Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 15. September 2015
Aktenzeichen: 4 U 128/14

(OLG Hamm: Urteil v. 15.09.2015, Az.: 4 U 128/14)

Urhebervertragsrecht, Nachvergütungsanspruch, Angemessenheit der Vergütung, Bildbeiträge, Textbeiträge, Ausschlusswirkung, Erstdruckrecht, Zweitdruckrecht, einfaches Nutzungsrecht, Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche freie Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen, gemeinsame Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen, Presseausweis

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 07.08.2014 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 41.396,57 Euro nebst 7% Mehrwertsteuer und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.03.2014 zu zahlen.

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 3.671,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.03.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten werden wie folgt verteilt:

Erste Instanz:

Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 8 %, die Beklagte zu 1) zu 85 % und die Beklagte zu 2) zu 7 %. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagte zu 1) zu 85 %, die Beklagte zu 2) zu 7 % und der Kläger im Übrigen selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt der Kläger zu 55 %. Im Übrigen findet eine Erstattung der erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten nicht statt.

Zweite Instanz:

Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagte zu 1) zu 93 % und die Beklagte zu 2) zu 7 %. Darüber hinaus findet eine Kostenerstattung im Berufungsverfahren nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils gegen die vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

A.

Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 1) die Nachvergütung von Text- und Bildbeiträgen aus den Jahren 2010 bis 2013. Er verlangt zudem von der Beklagten zu 2) Schadensersatz für die Online-Verwertung solcher Beiträge.

Der Kläger ist Journalist. Er war Mitglied in der dju in Verdi und ist Mitglied des Deutschen Journalistenverbandes NRW e.V. (DJV NRW). Er ist Inhaber eines Presseausweises (Anlage K1, K16). Der Kläger war zudem Mitglied des Vorstands sowie gewählter Pressesprecher des Basketballkreises D.

Der Kläger war von Anfang 2010 bis Frühjahr 2013 als freier Journalist für die Tageszeitung S-Nachrichten tätig. Verlegerin der S-Nachrichten ist die Streitverkündete. Auftraggeberin für die freien Mitarbeiter der Zeitung ist die Beklagte zu 1). Diese wickelt die Vertragsangelegenheiten und die Honorarabrechnungen für die Zeitung ab. Die Beklagte zu 2) ist für den Internetauftritt der Zeitung verantwortlich.

Während dieser Zeit erwirtschaftete der Kläger sein Einkommen im Wesentlichen aus der Tätigkeit für die Beklagte zu 1) und für die Tageszeitung W.

Als Sportreporter lieferte der Kläger Berichte und Fotos aus dem Sportbereich. Die Aufträge hierzu erhielt er jeweils mündlich aus der Redaktion. Über die freie Mitarbeit des Klägers bestand kein schriftlicher Vertrag.

In dem genannten Zeitraum wurden 2.640 Texte und 595 Fotos des Klägers in den S-Nachrichten, teilweise jedoch auch in der Tageszeitung W veröffentlicht. Der Kläger erhielt von der Beklagten zu 1) für die Textbeiträge zunächst 0,20 € und ab 2012 0,25 € pro Zeile. Fotos wurden - je nach Größe - mit 5, 10 oder 22 € honoriert. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K7 zu den Akten gereichten Honorarabrechnungen Bezug genommen.

Die Beklagte zu 2) stellte zahlreiche Texte und Fotos des Klägers, und zwar letztere teilweise auch mehrfach, in das Onlinearchiv www.snachrichten.de ein. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlagen K8a und 8b zu den Akten gereichten Listen Bezug genommen.

Der Kläger machte mit anwaltlichem Schreiben vom 11.12.2013 (Anlage K9) gegenüber der Beklagten zu 1) Nachhonorierungsansprüche und gegenüber der Beklagten zu 2) Auskunfts- und Schadenersatzansprüche geltend, und zwar unter Fristsetzung bis zum 18.12.2013. Die Beklagten reagierten hierauf mit anwaltlichen Schreiben vom 18.12.2013 (Anlage K10) und 30.01.2014 (Anlage K11).

Der Kläger hat behauptet, er sei hauptberuflicher Journalist. Seine Vorstandstätigkeit als Pressewart des Basketballkreises D sei lediglich ehrenamtlich gewesen. Soweit er einzelne Beiträge, die er für die Beklagte zu 1) gefertigt habe, im Nachhinein - wie es durchaus üblich sei - für Internetseiten von Vereinen zur Verfügung gestellt habe, sei dies im Rahmen einer Absprache mit der Redaktion erfolgt.

Er hat die Ansicht vertreten, ihm stehe gegen die Beklagte zu 1.) ein Nachhonorierungsanspruch in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten und der angemessenen Vergütung, die sich nach den seit dem 01.10.2010 in Kraft befindlichen Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalisten und Journalistinnen der Tageszeitungen (im Weiteren: GVR) richte, gemäß § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG zu. Hierbei handele es sich um Vergütungsregelungen i.S.d. § 36 UrhG, so dass die hierin vereinbarten Honorarsätze angemessen i.S.d. 32 UrhG seien. Dies gelte aufgrund der zeitlichen Nähe auch für die bereits im Januar 2010 erstellten Textbeiträge. Wenngleich die Einigung über die Gemeinsamen Vergütungsregelungen zu Bildhonoraren letztendlich erst im Jahr 2013 zustande gekommen sei, könne diese doch für die Schätzung nach § 287 ZPO herangezogen werden.

Der Zahlungsanspruch könne unmittelbar geltend gemacht werden, da es sich um Zeiträume in der Vergangenheit handele.

Er unterliege nicht dem Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche freie Journalisten und Journalistinnen an Tageszeitungen, da er die nach dem Tarifvertrag erforderliche Anzeige zur Geltendmachung des arbeitnehmerähnlichen Status nicht getätigt habe. Daher sei der Tarifvertrag in persönlicher Hinsicht nicht auf ihn anwendbar und § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG nicht gemäß § 32 Abs. 4 UrhG ausgeschlossen.

