Verwaltungsgericht Braunschweig:
Urteil vom 15. Oktober 2015
Aktenzeichen: 6 A 269/15

(VG Braunschweig: Urteil v. 15.10.2015, Az.: 6 A 269/15)

Tatbestand

Die Klägerin, eine haftungsbeschränkte GmbH mit Frau D. als einziger Gesellschafterin, begehrt die Feststellung, dass die ihr am 30.11.2011 erteilte Fahrschulerlaubnis nicht erloschen ist.

Im September 2002 erteilte die Beklagte Herrn D., dem Ehemann der Frau D., die Erlaubnis zum Betrieb der E. Im Dezember 2003 bestehende Abgabenrückstände in Höhe von rd. 16.000,00 EUR wurden zunächst bis Juni 2006 auf rd. 1.700,00 EUR abgebaut. Im Oktober 2010 ergab sich ein Abgabenrückstand in Höhe von rd. 54.000,00 EUR. Pfändungen bei Herrn D. waren erfolglos. Bis zum 19.11.2010 beglich dieser Rückstände in Höhe von 11.700,00 EUR. Aufgrund weiterer positiver Bemühungen stellte das Finanzamt Braunschweig Ratenzahlungsmöglichkeiten in Aussicht. Daraufhin erfolgte der von der Beklagten seinerzeit erwogene Widerruf der Fahrschulerlaubnis zunächst nicht. Herr D. verpflichtete sich, monatlich 500,00 EUR auf die Abgabenrückstände und jeweils die aktuellen Abgaben zu zahlen. Im April 2011 wurde festgestellt, dass er dem nur teilweise nachgekommen war; die laufenden Steuern konnten zwischenzeitlich wiederum nicht entrichtet werden. Am 01.11.2011 teilte das Finanzamt einen Abgabenrückstand von rd. 38.000,00 EUR mit. Herr D. konnte seinerzeit keine Zahlungen mehr leisten.

Daraufhin widerrief die Beklagte im November 2011 die Fahrschulerlaubnis der E. Die dagegen vor dem erkennenden Gericht erhobene Klage (6 A 20/12) nahm Herr D. nach gerichtlichem Hinweis auf mangelnde Erfolgsaussicht zurück.

Am 08.03.2012 verurteilte das Amtsgericht Braunschweig Herrn D. wegen Veruntreuens von Arbeitsentgelt beim Betrieb der Fahrschule in den Jahren 2006 bis 2008 (210 Js 41578/10); Herr F., ein seinerzeit angestellter Fahrlehrer, wurde wegen Beihilfe zu dieser Tat verurteilt. Herr D. schloss am 16.05.2012 eine Vereinbarung mit dem Finanzamt Braunschweig bei einer Schuldenlast von 19.000,00 EUR und gab am 21.05.2012 die eidesstattliche Versicherung ab. Am 25.01.2013 wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Mit Strafbefehl vom 19.08.2014 verurteilte das Amtsgericht Braunschweig Herrn D. wegen Bankrotts und falscher Versicherung an Eides statt, weil er die Fahrschule im November 2011 mit einem Wert von 15.000,00 EUR unentgeltlich an seine Frau übertragen hatte und diese unentgeltliche Übertragung bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht angegeben hatte (403 Js 18017/13). Aufgrund der Verurteilung wegen Bankrotts gemäß § 283 StGB darf Herr D. gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b GmbHG fünf Jahre nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung nicht zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt werden.

Bereits am 25.11.2011 wurde die Klägerin von Frau D. durch notarielle Urkunde errichtet. Alleinige Gesellschafterin war Frau D., Geschäftsführer und verantwortlicher Leiter der Fahrschule war Herr F.. Mit Bescheid vom 30.11.2011 erteilte die Beklagte die Fahrschulerlaubnis. Am 14.03.2014 wurde Herr G. per Beschluss zum alleinigen Geschäftsführer und verantwortlichen Leiter bestellt. Mit Beschluss vom 25.11.2014 änderte Frau D. die Satzung der Klägerin dahingehend, dass die Gesellschaft nunmehr nicht nur einen, sondern einen oder mehrere Geschäftsführer haben kann. Außerdem wurde Folgendes geregelt: Ist mehr als ein Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer oder einen Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen vertreten. Im Hinblick auf die Anforderungen des Fahrlehrergesetzes kann ein Geschäftsführer die Firma in Angelegenheiten der Führung der Fahrschule und Ausbildung von Fahrschülern gegenüber Behörden nur mit dem verantwortlichen Leiter der Fahrschule gemeinsam vertreten. Gleichzeitig bestellte sich Frau D. (neben Herrn G.) zur weiteren Geschäftsführerin. Am 29.01.2015 erfolgten die entsprechenden Eintragungen im Handelsregister.

