Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. September 2009
Aktenzeichen: 33 W (pat) 78/07
(BPatG: Beschluss v. 15.09.2009, Az.: 33 W (pat) 78/07)
Tenor
BPatG 152 1.
Die Anträge der Anmelderin, das Beschwerdeverfahren wieder aufzunehmen, hilfsweise den Wiederaufnahmeantrag als Widerruf der Prozesshandlung der Rücknahme der Beschwerde zu deuten und jedenfalls über die Beschwerde zu entscheiden, werden zurückgewiesen.
2.
Es wird festgestellt, dass das Beschwerdeverfahren aufgrund der mit Telefax der Anmelderin vom 11. März 2009 erklärten Rücknahme der Beschwerde beendet ist.
Gründe
I.
Die Bezeichnunghaus24 ist am 20. Januar 2005 für verschiedene Dienstleistungen aus den Klassen 35, 36 und 42 zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Markenanmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Hiergegen hat sich die am 9. Mai 2007 eingegangene Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Mit Bescheid vom 13. Januar 2009, dem zahlreiche Recherchebelege beigefügt waren, hat der Senat die Anmelderin auf die fehlende Erfolgsaussicht der Beschwerde hingewiesen, wobei der Senat in seiner vorläufigen Beurteilung Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG bejaht hat. Auf den daraufhin eingereichten Aussetzungsantrag, der mit einer identischen Dritteintragung und einem beim EuGH anhängigen Vorlageverfahren zur Wirkung von Dritteintragungen begründet worden war, hat der Senat die Anmelderin mit weiterem Bescheid vom 17. Februar 2009, dem zahlreiche Rechtsprechungsbelege beigefügt waren, darauf hingewiesen, dass eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens nicht in Betracht kommt. Daraufhin ist am 11. März 2009 bei Gericht ein Telefax der Anmelderin mit gleichem Datum mit folgendem Wortlaut eingegangen:
"33 W (pat) 78/07 In der Beschwerdesache Markenanmeldung: haus24 nimmt die Beschwerdeführerin die Beschwerde zurück."
Diese Erklärung weist die Unterschrift des Geschäftsführers der Anmelderin auf. Zudem ist auf dem Telefax u. a. vermerkt: nur Per FAX.
Die Anmelderin beantragt nunmehr sinngemäß, das Beschwerdeverfahren wieder aufzunehmen, hilfsweise den Wiederaufnahmeantrag als Widerruf der Prozesshandlung der Rücknahme der Beschwerde zu deuten und jedenfalls über die Beschwerde zu entscheiden.
Die Anmelderin begründet ihre Anträge damit, dass ihre mittlerweile suspendierte Sekretärin den Schriftsatz vom 11. März 2009 mit der Beschwerderücknahmeerklärung an das Bundespatentgericht gefaxt habe, ohne dass dies von der Beschwerdeführerin bzw. ihrem Geschäftsführer gewollt gewesen sei. Der vom Geschäftsführer der Anmelderin unterzeichnete Schriftsatz habe zunächst zurückgehalten werden sollen bis zu einer Rücksprache zwischen dem Geschäftsführer und dem Anwalt der Anmelderin. Der Anwalt habe bei dieser Rücksprache dann empfohlen, die Beschwerde entscheiden zu lassen, da die Anmelderin dadurch eine bessere Position beim Vorgehen gegen Drittanmelder erhalte. Es könne dahinstehen, ob das Gesetz eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach erklärter Beschwerderücknahme vorsehe oder nicht. Eine Wiederaufnahme sei nicht erforderlich, weil es zu keinem Ende des Verfahrens gekommen sei. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei nämlich hilfsweise als Widerruf der Prozesshandlung "Rücknahme der Beschwerde" zu deuten. Aufgrund des Widerrufs sei es zu keinem Verfahrensende gekommen, so dass über die Beschwerde zu entscheiden sei. Nach Auffassung der Anmelderin seien Prozesshandlungen unbeachtlich, wenn sie widerrufen würden. Ein Widerruf sei möglich, solange noch keine geschützten Rechtspositionen bzw. keine schutzwürdigen Interessen des Gegners entstanden seien bzw. entgegenstünden. Da es keinen Gegner gebe, gebe es auch keine entsprechenden Interessen.