Wegen der Höhe der vom Kläger beanspruchten Differenzbeträge wird auf die als Anlagen K14 und K15 zu den Akten gereichten tabellarischen Zusammenstellungen Bezug genommen.

Ihm stehe zudem ein Anspruch auf Auskunft über die Höhe der durch die Nutzung seiner Beiträge, die im Onlinearchiv der S-Nachrichten erschienen seien, erzielten Erlöse aus § 101 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 UrhG zu. Die solchermaßen erfolgte Nutzung stelle eine widerrechtliche und zumindest fahrlässige Verletzung seines Urheberrechtes dar. Ihm stehe daher dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG gegen die Beklagte zu 2) zu. Die Bezifferung des Schadens sei ihm ohne weitere Informationen seitens der Beklagten zu 2) nicht möglich. Die angemessene Vergütung für die öffentliche Zugänglichmachung der Beiträge in dem Online-Archiv betrage nach § 9 Nr. 7 der GVR 55% des durch die Nutzung erzielten Erlöses. Hilfsweise berechne er seinen Schaden anhand der "Übersicht über Vertragsbedingungen und Honorare für die Nutzung journalistischer Leistungen im Internet 2013".

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

I. die Beklagte zu 1.) zu verurteilen,

1. an den Kläger 41.569,57 € zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2013 zu zahlen,

hilfsweise zu Antrag I. 1.,

2.

a) in eine Änderung der Honorarbedingungen betreffend die Veröffentlichung der Textbeiträge des Klägers in der Tageszeitung S-Nachrichten gemäß Abrechnungen der Beklagten zu 1.) aus den Jahren 2010 bis 2013 dahingehend einzuwilligen, dass die dem Kläger zustehenden Honorarsätze für die Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte (Zweitdruckrecht) an den in den Jahren 2010 bis 2013 in den S-Nachrichten (Lokalausgabe D, Auflage bis 100.000) veröffentlichten Textbeiträge wie folgt festgelegt werden:

€ Nachrichten/Berichte: 28 Zeichen x 58 Cent : 37 = 44 Cent/Zeile

€ Interviews: 28 Zeichen x 92 Cent : 37 = 69 Cent/Zeile

€ Mindestvergütung: 20 Zeilen x 58 Cent = 11,60 Euro/Beitrag,

b) zu verurteilen, in eine Änderung der Honorarbedingungen betreffend die Veröffentlichung der Bildbeiträge des Klägers in der Tageszeitung S-Nachrichten gemäß Abrechnungen der Beklagten aus den Jahren 2010 bis 2013 dahingehend einzuwilligen, dass die dem Kläger zustehenden Honorarsätze für die Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte (Zweitdruckrecht) an den in den Jahren 2010 bis 2013 in den S-Nachrichten (Lokalausgabe D, Auflage bis 100.000) veröffentlichten Bildbeiträgen wie folgt festgelegt werden:

- halbspaltige Fotos: 28,50 Euro/Bild

- einspaltige und kleine 2-spaltige Fotos: 33,00 Euro/Bild

- größer als 2-spaltige Fotos: 39,75 Euro/Bild,

höchst hilfsweise zu Antrag I. 2.a) und b)

3.

a) in eine Änderung der Honorarbedingungen betreffend die Veröffentlichung der Textbeiträge des Klägers in der Tageszeitung S-Nachrichten gemäß Abrechnungen der Beklagten zu 1.) aus den Jahren 2010 bis 2013 dahingehend einzuwilligen, dass dem Kläger eine angemessene, vom Gericht im Wege freier Schätzung festzusetzende Vergütung für die Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte (Zweitdruckrecht) an seinen in den Jahren 2010 bis 2013 in den S-Nachrichten (Lokalausgabe D, Auflage bis 100.000) veröffentlichten Textbeiträge gewährt wird, wobei das Gericht gebeten wird, die Änderung selbst zu formulieren,

b) in eine Änderung der Honorarbedingungen für die Veröffentlichung der Bildbeiträge des Klägers in der Tageszeitung S-Nachrichten gemäß Abrechnungen der Beklagten aus den Jahren 2010 bis 2013 dahingehend einzuwilligen, dass dem Kläger eine angemessene, vom Gericht im Wege der freien Schätzung festzusetzende Vergütung für die Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte (Zweitdruckrecht) an seinen in den Jahren 2010 bis 2013 in den S-Nachrichten (Lokalausgabe D, Auflage bis 100.000) veröffentlichten Bildbeiträge zusteht, wobei das Gericht gebeten wird, die Änderung selbst zu formulieren und

c) an den Kläger den sich aus der Abänderung der Honorarbedingungen zwischen dem Kläger und der Beklagten gem. Ziff. I. 3.a) und b) ergebenden Betrag, soweit er die für die Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den in den S-Nachrichten in den Jahren 2010 bis 2013 veröffentlichten Text- und Bildbeiträgen des Klägers geleistete Vergütung übersteigt, zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2013 zu zahlen,

II. die Beklagte zu 2.) zu verurteilen,

1. Auskunft zu erteilen über die Höhe der durch die Nutzung der in den Anlagen K 8a und 8b aufgelisteten Beiträge des Klägers durch die öffentliche Zurverfügungstellung in dem Onlineportal www.snachrichten.de erzielten, um Aufwand und Umsatzsteuer reduzierten Nettoerlöse, wobei direkte Herstellungs-, Marketing- und Vertriebskosten zum Aufwand zu rechnen sind,

2. dem Kläger Schadensersatz für die widerrechtliche Verletzung des Urheberrechts des Klägers durch die nicht autorisierte Nutzung der in den Anlagen K 8a und 8b aufgelisteten Beiträge des Klägers in dem Onlineportal www.snachrichten.de zu leisten, wobei die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes beziffert werden wird, sobald die unter Ziff. II Punkt 1 begehrte Auskunft erteilt worden ist,

hilfsweise zu Antrag II. 1.) und 2.)

