Bundesgerichtshof:
Urteil vom 11. Mai 2006
Aktenzeichen: 3 StR 389/05

(BGH: Urteil v. 11.05.2006, Az.: 3 StR 389/05)

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 27. April 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Göttingen zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten von dem Vorwurf der Bestechlichkeit und des Betruges freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Sie beanstandet, dass das Landgericht zum einen von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen sei und zum anderen die Beweise nur lückenhaft gewürdigt habe. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

1. Das Landgericht hat festgestellt:

Der Angeklagte M. war als Oberbürgermeister der Stadt H. zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Stadtwerke H. AG (nachfolgend: SWH AG) gewählt worden. Die Angeklagten S. und K. waren die Vorstände der SWH AG, deren alleinige Aktionärin die Stadt H. war. 1996 beauftragte der Rat der Stadt die Verwaltung, Konzepte für eine Teilprivatisierung der SWH AG zu erarbeiten. Auf Vorschlag der Angeklagten wurde dazu im Dezember 1998 zuerst die EVI Energieversorgung H. Verwaltungs-GmbH (nachfolgend: EVI GmbH) gegründet. Alleinige Gesellschafterin war die SWH AG; die Angeklagten S. und K. wurden Geschäftsführer. Sodann wurde die EVI Energieversorgung H. GmbH&Co KG (nachfolgend: EVI KG) errichtet. Komplementärin ohne Kapitalanteil wurde die EVI GmbH, alleinige Kommanditistin mit einer Einlage von 10 Mio. DM die SWH AG. Ende 1998 genehmigten der Rat der Stadt und sodann eine außerordentliche Hauptversammlung der SWH AG das Vertragswerk. Um dem Rat der Stadt "unabhängig von den formalrechtlichen Gegebenheiten die letzte Entscheidung in der Beteiligungsfrage" zu ermöglichen, wurde ein Arbeitsausschuss des Aufsichtsrats der SWH AG gegründet und dem Vorstand zur Seite gestellt. Außerdem wurde ein Koordinierungsausschuss gebildet, dem die Angeklagten, der Oberstadtdirektor, der Stadtkämmerer sowie fünf weitere Personen - darunter Mitglieder aller im Stadtrat vertretenen Parteien - angehörten.

Der Koordinierungsausschuss beschloss umgehend, die B. Consult GmbH (nachfolgend: BC GmbH) mit der weiteren Umsetzung der Privatisierungsaktivitäten zu beauftragen. Der BC GmbH gegenüber gaben fünf E-nergieversorgungsunternehmen vorläufige Angebote zur Übernahme von Anteilen der EVI GmbH und der EVI KG ab. Dabei wurden seitens der T. AG und der R. Beteiligungs-AG (nachfolgend: RGE) im Verhältnis zu den Mitbewerbern deutlich (bis zu 35 Mio. DM) geringere Kaufpreise angeboten. Diese Unternehmen wurden deshalb von der BC GmbH vorerst aus dem Bieterverfahren herausgenommen. Die Angeklagten intervenierten daraufhin bei der BC GmbH. Sie betonten, dass "aus strategischen Erwägungen" der Verkauf auch an einen Partner sinnvoll sein könne, der nicht den höchsten Kaufpreis biete, und erreichten, dass zumindest die T. AG wieder in das Bieterverfahren aufgenommen wurde. Auf Vorschlag der Angeklagten S. und K. beschloss der Aufsichtsrat im Oktober 1999, der Hauptversammlung der SWH AG vorzuschlagen, in einem ersten Schritt höchstens 25,1 % der Anteile an der EVI GmbH und der EVI KG zu verkaufen und dies mit einer Option zum Verkauf weiterer Anteile bis zu einer Beteiligung von 49,9 % zu verbinden. Die beiden Angeklagten hatten sich gegenüber dem Aufsichtsrat außerdem dafür ausgesprochen, ein oder mehrere Energieversorgungsunternehmen zu beteiligen. Sie hielten für den zukünftigen Erfolg der EVI KG nicht nur den Kaufpreis für entscheidend, "sondern das Vertriebs-Partnerschaftskonzept und die Bereitschaft des neuen Partners, auf kommunale Forderungen eingehen zu können". Im selben Zeitraum erhöhte die T. AG ihr Beteiligungsangebot, während der bislang meistbietende, dem selben Konzern angehörende Interessent aufgrund einer konzerninternen Absprache sein Angebot in einem Umfang reduzierte, dass es um 0,3 Mio. DM unter dem der T. AG lag. Der Angeklagte S. regte zu dieser Zeit gegenüber der T. AG und der RGE die Bildung eines Bieterkonsortiums an. Kurz danach brachte der Vorstand der SWH AG - also die Angeklagten S. und K. - gegenüber der BC GmbH zum Ausdruck, ein Konsortium aus T. AG und RGE sei der Wunschpartner, und verlangte, dass auch die RGE wieder in den Bieterprozess einbezogen werde. Diesem Wunsch kam die BC GmbH in der Folgezeit nach. Auf einer Besprechung mit der T. AG und der RGE wies die BC GmbH Ende November 1999 darauf hin, dass die Angebote der beiden Unternehmen deutlich unter denen der übrigen Bewerber lagen. Wenige Tage später teilte indes der Angeklagte S. dem Vorstandsmitglied der T. AG Dr. Rü. fernmündlich mit, es bedürfe einer Verbesserung des finanziellen Angebots seitens des Konsortiums nicht. Nachdem ein neuer Bieter ein höheres Angebot gemacht hatte, regten T. AG und RGE ein Treffen unter Beteiligung der Repräsentanten der Stadt H. und des Vorstands der Stadtwerke AG an. Darauf trafen sich die Angeklagten S. und K. Ende Januar 2000 mit Vertretern der RGE in E. zum Gespräch über die künftige Vorgehensweise. Vereinbart wurde dabei ein weiteres Gespräch Anfang Februar, an dem auch der Angeklagte M. teilnehmen sollte. Der Angeklagte S. äußerte bei der Verabredung die Bitte, dass dabei der Aufsichtsratsvorsitzende der RGE und Vorstandsvorsitzende der R. AG Sp. für ein Gespräch mit dem Angeklagten M. im kleinen Kreis u. a. zum Thema "R. -Leistungen für die Stadt H. außerhalb des Beteiligungserwerbs" zur Verfügung stehen möge.

