Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. März 2004
Aktenzeichen: 5 W (pat) 423/03

(BPatG: Beschluss v. 10.03.2004, Az.: 5 W (pat) 423/03)

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin hat am 12. Oktober 1996 unter der Kurzbezeichnung "Stehleuchte" ein Gebrauchsmuster mit fünf Schutzansprüchen angemeldet. Zu den Anmeldeunterlagen gehörten fünf Zeichnungen. Unter der Nummer 296 17 755 ist das Gebrauchsmuster am 2. Januar 1997 antragsgemäß in die Gebrauchsmusterrolle eingetragen worden. Seine Schutzdauer ist auf 8 Jahre verlängert worden.

Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet:

1. Stehleuchte, insbesondere zur Ausleuchtung von Bildschirmarbeitsplätzen, mit Ständer (1), auf dem Ständer aufgesetztem Querholm (2) und zwei an dem Querholm (2) befestigten Leuchtenköpfen (3), wobei die Leuchtenköpfe (3) mindestens eine längliche Lichtquelle (4), Seitenreflektoren (5), einem lichtdurchlässigen Boden (6) und eine oberseitige Prismenglasabdeckung (7) aufweisen und an ihrem einen längsseitigen Ende um eine vertikale Drehachse (8) schwenkbar an dem Querholm (2) angeschlossen sind.

Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2001 hat die Antragstellerin die teilweise Löschung des Streitgebrauchsmusters im Umfang des eingetragenen Schutzanspruches 1 beantragt. Sie hat den Löschungsgrund der fehlenden Schutzfähigkeit gemäß § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG geltend gemacht und als Stand der Technik ua die folgende Druckschrift benannt:

(D2) US 33 593 E Angesichts dieses Standes der Technik beruhe Schutzanspruch 1 nicht auf einem erfinderischen Schritt im Sinne von § 1 Abs 1 GbrMG.

Die Antragsgegnerin hat diesem Antrag widersprochen.

Mit Beschluß vom 9. Oktober 2002 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts auf den Teillöschungsantrag der Antragstellerin das Streitgebrauchsmuster wegen fehlender Schutzfähigkeit im Sinne von § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG im Umfang des eingetragenen Schutzanspruches 1 gelöscht.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie meint, daß der Gegenstand des eingetragenen Schutzanspruches 1 auf einem erfinderischen Schritt beruhe, weil der Fachmann keine Veranlassung habe, Einzelmerkmale wie den auf dem Ständer aufgesetzten Querholm (D 21) mit den auf die Ausgestaltung der Leuchtenköpfe gerichteten Merkmalen (D 2) zu kombinieren, um sowohl die Lichttechnik als auch die mechanische Halterung zu verbessern.

Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2004 den eingetragenen Schutzanspruch 1 hilfsweise in folgender Fassung verteidigt:

1. Stehleuchte zur Ausleuchtung von Bildschirmarbeitsplätzen mit Ständer (1), auf dem Ständer aufgesetztem Querholm (2) und zwei an dem Querholm (2) befestigten Leuchtenköpfen (3), wobei die Leuchtenköpfe (3) mindestens eine längliche Lichtquelle (4), Seitenreflektoren (5), einem lichtdurchlässigen Boden (6) und eine oberseitige Prismenglasabdeckung (7) aufweisen und an ihrem einen längsseitigen Ende um eine vertikale Drehachse (8) schwenkbar an dem Querholm (2) angeschlossen sind.

Die Antragsgegnerin stellt den Antrag, den angegriffenen Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Oktober 2002 aufzuheben und den Teillöschungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen, hilfsweise: den Teillöschungsantrag der Antragstellerin im Umfang des Schutzanspruches 1 in der hilfsweise verteidigten Fassung vom 10. März 2004 zurückzuweisen.

Die Antragstellerin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat im Beschwerdeverfahren noch die Druckschrift

(D21) DE-GM 74 32 631 eingeführt und ist der Auffassung, daß der Gegenstand des Schutzanspruches 1 lediglich auf einer Aggregation von bekannten Merkmalen beruhe, ohne daß eine synergetische Wirkung erkennbar wäre. Der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters beruhe daher nicht auf einem erfinderischen Schritt.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Denn der Teillöschungsantrag ist begründet. Das Streitgebrauchsmuster ist sowohl im Umfang des eingetragenen Schutzanspruches 1 als auch im Umfang der für den eingetragenen Schutzanspruch 1 hilfsweise verteidigten Fassung vom 10. März 2004 nicht im Sinne des §§ 1 bis 3 GebrMG schutzfähig, weil der Gegenstand dieser Schutzansprüche nicht auf einem erfinderischen Schritt im Sinne von § 1 Abs 1 GebrMG beruht. Damit besteht der geltend gemachte Löschungsgrund gemäß § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG.