3. die Beklagte zu 2.) zu verurteilen, an den Kläger für die widerrechtliche Nutzung der in den Anlagen K 8a und 8b aufgelisteten Beiträge in dem Online-Portal www.snachrichten.de einen angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 946,79 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet, die Tätigkeit des Klägers als Pressewart habe diesen schon so stark beansprucht, dass ihm eine weitere Tätigkeit als freier Journalist nicht hauptberuflich möglich gewesen sei. Die überwiegende Zahl der Artikel der Basketballszene in E2 habe der Kläger als Pressewart des Basketballkreises D, der J-baskets und des SV De verfasst und den Beklagten auch in dieser Eigenschaft zur Verfügung gestellt. Dementsprechend habe er die Artikel auch in identischer Fassung anderen Zeitungsverlagen überlassen.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, die GVR seien schon aus diesem Grunde nicht anwendbar. Hieran ändere auch der Umstand, dass die Beklagte zu 1) dem Kläger für die Artikel auf vertraglicher Basis ein Honorar gezahlt habe, nichts. Die Anwendbarkeit der GVR scheitere auch an § 9 Ziffer 8, da der Kläger Zweitverwertungsrechte geltend mache. Im Übrigen sei die von den Parteien individualvertraglich vereinbarte Vergütung angemessen.

Die Beklagten haben zudem behauptet, die Nutzung der Beiträge im Onlinebereich ohne zusätzliche Vergütung sei zwischen den Parteien vereinbart worden. Die Parteien hätten dies direkt zur Einführung des Onlineauftritts der Beklagten im August 2007 abgesprochen. Auch wenn der Kläger im Nachhinein vergeblich noch einmal eine gesonderte Vergütung gefordert habe, sei er im Weiteren doch damit einverstanden gewesen, dass die Beiträge kostenlos online genutzt werden. Er habe nie verlangt, dass die Veröffentlichung unterbleibt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, der mit Beschluss vom 15.09.2014 berichtigt worden ist, Bezug genommen.

Das Landgericht Bochum hat die Beklagte zu 2) mit Urteil vom 07.08.2014 verurteilt, an den Kläger 412,58 € nebst Zinsen zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Kläger habe keinen Nachhonorierungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) aus §§ 32 Abs. 1 S. 3, Abs. 2, 36 UrhG. Da der Kläger seit Jahren Gewerkschaftsmitglied sei, fänden die gemeinsamen Vergütungsregelungen für freie hauptberufliche Journalisten an Tageszeitungen für ihn keine Anwendung. Gemäß § 36 Abs. 1 S. 3 UrhG gingen die tarifvertraglichen Regelungen den gemeinsamen Vergütungsregelungen vor. Die Ausschlusswirkung des § 32 Abs. 4 UrhG fände deshalb Anwendung, auch wenn der Kläger die Anzeige gemäß § 3 Nr. 4 der Tarifverträge unterlassen habe.

Der Kläger habe keinen Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zu 2). Es sei dieser praktisch unmöglich, für jeden einzelnen Beitrag den erzielten Erlös zu ermitteln.

Der Kläger habe jedoch einen Anspruch auf Zahlung von 412,58 € gegen die Beklagte zu 2) aus § 97 Abs. 2 UrhG. Diese sei nur zur Veröffentlichung im Rahmen der aktuellen Printausgabe der Zeitung, mangels Einverständnisses des Klägers jedoch nicht zur Einstellung der Artikel in ihr Onlinearchiv berechtigt gewesen. Die Beklagte zu 2) habe keinen substantiierten Beweis für ihre gegenteilige Behauptung erbracht. Der somit nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu leistende Schadensersatz sei anhand der vom DJV herausgegebenen "Vertragsbedingungen und Honorare 2013 für die Nutzung freier journalistischer Beiträge" gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung wie folgt:

Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Anwendung des § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG gemäß § 32 Abs. 4 UrhG gesperrt sei.

Das Vorhandensein eines Tarifvertrages allein stehe der Durchsetzung der Ansprüche auf angemessene Vergütung nicht entgegen. Unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers, die Stellung des Urhebers zu stärken, könne § 32 Abs. 4 UrhG nur eine "Sperre" darstellen, wenn der Tarifvertrag zwischen den Parteien tatsächlich zur Anwendung komme. Denn für freie Mitarbeiter gebe es mangels Kündigungsschutzes keine Möglichkeit, sich in einem laufenden Vertragsverhältnis auf den Tarifvertrag zu berufen oder auf eine angemessene Vergütung zu bestehen.

Zudem lägen die persönlichen Voraussetzungen des Tarifvertrages nicht vor.Die Parteien seien keine Tarifvertragsparteien i.S.d. § 2 Abs. 11 TVG. Sie seien damit nicht tarifgebunden. Hierfür sei die Beklagte zu 1) darlegungs- und beweispflichtig. Diese habe hierzu nichts vorgetragen und die Gewerkschaftsmitgliedschaft des Klägers sogar bestritten.

Er, der Kläger, sei in dem streitgegenständlichen Zeitraum kein Gewerkschaftsmitglied gewesen. Dass das Landgericht hiervon ausgegangen sei, beruhe auf einem Missverständnis. Tatsächlich sei er nur Inhaber eines von der dju ausgestellten Presseausweises und nicht - wie in der Replik fehlerhaft zur Frage der Hauptberuflichkeit vorgetragen - Mitglied der dju gewesen.

Die Anwendbarkeit des Tarifvertrages sei im Übrigen davon abhängig gewesen, ob die Voraussetzungen des § 12a TVG erfüllt seien - und auch hierfür sei die Beklagte zu 1) darlegungs- und beweispflichtig gewesen. Das Landgericht habe nicht geprüft, ob der Status einer arbeitnehmerähnlichen Person erfüllt ist. Soweit er behauptet habe, sein Einkommen im Wesentlichen aus der Tätigkeit für die Beklagte zu 1) und die W zu erwirtschaften, sei dies in einem anderen Zusammenhang zur Untermauerung seiner hauptberuflichen Tätigkeit geschehen.

