents bildet, lehrt eine Aufblasvorrichtung mit einem Ventil zum Aufblasen des Airbags und einem zwischen Zuund Auf-Stellung steuerbaren (Ent-) Lüftungsventil zum Abblasen des Gases ins Freie (Streitpatent, Abs. [0006]).
Dieser vorgenannte Stand der Technik führt zu den Aufgaben des Streitpatents, einerseitseine Hybrid-Aufblasvorrichtung mit einstellbarer Leistungscharakteristik hinsichtlich einer Verringerung der Gesamtkosten und Komplexität zu verbessern undandererseits eine Aufblasvorrichtung zum Aufblasen eines Primärairbags und eines zusätzlichen Airbags auszuführen (Abs. [0007] und [0008] der deutschen Übersetzung DE 697 25 767 T2 (StrPS) der europäischen Patentschrift EP 0 790 157 B1).
Als Fachmann ist im vorliegenden Fall ein Maschinenbauingenieur mit der Vertiefungsrichtung Kraftfahrzeug-Sicherheitstechnik und beruflichen Kenntnissen in der Technik von Konstruktion und Konzeption von Airbags und den zugehörigen Aufblasvorrichtungen anzusehen.
Die Hybrid-Aufblasvorrichtung des geltenden Anspruchs 1 des Streitpatents DE 697 25 767 T2 hat gemäß der folgenden Merkmalsanalyse die Merkmale:
(1a) Hybrid-Aufblasvorrichtung (1b) jener Art, die eine Druckflasche mit Druckgas,
(2a) brennbare Mittel (2b) zur Verstärkung des gespeicherten Gases, und
(3a) Auslassmittel zur Zuführung von Aufblasgas aus der Aufblasvorrichtung (3b) zu einem Primärairbag-Kissen aufweist, wobei
(4a) die Aufblasvorrichtung eine als einen zweiten Auslass von der Druckflasche definierte Lüftungsöffnung umfasst,
(4b) zur Abgabe gespeicherten Druckgases darausdadurch gekennzeichnet, dass
(5a) eine zerberstbare Membran
(5b) zur Abdichtung der Lüftungsöffnung und Verhinderung eines vorzeitigen Stroms durch die Lüftungsöffnung angeordnet und
(6a) ein Mittel zum Zerbersten der Membran vorgesehen ist,
(6b) um als Reaktion auf ein Steuersignal
(6c) gespeichertes Gas aus der Druckflasche
(6d) durch die Lüftungsöffnung vom Airbag-Rückhaltesystem zu entlüften
(7a) wobei das Mittel zum Zerbersten der Membran einen Zünder aufweist, der ein explosives Material enthält,
(7b) das in einer dicht neben der Membran angeordneten Abdeckung enthalten ist.
Die Hybrid-Aufblasvorrichtung des geltenden, nebengeordneten Anspruchs 2 unterscheidet sich vom geltenden Anspruch 1 dadurch, dass anstatt des Merkmals 6d) durch die Lüftungsöffnung vom Airbag-Rückhaltesystem zu entlüftendas Merkmal 6e) verwendet wird: 6e) einem mit der Lüftungsöffnung (132) verbundenen zusätzlichen Airbag zuzuführen.
Die im selbstständig formulierten Anspruch 2 beanspruchte Lösung mit dem Merkmal 6e) wurde im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren von der Nichtigkeitsklägerin nicht angegriffen (vgl. "Anträge" S. 11, leAbs. dieses Beschlusses).
2. Zum Verständnis des Streitpatents Das Patent betrifft eine Hybrid-Aufblasvorrichtung zum Aufblasen eines Airbag-Rückhaltesystems in einem Fahrzeug. Anhand der Fig. 1 und 2 der StrPS soll beispielhaft und nur zur Veranschaulichung der Streitpatentgegenstand erläutert werden. In Bild 1 sieht man die wesentlichen Teile des Airbag-Rückhaltesystems (10), das im Kern aus den Sensoren (22, 24, 26, 28) und der Steuerung (20) sowie dem zusammengefalteten Airbag (14) und der Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) besteht. Hybrid deshalb, da der Airbag nicht ausschließlich mit dem in der Druckgasflasche
(174) enthaltenen komprimierten Gas, sondern zur Verstärkung und Erwärmung des Aufblasgases auch mit den Verbrennungsgasen des pyrotechnischen, ausschließlich auf Verbrennung von Feststoffen beruhenden Gasgenerators (178) befüllt wird, vgl. Abs. [0002] und [0011].