Auf die fehlende Erfolgsaussicht der Anträge hat der Senat die Anmelderin mit zwei weiteren Bescheiden hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Anträge der Anmelderin auf Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. dahingehend, hilfsweise den Wiederaufnahmeantrag als Widerruf der Prozesshandlung Rücknahme der Beschwerde zu deuten und das Verfahren fortzusetzen und über die Beschwerde zu entscheiden, waren zurückzuweisen, da die Beschwerderücknahme wirksam ist und die beantragte Fortsetzung des Verfahrens aufgrund der geltend gemachten Umstände gesetzlich nicht vorgesehen ist. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist festzustellen, dass das Beschwerdeverfahren beendet ist. Eine weitergehende Feststellung gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 516 Abs. 3 ZPO analog zum Verlust der Beschwerde, wie sie bei Rücknahme einer sofortigen Beschwerde im ZPO-Streitverfahren üblich und nach h.M. auch erforderlich ist (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 569 Rdn. 23), ist nicht veranlasst, zumal im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren gegen die Zurückweisung einer Anmeldung keine Gegenpartei beteiligt ist.
Die Beschwerde ist durch das Telefax vom 11. März 2009 wirksam zurückgenommen worden. Die Rücknahme der Beschwerde stellt eine Prozesshandlung dar, die -anders als die Rücknahme der Berufung oder Revision im ZPO-Verfahren gemäß § 516 bzw. § 565 ZPO -gesetzlich nicht geregelt ist, aber nach völlig unbestrittener Auffassung bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung entsprechend möglich ist (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 66 Rdn. 63, 64; vgl. auch Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 569 Rdn. 19). Als rechtsgestaltende Prozesshandlung ist die Beschwerderücknahme schriftlich zu erklären. Dem Schriftformerfordernis genügt die Übermittlung eines unterzeichneten Schriftsatzes per Telefax (§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 130 Nr. 6 ZPO), wobei es für die Wirksamkeit der Erklärung nicht notwendig ist, den Schriftsatz im Original per Post nachzureichen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 129 Rdn. 44; Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl. § 129 Rdn. 13; jeweils m. w. N.). Dem Erfordernis der Unterzeichnung durch Unterschrift ist genügt, wenn das vom Absender verwendete Schriftstück die Unterschrift trägt und dies auf dem bei Gericht eingegangenen Telefax zu sehen ist (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 130a Rdn. 9). Inzwischen genügt dem Schriftformerfordernis nach h.M. sogar die Übermittlung des Schriftsatzes durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift (vgl. Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, NJW 2000, 2340). Irgendeine Art von Einschränkung ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass mit dem Telefax etwa nur die in einem Originalschriftsatz erst zu übersendende Erklärung angekündigt worden wäre. Eine solche Auslegung scheidet schon deshalb aus, weil die Anmelderin selbst eine Übermittlung der Beschwerderücknahme im Original gar nicht beabsichtigt hatte, sondern auf dem am 11. März 2009 eingegangenen Fax vom selben Tag vielmehr ausdrücklich vermerkt hatte, dass die Erklärung "nur Per FAX" übermittelt wird.
