Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Oktober 2001
Aktenzeichen: 29 W (pat) 14/00

(BPatG: Beschluss v. 24.10.2001, Az.: 29 W (pat) 14/00)

Tenor

Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Oktober 1999 wird aufgehoben.

Gründe

I Die Wortmarke

"Cleverline"

soll für die Waren und Dienstleistungen

"Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten;

Druckerzeugnisse, insbesondere gedruckte Verzeichnisse im Bereich Telekommunikation;

Nationale und internationale Telekommunikationsdienstleistungen, insbesondere Sprachdienste, Telefaxdienste, Internet-Telefonie, Mehrwertdienste, nämlich Auskunftsdienste, Operatorservices, Informationsdienste aller Art, insbesondere Wetterauskünfte, Auskünfte aus dem Bereich Sport, Verkehrsauskünfte, Reiseinformationen, Börsennachrichten; Mehrwertdienste im Mobilfunk; Durchführung von Telefondiensten, Teletext-Services, computergestützte Übertragungen von Nachrichten und Bildern; Ausgabe von Calling Cards für die Telekommunikation; zur Verfügung stellen von Gateways und Knoten für die Telekommunikation; Dienstleistungen eines Internet-Providers; Bereitstellung/Zurverfügungstellung/ Vermietung von Zugangsmöglichkeiten und/oder Zugriffszeiten zu digitalen Netzen; Einrichtung von Netzwerken; Design von Netzwerkseiten (Homepages)"

in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluß vom 1. Oktober 1999 mangels Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Ungeachtet seiner Eigenschaft als Wortschöpfung komme dem Zeichen keine betriebliche Herkunftsfunktion zu. Der Verkehr werde "Cleverline" lediglich als schlagwortartigen Hinweis darauf verstehen, dass es sich um ein besonders raffiniertes Warensortiment, eine raffinierte Produktlinie handle bzw. dass die Telekommunikationsdienstleistungen über eine geschickt arrangierte Leitung oder Verbindung erfolgten. Das auch in den deutschen Sprachgebrauch eingegangene aus dem Englischen stammende Wort "clever" in den Bedeutungen "schlau, klug, gewitzt, brillant, geistreich, taktisch geschickt vorgehend, auf Grund von Klugheit und Wendigkeit alle Möglichkeiten nutzend" werde in der Werbesprache, insbesondere im Bereich Telekommunikation und Datenverarbeitung immer beliebter und nicht mehr nur personenbezogen verwendet, was Beispiele wie "clevere Verschachtelung von Chips", "Clever wählen", "der clevere Chip", "Clever vernetzt" oder "Software für clevere CD-Kopierer" belegten. Ebenfalls werbeüblich seien Wortzusammensetzungen mit dem englischen Wort "line", mit denen auf bestimmte Kollektionen oder Produktreihen hingewiesen werde. Im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren werde der Verkehr "Cleverline" daher nur als werbemäßigen Hinweis auf eine clevere Produktreihe auffassen, ebenso bei den sämtlich die Telekommunikation betreffenden Dienstleistungen. Dort werde "line" entsprechend der im Inland bekannten Wortverbindungen wie z.B. "hotline" spontan als "Verbindung, Leitung, Anschluss" verstanden, so dass für den Verkehr die Annahme auf einen Unternehmenshinweis fern liege, vielmehr werde "Cleverline" als werbemäßige, schlagwortartige Herausstellung der Leistungsfähigkeit im Sinne von "clevere Verbindung, clevere Leitung" aufgefasst. Da der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft fehle, könne offen bleiben, ob außerdem noch ein Freihaltungsbedürfnis bestehe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Nicht zu beanstanden sei, dass die Markenstelle festgestellt habe, dass sowohl "clever" als auch "line" selbständig sinngebende Begriffe seien. Dies bedeute aber nicht, dass auch deren Verbindung schutzunfähig sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn sie die mit der Marke geschützten Dinge begrifflich bezeichne, was bei "Cleverline" nicht gegeben sei. Ein beschreibender Hinweis z.B. auf die angemeldeten Waren Papier, Pappe, oder die Dienstleistungen Wetterauskünfte, Auskünfte aus dem Bereich Sport, Verkehrsauskünfte sei durch die angemeldete Marke ohnehin nicht möglich. "Clever" bezeichne keine Art von Produkten, sondern allenfalls eine dem Nutzer zugeordnete Eigenschaft. Der Verkehr gehe auch bei den Dienstleistungen der Telekommunikation nicht davon aus, dass es sich bei "Cleverline" um eine auf sie bezogene Gattungsbezeichnung handle, sondern um eine Bezeichnung, die auf einen unternehmerischen Urheber hindeute. Auch die ungewöhnliche Schreibweise der Marke "Cleverline", die als Wortschöpfung zu betrachten sei, spreche für Unterscheidungskraft. Für das Vorliegen eines Freihaltungsbedürfnisses bestünden keinerlei Anhaltspunkte.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg, da der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen weder Unterscheidungskraft fehlt noch ein Freihaltebedürfnis besteht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 und 1 MarkenG).

