Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. November 2004
Aktenzeichen: 10 W (pat) 705/03
(BPatG: Beschluss v. 11.11.2004, Az.: 10 W (pat) 705/03)
Tenor
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Musterregister - vom 3. Dezember 2002 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Die Geschmacksmusterinhaberin stellte mit der am 27. Juli 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingereichten Geschmacksmusteranmeldung Antrag auf Eintragung in das Musterregister, wobei der Gegenstand mit "Türe" bezeichnet wurde. Der Antrag wurde unter Verwendung des amtlichen Antragsvordrucks gestellt. Unter "Sonstige Anträge" ist das Kästchen für die Sammelanmeldung angekreuzt und als Anzahl der Muster die Zahl "2" angegeben ("Eintragung als Sammelanmeldung von 2 Mustern oder Modellen ..."). Im beigefügten amtlichen Anlageblatt (R 5703.1) ist in der ersten Zeile unter der laufenden Nummer 1 in Spalte E (Fabrik- oder Geschäftsnummer oder sonstige Zuordnungsangabe) angegeben "topi 10/DE (1-11)", in der zweiten Zeile unter der laufenden Nummer 2 "topi 10/DE (12-14)". In der Spalte F (Abbildungen, Anzahl) ist unter der Nummer 1 angegeben "11", unter der Nummer 2 ist angegeben "3". Sowohl bei der Nummer 1 als auch bei der Nummer 2 ist jeweils das Kästchen der Spalte H (Bezeichnung als Grundmuster) angekreuzt. Eingereicht wurden insgesamt 14 Abbildungen, die jeweils verschiedene Gestaltungen von Türen zeigen (die Abbildungen 1 bis 11 zeigen jeweils nur eine Tür, die Abbildungen 12 bis 14 jeweils eine Tür, die links und rechts mit Seitenelementen versehen ist).
Die Anmeldung wurde - ohne weitere Nachfrage durch das DPMA - unter der Angabe "Anzahl Geschmacksmuster: 2" im September 2000 in das Musterregister eingetragen.
Nach einem Telefonat mit einem Bediensteten des DPMA Anfang Juni 2002, in dem die Geschmacksmusterinhaberin angab, erst jetzt bemerkt zu haben, dass mehrere ihrer Anmeldungen statt als Sammelanmeldungen als Einzelanmeldungen eingetragen worden seien, hat sie mit Schriftsatz vom 11. Juni 2002 beantragt, die Eintragung im Musterregister in eine Eintragung von 14 Geschmacksmustern zu berichtigen. Mit der Anmeldung sei gemäß der eingereichten 14 Abbildungen beabsichtigt gewesen, eine Sammelanmeldung zu hinterlegen. Entsprechend sei im Antrag "Sammelanmeldung" angekreuzt, seien alle Abbildungen mit einer eigenen Geschäftsnummer versehen und das Anlageblatt R 5703.1 verwendet worden. Bedauerlicherweise sei jedoch im Antrag "2 Muster" und nicht "14 Muster" angegeben und seien im Anlagenblatt nicht alle Muster mit einer laufenden Nummer versehen worden. Es sei jedoch eindeutig der Wille erkennbar gewesen, eine Sammelanmeldung einreichen zu wollen. Die nachzuzahlenden Gebühren würden nach positiver Entscheidung über den Antrag umgehend entrichtet.