An der Wandung der Druckgasflasche (174) mit komprimiertem Gas ist eine Lüftungsanordnung (110) angebracht (unten gezeichnet) und ein "Verschluss" zum Airbag hin (links im "Flaschenhals" gezeichnet).
Die Lüftungsanordnung (110) besteht im wesentlichen aus einer Membran (120), die von einem in ihrer Nähe angebrachten, von der Steuerung (20) betätigten explosiven Zünder (134) zum Zerbersten gebracht werden kann, um das in der Druckgasflasche befindliche Gas nach außen "abzublasen" (Abs. [0024], Merkmal 6d).
Der im "Flaschenhals" befindliche "Verschluss" besteht wiederum aus dem Gasgenerator (178) sowie dessen mechanischer Zündvorrichtung (190) und einer elektrischen Zündvorrichtung (238) mit einem Projektil (234) zum "Aufstechen" einer weiteren Membran (222), damit der Inhalt der Druckgasflasche (174) in den Airbag strömt (Abs. [0018] bis [0022]) und zum Betätigen der mechanischen Zündvorrichtung (190) des Gasgenerators (178). Im Ruhezustand verschließt die Membran (222) die Druckgasflasche (174).
Zeitabhängig von den Zündsignalen der Steuerung (20) kann bei der Hybrid-Aufblasvorrichtung a) die Membran (120) der Lüftungsanordnung (110) zum Zerbersten gebrachtwerden, wobei das im Druckbehälter (174) befindliche Druckgas bzw. die vom Gasgenerator (178) entwickelten Verbrennungsgase nach außen entweichen und/oderb) die im "Flaschenhals" befindliche elektrischen Zündvorrichtung (238) sticht mit dem Projektil (234) die weitere Membran (222) zum Öffnen der Gasflasche an, deren Inhalt dann zusammen mit den Verbrennungsgasen des Gasgenerators (178), dessen mechanische Zündvorrichtung (190) durch das Projektil (234) ausgelöst wird, in den Airbag strömt.
Durch die zeitliche Abfolge der beiden Zündungen für den Entlüftungsund Füllvorgang (im Millisekundenbereich), zu denen in den Ansprüchen 1 und 2 des Streitpatents keine Aussagen gemacht werden, kann somit die Füllgeschwindigkeit (Härte) und die Füllmenge also die Füllcharakteristik des Airbags gestaltet werden.
3. Zur Zulässigkeit der geltenden Ansprüche 1 und 2 Der erteilte Patentanspruch 1 war unter anderem darauf gerichtet, gespeichertes Gas aus der Druckflasche (174)
"durch die Lüftungsöffnung (132) zuzuführen"(S. 5 rechte Spalte, Z. 15 und 6 der übersetzten Streitpatentschrift).
Im geltenden Anspruch 1 wurde in zulässiger Weise dieses Merkmal in
"durch die Lüftungsöffnung (132) vom Airbag-Rückhaltesystem zu entlüften"
geändert.
Diese Änderung geht auf die Angaben in der Streitpatentschrift in Verbindung mit Abs. [0024] zurück und stellt eine Beschränkung dar, Abs. [0009].
Auch der Einwand der Klägerin, der Begriff "Airbag-Rückhaltesystem" im geltenden Anspruch 1 nach Hauptantrag (Merkmal 6d) sei nicht im Anspruch definiert und in diesem Zusammenhang auch nicht ursprünglich offenbart, vermag nicht durchzugreifen:
Auf S. 3, li. Spalte, Abs. [0017] der Streitpatentschrift wird ausgeführt, dass gemäß Fig. 1 ein Airbag-Rückhaltesystem (10) nach der vorliegenden Erfindung eine Hybrid-Aufblasvorrichtung (170) enthalte. Aufgrund dieser Definition und der Figur 1 ist für den Fachmann klar, dass für die Entlüftung des (in einem Kollisionsfall überschüssigen) Gases die Bedeutung der Aussage "vom Airbag-Rückhaltesystem zu entlüften" gleichbedeutend mit der Aussage "von der Hybrid-Aufblasvorrichtung zu entlüften" aufzufassen ist, da diese ja ein Teil des Airbag-Rückhaltesystems ist und, wie der Fachmann weiß, keinen eigenen Raum oder keine andere Möglichkeit zum "Aufbewahren" des überschüssigen Aufblasgases aufweist.