Bei dem Gespräch am 9. Februar 2000 schilderte der Angeklagte M. in Anwesenheit der beiden anderen Angeklagten dem Konzernchef Sp. die Probleme der Stadt H. und sprach förderungswürdige Einrichtungen in der Stadt an. Dabei wurde deutlich, dass er einer Spende nicht abgeneigt gegenüberstand. Der Konzernchef Sp. , der aus der Erfahrung mit Beteiligungsgesprächen dieser Art schon eine Bitte um finanzielle Unterstützung erwartet hatte, antwortete, dass R. insoweit eine Million DM zur Unterstützung zu zahlen bereit sei. Zugleich bemerkte er, dass die T. AG, deren Vorstandsmitglied Dr. Rü. ebenfalls bei dem Gespräch anwesend war, nicht so viel geben könne.

Nach weiteren Gesprächen auf der Arbeitsebene stellte die BC GmbH Ende Februar 2000 dem Koordinierungsausschuss die Angebote der vier verbliebenen Bieter vor. Danach hatte das Konsortium T. AG/RGE das höchste Angebot unterbreitet. Der Koordinierungsausschuss wollte die endgültige Entscheidung dem Stadtrat überlassen. Er schlug dem Stadtrat und dem Aufsichtsrat der SWH AG den Verkauf von 49,6% der EVI-Anteile an das Konsortium T. AG/RGE zum Gesamtpreis von 119,04 Mio. DM vor. 25,2 % der Anteile sollten bis zum 31. März 2001 veräußert werden, darüber hinaus sollte eine Option der SWH AG für den Verkauf weiterer 24,4 % bis spätestens 31. Januar 2002 vereinbart werden. Bei der Erörterung der Vertragsentwürfe im Aufsichtsrat der SWH AG wurde hinsichtlich einiger Fragen erneut Klärungsbedarf festgestellt, so dass ein weiteres Treffen der drei Angeklagten mit dem Konzernchef Sp. sowie dem Vorstandsvorsitzenden und einem weiteren Vorstandsmitglied der RGE vereinbart wurde. Dieses fand am 27. März 2000 in E. statt, unmittelbar bevor die Entscheidungsgremien in H. zusammentraten. Nach Erörterung der strittigen Punkte sprach der Angeklagte M. noch einmal das Thema Computerausrüstung für Schulen und eine Unterstützung des Roemer- und Pelizaeus-Museums als Leistungen für die Stadt H. an. Daraufhin erklärte der Konzernchef Sp. , dass die RGE zu einer Unterstützung von einer Million DM bereit sei. Am Nachmittag stimmten sodann in H. der Aufsichtsrat der SWH AG, der Verwaltungsausschuss und der Rat der Stadt dem Anteilsverkauf zu.

