Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. September 2003
Aktenzeichen: 29 W (pat) 78/01

(BPatG: Beschluss v. 24.09.2003, Az.: 29 W (pat) 78/01)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Oktober 1999 und 10. Januar 2001 werden aufgehoben.

Gründe

I Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Wortmarke Festspielhausfür die Waren und Dienstleistungen Klasse 38: Telekommunikation; Ausstrahlung von Fernsehprogrammen; Sammeln und Bereitstellen von Informationen, Bildern und Nachrichten einschließlich interaktiver Elemente für den Zugriff über lokale oder weltweite Computer- und Telekommunikationsnetze;

Klasse 41: Theater-, Musik- und Tanzveranstaltungen im Bereich Kabarett, Satire, Variete, Musical, Volks- und Popmusik; Betrieb von Diskotheken; Film-, Musik- und Videoproduktion; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Ausstellungen für kulturelle Zwecke;

Klasse 42: Verpflegung von Gästen bei Theater-, Musik- und Tanzveranstaltungen im Bereich Kabarett, Satire, Variete, Musical, Volks- und Popmusik.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das angemeldete Zeichen mit zwei Beschlüssen vom 21. Oktober 1999 und 10. Januar 2001 als freihaltebedürftige und nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Das Zeichenwort werde im deutschen Sprachgebrauch als feststehender Begriff für eine Aufführungsstätte von Festspielen verwendet und beschreibe daher den Ort der Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markenanmelderin. Sie ist der Auffassung, dass der Begriff "Festspielhaus" nur für die Veranstaltung von Festspielen und festlichen Veranstaltungen beschreibend sei. Im Beschwerdeverfahren beschränkt sie das Dienstleistungsverzeichnis auf folgende Fassung:

Klasse 41: Theater-, Musik- und Tanzveranstaltungen im Bereich Kabarett, Commedia dell'Arte, Improvisationstheater, Satire, Variete, Musical, Volks- und Popmusik, wobei die Inszenierungen mit Beteiligung des Publikums bzw. der Besucher durch gemeinsame Spielsituationen erfolgen, die Spielvorlagen im Prozess mit den Beteiligten erarbeitet werden, es sich nur um Amateure, Schauspielschüler, Studenten der Theaterwissenschaft und unbekannte Künstler handelt und die Schwerpunktsetzung auf dem Erarbeitungsprozess und der Entwicklung individueller und kollektiver Kompetenz der Beteiligten liegt; Betrieb von Diskotheken; Film- und Videoprojekte junger Erwachsener; Dokumentationen zu Themen von und über Jugendliche sowie die Durchführung von Fotoausstellungen; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren zu den vorgenannten Veranstaltungen als Themen und zu Videotechnik; Ausstellungen für kulturelle Zwecke".

Die Anmelderin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die angemeldete Marke ist für die nach der erfolgten Einschränkung verbleibenden Dienstleistungen weder als beschreibende freihaltebedürftige Angabe gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG noch wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

1. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr insbesondere zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Dienstleistungen dienen oder dienen können (vgl BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE - mwN). Für die nunmehr nach der Einschränkung in Rede stehenden Dienstleistungen ist die angemeldete Marke jedoch nicht geeignet als beschreibende Angabe für den Ort der Erbringung zu dienen und weist daher mit diesem durch das Dienstleistungsverzeichnis festgelegten Schutzumfang gerade noch das Mindestmaß an erforderlicher Unterscheidungskraft auf.