Auf die Mitteilung des DPMA, eine Berichtigung könne nicht erfolgen, da das DPMA darauf vertrauen konnte, dass die im Antragsformular und Anlageblatt gemachten Angaben dem Willen der Anmelderin entsprachen und eine Änderung der Angaben nach Eintragung der Geschmacksmusteranmeldung nicht mehr möglich sei, hat die Geschmacksmusterinhaberin vorgetragen, alle 14 Muster ließen, auch bei flüchtiger Betrachtung, jeweils eigenständige Gestaltungselemente erkennen. Insofern im Anlageblatt auch die "Bezeichnung als Grundmuster" angekreuzt war, unterstreiche das die Widersprüchlichkeit zur Angabe "2 Muster" im Antrag. Die Anmeldung sei daher mangelhaft gewesen und hätte durch einen Mängelbescheid des Patentamts gerügt werden müssen. Die Angabe im Antrag "2 Muster" beruhe auf einem Inhaltsirrtum dahingehend, dass sie sich auf die bekanntzumachenden Muster bezogen habe. Die Angabe werde daher gemäß § 119 Abs 1 BGB angefochten, da es in der Absicht der Geschmacksmusterinhaberin gelegen habe, 14 Muster eintragen zu lassen.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Musterregister - hat durch Beschluss vom 3. Dezember 2002 den Antrag auf Berichtigung der Eintragung abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, nach Eintragung einer Geschmacksmusteranmeldung sei eine Änderung der gemachten Angaben nicht mehr möglich, da hierdurch der Schutzgegenstand der Anmeldung nachträglich geändert werde. Aufgrund der eindeutig festgelegten Musterzahl "2" und der Tatsache, dass im Anlageblatt nur zwei laufende Nummern vergeben worden seien, habe das Patentamt von einer Sammelanmeldung von zwei Mustern ausgehen müssen, zumal die Anmeldung durch einen berufsmäßigen Vertreter auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes eingereicht worden sei. Der fundamentale Grundsatz, dass der Schutzgegenstand zum Zeitpunkt der Anmeldung selbst feststehen müsse, da das Geschmacksmusterrecht als Vollrecht bereits mit Anmeldung entstehe, werde aber verletzt, wenn ein Anmelder beim Auseinanderfallen der im schriftlichen Antrag angegebenen Musterzahl und der tatsächlich eingereichten höheren Musterzahl nachträglich die Erweiterung des Schutzgegenstandes vornehmen könnte. Eine Änderung der Musterzahl sei bereits bis zur Eintragung des Musters nicht möglich, erst recht müsse dies für eine Änderung nach Eintragung des Musters gelten. Auch die Irrtumsanfechtung könne nicht zu einem anderen Ergebnis führen, denn die Anfechtung hätte unverzüglich nach Übersendung der Eintragungsurkunde erklärt werden müssen, § 121 Abs 1 Satz 1 BGB.
Hiergegen wendet sich die Geschmacksmusterinhaberin mit der Beschwerde und bezieht sich zur Begründung auf ihre vor dem DPMA gemachten Ausführungen. In der mündlichen Verhandlung führt sie aus, es sei eine Sammelanmeldung von 14 eigenständigen Mustern, nicht eine Sammelanmeldung von 2 Grundmustern mit entsprechenden Abwandlungen gemeint gewesen. Die Art der Muster hätte für das DPMA Anlass sein müssen nachzufragen. Anders als bei den Geschmacksmustern, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Sitz-Liegemöbel" (GRUR 2001, 503) gewesen seien, wiesen die vorliegenden Muster keine übereinstimmenden Merkmale auf, vielmehr stelle jede Tür ein Unikat dar. Daher wäre gemäß § 10 Abs 3 GeschmMG auf jeden Fall ein Mängelbescheid erforderlich gewesen.
Die Geschmacksmusterinhaberin beantragt, den Beschluss vom 3. Dezember 2002 aufzuheben und die mit Schriftsatz vom 11. Juni 2002 beantragte Berichtigung der Eintragung des Geschmacksmusters vorzunehmen, hilfsweise eine Berichtigung dahingehend, dass die Eintragung als Sammelanmeldung von 2 Grundmustern mit Abwandlungen erfolgt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Geschmacksmusterinhaberin hat einen Anspruch auf Berichtigung des Musterregisters dahingehend, dass ihre Geschmacksmusteranmeldung statt als Sammelanmeldung von 2 Mustern als Sammelanmeldung von 14 Mustern eingetragen wird, wobei es sich aber um 2 Grundmuster - das sind die Muster "topi 10/DE (8)" und "topi 10/DE (14)" - mit jeweils dazugehörigen Abwandlungen handelt. Denn eine solche Anmeldung ist am Anmeldetag eingereicht worden, wie die gebotene Auslegung der Anmeldeunterlagen ergibt.