Weiterhin hat die Beklagte zwar in den verteidigten Ansprüchen 1 und 2 das von der Klägerin im erteilten Anspruch 1 als unzulässige Erweiterung beanstandete Merkmal "wobei das Mittel (110) zum Zerbersten der Membran (120) einen Zünder (134) aufweist, der ein explosives Material enthält, das in einer dicht neben der Membran (120) angeordneten Abdeckung (136) zum Zerbersten der Membran (120) enthalten ist" übernommen. Dieses Merkmal ist jedoch den ursprünglichen Unterlagen entnehmbar (S. 3, Abs. 2, und, im Ausführungsbeispiel präzisiert, S. 7, Abs. 2). Dabei ist zumindest in der Fundstelle auf S. 3, Abs. 2 bezüglich der Lüftungsöffnung nichts "von einem Abstand vom und der Lage quer zum Auslass des Gasgenerators angeordnet" ausgeführt, so dass der Fachmann diese Angaben auch als nicht zwingend anschaut. Deshalb handelt es sich bei dem genannten Merkmal um ein in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als erfindungswesentlich offenbartes Merkmal.
Die o. g. Änderungen stellen wie ausgeführt, keine von der Nichtigkeitsklägerin bemängelte unzulässige Erweiterung dar, sondern führen zu einer zulässigen Beschränkung des erteilten Patentes.
Die Entlüftung des Gases aus der Druckflasche entweder nach Anspruch 1, Merkmal 6d ins Freie oder gemäß Nebenanspruch 2 in einen zusätzlichen Airbag gemäß Merkmal 6e ist der veröffentlichten Patentschrift Abs. [0010] bis [0012] sowie den erteilten Patentanspruch 1 entnehmbar.
Damit sind die geltenden Ansprüche 1 und 2 zulässig, da es sich bei der verteidigten Anspruchsfassungen um eine zulässige Beschränkung des erteilten Patents handelt (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 81 Rdn. 131 m. w. N.).
4. Zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit Das Streitpatent ist in der geltenden, in der mündlichen Verhandlung als Hauptantrag vorgelegten Fassung patentfähig. Die hybride Aufblasvorrichtung ist sowohl gemäß des geltenden Patentanspruchs 1 als auch gemäß des geltenden Patentanspruchs 2 gegenüber dem Stand der Technik neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4.1 Neuheit des Patentanspruchs 1 Aus der nächstkommenden Schrift DE 40 41 049 A1 (A5) ist es nicht bekannt, über den Zeitablauf eines Unfalls von einem Steuergerät gesteuert aufsprengbare, also durch Explosionswirkung zerstörbare, Membranen zum kontrollierten Aufblasen eines Airbags bzw. zum Entlüften von Aufblasgas einzusetzen. Derartige Ventilöffnungsmechanismen werden in dieser Schrift überhaupt nicht behandelt, da der Schwerpunkt der Schrift auf mehrfach betätigbaren, schnellen Ventilen (Sp. 3, Z. 25 bis 55) liegt und lediglich einmal betätigbare Ventile (Sp. 4, Z. 20 bis 24) nur am Rande erwähnt werden. Deshalb sind aus der Schrift A5 die Merkmale 5a, 5b, 6a, 7a uns 7b nicht bekannt.
Beim Gegenstand des Streitpatents dagegen wird eine zerberstbare Membran zur Abdichtung einer zusätzlichen Lüftungsöffnung in einem Druckgasbehälter durch eine dicht neben dieser Membran angeordnete Explosivladung als Reaktion auf ein Steuersignal aufgesprengt und Druckgas kann aus dem Airbag-Rückhaltesystem abströmen, ohne den Airbag zu füllen.
Aus den bis auf die Ansprüche technisch identischen Schriften US 50 22 674 A (A1) und US 50 31 932 A (A2) ist zwar die Verwendung von aufsprengbaren Membranen bekannt, jedoch werden diese nur zur gestuften, einstellbaren Füllung des Airbags eingesetzt, nicht zum Abströmen überschüssigen Druckgases an die Umgebung. Damit sind aus den Schriften A1 und A2 zumindest die Merkmale 5a, 5b und 6d nicht bekannt.