Am 7. Juni 2000 fuhr der Angeklagte M. zur T. AG nach Mü. , "um auch dort wegen der Spende nachzufragen". Er erzählte von dem Museum sowie anderen förderungswürdigen Einrichtungen der Stadt und kündigte an, dass die Spende einem Förderverein zufließen sollte. Das Vorstandsmitglied Dr. Rü. sagte ihm daraufhin eine Spende von 250.000 DM zu.

Am 29. Juni 2000 wurden die Beteiligungsverträge in Ba. notariell beurkundet, nachdem kurz zuvor in H. zu Publizitätszwecken eine öffentlichwirksame, aber rechtlich unverbindliche Vertragsunterzeichnung stattgefunden hatte.

Ende August 2000 gründeten die Angeklagten zusammen mit zwei Ratsmitgliedern, einem Bankkaufmann und einem Ägyptologen den Verein "P. - Verein zur Förderung des sozialen, kulturellen und sportlichen Gemeinwohls in der Stadt H. ". Der Vereinsgründung war folgendes vorausgegangen: Der Angeklagte M. hatte Anfang Mai 2000 in Anwesenheit des Oberstadtdirektors berichtet, dass auf die Stadt eine Spende der Investoren in Höhe von einer Million DM zukäme. Der Oberstadtdirektor hatte die Annahme einer solchen Zahlung im Hinblick auf die andauernden Verhandlungen mit den Investoren sogleich abgelehnt. Der Angeklagte M. wollte auf die zugesagte Unterstützung gleichwohl nicht verzichten und betrieb nun die Gründung eines Vereins, der die Spenden entgegennehmen sollte. Von den Angeklagten S. und K. schriftlich dazu aufgefordert, zahlten die Unternehmen in der Folgezeit 920.000 DM auf das Vereinskonto ein. Von diesen Mitteln reichte der Verein ca. 320.000 DM an verschiedene Einrichtungen weiter.

2. Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Bestechlichkeit freigesprochen, weil eine Unrechtsvereinbarung zwischen den Angeklagten und dem Zeugen Sp. nicht zustande gekommen sei. Dieser sei, als er am 9. Februar 2000 ein Engagement des R. -Konzerns für H. angekündigt habe, überzeugt gewesen, die Entscheidung sei - ungeachtet des noch ausstehenden formellen Vertragsschlusses - bereits für das Bieterkonsortium T. AG/RGE gefallen.

II.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Der Freispruch der Angeklagten vom Vorwurf der Bestechlichkeit beruht darauf, dass das Landgericht von einem falschen rechtlichen Ansatz ausgegangen ist (unter 1.), die erhobenen Beweise rechtsfehlerhaft gewürdigt (unter 2.) und das Beweisergebnis unzureichend dargestellt hat (unter 3.). Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich ein neuer Tatrichter von strafbarem Verhalten der Angeklagten überzeugen wird (unter 4.).

