Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 29. September 2003
Aktenzeichen: AnwZ (B) 64/02

(BGH: Beschluss v. 29.09.2003, Az.: AnwZ (B) 64/02)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000

Gründe

I.

Der Antragsteller bestand am 11. April 2001 die zweite juristische Staatsprüfung und nahm ab dem 1. Juli 2001 eine Beschäftigung als Jurist in der Abteilung Recht und Projekte der P. AG in K. im S. auf. Er beantragte am 29. Juli 2001 seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Amtsgericht B. und beim Landgericht S. mit der Erklärung, in B. liege sein Lebensmittelpunkt und dort werde er seine Kanzlei in den Räumlichkeiten seines als Rechtsanwalt tätigen Onkels einrichten. Eine entsprechende Bestätigung dieses Rechtsanwalts legte er vor.

Die Antragsgegnerin wies den Antrag mit Bescheid vom 12. September 2001 nach § 7 Nr. 8 BRAO mit der Begründung zurück, der Antragsteller sei aufgrund seines Anstellungsverhältnisses derzeit aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage, den Beruf des Rechtsanwalts mehr als nur gelegentlich auszuüben. Die Fahrtzeit von mehr als zwei Stunden, die für eine Fahrt zwischen der regelmäßigen Arbeitsstelle in K. und der Kanzlei in B. aufgewendet werden müsse, schließe eine Anwaltstätigkeit aus.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der mittlerweile nach W. an der Bergstraße umgezogen ist.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Dem Antragsteller ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit Recht versagt worden (§ 7 Nr. 8 BRAO).

1.

Die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Ausübung einer mit dem Anwaltsberuf nicht vereinbaren Tätigkeit (§ 7 Nr. 8 BRAO) greift in die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) ein. Dieses Grundrecht umfaßt die Freiheit, mehrere Berufe zu wählen und nebeneinander auszuüben (BVerfGE 21, 171, 179; 87, 287, 316). Daß eine Tätigkeit als angestellter Jurist in der Rechtsabteilung einer Aktiengesellschaft, wie sie der Antragsteller ausübt, mit dem Beruf des Rechtsanwalts nicht von vornherein unvereinbar ist, ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Regelung in § 46 BRAO (vgl. BVerfGE 87, 287, 327).

2.

Auf dieser Grundlage geht der angefochtene Beschluß zutreffend davon aus, daß es für den Versagungsgrund nach § 7 Nr. 8 BRAO darauf ankommt, ob der Antragsteller eine anwaltliche Tätigkeit neben seiner Tätigkeit als Unternehmensjurist tatsächlich ausüben kann. Denn der Rechtsanwaltsberuf darf neben einem anderen Beruf nur gewählt und ausgeübt werden, wenn dem Rechtsanwalt der für eine Anwaltstätigkeit unentbehrliche rechtliche und tatsächliche Handlungsspielraum verbleibt (BVerfGE 87, 287, 323; Senatsbeschluß vom 17. März 2003 -AnwZ (B) 3/02, NJW 2003, 1527 unter II 2 m.Nachw.). Maßgebend dafür ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ob der Rechtsanwalt neben seinem anderen Beruf in der Lage ist, den Anwaltsberuf in einem wenn auch beschränkten, so doch nennenswerten Umfang und jedenfalls mehr als nur gelegentlich auszuüben; eine bloß geringfügige Möglichkeit, sich als Rechtsanwalt zu betätigen, reicht nicht aus (Senatsbeschluß vom 17. März 2003, aaO m.Nachw.). Dieser Grundsatz, der ein Mindestmaß an Unabhängigkeit und Professionalität des Rechtsanwalts sichern soll, ist vom Bundesverfassungsgericht gebilligt und auch für erforderlich gehalten worden, um den reinen "Feierabend-Anwalt" auszuschließen und die Berufsbezeichnung des Rechtsanwalts nicht zu einem bloßen Titel werden zu lassen (BVerfGE aaO, 323).

3.

Die Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall ergibt, daß der ablehnende Bescheid der Antragsgegnerin und der angefochtene Beschluß Bestand haben. Der Antragsteller hat nicht dargetan, daß er -in tatsächlicher Hinsicht -eine Anwaltstätigkeit in B. in nennenswertem Umfang ausüben kann.

Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits die Entfernung zwischen dem Beschäftigungsort in K. und dem beabsichtigten Kanzleiort in B. die Annahme rechtfertigt, daß dem Antragsteller der erforderliche tatsächliche Handlungsspielraum für eine Anwaltstätigkeit in B.

fehlt. Der Umstand, daß die Fahrtzeit zwischen K. und B. mit dem Pkw oder öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen zwei und drei Stunden beträgt, führt im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb zu einer unerträglichen Erschwernis einer anwaltlichen Berufsausübung in B. , weil der Antragsteller inzwischen nicht mehr dort seinen Lebensmittelpunkt hat, sondern in W. wohnt. Der Antragsteller ist der an seinen Prozeßbevollmächtigten gerichteten Aufforderung des Senats, näher darzulegen, wie er -neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit im S. -den Anwaltsberuf in B. noch werde in nennenswertem Umfang ausüben können, nachdem er von B. nach W. umgezogen sei, nicht nachgekommen. Ob der Antragsteller von der Rechtsanwaltskammer K.

, bei der er sich um eine Zulassung beim Landgericht H. bemüht hat, zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden wird, wenn er nach Abschluß dieses Verfahrens einen entsprechenden Antrag stellt, ist für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens unerheblich. Deppert Schlick Otten Frellesen Schott Frey Wosgien






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Beschluss v. 29.09.2003
Az: AnwZ (B) 64/02


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