Dass die übrigen von der Nichtigkeitsklägerin genannten Schriften US 5 221 109 A (A11) sowie US 5 439 249 A (A3) und US 5 413 378 A (A4) der Neuheit des Anspruchs 1 nach Hauptantrag entgegenstünden, ist von der Klägerin nicht behauptet worden und auch nicht ersichtlich. Sie zeigen entweder gar keine Hybrid-Aufblasvorrichtung sondern nur eine ausschließlich pyrotechnische Aufblasbarvorrichtung (A11) bzw. analog zur A5 zeigen sie ebenfalls keine gesteuert aufsprengbare Membranen zum kontrollierten Aufblasen eines Airbags bzw. zum Entlüften von Aufblasgas auf (A3 und A4).
4.2 Erfinderische Tätigkeit Zur Leistungscharakteristik bzw. Aufblassteuerung eines Airbags sind im Stand der Technik zwei verschiedene Prinzipien vorherrschend:
a) Das gesamte in der Aufblasvorrichtung erzeugte Gas geht in den Airbag und durch eine Ansteuerung des Gasgenerators erfolgt ein "Nacheinander" oder ein "Zusammen" -Anfluten verschiedener Druckgasmengen bzw. pyrotechnisch erzeugter Gasmengen, so dass durch diese zeitliche Abfolge der Gaseinströmung in den Airbag eine harte oder weiche Aufblascharakteristik des Airbags entsteht, d.h. die gesamte Gasmenge geht durch den Airbag.
b) Durch entsprechende Ventile, die entweder den Zufluss zum Airbag öffnen oder schließen bzw. ein Abströmen des Aufblasgases an die Umgebung ermöglichen, kommt nur eine Teilmenge des Aufblasgases in den Airbag, der Rest wird nach Außen entlüftet.
Die nächstkommende und dem Streitpatent zugrundeliegende Schrift DE 40 41 049 A1 (A5) beschreibt das Lösungsprinzip b), nachdem gemäß Merkmal M3a und M3b der Merkmalsgliederung mit den Auslassmitteln (Ventilen V/A) gesteuert das Aufblasgas in den oder die Airbags strömen kann (Sp. 2, Z. 30 bis 46 und Sp. 3, Z. 26 bis 54). Weiterhin sind daraus entsprechend Merkmal M4a, M4b, M6b, und M6d eines oder mehrerer zweiter Auslässe (Ventile W/H) bekannt, durch die steuerbar Aufblasgas von der Druckgasflasche weg, aber nicht in den Airbag strömen soll, also Entlüftungsventile (Sp. 3, Z. 64 bis Sp. 4, Z. 10). Aufgrund der Ausführungen zum Aufblasen des Airbags (Sp. 2, Z. 32 bis 38 und 67 bis Sp. 3, Z. 1), ist es für den Fachmann naheliegend, dass es sich in der A5 um einen Hybrid-Gasgenerator mit einer zusätzlichen Druckgasflasche handeln kann, da die Aufblasvorrichtung ein brennbares Mittel zur Erzeugung eines Aufblasgases (M2a) zum Aufblasen des Airbags enthält, dies muss aber nicht mit letzter Sicherheit entschieden werden.
In dieser Schrift soll gemäß Sp. 1, Absatz 2 die Steuerung der Füllung (=Leistungscharakteristik) eines Airbags entsprechend der Schwere der Kollision optimiert werden. Somit soll primär durch eine feine Regelung des Zuflusses der Aufblasluft zum Airbag und der Entlüftung, bei Bedarf auch durch mehrmaliges Betätigen der Ventile (V/A und W/H) die angestrebte Füllcharakteristik erreicht werden (Sp. 3, Z. 25 bis Sp. 4, Z. 10). Dass auch eine "Grobsteuerung" des Gaszuflusses zum Airbag mit nur "Auf -Zu" steuerbaren oder gar nur einmal zu öffnenden Zuflussventilen (V/A) möglich ist, wird zwar pauschal erwähnt (Sp. 4, Z. 11 bis 24), jedoch wird auch für diesen Steuerungsfall an der Ventil-Lösung festgehalten.