1. Das Landgericht geht bereits von einem falschen rechtlichen Ansatzpunkt aus, wenn es ausführt, dass eine "direkte Aufforderung des Angeklagten M. zur Zahlung einer Spende" am 9. Februar 2000 nicht habe festgestellt werden können und dass die geäußerte "indirekte Bitte um eine Spende und eine daraufhin gemachte Zusage allein für die Annahme einer Unrechtsvereinbarung nicht ausreichen" würden. Den Angeklagten lag zur Last, eine Gegenleistung gefordert zu haben. Fordern im Sinne der Bestechungstatbestände ist nicht nur das ausdrückliche, sondern auch das konkludente Verlangen eines Vorteils für eine dienstliche Tätigkeit. Die das Verlangen eines Vorteils objektiv zum Ausdruck bringende, d. h. von einem verständigen Betrachter in der Situation des Angesprochenen so zu verstehende Erklärung des Amtsträgers muss zur Kenntnis des potentiellen Gebers gebracht werden; dabei muss der Vorsatz des Amtsträgers darauf gerichtet sein, dass der Erklärungsempfänger auch den Sinn der Erklärung versteht, während ein diesbezüglicher Erfolg nicht erforderlich ist (vgl. Rudolphi/Stein in SK-StGB § 331 Rdn. 25 m. w. N.). Damit ist es zum einen für die Verwirklichung des Tatbestandes unerheblich, dass der Angeklagte M. lediglich auf den dringenden Finanzbedarf von kulturellen Einrichtungen der Stadt H. hingewiesen und nicht ausdrücklich eine Geldzahlung verlangt hat. Zum anderen kommt es nicht auf den Abschluss einer Unrechtsvereinbarung an. In der Tatbestandsvariante des Forderns eines Vorteils ist die Bestechlichkeit bereits vollendet, wenn der Erklärungsempfänger von dem Verlangen des Amtsträgers Kenntnis erlangt. Dass er den Zusammenhang zwischen Vorteil und Amtshandlung erkennt oder wenigstens nach seiner Auffassungsgabe erkennen kann, ist nicht vorausgesetzt (BGHSt 10, 237, 241; 49, 275, 282; vgl. Rudolphi/Stein aaO Rdn. 42), erst recht nicht, dass er die Forderung "unrechtsvereinbarend" akzeptiert.

2. Zudem ist - auch unter Berücksichtigung der Grundsätze, nach denen das Revisionsgericht die tatrichterliche Beweiswürdigung nur beschränkt überprüft (vgl. BGH NJW 2005, 2322) - die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Vorstellung des Konzernchefs Sp. bei diesem Gespräch zu beanstanden.

Das Landgericht folgt der Darstellung des Zeugen, er habe bei dem Gespräch am 9. Februar 2000 geglaubt, die Entscheidung für das Konsortium sei bereits gefallen. Es stützt diese Überzeugung auf eine Reihe von Vermerken, mit denen der Zeuge von Mitarbeitern auf die Besprechung vorbereitet und über den Stand der Verhandlungen unterrichtet worden war. In diesen Vermerken ist indes zum Ausdruck gekommen, dass die Mitarbeiter die Sache noch nicht für entschieden hielten. In einem Vermerk, der nach der Zustimmung des Stadtrats zum Anteilsverkauf erstellt wurde, ist dargelegt, dass selbst das Gespräch vom 27. März 2000 noch "der Vorbereitung endgültiger Entscheidungen in H. gedient hätte". Der Vorbereitungsvermerk für dieses Gespräch benennt zudem mehrere nicht unerhebliche Punkte, über die noch Einigung erzielt werden musste. Mit diesen Umständen, die dagegen sprechen, dass der Konzernchef Sp. die Vorstellung hatte, die Entscheidung sei schon gefallen, setzt sich das Urteil nicht auseinander.

Als nicht tragfähig erweist sich auch die Begründung, der Zeuge habe "auf die Kammer nicht den Eindruck gemacht, jemand zu sein, der überhaupt Bestechungsgelder verteilt und schon gar nicht für eine für seinen Konzern größenmäßig relativ unbedeutsame Transaktion". Sie vermittelt keinen objektiven Inhalt und schöpft den im Übrigen festgestellen Sachverhalt nicht aus. Danach war der Zeuge durch den Verlauf anderer Beteiligungsverhandlungen gewohnt, mit Geldforderungen von Kommunen konfrontiert zu werden. Angesichts dessen hätte sich das Landgericht mit der Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass der Zeuge ihm als üblich bekannte Geldzahlungen außerhalb des Kaufpreises zur Erlangung eines Zuschlags im Bieterverfahren lediglich nicht als "Bestechung" beurteilt hat.

3. Über diese Fehler hinaus leidet das Urteil auch noch an einem Mangel in der Darstellung des Sachverhalts: Soweit es für die Überzeugungsbildung darauf ankommt, was die Angeklagten und ihre Gesprächspartner von den Energieversorgungsunternehmen bei den einzelnen Besprechungen und Telefonaten gesagt haben, reicht die Feststellung, welchen Inhalt ein über diese Kontakte von der einen oder anderen Seite gefertigter Vermerk hatte, nicht aus. Es muss vielmehr festgestellt werden, dass der jeweilige Vermerk den Ablauf des Gesprächs auch zutreffend wiedergegeben und deshalb ein Gespräch mit diesem Inhalt auch stattgefunden hat.