Es komme hinsichtlich des nachträglichen Erhöhungsanspruchs nach § 32 UrhG nicht darauf an, ob er im streitgegenständlichen Zeitraum hauptberuflicher Journalist gewesen sei und die Artikel in dieser Eigenschaft verfasst habe. Tatsächlich sei dies jedoch - wie bereits erstinstanzlich dargelegt - der Fall gewesen.

Der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) sei zu niedrig angesetzt.

Die Bemessung auf der Grundlage des tatsächlich gezahlten Honorars sei rechtsfehlerhaft. Richtigerweise habe der Schadensersatz auf der Grundlage des angemessenen Honorars, mithin anhand der GVR bestimmt werden müssen.

Das Landgericht sei bei seiner Berechnung überdies von einer falschen Zeilenzahl ausgegangen. Der Tatbestand gehe aufgrund eines Fehlers in der Tabellenkalkulation davon aus, dass seine Beiträge mit insgesamt lediglich 1.667 Zeilen online veröffentlicht worden seien. Tatsächlich ergebe sich aus der als Anlage K8a zu den Akten gereichten Tabelle eine Gesamtzeilenzahl von 22.311. Demnach liege der angemessene Schadensersatz bei mindestens 3.671,02 €.

Der Kläger beantragt deshalb,

I. die Beklagte zu 1.) unter Abänderung des am 07.08.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Bochum, Az. I-8 O 59/14 zu verurteilen,

1. an den Kläger 41.569,57 € zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2013 zu zahlen,

hilfsweise zu Antrag I. 1., die Beklagte zu 1.) zu verurteilen,

2.

a) in eine Änderung der Honorarbedingungen betreffend die Veröffentlichung der Textbeiträge des Klägers in der Tageszeitung S-Nachrichten gemäß Abrechnungen der Beklagten zu 1.) aus den Jahren 2010 bis 2013 (Anlagenkonvolut K7) dahingehend einzuwilligen, dass die dem Kläger zustehenden Honorarsätze für die Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte (Zweitdruckrecht) an den in den Jahren 2010 bis 2013 in den S-Nachrichten (Lokalausgabe D, Auflage bis 100.000) veröffentlichten Textbeiträge wie folgt festgelegt werden:

€ Nachrichten/Berichte: 28 Zeichen x 58 Cent : 37 = 44 Cent/Zeile

€ Interviews: 28 Zeichen x 92 Cent : 37 = 69 Cent/Zeile

€ Mindestvergütung: 20 Zeilen x 58 Cent = 11,60 Euro/Beitrag,

b) in eine Änderung der Honorarbedingungen betreffend die Veröffentlichung der Bildbeiträge des Klägers in der Tageszeitung S-Nachrichten gemäß Abrechnungen der Beklagten aus den Jahren 2010 bis 2013 (Anlagenkonvolut K7) dahingehend einzuwilligen, dass die dem Kläger zustehenden Honorarsätze für die Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte (Zweitdruckrecht) an den in den Jahren 2010 bis 2013 in den S-Nachrichten (Lokalausgabe D, Auflage bis 100.000) veröffentlichten Bildbeiträgen wie folgt festgelegt werden:

- halbspaltige Fotos: 28,50 Euro/Bild

- einspaltige und kleine 2-spaltige Fotos: 33,00 Euro/Bild

- größer als 2-spaltige Fotos: 39,75 Euro/Bild,

höchst hilfsweise zu Antrag I. 2.a) und b)

3.

a) in eine Änderung der Honorarbedingungen betreffend die Veröffentlichung der Textbeiträge des Klägers in der Tageszeitung S-Nachrichten gemäß Abrechnungen der Beklagten zu 1.) aus den Jahren 2010 bis 2013 (Anlagenkonvolut K7) dahingehend einzuwilligen, dass dem Kläger eine angemessene, vom Gericht im Wege freier Schätzung festzusetzende Vergütung für die Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte (Zweitdruckrecht) an seinen in den Jahren 2010 bis 2013 in den S-Nachrichten (Lokalausgabe D, Auflage bis 100.000) veröffentlichten Textbeiträge gewährt wird, wobei das Gericht gebeten wird, die Änderung selbst zu formulieren,

b) in eine Änderung der Honorarbedingungen für die Veröffentlichung der Bildbeiträge des Klägers in der Tageszeitung S-Nachrichten gemäß Abrechnungen der Beklagten aus den Jahren 2010 bis 2013 (Anlagenkonvolut K7) dahingehend einzuwilligen, dass dem Kläger eine angemessene, vom Gericht im Wege der freien Schätzung festzusetzende Vergütung für die Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte (Zweitdruckrecht) an seinen in den Jahren 2010 bis 2013 in den S-Nachrichten (Lokalausgabe D, Auflage bis 100.000) veröffentlichten Bildbeiträge zusteht, wobei das Gericht gebeten wird, die Änderung selbst zu formulieren und

c) an den Kläger den sich aus der Abänderung der Honorarbedingungen zwischen dem Kläger und der Beklagten gem. Ziff. I. 3.a) und b) ergebenden Betrag, soweit er die für die Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den in den S-Nachrichten in den Jahren 2010 bis 2013 veröffentlichten Text- und Bildbeiträgen des Klägers geleistete Vergütung übersteigt, zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2013 zu zahlen,

II. die Beklagte zu 2.) unter teilweise Abänderung des am 07.08.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Bochum, Az. I-8 O 59/14, zu verurteilen,

an den Kläger für die widerrechtliche Nutzung der in den Anlagen K 8a und 8b aufgelisteten Beiträge in dem Online-Portal www.snachrichten.de einen angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 3.671,80 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens vor:

Es sei erstinstanzlich durch die als Anlage S&J 1 zu den Akten gereichten Pressemitteilungen des Klägers dargelegt worden, dass dieser die ganz überwiegende Mehrzahl der in Rede stehenden Artikel der Beklagten zu 1) und auch anderen Verlagen nicht als hauptberuflicher Journalist, sondern als Pressesprecher eines Basketballvereins und eines Basketballverbandes zur Verfügung gestellt habe. Es liege auf der Hand, dass er insoweit § 36 UrhG nicht für sich in Anspruch nehmen könne. Denn für derlei Pressemitteilungen werde üblicherweise keine Vergütung gezahlt. Die dennoch (freiwillig) gezahlte Vergütung sei angemessen.