Auf eine "Grobsteuerung" mit nur "Zu -Auf" steuerbaren oder gar nur einmal öffenbaren Ventilen (W/H) zum Entlüften der Aufblasvorrichtung ins Freie wird hingegen nicht eingegangen, so dass der Fachmann diese Möglichkeit, wenn überhaupt, als eher entfernt liegende, mehr theoretisch mögliche Variante ohne praktische Bedeutung ansieht, während er die konkrete Anleitung erhält, die Entlüftungsventile (W/H) entsprechend der Kollisionsschwere und den auftretenden Kräften ( ggf. mehrfach) zwischen den Zuständen "Auf" und "Zu" umzusteuern (Sp. 4, Z. 25 bis 57).
Dem Gegenstand nach der Schrift A5 fehlen jedoch die eine durch explosive Mittel zerberstbare Membran zur Entlüftung (nach Außen) betreffenden Merkmale 5a, 6a, 7a und 7b und die dazu verwendbaren Ventilbauarten mit Sprengung einer Membran aus dem Stand der Technik, denn diese mögen zwar zum Aufblasen von Airbags (vgl. Druckschriften A1, A2) verwendet werden, nicht aber zur Entlüftung der Druckflasche. Eine Verwendung derartiger aufsprengbarer Ventile zur Entlüftung wird auch nicht durch das Wissen des Fachmanns nahegelegt, da diesem lediglich bekannt ist, überschüssiges Aufblasgas entweder durch Schließen des "Aufblasventils" nicht einströmen zu lassen oder durch ein weiteres Ventil gesteuert nach außen abzuleiten (Sp. 3, Z. 23 bis Sp. 4, Z. 10).
Wenn sich aufgrund dieses bekannten Standes der Technik die erfindungsgemäße Aufgabe stellt, eine derartige Hybrid-Aufblasvorrichtung zu verbilligen und zu vereinfachen, wird der Fachmann sich im bekannten Stand der Technik nach einfacheren und bewährten Lösungen umschauen.
Die Schriften US 50 22 674 A (A1) und US 50 31 932 A (A2) lehren, bei einer Hybrid-Aufblasvorrichtung entsprechend Funktionsprinzip a) über den Zeitablauf der Kollision von einem Steuergerät gesteuert mehrere aufsprengbare Membranen an einem Druckgasbehälter zum kontrollierten, je nach gewünschter Aufblascharakteristik gleichzeitig oder nacheinander erfolgenden Druckflaschen-Ventilöffnen und Aufblasen eines Airbags mit der gesamten Gasmenge einzusetzen.
Da die Sprengmittel in den Schriften A1 und A2 nicht zu Entlüftungszwecken sondern immer zum Aufblasen des Airbags mit der gesamten Gasmenge dienen, und die Schrift A5 auf ein teilweises, geregeltes Aufblasen mit entsprechend steuerbaren Ventilen setzt und damit eine komplett anderen Lösungsweg beschreibt, hatte der Fachmann keinerlei Veranlassung, eine Übertragung von Teillösungen (Sprengventile) aus den Schriften A1 oder A2 auf die A5 vorzunehmen.
Selbst bei einer Übertragung dieser zur "gestuften" Betätigung zum Aufblasen von Airbags bekannten aufsprengbaren Membranventile auf eine dem Funktionsprinzip b) gehorchende Vorrichtung nach der A5 ergibt sich der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise, da die Verwendung eines nur einmal betätigbaren Gasablassventils (W/H) aus der A5 nicht bekannt oder auch nur nahegelegt ist, sondern dort gerade durch die gesteuerte mehrfache Betätigung bzw. Regelung des Ablassvorgangs eine geregelte Füllungssteuerung des Airbags erfolgen soll (Sp. 4, Z. 11 bis 57). Darüber hinaus ist auch das Vorhandensein eines vom ersten (Füll-) Ventil V/A räumlich getrennten aber ebenfalls an der Flasche mit Druckgas angebrachten zusätzlichen Entlüftungsventils W/H der Schrift A5 nicht entnehmbar, so dass auch deshalb eine Kombination der Schriften A5 mit A1 oder A2 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen kann.