4. Das freisprechende Urteil beruht auf den aufgezeigten Rechtsfehlern. Der Senat kann, da es das Landgericht unterlassen hat, die übrigen Tatbestandsmerkmale der Bestechlichkeit zu untersuchen, nicht prüfen, ob der Freispruch zu Recht erfolgt ist. Angesichts der bisher festgestellten Auffälligkeiten - das beständige Eintreten der Angeklagten für einen Vertragsabschluss mit dem Bieterkonsortium; die Erklärung des Angeklagten S. gegenüber der T. AG, eine Erhöhung des Kaufpreisangebots sei nicht mehr erforderlich; die Abhängigkeit der Zahlungen des Konsortiums von dem Abschluss der Beteiligungsverträge - erscheint es möglich, dass ein neuer Tatrichter feststellt, die Angeklagten hätten einen Vorteil gefordert und dabei ihre Bereitschaft gezeigt, sich bei der Entscheidung über den zukünftigen Beteiligungspartner durch den Vorteil beeinflussen zu lassen (vgl. § 332 Abs. 1, 3 Nr. 2 StGB).

a) Die Angeklagten waren Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB.

Dies ergibt sich für den Angeklagten M. aus seiner Eigenschaft als Oberbürgermeister ungeachtet des zum Tatzeitpunkt in H. bestehenden zweigleisigen Kommunalverfassungssystems (vgl. Art. 11 Nr. 12 des Gesetzes zur Reform des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts vom 1. April 1996) daraus, dass er Vorsitzender des Verwaltungsausschusses war. Dieser Ausschuss (zu dessen Aufgaben und Zuständigkeiten vgl. Lüersen, Niedersächsische Gemeindeordnung, 15. Lfg., Anm. 2, 4 zu § 57 NGO aF) ist nicht rechtsetzend, sondern ausführend tätig, so dass seine Mitglieder als Amtsträger anzusehen sind (vgl. OLG Celle MDR 1962, 671; BGHSt 8, 21, 24).

Auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Aufsichtsrats der SWH AG war der Angeklagte M. Amtsträger, weil die SWH AG als eine "sonstige Stelle" anzusehen ist, bei der der Angeklagte dazu bestellt war, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Die Verwendung einer privatrechtlichen Organisationsform für die Stadtwerke spricht zwar dafür, dass auch im Zusammenhang mit dem Wirken der privatrechtlichen Gesellschaft, ihrer Organe und ihrer sonstigen Angestellten diejenigen Regeln gelten, die sonst auf privatrechtliche Gesellschaften und die in ihrem Rahmen Handelnden anzuwenden sind (BGHSt 38, 199, 203). Allein durch die Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform verliert die von den Stadtwerken zu erfüllende Aufgabe aber nicht den Charakter als Verwaltungsaufgabe; nicht diese Aufgabe, sondern nur die Organisation ihrer Wahrnehmung ist privatisiert worden (vgl. BGHSt 43, 370; so auch Schmidt-Aßmann/Röhl in Schmidt-Aßmann, BesVerwR 13. Aufl. 1. Kap. Rdn. 122). Trotz ihrer privatrechtlichen Organisationsform sind Einrichtungen Behörden jedenfalls dann gleichzustellen, "wenn sie bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben derart staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie bei Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale gleichsam als 'verlängerter Arm' des Staates erscheinen" (BGHSt 43, 370, 377; vgl. auch BGHSt 45, 15). Dementsprechend ist der Geschäftsführer einer GmbH, die sich in städtischem Alleinbesitz befindet und deren wesentliche Geschäftstätigkeit die Versorgung der Einwohner mit Fernwärme ist, als Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB angesehen worden, wenn die Stadt die Geschäftstätigkeit im öffentlichen Interesse steuert (BGH NStZ 2004, 380). Für eine solche Steuerung der SWH AG (einer Eigengesellschaft im Sinne von § 108 Abs. 2 Nr. 2 NGO) sprechen auch die gemeinderechtlichen Vorschriften, welche die Gründung eines Unternehmens in einer Rechtsform privaten Rechts nur erlauben, wenn durch die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung sichergestellt ist, dass der öffentliche Zweck des Unternehmens erfüllt wird, und wenn die Gemeinde einen angemessenen Einfluss, insbesondere im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwachungsorgan, erhält (vgl. § 109 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 NGO). Zudem werden nach § 111 Abs. 1 NGO die Gemeindevertreter in der Gesellschafterversammlung oder einem der Gesellschafterversammlung entsprechenden Organ von Eigengesellschaften - hier die Hauptversammlung nach §§ 118 ff. AktG - vom Rat gewählt. Sie haben die Interessen der Gemeinde zu verfolgen und sind an die Beschlüsse des Rates und des Verwaltungsausschusses gebunden.