Zwar ist das Wort "Festspielhaus" den maßgeblichen Verkehrskreisen ohne weiteres in seiner lexikalischen Bedeutung verständlich. Es bezeichnet ein "Theater, in dem Festspiele stattfinden", wobei Festspiele definiert sind als eine "periodisch wiederkehrende Serie festlicher Veranstaltungen, bei der mehrere Bühnen- und Musikstücke oder Filme aufgeführt werden (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl 2001). In diesem Sinne wird der Begriff in den von der Markenstelle aufgeführten Bezeichnungen "Festspielhaus Baden-Baden, Festspielhaus Bayreuth, Festspielhaus Oberammergau, Festspielhaus Salzburg" verwendet. Infolge der umfangreichen Berichterstattung insbesondere über die Bayreuther Festspiele und die Salzburger Festspiele ist der Begriff darüber hinaus eng mit künstlerisch hochkarätigen Opern-, Musik- und Theateraufführungen verknüpft und weist daher über die bloße Angabe der Aufführungsstätte hinaus zugleich einen inhaltsbeschreibenden Bezug auf. Die Anmelderin hat die von ihr beanspruchten Theater-, Musik und Tanzveranstaltungen aber in zweifacher Hinsicht eingeschränkt, nämlich inhaltlich auf das interaktive Improvisationstheater zum Zwecke der künstlerischen Aus- und Weiterbildung und qualitativ auf Laiendarsteller und unbekannte Künstler. Nach den Ermittlungen des Senats werden derartige Darbietungen nicht in Festspielhäusern aufgeführt. Soweit sie Gegenstand von mit Festspielen vergleichbaren Veranstaltungsreihen sind, werden diese im deutschen Sprachgebrauch üblicherweise als "Festival" bezeichnet und finden nicht in einer eigens dafür geschaffenen Aufführungsstätte statt. Das Wort "Festspielhaus" ist daher nicht geeignet für die genannten Dienstleistungen als beschreibende Angabe des Erbringungsortes zu dienen. Auch für die weiteren Dienstleistungen "Betrieb von Diskotheken; Film- und Videoprojekte junger Erwachsener; Dokumentationen zu Themen von und über Jugendliche sowie die Durchführung von Fotoausstellungen; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren zu den vorgenannten Veranstaltungen als Themen und zu Videotechnik; Ausstellungen für kulturelle Zwecke" konnte der Senat nicht feststellen, dass der Begriff "Festspielhaus" als Veranstaltungsort derartiger Dienstleistungen gebräuchlich ist. Insoweit unterscheidet sich das hier beanspruchte Dienstleistungsverzeichnis deutlich von dem, das den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zugrunde lag (vgl BGH GRUR 2002, 814 - Festspielhaus; GRUR 2003, 792 - Festspielhaus II).

2. Somit kommt dem angemeldeten Zeichen für die verbleibenden Dienstleistungen weder ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zu noch stellt es eine werblich anpreisende Aussage dar. Daher fehlt ihm nicht die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. (vgl BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Denn auch die angesprochenen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Kundenkreise (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 Rdn 26 - Lloyd), an die sich die beanspruchten Dienstleistungen richten, werden das Markenwort aus den oben genannten Gründen nicht als Hinweis auf den Erbringungsort dieser Dienstleistungen verstehen.

Anzumerken bleibt jedoch, dass sich der Schutz der angemeldeten Marke nur auf das Wort "Festspielhaus" für die konkret beanspruchten Dienstleistungen erstreckt. Insbesondere kann die Markeninhaberin daraus keine Rechte gegenüber Anbietern von Veranstaltungen aus dem Theater-, Musik- und Tanzbereich im Allgemeinen ableiten, auch soweit es sich dabei nicht um hochkarätige Festspielveranstaltungen handelt. Insoweit ist von den Feststellungen des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 30. Januar 2003, Az I ZR 136/99, auszugehen, wonach der Begriff "Festspielhaus" für kulturelle Dienstleistungen als eine schutzunfähige Angabe anzusehen ist (vgl BGH aaO - Festspielhaus II). Von dieser Rechtslage ist auch bei entsprechenden Verletzungsverfahren auszugehen. Insofern beinhaltet das angemeldete Zeichen daher auch kein Täuschungspotential.

Grabrucker Schramm Fink Cl






BPatG:
Beschluss v. 24.09.2003
Az: 29 W (pat) 78/01


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