Der Berichtigungsantrag ist noch unter Heranziehung der bis 31. Mai 2004 geltenden Vorschriften zu beurteilen. Das durch das Gesetz zur Reform des Geschmacksmusterrechts vom 12. März 2004 geschaffene neue Geschmacksmustergesetz, das zum 1. Juni 2004 in Kraft getreten ist, sieht zwar in seinen Übergangsvorschriften für vor dem 28. Oktober 2001 angemeldete oder eingetragene Geschmacksmuster nur hinsichtlich der Voraussetzungen der Schutzfähigkeit die Weitergeltung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen vor, § 66 Abs 2 Satz 1 GeschmMG nF, so dass im übrigen grundsätzlich die Bestimmungen des neuen Geschmacksmustergesetzes gelten. Allerdings werden in der Vergangenheit abgeschlossene prozessuale Tatbestände nicht von einem neuen Gesetz erfasst (vgl Senatsbeschluss vom 28. Januar 2005, 10 W (pat) 718/03 - Schreibgerät, zur Veröffentlichung vorgesehen; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 62. Aufl, Einl III Rdn 78). Ein solcher Fall liegt hier vor, da es darum geht, mit welchen Angaben eine bereits im Juli 2000 beim Patentamt eingereichte Anmeldung in das Register einzutragen war.
Nach dem bis 31. Mai 2004 geltenden Geschmacksmusterrecht gibt es eine gesetzliche Regelung für Änderungen des Musterregisters nur insoweit, was Namen, Anschrift oder Person des Geschmacksmusterinhabers angeht, § 13 Abs 2 und 3 GeschmMG aF. Für sonstige Änderungen im Musterregister regelt § 5 MusterRegV, dass das Patentamt jederzeit Eintragungen, die von Amts wegen vorzunehmen sind, berichtigen kann, wenn sich ihre Unrichtigkeit herausstellt. Diese Berichtigung ist nicht auf die Korrektur von Schreib- oder Eingabefehlern beschränkt (vgl Eichmann/v. Falckenstein, GeschmMG, 2. Aufl, § 8 Rdn 7; zum Patentregister Schulte, PatG, 7. Aufl, § 30 Rdn 23; Busse, PatG, 6. Aufl, § 30 Rdn 39, 40; Benkard, PatG, 9. Aufl, § 30 Rdn 21). Soweit Busse (aaO) fordert, dass Berichtigungen, die über eine Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten im Sinne von § 319 ZPO hinausgehen, nicht ohne Zustimmung des Eingetragenen erfolgen dürfen, kann dahingestellt bleiben, ob dieser Auffassung zu folgen ist. Denn die Berichtigung entspricht hier jedenfalls dem hilfsweise gestellten Antrag des Geschmacksmusterinhabers.
Die Voraussetzungen für eine Berichtigung liegen vor. Die Anzahl der Muster, dh ob eine Einzelanmeldung oder eine Sammelanmeldung vorliegt und wie viele Muster die Sammelanmeldung umfasst, ist eine von Amts wegen zu einer Geschmacksmusteranmeldung in das Musterregister einzutragende Tatsache, § 2 Abs 1 Nr 13 MusterRegV, ebenso die Erklärung, dass ein Muster als Grundmuster und weitere Muster als dessen Abwandlung behandelt werden sollen, § 2 Abs 1 Nr 14 MusterRegV. Bereits am Anmeldetag war die Angabe im Antragsvordruck, es handele sich um eine Sammelanmeldung von nur 2 Mustern, die ohne weitere Nachfrage auch in das Musterregister übernommen wurde, aufgrund der gebotenen Auslegung als unrichtig erkennbar.
Bei der Auslegung einer Verfahrenshandlung wie hier der Einreichung eines Antrags auf Eintragung in das Musterregister gelten die Auslegungsregeln des bürgerlichen Rechts gemäß § 133 BGB. Auch bei Verfahrenshandlungen gilt demnach, dass eine Auslegung nicht am Wortlaut haften bleiben darf, sondern der in der Erklärung zum Ausdruck kommende wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen ist, wie ihn das Patentamt als Erklärungsempfänger nach den objektiv erkennbaren Umständen des Falles und der Interessenlage des Erklärenden vernünftigerweise verstehen musste (vgl zB die Senatsentscheidungen BPatGE 45, 4, 6 - Neuronales Netz; BPatGE 45, 149, 152 - Valaciclovir, letztere zur Auslegung eines unklaren Erteilungsantrags; BGH BlPMZ 1994, 157, 158, le Abs - Heizkörperkonsole; Schulte, aaO, Einleitung Rdn 108 ff).