Daraufhin beabsichtigte die Beklagten den Widerruf der Fahrschulerlaubnis und hörte die Klägerin dazu unter dem 10.02.2015 an. Zur Begründung verwies sie auf die veränderten Eintragungen im Handelsregister hinsichtlich der Geschäftsführung und der allgemeinen Vertretungsregelung. Nunmehr könne der bisher alleinvertretungsberechtigte verantwortliche Leiter Herr G. nur noch gemeinsam mit Frau D. als weiterer Geschäftsführerin agieren. Er trage damit nicht mehr - wie erforderlich - die alleinige Verantwortung für den ordnungsgemäßen Betrieb der Fahrschule. Daher sei mit der Bestellung von Frau D. zur weiteren Geschäftsführerin eine Genehmigungsvoraussetzung im Sinne von § 11 Abs. 2 FahrlG weggefallen, weshalb die Fahrschulerlaubnis gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 FahrlG zu widerrufen sei.

Zum 28.02.2015 erfolgte die Kündigung von Herrn G. gegenüber der Klägerin. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 02.03.2015 mit, dass die Fahrschulerlaubnis gemäß § 20 Abs. 4 FahrlG aufgrund der Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister am 29.01.2015 zum 29.04.2015 erlöschen werde, wenn nicht die Bestellung einer anderen Person zum verantwortlichen Leiter des Ausbildungsbetriebes nach den Vorschriften des Fahrlehrergesetzes bis zu diesem Zeitpunkt erfolge. Außerdem müsse eine geänderte Satzung vorgelegt werden, aus der hervorgehe, dass diese Person als zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft berechtigter Geschäftsführer bestellt sei. Der zunächst beabsichtigte Widerruf der Fahrschulerlaubnis wurde vorbehalten.

Mit Beschluss vom 03.03.2015 erteilte die Klägerin Herrn D. Einzelprokura. Er wurde zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb der Fahrschule mit sich bringt, ermächtigt und ihm wurden die Pflichten des verantwortlichen Leiters übertragen. Unter dem 26.03.2015 schloss die Klägerin mit Herrn D. einen entsprechenden Arbeitsvertrag zum 01.04.2015. Unter dem 10.04.2015 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Bestellung von Herrn D. zum Prokuristen und verantwortlichen Leiter nichts an der bestehenden rechtlichen Situation ändere, da die unter dem 02.03.2015 geforderte Satzungsänderung nicht erfolgt sei. Bei der bestehenden Situation werde die Fahrschulerlaubnis gemäß § 20 Abs. 4 FahrlG drei Monate nach Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister, d. h. am 29.04.2015, erlöschen.

Am 22.04.2015 beantragte die Klägerin beim erkennenden Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung die Feststellung, dass die Fahrschulerlaubnis nicht zum 29.04.2015 gemäß § 20 Abs. 4 FahrlG erlöschen wird (6 B 255/15). Das einstweilige Rechtsschutzverfahren wurde am 29.07.2015 im Wege eines gerichtlichen Vergleichs beendet. Die Beklagte verpflichtete sich, bis zu einer Entscheidung des Gerichts im inzwischen am 05.05.2015 anhängig gewordenen Klageverfahren keine Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen.