Zum Hauptantrag der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin:

Laut Beschreibung (Seite 1, Zeilen 19 bis 23) liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine Stehleuchte für eine Zweiergruppe von Arbeitstischen anzugeben, die eine blendfreie Ausleuchtung der beiden innerhalb der Zweiergruppe beliebig ausrichtbaren Arbeitstische gewährleistet und außerdem zur Raumausleuchtung beiträgt.

Eine Gliederung des eingetragenen Schutzanspruches 1 lautet wie folgt:

1) Stehleuchte, insbesondere zu Ausleuchtung von Bildschirmarbeitsplätzen 2) mit Ständer (1)

3) auf dem Ständer aufgesetztem Querholm (2) und 4) zwei an dem Querholm (2) befestigten Leuchtenköpfen (3), 4.1) wobei die Leuchtenköpfe (3) mindestens eine längliche Lichtquelle (4), 4.2) Seitenreflektoren (5), 4.3) einen lichtdurchlässigen Boden (6) und 4.4) eine oberseitige Prismenglasabdeckung (7) aufweisen und 4.5) an ihrem einen längsseitigen Ende um eine vertikale Drehachse (8) schwenkbar an dem Querholm (2) angeschlossen sind.

Der maßgebliche Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur mit Erfahrung in der Entwicklung von Arbeitsplatzleuchten und - in diesem Zusammenhang - mit Erfahrung in der Entwicklung von Lösungen für allgemeine Fragestellungen der Innenbeleuchtung.

Der Gegenstand des eingetragenen Schutzanspruchs 1 ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu, denn keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen zeigt alle Merkmale des Schutzanspruches 1. Der Gegenstand des Schutzanspruches 1 beruht jedoch nicht auf einem erfinderischen Schritt im Sinne von § 1 Abs 1 GebrMG.

Aus der D21 (Anspruch 1 und Figuren 1 und 2 in Verbindung mit der zugehörigen Beschreibung auf Seite 4, unterer Absatz bis Seite 7) ist eine Arbeitsplatzleuchte bekannt, die einen Rohrständer (60) aufweist, der an einer Tischplatte eines Schreibtisches oder dergleichen befestigt werden kann (Seite 6, vorletzte Zeile bis Seite 7, Zeile 7 in Verbindung mit Seite 3, erster vollständiger Absatz), was nichts anderes beschreibt als die im Schutzanspruch 1 angegebenen Merkmale 1 und 2. Wie aus der Figur 1 ersichtlich, ist auf dem Ständer (60) und quer zu diesem ein mittlerer Leuchtenteil (20) aufgesetzt, an dessen freien Enden zwei weitere Leuchtenteile (30) und (40) angeordnet sind. Somit stellt der mittlere Leuchtenteil (20) einen Querholm mit daran befestigten Leuchtenköpfen dar, wie es in den Merkmalen 3 und 4 beschrieben ist. Die Leuchtenköpfe nehmen Leuchtstoffröhren auf (Seite 6, Absatz 2) und sind mit fensterartigen Aussparungen (32, 42) für den Lichtdurchtritt nach unten ausgestattet (Figur 1 in Verbindung mit Seite 5, mittlerer Absatz, die ersten sechs Zeilen), sodaß auch die Merkmale 4.1 und 4.3 gegeben sind. Schließlich sind, wie aus den Figuren 1 und 2 ersichtlich, die Leuchtenköpfe (30, 40) an ihrem einen längsseitigen Ende um eine vertikale Drehachse (11, 12) in Richtung der in Figur 2 eingezeichneten gebogenen Doppelpfeile X und X1 schwenkbar an dem Querholm (20) angeordnet (vgl auch Seite 5, mittlerer Absatz), was dem Merkmal 4.5 entspricht.

Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des eingetragenen Schutzanspruchs 1 dadurch, daß die Leuchtenköpfe Seitenreflektoren und eine oberseitige Prismenglasabdeckung aufweisen (Merkmale 4.2 und 4.4).

Diese beiden Merkmale begründen keinen erfinderischen Schritt.

Dem Fachmann ist aus seinem Fachgebiet weiter die Druckschrift D2 bekannt. Dort ist in den Figuren 1 bis 5 in Verbindung mit der Beschreibung in Spalte 4, Zeile 34 bis Spalte 5, Zeile 65 eine Stehleuchte mit einem Ständer (12) dargestellt, deren Leuchtenkopf (11) (Figur 1) zwei längliche Lampen (L1, L2) aufweist (Figur 3 in Verbindung mit Figur 4 und Spalte 2, Zeilen 36 bis 40). Der in der Figur 3 im Querschnitt dargestellte Leuchtenkopf besitzt Seitenreflektoren, das sind die sich seitlich der Lampen (L1, L2) erstreckenden Seitenhälften (33, 34) des Reflektors (30) (vgl Merkmal 4.2), wobei Reflektoren dem Fachmann zum Ausrichten von Licht in gewünschte Raumbereiche geläufig sind. Außerdem ist an der Oberseite des Leuchtenkopfes eine Abdeckung in Form einer Linse (41) vorhanden, die neben gebogenen seitlichen Abschnitten (49, 50) einen oberen Linsenabschnitt (48) in Form einer Vielzahl von Prismen umfaßt (Spalte 5, Zeilen 22 bis 31 und Zeilen 45 bis 54 in Verbindung mit Spalte 2, vorletzter Absatz). Dies bedeutet nichts anderes, als daß eine oberseitige Prismenglasabdeckung vorhanden ist (vgl Merkmal 4.4). Durch diese Maßnahme wird eine gute indirekte Beleuchtung in modernen Büros bereitgestellt (Spalte 2, Zeilen 26 bis 54 in Verbindung mit Spalte 1, Zeilen 13 bis 26).

Steht der Fachmann vor der Aufgabe, neben einer blendfreien Ausleuchtung von Arbeitstischen auch zur Raumbeleuchtung beizutragen, wird er bei der Suche nach einer Lösung dieses Problems die Druckschrift D2 mit in seine Überlegungen einbeziehen und wird dann die in der D21 dargestellten Leuchtenköpfen mit den Seitenreflektoren und der Prismenglasabdeckung aus der D2 ausstatten.

Die nach einer Zusammenschau von D2 und D21 gestaltete Stehleuchte räumlich so anzuordnen, daß damit auch die Ausleuchtung beider innerhalb der Zweiergruppe beliebig ausrichtbaren Arbeitstische gewährleistet ist, stellt eine rein handwerkliche Leistung dar, die für den Fachmann auf der Hand liegt.

Zum Hilfsantrag der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin:

Schutzanspruch 1 in der hilfsweise geltend gemachten Fassung vom 10. März 2004 unterscheidet sich von dem eingetragenen Schutzanspruch 1 nur durch Streichung des Wortes "insbesondere". Diese Änderung macht den hilfsweise verteidigten Schutzanspruch 1 jedoch nicht schutzfähig im Sinne des §§ 1 bis 3 GebrMG; denn diese Beschränkung des Verwendungszweckes läßt den technischen Gegenstand des Streitgebrauchsmusters unberührt und entfernt ihn auch nicht von dem hier erörterten Stand der Technik. So wird in der D21 (zB Seite 3 Absatz 2) ua von einem Arbeitsplatz, wie etwa einem Schreibtisch, gesprochen. Die Feststellungen über das Fehlen des erforderlichen erfinderischen Schrittes, die im Zusammenhang mit dem Hauptantrag der Antragsgegnerin getroffen wurden, gelten daher uneingeschränkt auch für die hilfsweise verteidigte Fassung von Schutzanspruch 1.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 2 Satz 2 GbrMG in Verbindung mit § 84 Abs 2 PatG und §§ 91, 97 Abs 1 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

Werner Richter Strößner istaus dem richterlichen Dienst ausgeschiedenund deswegen verhin-

dert zu unterschreiben.

Werner Maksymiw Pü






BPatG:
Beschluss v. 10.03.2004
Az: 5 W (pat) 423/03


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