Hilfsweise mache die Beklagte zu 1) sich den Vortrag des Klägers, er sei hauptberuflicher Journalist und habe sämtliche Artikel in dieser Eigenschaft verfasst, zu Eigen. Denn dann sei der geltend gemachte Anspruch nach § 36 Abs. 4 UrhG ausgeschlossen. Es komme insoweit lediglich darauf an, dass die Vergütung für die Nutzung der Werke "tarifvertraglich bestimmt" sei. Die Mitgliedschaft des Klägers in einer Gewerkschaft sei im erstinstanzlichen Tatbestand mangels Berichtigungsantrages bindend festgestellt worden. Irrelevant sei, ob der Kläger sich auf einen arbeitnehmerähnlichen Status berufen habe. Denn er könne es nicht in der Hand haben, auf diesem Wege in den Genuss der bestmöglichen Vergütung zu gelangen.

Der in der Berufung weiterverfolgte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) bestehe schon dem Grunde nach nicht. Die Nutzung der Presseberichte und Artikel im Onlinebereich ohne zusätzliche Vergütung sei zwischen den Parteien abgesprochen gewesen. Dass der Kläger mit seinem Anliegen, hierfür eine zusätzliche Vergütung zu erzielen, gescheitert sei, jedoch im Weiteren nicht darauf bestanden habe, dass keine weiteren Veröffentlichungen im Onlinebereich erfolgen, belege dies. Eine solche Vereinbarung habe auch Sinn gemacht, da die Beklagte mit der Veröffentlichung im Onlinebereich keine zusätzlichen Einnahmen erziele. Eine Vergütung erfolge nur, wenn es sich um Veröffentlichungen ausschließlich für den Onlinebereich handele. Der Beweisantritt für diese Vereinbarung sei nicht zu ungenau gewesen. Dementsprechend habe Beweis erhoben werden müssen, sofern man nicht ohnehin von einer unstreitig unentgeltlichen Nutzung für den Onlinebereich ausgehe.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung ist begründet.

I.

Der zulässige Klageantrag zu I. ist mit dem Hauptantrag überwiegend begründet.

Dem Kläger steht als Urheber der in Rede stehenden Text- und Fotobeiträge gegen seinen Vertragspartner, die Beklagte zu 1), gemäß § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG der mit dem Klageantrag zu I. verfolgte Nachvergütungsanspruch i.H.v. 41.396,57 € zu, und zwar nebst der auch nach der ursprünglichen Abrechnung der Beklagten zu 1) dem Kläger vereinbarungsgemäß zustehenden 7% Mehrwertsteuer und der beanspruchten Verzugszinsen seit dem 13.03.2014 (§§ 280, 286, 288 BGB).

Das Urheberrecht ist von dem Leitgedanken geprägt, den Urheber an sämtlichen Erträgnissen aus der Verwertung seines Werkes oder seiner Leistung angemessen zu beteiligen. Dementsprechend kann der Urheber gemäß § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG von seinem Vertragspartner, sofern die mit diesem vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist, eine Korrektur des Vertrags in dem Sinne verlangen, dass die vereinbarte Vergütung für die Einräumung der Nutzungsrechte durch eine angemessene Vergütung ersetzt wird. Hierbei entspricht es zwar dem Prinzip des Vorrangs der vertraglichen Abrede, dass das Gesetz nicht einen unmittelbaren Anspruch auf die ergänzte Vergütung gewährt, sondern lediglich eine Korrektur des Vertrags vorsieht. Dennoch kann der Urheber bei einer prozessualen Durchsetzung des Rechts aus § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG unmittelbar - wie vorliegend mit dem Klageantrag zu I. geschehen - auf Zahlung des angemessenen Entgelts respektive der Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten und dem angemessenen Entgelt klagen (Dreyer/Kotthoff/Meckel-Kotthoff, Urheberrecht, 3. Aufl., § 32 Rn. 10 mwN).

1.

Eine solche Inanspruchnahme der Beklagten zu 1) durch den Kläger ist nicht etwa gemäß § 32 Abs. 4 UrhG von vorneherein ausgeschlossen - und hierauf hat die Beklagte zu 1) sich erstinstanzlich auch gar nicht berufen.

a)

Zwar bestimmt § 32 Abs. 4 UrhG den Vorrang des Tarifrechts. Denn der Gesetzgeber hat die Tarifvertragsparteien als strukturell gleich stark eingeschätzt und insoweit keinen Bedarf für nachvertragliche Vertragsanpassungen im Anwendungsbereich tarifautonom getroffener Regelungen gesehen (Fromm/Nordemann-Czychowski, UrhR, 11. Aufl., § 32 Rn. 26; Wandtke/Bullinger/Wandtke-Grunert, UrhG, 4. Aufl., § 32 Rn. 25). Dementsprechend hat der Urheber keinen Anspruch auf Vertragsanpassung, soweit die Vergütung für die Nutzung der Werke tarifvertraglich bestimmt ist.

Allerdings bedeutet dies nicht, dass Tarifverträge zwischen Verwertern und Urhebern, sobald hierin Vergütungen für urheberrechtlich geschützte Werke oder Leistungen bestimmt werden, auch ohne Verfahren nach § 5 TVG automatisch allgemeinverbindlich wären (Fromm/Nordemann-Czychowski, aaO.; Wandtke/Bullinger/Wandtke-Grunert, aaO.). Demnach ist vorliegend allein die Existenz eines Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche freie Journalistinnen und Journalisten für sich genommen unerheblich.

b)

Vielmehr ist die Vergütung für die Nutzung der Werke des Urhebers nur dann tarifvertraglich bestimmt i. S. d. § 32 Abs. 4 UrhG, wenn die tarifvertraglichen Vergütungssätze auch tatsächlich auf das konkrete Vertragsverhältnis Anwendung finden. Das heißt, dass der Geltungsbereich des Tarifvertrages für die Werknutzung in sachlicher, persönlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht eröffnet sein muss (BeckOK-Soppe, UrhR, 3. Aufl., § 32 Rn.25; Fromm/Nordemann-Czychowski, aaO., § 32 Rn. 27; Wandtke/Bullinger/Wandtke-Grunert, aaO.).