b) Gleiches gilt für die Amtsträgereigenschaft der Angeklagten S. und K. in deren Funktion als Vorstände der SWH AG, in der sie den Verkauf eines Teils der Beteiligung an der EVI GmbH und der EVI KG vorzubereiten hatten.

c) Ob die Angeklagten bei den Gesprächen mit dem Vorstandsvorsitzenden der R. AG Sp. am 9. Februar 2000 sowie am 27. März 2000 einen Vorteil für sich oder einen Dritten gefordert haben, ist aufgrund der bisherigen Feststellungen zu dem Zahlungsempfänger nicht ohne weiteres zu beurteilen.

aa) Es erscheint denkbar, dass der Angeklagte M. verlangt hat, neben dem bislang verhandelten, an die SWH AG zu zahlenden Kaufpreis eine Sonderleistung an die Stadt H. zu erbringen, die in den Haushalt der Stadt hätte eingezahlt werden sollen, und dass die Kaufinteressenten darauf eingegangen sind. Als Motivation dafür, an Stelle eines höheren Kaufpreises eine solche Gestaltung zu wählen, mag auf der Käuferseite eine günstigere steuerrechtliche Gestaltung (sofortige Abschreibung im Jahr der Zahlung an Stelle einer langjährigen Abschreibung der Investition) oder ein Werbeeffekt (Public Relations) eine Rolle spielen. Auf der Verkäuferseite mag entscheidend sein, dass man nur so überhaupt noch eine höhere Leistung von dem Käufer erlangen kann. Dies könnte unter anderen Aspekten zu missbilligen sein, sogar gegen Vorschriften (insbesondere des Steuerrechts) verstoßen; das Fordern eines Vorteils im Sinne der §§ 331, 332 StGB könnte darin nicht gesehen werden.

Einen geldwerten Vorteil "für sich" hätten die Angeklagten damit nicht gefordert, da das Geld dem Haushalt der Stadt hätte zukommen sollen. Dass mit einer Geldzahlung des Bieterkonsortiums an die Stadt für die Angeklagten immaterielle Vorteile verbunden gewesen wären, erscheint bei den Angeklagten S. und K. ausgeschlossen und liegt auch bei dem Angeklagten M. nicht nahe.

Die Strafbarkeit wegen Forderns eines Vorteils "für einen Dritten" würde daran scheitern, dass die Stadt H. , der sämtliche Gesellschaftsanteile der SWH AG gehörten, im Verhältnis zu dieser nicht "Dritte" im Sinne von §§ 331 ff. StGB war.

bb) Hätten die Angeklagten allerdings vor dem Vertragsabschluss die Zahlung des Kaufpreises an die SWH AG und die Zahlung einer weiteren Summe an einen noch zu gründenden Verein "P. " gefordert, läge darin ohne weiteres das Fordern eines Vorteils für einen Dritten. Denn der Verein kann weder mit der Stadt noch mit der SWH AG gleichgesetzt werden. Entsprechendes würde gelten, wenn die Zahlung an eine sonstige Institution gefordert worden wäre. Der neue Tatrichter wird die Möglichkeit, dass die Angeklagten von Anfang an beabsichtigten, das Geld in einen Verein "umzuleiten", nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Für sie könnte die Motivation der Angeklagten sprechen, das Geld nicht dem Haushalt der Stadt zuzuführen, sondern sich die Möglichkeit zu verschaffen, es - befreit von haushaltsrechtlichen Bindungen - von ihnen ausgewählten kulturellen Institutionen und Projekten zuzuwenden.