Die Angabe der Musteranzahl "2" auf dem Antragsvordruck und die Verwendung von nur zwei laufenden Nummern auf dem Anlageblatt steht ersichtlich in Widerspruch zu den eingereichten Musterdarstellungen, die ohne weiteres erkennbar 14 verschiedene Gestaltungen von Türen aufweisen, wobei zwei grundsätzliche Musterformen zu erkennen sind, nämlich Türen ohne Seitenelement und Türen mit Seitenelementen. Die 14 Darstellungen sind jede mit einer verschiedenen Bezeichnung versehen "topi 10/DE (1)", "topi 10/DE (2)" usw. Bei einem solchen ersichtlichen Widerspruch ist die Anmeldung unklar und bedarf der Auslegung. Dabei kann nicht von dem Vorrang der auf dem Antragsvordruck enthaltenen Angaben ausgegangen und isoliert nur auf diese abgestellt werden, vielmehr sind solche Angaben im Zusammenhang mit den weiteren am Anmeldetag eingereichten Unterlagen zu würdigen. Dies gilt um so mehr, als die Musterdarstellung nicht bloß eine Anlage zu dem Eintragungsantrag darstellt, sie ist vielmehr, wie auch in der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs 3 GeschmMG aF zum Ausdruck kommt, ein zweiter konstitutiver Teil der Anmeldung (vgl Eichmann/v. Falckenstein, aaO, § 7 Rdn 26). Die Darstellung entscheidet über den Gegenstand, den Inhalt und den Umfang des Musterrechts (vgl Nirk/Kurtze, GeschmMG, 2. Aufl, § 7 Rdn 39). Dementsprechend ist in der bisherigen Rechtsprechung bei einem Widerspruch zwischen dem auf dem Antragsvordruck Angekreuzten und dem tatsächlich Eingereichten auf die effektive Darstellung abgestellt worden; eine versehentlich unrichtige Erklärung schadete insoweit nicht (vgl BPatGE 31, 25, 27). Hinzu kommt hier, dass nicht nur die Musterdarstellungen, sondern auch die Angaben in dem miteingereichten Anlageblatt darauf hinweisen, dass mehr als die Anmeldung von nur zwei Mustern gewollt ist; denn es ist zweimal die Spalte für "Grundmuster" angekreuzt, und Grundmuster bedingen notwendigerweise auch weitere Muster in Form von Abwandlungen. Schließlich nennt die Anmelderin im Anlageblatt auch alle Muster mit ihrer Bezeichnung, wenn auch nicht korrekt für jedes Muster eine neue Zeile verwendet worden ist ("topi 10/DE (1 - 11)" bzw "topi 10/DE (12 - 14)").
Es liegt daher eine Sammelanmeldung von insgesamt 14 Mustern vor, wobei aber die Ankreuzung der Spalte "Grundmuster" nicht außer Acht bleiben kann. Mit der Begriffswahl des Grundmusters kann nach dem hier maßgeblichen bis 31. Mai 2004 geltenden Recht nur eine Anmeldung im Sinne von § 8a GeschmMG aF gemeint sein, bei der nur die Abbildung des Grundmusters veröffentlicht wird, nicht aber die weiteren als Abwandlungen bezeichneten Muster. Hierzu passt, dass die Anmelderin nur zwei ihrer insgesamt 14 Muster zur Veröffentlichung bestimmt hat. Bezogen auf die Anzahl der Grundmuster stellt sich auch die Zahlenangabe "2" als passend dar. Die Auslegung der Anmeldung als eine solche mit Grundmustern und Abwandlungen, wobei die Grundmuster die zur Veröffentlichung bestimmten Muster sind, ist damit am ehesten mit dem Wortlaut der auf dem Antragsvordruck und Anlageblatt enthaltenen Angaben vereinbar und stellt die naheliegendste dar.
Da die Gesamtwürdigung der am Anmeldetag eingereichten Unterlagen den hinreichend sicheren Schluss zulässt, dass eine Geschmacksmustersammelanmeldung von 14 Mustern eingereicht worden ist, wobei es sich um 2 Grundmuster - das sind die zur Veröffentlichung bestimmten Muster "topi 10/DE (8)" und "topi 10/DE (14)" - mit jeweils dazugehörigen Abwandlungen handelt, ist das Musterregister entsprechend zu berichtigen. Eine nachträgliche Veränderung des Schutzgegenstands ist hiermit nicht verbunden, denn die Anmeldung wird nur mit den Angaben und Mustern eingetragen, wie sie erkennbar bereits am Anmeldetag vorgelegen haben. Die gebührenrechtlichen Auswirkungen wird das Patentamt in eigener Zuständigkeit zu klären haben.
Schülke Rauch Püschel Fa
BPatG:
Beschluss v. 11.11.2004
Az: 10 W (pat) 705/03
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