1. Das angemeldete Zeichen ist in seiner Gesamtheit weder lexikalisch nachweisbar, noch ist "Cleverline" als beschreibender Bestandteil des aktuellen Sprachgebrauchs oder der Werbesprache - u.a. durch eine Internet-Recherche - zu belegen. Das angemeldete Markenwort konnte mit Hilfe einer Internet-Recherche nur in einem Fall, nämlich für eine Produktlinie für bestimmte 17- und 19-Monitore der Fa. S... GmbH gefunden werden, ohne dass ein Bezug zu konkreten Eigenschaften der Monitore erkennbar geworden wäre. Ansonsten ist das Zeichen in Gebrauch durch die Anmelderin als Markenwort für einen Telefontarif in der Schreibweise "CleverLine", in ihrem Firmennamen sowie firmenmäßig durch einen holländischen Elektronikhersteller.

"Cleverline" besitzt für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen unmittelbar beschreibenden Inhalt. Die Markenstelle ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die einzelnen Bestandteile des Begriffs "Cleverline" breiten Verkehrskreisen bekannt und ohne weiteres verständlich sind, da das aus dem Englischen stammende Wort "clever" in den Bedeutungen "schlau, klug, gewitzt, brillant, geistreich, taktisch geschickt vorgehend, auf Grund von Klugheit und Wendigkeit alle Möglichkeiten nutzend" in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen ist (vgl. z.B. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl. 2001, Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl. 2000, jeweils zum Stichwort "clever"). "Clever" wird auch, wie die von der Markenstelle angeführten Beispiele zeigen, in der Werbesprache, insbesondere im Bereich Telekommunikation und Datenverarbeitung benutzt und dabei nicht mehr nur personen-, sondern auch objektbezogen verwendet. Die Markenstelle ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei Waren Wortzusammensetzungen mit dem englischen Wort "line" auf bestimmte Kollektionen oder Produktreihen hinweisen. Der Verkehr wird auch im Zusammenhang mit Dienstleistungen, die die Telekommunikation betreffen, "line" entsprechend der bekannten Wortverbindung "hotline" mit den Begriffen "Verbindung, Leitung, Anschluss" gleichsetzen oder, wie das HABM in der Entscheidung R 0545/99-3 zu "DIRECT LINE" (PAVIS CD-ROM Markenentscheidungen) ausgeführt hat, mit einer Telefonnummer, die man anrufen kann, um Informationen oder Rat einzuholen.

2. Dieses Einzelverständnis der Bestandteile des Markenwortes führt aber nicht zur Schutzunfähigkeit der angemeldeten Marke "Cleverline".

2.1. Einer Wortmarke fehlt nur dann jegliche Unterscheidungskraft, wenn ihr ein für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann oder es sich um einen verständlichen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, der vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. BGH WRP 1999, 1169, 1171 "FOR YOU"; WRP 1999, 1167, 1168 "YES"; WRP 2000, 741 "LOGO"; BGH WRP 2001, 35 "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION"; vgl. etwa auch BGH GRUR 2000, 321, 322 "Radio von hier"; BGH GRUR 2000, 323, 324 "Partner with the Best"; BGH GRUR 2000, 720, 721 "Unter uns"; BGH WRP 2001, 692 "Test it"; BGH I ZB 55/98 "LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER"; BGH I ZB 60/98 "Gute Zeiten - schlechte Zeiten"). Dies ist hier nicht der Fall.

Da der Verkehr Kennzeichen von Waren oder Dienstleistungen so aufnimmt, wie sie ihm begegnen, ohne sie einer analysierenden oder sachbeschreibenden Bedeutungen nachgehenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl. Rn 142 zu § 8), ist für die Beurteilung der Schutzfähigkeit die angemeldete Marke als Ganzes maßgeblich. Bei "Cleverline" handelt es sich trotz der Übernahme von "clever" ins Deutsche um einen insgesamt englischsprachig wirkenden Begriff, der grundsätzlich nicht mit einem seinem Bedeutungsgehalt entsprechenden deutschen Wort gleichgesetzt werden kann (Althammer a.a.O. Rn 57 und 131 zu § 8). Das Kompositum "Cleverline" erscheint durch seine schriftbildliche Ausgestaltung - Großbuchstaben am Wortanfang und Zusammenschreibung - als ein Substantiv oder Name und nicht wie ein aus einem Adjektiv und einem Substantiv zusammengesetzter Ausdruck. Um dem angemeldeten Zeichen überhaupt den Charakter einer Sachangabe beizumessen, müsste daher eine Trennung der Wortbestandteile erfolgen, was nicht ohne eine analysierende Betrachtungsweise durch die angesprochenen Verkehrskreise geschehen könnte, die regelmäßig nicht erfolgt.