Auch eine Kombination der Schrift A5 mit der Schrift A11 führt nicht näher zum Gegenstand des Streitpatents:
Es ist zwar im Sinne des Vorbringens der Nichtigkeitsklägerin in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeschlossen, dass der Fachmann die Steuerungsmöglichkeiten und das mögliche Aufblasverhalten eines rein pyrotechnischen Gasgenerators, wie in der Schrift US 5 221 109 A (A11) beschrieben, mit dem eines Hybrid-Gasgenerator nach dem Streitpatent, der eine zusätzliche Druckgasflasche enthält, sinngemäß darauf überträgt, dies muss aber nicht mit letzter Sicherheit entschieden werden, da der Gegenstand nach der Schrift A11 zwar einen pyrotechnischen Gasgenerator mit pyrotechnischer Ventilfunktion zeigt (Merkmale 2a, 3a, 3b, 4a, 4b, 5a, 5b, 6a, 6b und 6d bis 7b) aber keine an einer Druckgasflasche angebrachte durch explosive Mittel zerberstbare Membran, die überschüssiges Druckgas nach außen abströmen lässt (Merkmale 1a, 1b und 6c). Vielmehr wird dort (Fig. 1 und zugeh. Beschreibung) ein pyrotechnischer Gasgenerator 68 durch einen Zünder 30 gezündet und bläst sein Gas durch die Öffnungen 48 zum Airbag. Nach Erreichen der erforderlichen Gasmenge wird ein zweiter Zünder 64 ausgelöst, der eine zweite Ladung 70 zündet. Durch den Gasdruck dieser Ladung wird dann der Kolben 50 hochgeschleudert (Fig. 2) und schließt die Öffnungen 48 zum Airbag, gleichzeitig öffnet er die Abströmöffnungen 56 bzw. 34 für die Restgase ins Freie. Weiterhin ist auch die Verwendung von zusätzlichen Berstmembranen 74 zum Öffnen der Abströmöffnungen 56« als weitere Modifikation einer derartigen Betätigungseinrichtung aus dieser Schrift bekannt (Fig. 3).
Da die Schrift A11 lediglich einen rein pyrotechnischen Gasgenerator beschreibt, bei dem durch die Füllung des Druckgefäßes 40 mit Gaserzeugungsmittel 68 eine, beim Gegenstand des Streitpatents mögliche und zum Einstellen der Aufblasecharakteristik des Airbags notwendige (vgl. StrPS Abs. [0027] und [0027]) Entlüftung des Druckgefäßes aus Bauraumgründen vor oder während der (pyrotechnischen) Gaserzeugung nicht möglich ist, und die Schrift A5 auf ein teilweises, geregeltes Aufblasen des Airbags mit entsprechend steuerbaren Ventilen setzt und damit eine komplett anderen Lösungsweg beschreibt, hatte der Fachmann keinerlei Veranlassung, eine Übertragung von Teillösungen (Sprengventile) aus der Schrift A11 auf die nach einem völlig anderen Funktionsund Regelungsprinzip funktionierende Schrift A5 vorzunehmen.
Auch die weiter ab liegenden Schriften US 5 439 249 A (A3) und US 5 413 378 A (A4) zeigen zwar schematisch das Vorsehen eines Ablassventils (ventvalve 80 in der A3, Fig. 1 bzw. ventvalve 120 in A4, Sp. 4, Z. 55 bis 62) zum Ablassen überschüssigen Aufblasgases (Funktionsprinzip b) nach außen. Es werden aber keine an einem Druckgasbehälter angebrachte, gesteuert aufsprengbare Membranen zum kontrollierten Aufblasen eines Airbags und zum Entlüften von Aufblasgas aufgezeigt. Somit können dem Fachmann auch in einer beliebigen Kombination der Schrift A5 mit den Schriften A3 oder A4 weder Hinweis noch Anregung auf die erfindungsgemäße Lösung nach dem Anspruch 1 des Hauptantrags gegeben werden.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist deshalb aus den vorstehenden Gründen auch erfinderisch und somit rechtsbeständig.
5.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 2 nach Hauptantrag ist, da seine Zulässigkeit feststeht und er von der Nichtigkeitsklägerin nicht angegriffen wurde, ebenfalls rechtsbeständig.
6.
Die Unteransprüche 3 bis 9 nach Hauptantrag werden vom Anspruch 1 sowie dem mit der Nichtigkeitsklage nicht angegriffenen Anspruch 2 mitgetragen.
III.
Aufgrund der Rechtsbeständigkeit des Patentanspruchs 1 und der darauf direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche 3 bis 9 nach Hauptantrag kommt der in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsantrag 1 nicht zum Tragen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da das Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien in diesem Verhältnis zueinander zu bewerten ist.
Die Erklärung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
Schülke Eisenrauch Hilber Schlenk Rotheprö
BPatG:
Urteil v. 12.08.2010
Az: 10 Ni 5/09
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