Hieran fehlt es vorliegend schon im Hinblick auf den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages. Denn gemäß § 3 Abs. 1 TVG sind nur die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und Arbeitgeber, die selbst Partei des Tarifvertrages sind, tarifgebunden, wobei die Tarifvertragsparteien grundsätzlich autonom sind, für welche Arbeitnehmer- und Arbeitgebergruppen sie den Geltungsbereich festlegen. Nach dem unstreitigen Berufungsvorbringen des Klägers ist die Beklagte zu 1) jedoch kein Mitglied des Bundes Deutscher Zeitungsverleger e.V..

Somit kommt es weder darauf an, ob der Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum tatsächlich Gewerkschaftsmitglied war, noch, ob es sich bei dem Kläger um einen arbeitnehmerähnlichen freien Journalisten im Sinne des § 3 Ziffer 1. des Tarifvertrages handelt - und nur dann wäre der Tarifvertrag sachlich anwendbar.

c)

Dahinstehen kann damit auch, ob die Ausschlusswirkung des § 32 Abs. 4 UrhG "schon" dann - so das Landgericht - eintreten würde, wenn der maßgebliche Tarifvertrag zwar einschlägig wäre, die sich hieraus ergebenden Vergütungspflichten von Arbeitgeberseite jedoch tatsächlich nicht erfüllt würden.

Der Wortlaut der Regelung spricht allerdings klar dafür. Denn danach wird "lediglich" vorausgesetzt, dass die Vergütung für die Nutzung des Werkes tarifvertraglich bestimmt ist. Dies ist sie schon, wenn die Werknutzung dem Geltungsbereich des Tarifvertrages unterfällt, und nicht erst, wenn die Parteien den Tarifvertrag tatsächlich umsetzen. Damit mag - so die Argumentation des LG Stuttgart ZUM 2009, 77, 81, für eine restriktive Auslegung des § 32 Abs. 4 UrhG - die Situation arbeitnehmerähnlicher freier Journalisten unter den derzeitigen faktischen Gegebenheiten entgegen der ursprünglichen gesetzgeberischen Intention letztlich geschwächt und nicht gestärkt werden. Jedoch ist dies weniger Folge der gesetzlichen Regelung als vielmehr Konsequenz des Tarifvertrages, der die Geltendmachung der tariflichen Ansprüche von der vorherigen Anzeige des arbeitnehmerähnlichen Status abhängig macht und die Ansprüche im Übrigen Ausschlussfristen unterwirft.

2.

Das von der Beklagten zu 1) dem Kläger für die Text- und Fotobeiträge gezahlte Honorar war fast ausnahmslos nicht angemessen i.S.d. § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG.

Denn die tatsächlich geleistete Vergütung lag unter den in den Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalisten an Tageszeitungen (auch im Weiteren: GVR) festgelegten Honorarsätzen und war damit eben nicht mehr angemessen.

Was angemessen ist, richtet sich nach § 32 Abs. 2 UrhG. Nach dessen Satz 1 ist eine Vergütung angemessen, wenn sie nach einer gemeinsamen Vergütungsregel i.S.d. § 36 UrhG ermittelt ist. Denn was von Urheber- und Werknutzerseite in Kenntnis der jeweiligen besonderen Umstände und Bedürfnisse beider Seiten ausgehandelt wird, ohne dass eine die andere übervorteilen kann, ist in der Regel angemessen. Dies wird unwiderleglich vermutet (Dreier/Schulze-Schulze, UrhG, 5. Aufl., § 36 Rn. 30).

Bei den hier maßgeblichen GVR handelt es sich um Vergütungsregeln i.S.d. § 36 UrhG (vgl. u.a. Möhring/Nicolini-Soppe, UrhG, 4. Aufl., § 36 Rn. 100). Ihr Regelungsbereich ist vorliegend mit wenigen Ausnahmen einschlägig.

a)

Der persönliche Anwendungsbereich der GVR ist eröffnet.

Denn der Kläger ist freier hauptberuflicher Journalist - und allein hierauf stellt § 1 Abs. 1 S. 1 der GVR ab.

Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit der Kläger, der nach § 1 Abs. 1 S. 2 die Hauptberuflichkeit auf Verlangen des Verlages darzulegen und ggf. auch nachzuweisen hat.

Dies hat er grundsätzlich schon mit der Vorlage seines Presseausweises (Anlage K3) getan. Denn der Presseausweis, der nach den Richtlinien für die Ausgabe der Presseausweise nur an hauptberuflich tätige Journalistinnen und Journalisten, die ihren Lebensunterhalt nachweislich überwiegend aus dem Ertrag journalistischer Arbeit bestreiten (vgl. www.zvnrw.de zu "Presseausweise"), ausgestellt wird, ist laut § 1 Abs. 1 S. 3 der GVR ein Indiz für die Hauptberuflichkeit des Klägers.