Im Klageverfahren verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter. Zur Begründung trägt sie vor, aus dem Gesellschafterbeschluss vom 03.03.2015, dem geschlossenen Arbeitsvertrag und einem neuen Beschluss vom 26.05.2015 über eine Einzelvertretungsbefugnis für den verantwortlichen Leiter ergebe sich, dass Herr D. berechtigt sei, die Fahrschule einzeln zu vertreten. Demgegenüber sei nicht erforderlich, dass der verantwortliche Leiter einer Fahrschule das alleinige Vertretungsrecht innehabe. Entscheidend sei vielmehr, dass der zum verantwortlichen Leiter bestellte Geschäftsführer oder Prokurist gegenüber der Erlaubnisbehörde Pflichtenträger sei. Die Erlaubnisbehörde könne demgegenüber nicht verlangen, dass der verantwortliche Leiter von Weisungen der Organe der juristischen Person unabhängig sei. Dafür gebe es im Fahrlehrerrecht keine Rechtsgrundlage. Außerdem widerspreche dies auch den Grundsätzen des Gesellschaftsrechtes. Die Verwaltungsbehörde könne daher auch nicht verlangen, dass die Gesellschaft ihre Satzung ändere. Damit würde sie unzulässig in die Vertragsfreiheit der Gesellschaft eingreifen. Darüber hinaus bestehe auch kein Zweifel, dass ein Prokurist verantwortlicher Leiter einer Fahrschule werden könne. Es sei zu berücksichtigen, dass der verantwortliche Leiter nicht die Gesamtverantwortung für die Fahrschule trage. Im Wesentlichen sei dieser nur für den Bereich der Fahrschulausbildung zuständig. Der verantwortliche Leiter sei Angestellter und habe somit mit der Abführung von Steuern und Sozialabgaben nichts zu tun. Genau aus diesem Grund habe sie ihre Doppelspitze mit Frau D. als Geschäftsführerin und Herrn D. als verantwortlichem Leiter gewählt. Herr D. sei auch zuverlässig. Zwar sei sein Verhalten in der Vergangenheit zu berücksichtigen. Maßgeblich sei jedoch eine Prognose für die Zukunft. Herr D. habe sich durch psychotherapeutische Behandlung mit seinem früheren Fehlverhalten auseinandergesetzt und es liege nunmehr Einsichtsfähigkeit vor. Dementsprechend bescheinige die Psychotherapeutin Frau Dr. H., dass er nunmehr in der Lage sei, eine Fahrschule zu führen. Auch in einem Abschlussbericht der Beratungspraxis für verkehrspsychologische Fragestellungen vom 15.06.2015 werde diesem eine positive Sozialprognose erteilt. Herr D. habe alle Steuerrückstände aus der Vergangenheit, d. h. seine Steuerschulden, zwischenzeitlich beim Finanzamt ausgeglichen. Er habe die Auswechslung seiner Insolvenzverwalterin beantragt, da diese das Insolvenzverfahren nicht ordnungsgemäß betreibe. Diese habe mögliche Zahlungen an Gläubiger nicht geleistet und nicht zugelassen, dass Frau D. in zulässiger Weise Gläubiger befriedige.

Die Klägerin beantragt

festzustellen, dass die Fahrschulerlaubnis nicht kraft Gesetzes erloschen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, mit der Satzungsänderung am 25.11.2014 bzw. der Bestellung von Frau D. als weiterer Geschäftsführerin sei der damalige verantwortliche Leiter Herr G. nicht mehr allein vertretungsberechtigt gewesen. Dies sei jedoch erforderlich. Somit sei nachträglich eine der nach § 11 Abs. 2 FahrlG erforderlichen Voraussetzungen entfallen. Mit Herrn D. sei auch nicht wirksam ein neuer verantwortlicher Leiter bestellt worden. Denn dieser sei persönlich unzuverlässig, weil er mit Strafbefehl des Amtsgerichts Braunschweig im August 2014 wegen Bankrotts in Tateinheit mit falscher Versicherung an Eid statt verurteilt worden sei. Damit bestehe für Herrn D. gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbH-Gesetz für fünf Jahre ein Verbot zur Bestellung als Geschäftsführer. Zwar könne grundsätzlich auch ein Prokurist mit Einzelprokura zum verantwortlichen Leiter einer Fahrschule bestellt werden, weil es in entsprechenden Konstellationen keine maßgeblichen Unterschiede zwischen einem Geschäftsführer und einem Prokuristen mit Einzelprokura gebe. Jedoch gelte die gesetzliche Wertung des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG auch für den vorliegenden Fall, da sonst gesetzliche Voraussetzungen und Wertungen umgangen würden. Außerdem setze die Zuverlässigkeit gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 FahrlG ein hohes Maß an charakterlicher Integrität voraus, so dass Straftaten, wie z. B. Diebstahl, Betrug, Untreue, Urkundenfälschung, Konkursstraftaten oder Steuerdelikte von Gewicht die Zuverlässigkeit regelmäßig ausschlössen.