Der von der Anmelderin behauptete Umstand, dass ihr Geschäftsführer vor der Telefaxübermittlung des bereits von ihm unterzeichneten Schriftsatzes noch mit dem Anwalt Rücksprache nehmen wollte und die Telefaxübermittlung "versehentlich" vor dieser Rücksprache erfolgte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Vorbehalte sind aus dem Rücknahmeschriftsatz nicht ersichtlich und deshalb unbeachtlich. Bei der Auslegung von Prozesshandlungen kommt es -wie bei rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen -auf die Verständnismöglichkeit des Erklärungsempfängers an (Empfängerhorizont). Deshalb ist allgemein anerkannt, dass selbst bei Fehlen des Erklärungsbewusstseins die Prozesshandlung als wirksam anzusehen ist, wenn der äußere Tatbestand jedenfalls der Beteiligten zuzurechnen ist und der Mangel des Willens für das Gericht nicht erkennbar ist (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rdn. 290). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn eine entsprechende Prozesserklärung durch eine Bürokraft versehentlich abgesendet worden ist (so OLG Karlsruhe, NJW 1975, 1933). Den mit der Rücknahmeerklärung gesetzten Rechtsschein muss die Anmelderin gegen sich gelten lassen. Da der Schriftsatz mit der Erklärung tatsächlich vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin unterzeichnet worden war, wurde von ihm als dem autorisierten Vertreter eine hinreichend zurechenbare Ursache für die Abgabe der Erklärung gesetzt, welche die Anmelderin gegen sich gelten lassen muss. Der Geschäftsführer hätte vor einer endgültigen Klärung der Frage, ob die Beschwerde zurückgenommen werden soll oder nicht, eine entsprechende Erklärung nicht unterzeichnen müssen oder dürfen. Im Falle einer Unterzeichnung hätte er jedenfalls durch geeignete Maßnahmen sicherstellen müssen, dass die Erklärung nicht ohne seinen Willen nach außen gelangen kann. Die von der Anmelderin vertretene Auffassung würde ansonsten zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit bei verfahrensbestimmenden Prozesshandlungen mit unmittelbar rechtsgestaltender Wirkung führen, weil solche Prozesshandlungen unter dem dauerhaften Vorbehalt stünden, dass sie versehentlich oder in anderer Weise unautorisiert auf den Postoder Telefaxweg gebracht worden sind.
Der anders zu beurteilende Fall, dass etwa die Erklärung von einer nicht autorisierten Person stammt, ist vorliegend nicht gegeben.
Ein Widerruf der mit Telefax vom 11. März 2009 erklärten Beschwerderücknahme kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Beschwerderücknahme, die mit ihrem Eingang eine unmittelbar prozessuale Rechtswirkung entfaltet, nämlich zur Beendigung des Verfahrens führt, ist als sogenannte Bewirkungshandlung grundsätzlich unwiderruflich (vgl. Zöller, ZPO, 27. Aufl., vor § 128 ZPO Rdn. 17; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rdn. 223, 228 und 284). Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn Gründe für eine Restitutionsklage im Sinne des § 580 ZPO gegeben sind (vgl. Zöller, ZPO, 27. Aufl., vor § 128 ZPO Rdn. 24), wobei die Voraussetzungen hierfür offensichtlich nicht vorliegen. Auf schutzwürdige Interessen einer Gegenpartei oder des Gerichts kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die von der Anmelderin zitierte Kommentarstelle (Zöller, vor § 128 ZPO Rdn. 17 und Rdn. 23) ist vorliegend nicht einschlägig, weil sie sich auf sogenannte Erwirkungshandlungen bezieht. Dies sind Prozesshandlungen, die keine unmittelbare rechtsgestaltende Wirkung entfalten, sondern lediglich eine gerichtliche Handlung herbeiführen sollen.
Nur abschließend sei noch angemerkt, dass die Anfechtung einer Prozesshandlung wegen Willensmängeln ausgeschlossen ist (Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl. Einl. III Rdn. 23; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rdn. 288 ff.), so dass auch eine entsprechende Auslegung bzw. Umdeutung der Erklärungen der Anmelderin nicht zu dem von ihr gewünschten Ergebnis der Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens führen kann.
Bender Kätker Knoll Cl
BPatG:
Beschluss v. 15.09.2009
Az: 33 W (pat) 78/07
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