Dafür, dass dies hinsichtlich des Klägers tatsächlich auch der Fall war, spricht ohnehin der durch die eigenen Honorarabrechnungen der Beklagten zu 1) (Anlagenkonvolut K7) dokumentierte Umfang der Tätigkeit des Klägers. Ausweislich dieser Abrechnungen hat der Kläger allein für die Beklagte zu 1) nahezu täglich Beiträge verfasst. Es ist kaum vorstellbar, dass er dies lediglich nebenberuflich geleistet haben soll, zumal die Beklagten nicht einmal darlegen, welcher Tätigkeit er dann noch hauptberuflich nachgegangen sein soll. Die Tätigkeit des Klägers als Pressewart im Rahmen seiner Vorstandstätigkeit für den Basketballkreis D e.V. war jedenfalls nachweislich (Anlagen K17, K18) ehrenamtlich. Es ist im Übrigen unstreitig, dass der Kläger sein Einkommen im Wesentlichen aus seiner Tätigkeit für die Beklagte zu 1) und für die W erwirtschaftet hat.

b)

Die Honorarsätze für die Textbeiträge nach § 3 der GVR sind weitgehend einschlägig. Denn der Kläger hat der Beklagten zu 1) die Rechte an seinen Beiträgen mit nur wenigen Ausnahmen i.S.d. § 9 der GVR übertragen, d.h. ihr an diesen das Recht zur Erstveröffentlichung eingeräumt.

aa)

Der Einwand der Beklagten, dass dem Kläger dies nicht mehr möglich gewesen sei, weil er die Textbeiträge schon zuvor in seiner Eigenschaft als Pressewart des Basketballkreises D veröffentlicht hatte, ist nur teilweise erheblich.

Insoweit war es nämlich zunächst zumindest sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 1) vorzutragen, in welchen konkreten Fällen, es bereits zu einer vorherigen Veröffentlichung gekommen war. Erst dann oblag es der Beweislast des Klägers, dies im Einzelnen substantiiert zu bestreiten (vgl. u.a. Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 284 Rn. 24 zum Beweis negativer Tatsachen).

Der ihr insoweit obliegenden Darlegungslast ist die Beklagte zu 1) nur hinsichtlich einzelner Textbeiträge nachgekommen. Denn ausweislich der von ihr hierzu vorgelegten Anlage S&J 1 gab es in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt nur 11 Artikel - und hierbei handelt es sich um die von der Beklagten zu 1) mit den Ziffern 3 bis 13 gekennzeichneten Artikel -, die jeweils ein bis zwei Tage vor der Veröffentlichung in den S-Nachrichten schon unter "J-News" auf der Homepage der J-baskets eingestellt waren. Dies stellt der Kläger letztlich auch gar nicht in Abrede.

Etwas anderes gilt hinsichtlich der mit den Ziffern 1, 2 und 14 gekennzeichneten Artikel. Denn diese wurden erst am Abend des jeweiligen Erscheinungstages auf der Homepage der J-baskets und damit erst nach vorheriger Erstveröffentlichung eingestellt. Diese Vorgehensweise war dem Kläger gemäß § 38 Abs. 3 S. 2 UrhG jedoch selbst dann nicht verwehrt, wenn er der Beklagten zu 1) ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hätte. Denn die Ausschließlichkeit gilt nur bis zum Erscheinen (Dreier/Schulze-Schulze, UrhG, 5. Aufl., § 38 Rn. 23).

Damit ist das Vorbringen der Beklagten zu 1) nur hinsichtlich der 11 Beiträge, die einen Bruchteil der in dem maßgeblichen Zeitraum von 2010 bis 2013 insgesamt vom Kläger verfassten 2.640 Textbeiträge ausmachen, erheblich. Hierdurch wird die Schlüssigkeit des Klägervorbringens, dass allenfalls einzelne Spielberichte auf Internetseiten, und zwar im Rahmen einer Absprache mit der Redaktion und mit zeitlichem Versatz, verwendet worden seien, nicht generell in Frage gestellt.

Dem nunmehrigen Antrag der Beklagten zu 1), ihr eine Schriftsatzfrist einzuräumen, um weiter zum Problemkreis der vorherigen Veröffentlichung der Beiträge durch den Kläger als Pressewart vorzutragen, war nicht stattzugeben. Denn die Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Frist lagen nicht vor. Die Ausführungen des Senates in der mündlichen Verhandlung gingen über eine bloße Erörterung der Sach- und Rechtslage nach § 139 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht hinaus. Der Einwand der vorherigen Veröffentlichung durch den Kläger war von der Beklagten zu 1) erstinstanzlich selbst thematisiert und ausweislich der Anlage S&J 1 nach eigener Recherche teilweise konkretisiert worden. Dementsprechend bestand kein Anlass, ihr besondere Hinweise nach § 139 Abs. 2 ZPO zu erteilen, geschweige denn eine diesbezügliche Frist zur Stellungnahme nach § 139 Abs. 5 ZPO einzuräumen.

bb)

Dass der Kläger seine Beiträge zeitgleich auch an andere Verlage vergeben haben mag, steht der Anwendung der Honorarsätze der GVR nicht entgegen.

Eine solche Vorgehensweise war dem Kläger nicht verwehrt. Denn der Herausgeber einer Zeitung erwirbt nach § 38 Abs. 3 S. 1 UrhG im Zweifel ohnehin nur ein einfaches Nutzungsrecht. Dies erlaubt es dem Urheber, seinen Beitrag mehreren Zeitungen gleichzeitig anzubieten, um die Chance zu erhalten, dass sein Beitrag überhaupt gedruckt wird, bevor er nicht mehr aktuell ist (Dreier/Schulze-Schulze, UrhG, 5. Aufl., § 38 Rn. 20). Dass im vorliegenden Fall zwischen den Parteien etwas anderes vereinbart war, trägt auch die Beklagte zu 1) nicht vor.

Dem tragen auch die GVR Rechnung, wenn dort in § 3 zwischen dem Erstdruckrecht und dem geringer dotierten Zweitdruckrecht differenziert wird. Hiernach rechnet der Kläger auch lediglich ab. Dies ist unstreitig.