d) Im Hinblick auf die Angeklagten S. und K. ist zu bedenken, dass diese - nach den bisherigen Feststellungen - vor der Einigung über den Anteilsverkauf niemals selbst eine Zahlung von den Investoren gefordert hatten. Ihnen wäre ein Fordern durch den Angeklagten M. aber als mittäterschaftliches Handeln zuzurechnen, wenn sie einen gemeinsamen Tatplan gefasst und eigene Beiträge dazu geleistet hätten. Ob solche Beiträge etwa darin gefunden werden, dass diese Angeklagten sich für ein Wiedereinbeziehen von der T. AG und der RGE in das Bieterverfahren eingesetzt haben, oder darin, dass der Angeklagte S. das Gespräch zwischen dem Angeklagten M. und dem Zeugen Sp. angebahnt und dem Investorenkonsortium mitgeteilt hat, dieses müsse sein Angebot nicht erhöhen, um den Zuschlag zu erhalten, hat der neue Tatrichter zu entscheiden.

III.

Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlass zu folgenden Hinweisen:

1. Sollte der neue Tatrichter eine Bestechlichkeit der Angeklagten nicht für gegeben ansehen, wird er ihr Verhalten in der Zeit nach den Zustimmungen der Gremien zum Abschluss des Beteiligungsvertrages unter dem Aspekt des Tatbestandes der Vorteilsannahme, dem Fordern eines Vorteils für eine (in der Vergangenheit liegende) Dienstausübung (§ 331 Abs. 1 StGB), zu untersuchen haben. Der Angeklagte M. hat erkennbar in seiner Eigenschaft als Amtsträger bei der T. AG eine Geldzahlung für einen Fördererverein erbeten. Die Angeklagten S. und K. haben unter dem Briefkopf der SWH AG gegenüber der T. AG und der RGE die Zahlungen an den Verein "P. " unter Hinweis darauf, dass der Oberbürgermeister M. Vereinsvorsitzender sei, eingefordert. Darin könnte das Fordern eines Vorteils für einen Dritten zu sehen sein, der keinen Anspruch auf eine Leistung des Bieterkonsortiums hatte. Dabei liegt es nicht fern, dass die Zahlungen, die nur für den Fall erfolgen sollten, dass der Beteiligungsverkauf zustande kommen würde, mit der Dienstausübung der Angeklagten verknüpft waren.

2. Zudem wäre zu prüfen, ob sich der Angeklagte M. als Oberbürgermeister der Untreue zum Nachteil der Stadt H. dadurch schuldig gemacht hat, dass er Geld des Konsortiums, das der Stadt H. zugedacht und versprochen war, nicht dieser zur Verfügung gestellt, sondern dem Verein "P. " verschafft hat, über den er es im Weiteren nach seinem und dem der anderen Vereinsmitglieder Gutdünken ausgegeben hat.

a) Der Angeklagte M. hätte - unabhängig von einer ihm aus seinem Amt erwachsenden Vermögensbetreuungspflicht (vgl. BGH NStZ 2003, 540; NStZ-RR 2005, 83; BGH, Beschl. vom 25. April 2006 - 1 StR 539/05; Bay-ObLGSt 38, 16, 19) - jedenfalls aufgrund einer konkreten Zusage einer Geldspende "für die Stadt H. " die Pflicht gehabt, die Vermögensinteressen der Stadt H. zu betreuen. Aufgrund dieses Treueverhältnisses wäre er verpflichtet gewesen, die Zahlungen als außergewöhnliche, nicht im Haushaltsplan veranschlagte Einnahme der Stadtkasse H. zuzuführen. Als Ergebnis einer solchen Pflichtverletzung könnte der Stadt dadurch ein Schaden entstanden sein, dass diese nicht über den Geldbetrag verfügen konnte.

b) Diese Verpflichtung des Angeklagten war nicht von vornherein dadurch entfallen, dass der Oberstadtdirektor es abgelehnt hat, die Zahlung entgegenzunehmen. Der Angeklagte hätte sich damit nicht abfinden dürfen. Es liegt nahe, dass die Gremien der Stadt der Annahme des Geldes zugestimmt hätten, wenn den Zuwendungen der Energieversorgungsunternehmen keine rechtlichen Bedenken mehr entgegengestanden hätten.

IV.

Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch.

Tolksdorf Winkler Pfister von Lienen RiBGH Hubert ist urlaubsbedingt an der Unterzeichnung gehindert.

Tolksdorf






BGH:
Urteil v. 11.05.2006
Az: 3 StR 389/05


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