Am 09.07.2015 wurde Herr I. als (weiterer) Geschäftsführer mit Einzelvertretungsberechtigung im Handelsregister eingetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren 6 B 255/15 und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Akten der Staatsanwaltschaft Braunschweig zu den Verfahren 210 Js 41578/10 und 403 Js 18017/13 verwiesen.

Gründe

Die Feststellungsklage ist gemäß § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Die Beklagte hat mit ihren Schreiben vom 02.03.2015 und 10.04.2015 zum Ausdruck gebracht, dass sie von einem Erlöschen der erteilten Fahrschulerlaubnis kraft Gesetzes am 29.04.2015 ausgeht. Im Klageverfahren hat sie diese Rechtsansicht bekräftigt. Damit besteht im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Feststellung, dass die Fahrschulerlaubnis nicht kraft Gesetzes erloschen ist. Die Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO steht dem nicht entgegen, weil die Beklagte keinen Bescheid i. S. v. § 35 Satz 1 VwVfG erlassen hat (z. B. Aufforderung zur Rückgabe der Erlaubnisurkunde gemäß § 20 Abs. 5 FahrlG oder feststellenden Verwaltungsakt, dass die Fahrschulerlaubnis erloschen ist), den die Klägerin im Wege der Anfechtungsklage hätte angreifen können.

Die Klage hat jedoch keinen Erfolg. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist die der Klägerin am 30.11.2011 erteilte Fahrschulerlaubnis gemäß §§ 11 Abs. 2, 20 Abs. 4 Satz 2 FahrlG erloschen, da Herr D. als Prokurist der Klägerin nicht wirksam innerhalb von drei Monaten nach dem Ausscheiden von Herrn G. zum verantwortlichen Leiter bestellt worden ist.

Gemäß §§ 11 Abs. 2, 20 Abs. 4 Satz 2 FahrlG erlischt die Fahrschulerlaubnis einer von einer juristischen Person geführten Fahrschule nach dem Ausscheiden des verantwortlichen Leiters des Ausbildungsbetriebs, wenn nicht binnen drei Monaten eine andere Person nach den Vorschriften dieses Gesetzes zum verantwortlichen Leiter des Ausbildungsbetriebs bestellt wird.

21Mit der Kündigung des vormaligen verantwortlichen Leiters der Klägerin, Herrn G., zum 28.02.2015 ist dieser aus dem Ausbildungsbetrieb ausgeschieden. Innerhalb von drei Monaten hat die Klägerin keine andere Person nach den Vorschriften des Fahrlehrergesetzes zum verantwortlichen Leiter bestellt. Für den Fall einer durch eine juristische Person geführten Fahrschule bestimmt § 11 Abs. 2 FahrlG die Voraussetzungen, die der verantwortliche Leiter der Fahrschule erfüllen muss. Wie der (Allein-)Inhaber einer Fahrschule hat der verantwortliche Leiter einer durch eine juristische Person geführten Fahrschule die Pflichten aus den §§ 16-19 FahrlG, zu denen u. a. Anzeige- und Aufzeichnungspflichten gehören. Denn eine juristische Person kann diese Pflichten im Zusammenhang mit der Ausbildung von Fahrschülern nicht selbst wahrnehmen, weshalb das Fahrlehrergesetz die Position des verantwortlichen Leiters ausdrücklich vorsieht (vgl. Dauer, Fahrlehrerrecht, § 16 FahrlG Erl. 1). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG wird einer juristischen Person eine Fahrschulerlaubnis erteilt, wenn die in Abs. 1 Nr. 6 genannten Voraussetzungen erfüllt sind (Schulungsraum, Lehrmittel und Lehrfahrzeuge) und keine Tatsachen vorliegen, die die zur Vertretung berechtigten Personen als unzuverlässig erscheinen lassen und eine von ihnen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nrn. 1 - 5 erfüllt, zum verantwortlichen Leiter des Ausbildungsbetriebes bestellt wird. Damit muss der verantwortliche Leiter u. a. eine €zur Vertretung berechtigte Person€ sein. Nach Ansicht der Kammer ist bei einer in der Form einer GmbH geführten Fahrschule lediglich ein Geschäftsführer i. S. v. § 35 GmbHG, nicht jedoch ein durch Rechtsgeschäft bestellter Prokurist (vgl. § 48 ff. HGB) eine in diesem Sinne €zur Vertretung berechtigte Person€. Die Kammer schließt sich insoweit dem ausführlich und sorgfältig begründeten rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 18.07.2013 (1 K 420/12, juris) an. Dort wird u. a. Folgendes ausgeführt (a. a. O., Rn. 16 ff.):