Darüber hinaus verfügt der von der Markenstelle angenommene Sinngehalt "clevere Produktlinie" bezogen auf die angemeldeten Waren "Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien" und Druckerzeugnisse über keinen diese Waren beschreibenden Charakter, da weder "clever" noch "line" einen direkten Bezug zu diesen Waren aufweisen. Insbesondere kann dem Begriff "clever" im vorliegenden Zusammenhang keinerlei konkreter Qualitätshinweis entnommen werden, zumal - wie eine Internet-Recherche zu "clever" ergeben hat - in der Werbesprache "clever" regelmäßig in seiner wortsinngemäßen Bedeutung einer geistigen Eigenschaft verwendet wird. Dies ergibt aber im Zusammenhang mit einer Produktlinie für "Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien" keinen erkennbaren Sinn, ebensowenig für Druckerzeugnisse. Selbst wenn bezüglich der beanspruchten Waren aus Papier oder Pappe eine besonders praxistaugliche Ausgestaltung beispielsweise bei Büroartikeln möglich ist, wäre für eine derartige besondere Eignung weder das Wort "Cleverline" noch der Begriff "clevere Produktlinie" eine Sachangabe. Zu dieser begrifflichen Unschärfe kommt hinzu, dass die Wortbildung der Marke für solche Sinngehalte eher untypisch ist und sich daher auch nicht als Inhaltsangabe für die "Druckerzeugnisse" eignet. Insgesamt kommt der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zu.

2.2. Dies gilt auch hinsichtlich der beanspruchten Telekommunikationsdienstleistungen. Im Gegensatz zur Auffassung der Anmelderin kommt es zwar nicht darauf an, ob "Cleverline" für diese Dienstleistungen einen Gattungsbegriff darstellt oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, dass das Markenwort auch hier keine im Vordergrund stehende beschreibende Sachangabe ist. Auch wenn im Zusammenhang mit der Telekommunikation "line" sicher im Sinn von "Verbindung, Leitung, Anschluss" verstanden oder als Telefonnummer, die man anrufen kann, um Informationen oder Rat einzuholen, aufgefasst wird, enthält "Cleverline" für die beanspruchten "nationalen und internationalen Telekommunikationsdienstleistungen oder Mehrwertdienste, auch im Mobilfunk, für die Durchführung von Telefondiensten, Teletext-Services, computergestützte Übertragungen von Nachrichten und Bildern; Ausgabe von Calling Cards für die Telekommunikation; zur Verfügung stellen von Gateways und Knoten für die Telekommunikation, Dienstleistungen eines Internet-Providers; Bereitstellung/Zurverfügungstellung/ Vermietung von Zugangsmöglichkeiten und/oder Zugriffszeiten zu digitalen Netzen, die Einrichtung von Netzwerken oder das Design von Netzwerkseiten" keine jeweils im einzelnen zutreffende Sachaussage. Vielmehr nimmt das Markenwort als sprechende Marke mit "line" Bezug auf das Gebiet der Telekommunikation und deutet dazu insbesondere im Zusammenhang mit den Auskunftsdiensten durch die Verwendung des Bestandteils "clever" einerseits die Cleverness desjenigen an, der die über eine "line" zu erhaltenden Dienstleistungen in Anspruch nimmt, und andererseits suggeriert er die Kompetenz des Anbieters. Dieser doppelte Bedeutungsinhalt erschließt sich zudem erst bei analytischer Beschäftigung mit dem Zeichen "Cleverline".

Damit hat die angemeldete Marke, wie dargelegt, für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt und da "Cleverline" im Gegensatz zum feststehenden Begriff "Hotline" oder "heißer Draht" auch kein gebräuchlicher Ausdruck der deutschen oder der englischen Sprache ist, den der Verkehr stets nur als solchen versteht, ist dem Zeichen nicht jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen.

3. Bei dieser Sachlage kann für die angemeldete Marke auch kein Freihaltungsbedürfnis festgestellt werden. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist eine Marke dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie ausschließlich aus Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Wie dargelegt, ist dies für "Cleverline" nicht der Fall. Die Marke vermag zwar im Bereich der Telekommunikation gewisse positive Erwartungen nach Art einer sprechenden Marke anzudeuten, enthält aber insgesamt für die hier betroffenen Waren- und Dienstleistungen keine Eigenschaftsbezeichnung, so dass ein Bedürfnis etwaiger Mitbewerber, die Bezeichnung im hier beanspruchten Waren- und Dienstleistungsbereich zu benutzen, weder gegenwärtig besteht noch konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende zukünftige Entwicklung ersichtlich sind.

Grabrucker Baumgärtner Pagenberg Cl






BPatG:
Beschluss v. 24.10.2001
Az: 29 W (pat) 14/00


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