Um eine sog. Zweitverwertung i.S.d. § 9 Ziffer 8 der GVR geht es ohnehin nicht.

c)

Ebenso sind die im Schlichterspruch vom 01.02.2013 festgelegten Honorare für Fotografien in Tageszeitungen (Anlage K13, K21) auf die in Rede stehenden Fotobeiträge des Klägers sachlich anwendbar - und dies stellt die Beklagte zu 1) auch gar nicht in Frage.

d)

Die erst am 01.02.2010 in Kraft getretenen VGR mit den hierin festgelegten Honoraren für Textbeiträge mögen ihrem zeitlichen Anwendungsbereich nach auf die bereits im Januar 2010 veröffentlichten Textbeiträge nicht unmittelbar anwendbar sein. Allerdings ist kein Grund ersichtlich, warum der angemessene Wert der Textbeiträge des Klägers sich binnen eines Monats geändert haben sollte (vgl. OLG Köln BeckRS 2014, 12610) - und insoweit stellen die GVR eine Grundlage für die Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) der Angemessenheit i.S.d. § 32 Abs. 2 S. 2 UrhG dar.

Nichts anderes gilt hinsichtlich der Honorare für Fotografien, obwohl diese nach Ablauf der Frist zum Widerspruch gegen den Schlichterspruch letztendlich erst seit dem 01.05.2013 und damit für die hier in Rede stehenden Bildbeiträge des Klägers nicht anwendbar sind. Auch diese können als Grundlage für eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO herangezogen werden, da unstreitig ist, dass es im hier maßgeblichen Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Schlichterspruchs zu keiner Steigerung der tatsächlich gezahlten Honorare für Fotografien gekommen ist.

3.

Damit ergibt sich der vom Kläger ermittelte Nachhonorierungsanspruch i.H.v. 41.569,57 €, dessen Berechnung von der Beklagten zu 1) nicht in Frage gestellt wird.

Hiervon abzuziehen sind lediglich die 11 Textbeiträge, die zuvor auf der Homepage des Basketballkreises eingestellt waren. Diese machen ausweislich der tabellarischen Aufstellung des Klägers zur Honorarabrechnung (Anlage K14) einen Betrag von insgesamt 173,00 € aus. Dass für derlei Berichte generell keine Vergütung gezahlt wird, ist vom Kläger erstinstanzlich nicht bestritten worden. Zwar holt er dies nun im Schriftsatz vom 28.04.2015 nach, ohne jedoch darzulegen, welche Vergütung unter diesen Umständen angemessen wäre. Damit ist sein Vorbringen zur Unangemessenheit des von der Beklagten zu 1) gezahlten Honorars hinsichtlich dieser Artikel nicht schlüssig (vgl. Fromm/Nordemann-Czychowski, Urheberrecht, 11. Aufl., § 32 Rn. 35).

II.

Dem Kläger steht darüber hinaus gegen die Beklagte zu 2) der mit dem Klageantrag zu II. nunmehr auch antragsgemäß als Mindestbetrag geltend gemachte Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.671,80 € aus § 97 Abs. 2 UrhG zu, und zwar nebst der hierfür geforderten Verzugszinsen seit dem 13.03.2014 (§§ 280, 286, 288 BGB).

1.

Derlei Forderungen des Klägers haben die Parteien nicht etwa von Anfang an vertraglich ausgeschlossen.

Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass es zwischen den Parteien zu einer Absprache gekommen ist, wonach die Nutzung der klägerischen Beiträge im Onlinearchiv ohne zusätzliche Vergütung erfolgen sollte.

Das Landgericht ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten zu 2) unsubstantiiert, mithin unerheblich ist.

Zwar oblag es der Beklagten zu 2) nicht von vorneherein, den behaupteten Vertragsschluss in allen Einzelheiten darzustellen. Vielmehr genügte sie ihrer Darlegungslast zunächst durchaus mit der Wiedergabe der Absprache als solcher. Nachdem diese jedoch seitens des Klägers vehement bestritten worden war, hätte die Beklagte ihr Vorbringen nun mit der Darlegung der näheren Umstände der streitigen Vereinbarung weiter konkretisieren müssen (vgl. u.a. Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl., § 138 Rn. 8/8a mwN). Dies hat sie jedoch nicht getan.

Indizien, die den Schluss auf eine solche Absprache rechtfertigen könnten, sind nicht dargetan worden. Auch wenn der Kläger die Handhabung der Beklagten zu 2) über einen längeren Zeitraum hingenommen haben mag, lässt allein dies nicht auf sein Einverständnis hiermit schließen, zumal er unstreitig zwischenzeitlich, wenn auch erfolglos auf eine dahingehende Vergütung gedrängt hatte. Die Beklagte zu 2) mag für die (aktuelle) Veröffentlichung im Onlinebereich generell keine zusätzliche Vergütung zahlen. Dies entspricht den § 9 Ziffer 3. und 4. der GVR. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass dies auch für die in Ziffer 7. geregelte Form des Archivs gilt - und allein hierum geht es vorliegend nach dem Klagevorbringen.

2.

Die Berechnungen zur Höhe stellt die Beklagte zu 2) als solche nicht in Frage.

Der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ist mit Beschluss des Landgerichts vom 15.09.2014 hinsichtlich der Anzahl der Bilder und Zeilen korrigiert worden.Der Berechnung zugrunde gelegt werden kann sodann die "Übersicht über die Vertragsbedingungen und Honorare für die Nutzung freier journalistischer Leistungen 2013" (Anlage K25 - Bl. d.A.), wonach ein prozentualer Aufschlag von 30% auf das Honorar für das Printmedium zu zahlen ist. Hierbei ist prinzipiell das angemessene Honorar für das Printmedium, mithin der jeweilige Honorarsatz nach der GVR zugrunde zu legen - und dem Landgericht war ein solcher Rückgriff auf die GVR konsequenterweise aufgrund des seines Erachtens einschlägigen § 32 Abs. 4 UrhG verwehrt. Danach steht dem Kläger ein Betrag von 3.671,80 € zu.

C.

1.

Da der verkündete Urteilstenor zu I. mangels Berücksichtigung der zugesprochenen Mehrwertsteuer offensichtlich unrichtig war, hat der Senat den Tenor insoweit gemäß § 319 ZPO von Amts wegen berichtigt (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 319 Rn. 10).

2.

Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.






OLG Hamm:
Urteil v. 15.09.2015
Az: 4 U 128/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d638640098fb/OLG-Hamm_Urteil_vom_15-September-2015_Az_4-U-128-14




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