€Zwar ist der Wortlaut der Vorschrift - wie auch die Klägerin anführt - nicht eindeutig, da nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 164 ff. BGB) und des Handelsgesetzbuches (§§ 48 ff. HGB) auch diejenigen im Rechtssinne zu einer Vertretung berechtigt sind, die aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Erteilung über eine (Handlungs-)Vollmacht oder Prokura verfügen. Jedoch sprechen die Entstehungsgeschichte und der Wille des Gesetzgebers ebenso wie systematische Gründe für ein Verständnis des § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG dahingehend, dass mit den "zur Vertretung berechtigten Personen" die organschaftlichen Vertreter der juristischen Person, die sich um die Erteilung einer Fahrschulerlaubnis bemüht, gemeint sind. Dies wird auch vom Sinn und Zweck der Bestimmung getragen (in diesem Sinne auch: Dauer, Fahrlehrerrecht, 2010, § 11 Anm. 26; Eckhardt, Fahrlehrergesetz, 6. Aufl. 1999, § 11 Rn. 15; a.A.: Koch, Das neue Fahrlehrerrecht, 1999, § 11 Rn. 98; offengelassen: VG Augsburg, Beschluss vom 21. August 2002 - Au 3 S 02.882 -, juris Rn. 27).

In der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1336) verlangte § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG für die Erteilung einer Fahrschulerlaubnis, dass keine Tatsachen vorliegen, die die nach Gesetz oder Satzung zur Vertretung berufenen Personen als unzuverlässig erscheinen lassen, womit zweifelsfrei allein auf die Organe der juristischen Person bzw. des (seinerzeit als tauglicher Bewerber für eine Fahrschulerlaubnis vorgesehenen) nicht-rechtsfähigen Vereins - namentlich den Geschäftsführer einer GmbH, den Vorstand einer Aktiengesellschaft bzw. Genossenschaft oder den Vorstand des Vereins - abgestellt wird, deren Vertretungsmacht jeweils durch das Gesetz (§§ 35, 37 GmbHG, §§ 78, 82 AktG oder §§ 26 f. GenG) bzw. durch die Vereinssatzung (§ 26 Abs. 1 BGB) bestimmt werden. Hiervon ist der Gesetzgeber auch durch die Ersetzung der Fassung "nach Gesetz oder Satzung zur Vertretung berufenen Personen" durch die Fassung "zur Vertretung berechtigte Personen" durch Art. 2 Nr. 8 lit. b des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Fahrlehrergesetzes vom 13. Mai 1986 (BGBl. I S. 700) nicht abgerückt. Denn wie sich aus den Erwägungen der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 10/4490 S. 24) ergibt, diente dies - ebenso wie die im selben Zuge erfolgte Streichung der Möglichkeit für nicht-rechtsfähige Vereine, die Fahrschulerlaubnis zu erlangen - allein der Verwaltungs- und Gesetzesvereinfachung. Da der Gesetzgeber darauf abstellte, dass der Hinweis auf Gesetz oder Satzung in § 11 Abs. 2 FahrlG verzichtbar sei, "weil sich die Vertretung einer juristischen Person stets nach den zugrundeliegenden Rechtsvorschriften, wie z.B. §§ 6, 35 GmbHG, richtet", kann nicht angenommen werden, dass er eine Erweiterung des für die Zuverlässigkeitsprüfung relevanten Personenkreises beabsichtigte.

Dass das Fahrlehrergesetz auch weiterhin allein die organschaftlichen Vertreter einer juristischen Person als relevant für die Fahrschulerlaubnis nach § 11 Abs. 2 FahrlG ansieht, lässt sich zudem an anderen Vorschriften des Gesetzes erkennen. So wird insbesondere in der korrelierenden Vorschrift des § 17 Nr. 7 FahrlG über die Anzeigepflicht angeordnet, dass der Inhaber bzw. der verantwortliche Leiter des Ausbildungsbetriebs (nur) die Bestellung oder das Ausscheiden von Personen, die nach Gesetz oder Satzung zur Vertretung berufen sind, unverzüglich der Erlaubnisbehörde anzuzeigen hat. Diese Regelung wurde weder im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Fahrlehrergesetzes vom 13. Mai 1986 noch in der Folgezeit einer Änderung unterzogen. Außerdem sind nach dieser Bestimmung der Anzeige bei einer juristischen Person ein beglaubigter Auszug aus dem Handelsregister oder Vereinsregister, bei einem nicht-rechtsfähigen Verein Unterlagen über die Vertretungsbefugnis der für ihn handelnden Personen beizufügen, was den Bezug auf die organschaftlichen Vertreter nochmals verdeutlicht€€

25Auch über Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Rechte sprechen nicht gegen die vorgenommene Auslegung von § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG. Denn gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 FahrlG kann die zuständige Behörde u. a. von der Vorschrift des § 11 Abs. 2 FahrlG Ausnahmen zulassen, wenn Gründe der Verkehrssicherheit nicht entgegenstehen. Damit besteht grundsätzlich die Möglichkeit, über die Bewilligung einer Ausnahme einen Prokuristen zum verantwortlichen Leiter einer Fahrschule zu bestellen. Im Rahmen der dabei zu treffenden Ermessensentscheidung ist zu prüfen, ob die von § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG i. V. m. insbesondere § 16 FahrlG verfolgten Ziele einer an der Verkehrssicherheit orientierten Ausbildung der Fahrschüler auch dann gewährleistet sind, wenn der verantwortliche Leiter des Ausbildungsbetriebs nicht aus dem Kreis der Geschäftsführer bestimmt wird (so auch VG Cottbus, a. a. O.). Ebenso wäre in diesem Rahmen zu prüfen, ob die Vertretungsbefugnis des Prokuristen für die Leitung des Fahrschulbetriebes und die Pflichten nach § 16 FahrlG nicht im Innenverhältnis schuldrechtlich, d. h. durch Vertrag, beschränkt sind. Die Klägerin legt (unter Berufung auf eine Auskunft aus dem Nds. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr) selbst dar, dass diese Prüfung notwendig sei.

Dementsprechend könnte die Klägerin im Rahmen eines Antrags auf (Wieder-) Erteilung der erloschenen Fahrschulerlaubnis einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Bestellung ihres Prokuristen Herrn D. zum verantwortlichen Leiter stellen. Dabei könnte dann auch geprüft werden, ob die Tatsache seiner Verurteilung u. a. wegen Bankrotts mit Strafbefehl des Amtsgerichts Braunschweig vom 19.08.2014 die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung hindert. Insofern liegt nahe, dass aus der Verurteilung resultierende gesetzliche Folgen umgangen werden sollen. Denn gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b GmbHG kann ein wegen einer Insolvenzstraftat wie z. B. Bankrott (§ 283 StGB) Verurteilter für die Dauer von fünf Jahren nach Rechtskraft des Urteils nicht Geschäftsführer einer GmbH sein. Demgegenüber ist eine Bestellung zum Prokuristen damit nicht ausgeschlossen.

Vor diesem Hintergrund folgt die Kammer nicht der Argumentation der Beteiligten, dass auch ein Prokurist i. S. v. § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG vertretungsberechtigt sei, weil es keine maßgeblichen Unterschiede zwischen einem Geschäftsführer und einem Prokuristen mit Einzelprokura gebe (vgl. auch Bouska/May/ Koehl, Fahrlehrer Recht, 14. Aufl., § 11 FahrlG Erl. 6 a).

Damit ist Herr D., dem mit Gesellschafterbeschluss vom 03.03.2015 lediglich Einzelprokura erteilt worden ist, nicht wirksam zum verantwortlichen Leiter der Klägerin bestellt worden. Die Fahrschulerlaubnis war daher im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 20 Abs. 4 Satz 2 FahrlG erloschen. Das Gericht lässt offen, ob - wie von der Beklagten vertreten - allein die Satzungsänderung am 25.11.2014 bzw. deren Eintragung in das Handelsregister zum Ausscheiden des seinerzeit verantwortlichen Leiters Herrn G. i. S. v. § 20 Abs. 4 FahrlG führen konnte. Denn Herr G. ist am 28.02.2015 tatsächlich aus dem Ausbildungsbetrieb der Klägerin ausgeschieden, da er zu diesem Zeitpunkt gekündigt und den Betrieb verlassen hatte. Dementsprechend ist die Fahrschulerlaubnis jedenfalls drei Monate nach diesem Zeitpunkt, am 01.06.2015, erloschen (vgl. Dauer, Fahrlehrerrecht, § 20 FahrlG Erl. 18).

29Die Beklagte war auch berechtigt zu prüfen, ob die Bestellung von Herrn D. zum verantwortlichen Leiter rechtlich wirksam war. Ihre Prüfung war nicht auf den formellen Akt der Bestellung beschränkt; das Fehlen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 FahrlG konnte nicht erst im Rahmen eines Widerrufs der Fahrschulerlaubnis gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 FahrlG geprüft werden. Denn § 20 Abs. 4 Satz 2 FahrlG fordert die Bestellung einer Person zum verantwortlichen Leiter €nach den Vorschriften dieses Gesetzes€ binnen drei Monaten; anderenfalls erlischt die Fahrschulerlaubnis kraft Gesetzes. Innerhalb dieser drei Monate darf der Betrieb nach dem Willen des Gesetzgebers ohne fachliche Leitung weiterlaufen (vgl. Dauer, Fahrlehrerrecht, § 20 FahrlG Erl. 19). Damit soll diese Regelung gewährleisten, dass Fahrschulen, die nach Ablauf der 3-Monats-Frist den ausgeschiedenen verantwortlichen Leiter nicht durch eine die gesetzlichen Anforderungen erfüllende Person ersetzt haben, ohne weitere Verzögerungen die Erlaubnis verlieren. Fahrschulen, die die grundsätzlich für alle Betriebe geltenden rechtlichen Anforderungen auch nach der dreimonatigen Übergangsfrist nicht wieder erfüllen, sollen zur Abwehr von Gefahren für einen sachgerechten Ausbildungsbetrieb und die Verkehrssicherheit möglichst zeitnah den Betrieb einstellen müssen. Dies wäre nicht in gleicher Weise gewährleistet, wenn die inhaltliche Prüfung in das Widerrufsverfahren verlagert würde, weil der Ausbildungsbetrieb dann bis zur rechtskräftigen bzw. vollziehbaren Entscheidung der Behörde fortgeführt werden könnte. Geht die Behörde wegen nicht erfüllter gesetzlicher Anforderungen an den neu bestellten verantwortlichen Leiter davon aus, dass die Erlaubnis kraft Gesetzes erloschen ist, so kann sie dem Rechtsschutzinteresse der Fahrschule und dem Gebot der Rechtsklarheit durch den Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts Rechnung tragen.

Nach alledem kann das Gericht offenlassen, ob Herr D. die Voraussetzungen zur Bestellung als verantwortlicher Leiter im Übrigen erfüllt. Derzeit bestehen zumindest erhebliche Zweifel an seiner Zuverlässigkeit. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG dürfen keine Tatsachen vorliegen, die den verantwortlichen Leiter als unzuverlässig erscheinen lassen. Unzuverlässig in diesem Sinn ist eine Person insbesondere dann, wenn sie wiederholt die Pflichten gröblich verletzt hat, die ihr nach dem Fahrlehrergesetz oder den auf ihm beruhenden Rechtsverordnungen obliegen (vgl. zum Widerruf § 21 Abs. 2 Satz 2 FahrlG). Neben diesem speziellen, aber nach dem eindeutigen Wortlaut nicht abschließenden Unzuverlässigkeitstatbestand können auch andere, nicht spezifisch fahrschulbezogene Umstände die Unzuverlässigkeit begründen. Insofern stimmt der Unzuverlässigkeitsbegriff des Fahrlehrergesetzes mit demjenigen des allgemeinen Gewerberechts überein. Denn die Vorschriften über die an Fahrschulinhaber und verantwortliche Leiter zu stellenden Anforderungen sind gewerberechtlicher Art (vgl. BVerwG. B. v. 30.10.1996 - 1 B 197/906 -, NVwZ-RR 1997, 284 und U. v. 1.6.1965 - 1 C 34.63 -, BVerwGE 21, 203; OVG Nordrhein-Westfalen. U. v. 3.6.1996 - 25 A 5043/95 -, GewArch 1997, 27; VG Braunschweig, B. v. 19.8.1999 - 6 B 189/99 -, juris).

Gewerberechtliche Unzuverlässigkeit (§ 35 GewO) liegt vor, wenn der Gewerbetreibende nach dem Gesamtbild seines Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ergeben (vgl. BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 C 146/80 -, juris; BVerwG, B. v. 19.1.1994 - 1 B 5/94 -, juris; BVerwG, B.,v. 11.11.1996 - 1 B 226/96 -, juris; BVerwG, B.,v. 5.3.1997 - 1 B 56/97 -, juris; BVerwG, B.,v. 16.2.1998 - 1 B 26/98 -, juris). Die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit begründet die Unzuverlässigkeit dann, wenn es sich um eine anhaltende Leistungsunfähigkeit handelt, also keine Anzeichen für eine Besserung der wirtschaftlichen Situation gegeben sind, insbesondere ein Sanierungskonzept fehlt (OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 03.06.1996, a. a. O.).

Zwar kann aufgrund der zuletzt vorgelegten Unterlagen derzeit ohne weitere Ermittlungen keine abschließende Aussage zum Stand des Insolvenzverfahrens des Herrn D., seinem Verhalten dort und einer weiteren €Sanierung€ seiner finanziellen Situation getroffen werden. Jedoch begründen derzeit allein die gewerbebezogenen Verurteilungen wegen Veruntreuens von Arbeitsentgelt im Jahr 2012 im Rahmen des Betriebs seiner E. und wegen Bankrotts und falscher Versicherung an Eides statt im Zusammenhang mit der Gründung der Klägerin im Jahr 2014 unter besonderer Berücksichtigung der gesetzlichen Folge aus § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b GmbHG erhebliche Zweifel an dessen Zuverlässigkeit.

Nach alledem ist die Klage mit der für die Klägerin negativen Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung wird gemäß § 124 Abs. 1 und 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Rechtssache im Hinblick auf die Frage der Bestellung eines Prokuristen zum verantwortlichen Leiter einer Fahrschule gemäß § 11 Abs. 2 FahrlG im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf und daher grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei nach ständiger Praxis (vgl. z. B. Einstellungsbeschluss im Verfahren 6 A 20/12 vom 12.10.2012) an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu Streitigkeiten um eine Gewerbeerlaubnis (NVwZ 2013,Heft 23, Beilage 2, Nr. 54.1), weil die wirtschaftlichen Interessen insoweit vergleichbar sind. Den dort vorgesehenen Mindestbetrag legt das Gericht zugrunde, weil sich dem Vortrag der Klägerin sowie den sonstigen Unterlagen keine Anhaltspunkte für ein darüber hinausgehendes wirtschaftliches Interesse an der im Kern streitgegenständlichen Fahrschulerlaubnis entnehmen lassen.






VG Braunschweig:
Urteil v. 15.10.2015
Az: 6 A 269/15


Link zum Urteil:
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