Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 21. Februar 1992
Aktenzeichen: 6 U 99/91
(OLG Köln: Urteil v. 21.02.1992, Az.: 6 U 99/91)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. April 1991 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 0 193/90 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Hauptsache durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 150.000,-- DM, hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beide Parteien können die von ihnen zu erbringende Sicherheit auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse leisten. Die Beschwer der Beklagten durch dieses Urteil beträgt 150.000,-- DM.
Gründe
Die Klägerin vertreibt in der
Bundesrepublik Deutschland das Pflanzenschutzmittel "Lentagran".
Das Produkt wird in Àsterreich von der Firma A. Agrarchemikalien
GmbH produziert und formuliert. In Deutschland ist "Lentagran" für
die Firma A. Agrarchemikalien M. GmbH zugelassen. Außerdem besteht
eine abgeleitete Zulassung für die Klägerin als Vertriebspartner.
Die durch die biologische Bundesanstalt erteilte Zulassungsnummer
für die Firma A. Agrarchemikalien M. GmbH lautet 03231, die für die
Klägerin 03231-60.
Die Beklagte importiert das für den
Vertrieb in den Niederlanden verpackte, inhaltlich mit dem
deutschen Erzeugnis identische Produkt in überetikettierter
Ausstattung von dort in die Bundesrepublik Deutschland und bringt
es hier in den Verkehr. Daß es sich um einen Parallelimport aus den
Niederlanden handelt, hat die Beklagte in der
Berufungsverhandlung ausdrücklich klargestellt.
Vor dem Vertrieb des importierten
Erzeugnisses in Deutschland bringt die Beklagte eine
Gebrauchsanleitung an, indem sie diese in eine an der Rückseite
der Packung befestigten Klarsichthülle einlegt. Auf dem Produkt ist
jeweils die der Klägerin als der deutschen Vertriebsfirma durch die
Biologische Bundesanstalt zugeteilte Zulassungsnummer 03231-60
angegeben. Wegen der Einzelheiten der Ausstattung wird auf die
Originalverpackung in Hülle Bl. 8 der Beiakten 6 U 140/90, OLG Köln
(= 81 0 61/90, LG Köln), verwiesen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der
Vertrieb des Produktes in der von der Beklagten benutzten
Verpackung und Ausstattung verstoße gegen § 1 UWG und § 20 Abs. 2
PflSchG. Das Anbringen eines Beipackzettels erfülle nicht die durch
das Gesetz gestellten Anforderungen an die Gebrauchsanweisung.
Zweck der Regelung sei es, die Gebrauchsanleitung mit allen
Einzelheiten für den Anwender ständig bis zum endgültigen
Aufbrauchen des Packungsinhalts sichtbar und verfügbar zu halten.
Für den Benutzer sei das Aufbrauchen der Restpackung aber nur dann
mit der gebotenen Sicherheit möglich, wenn die Gebrauchsanleitung
unmittelbar auf dem Behältnis angebracht und nicht nur lose in
einen an der Verpakkung befestigten Umschlag eingelegt sei.
Die Klägerin hat sich weiter darauf
berufen, daß die Beklagte das Erzeugnis nicht unter der ihr, der
Klägerin, durch die Biologische Bundesanstalt erteilten
Zulassungsnummer vertreiben dürfe, denn diese sei nicht der
Beklagten zugewiesen worden. Diese Verfahrensweise der Beklagten
verstoße ebenfalls gegen das Pflanzenschutzgesetz und deswegen
auch gegen § 1 UWG.
Die Klägerin hat in dem auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung gerichteten Verfahren 81 0 61/90, LG Köln,
am 23. April 1990 einen Beschluß erwirkt, durch den der Beklagten
der Vertrieb des Produktes "Lentagran" in der konkret beanstandeten
Ausstattung, nämlich mit einer in der oben beschriebenen Weise
beigefügen Gebrauchsanleitung und unter Verwendung der
Zulassungsnummer der Klägerin, untersagt worden ist. Der Beschluß
ist durch Urteil des Landgerichts Köln vom 31. Mai 1991 sowie durch
Urteil des Senats vom 2. November 1990 bestätigt worden.
Durch Versäumnisurteil vom 15. Januar
1991 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluß vom 23. April
1991 ist die Beklagte auch im vorliegenden Rechtsstreit
antragsgemäß verurteilt worden, es zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland das
für den Vertrieb in Holland hergestellte Pflanzenschutzmittel
"Lentagran" in der nachfolgend wiedergegebenen Ausstattung zum
Verkauf anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen:
Die Beklagte, die Einspruch gegen das
Versäumnisurteil eingelegt hat, hat geltend gemacht, das Beifügen
der Gebrauchsanleitung in Form eines Beipackzettels verstoße nicht
gegen das Pflanzenschutzgesetz. Vielmehr sei gerade bei einer
ganzflächigen Verklebung der Gebrauchsanleitung auf dem Behältnis,
wie dies der Klägerin vorschwebe, der vom Gesetzgeber geforderte
Zweck der deutlichen Sichtbarkeit nicht mehr erfüllt. Ihre, der
Beklagten, Verfahrensweise beruhe auf einer seit mehr als dreißig
Jahren geübten Praxis. Die fest mit der Packung verbundene Hülle
sei aus durchsichtigem Kunststoff gefertigt, so daß der Verwender
des Produkts sofort deutlich lesbar erkennen könne, daß sich
innenliegend die Gebrauchsanleitung befinde. Damit sei dem
gesetzlichen Erfordernis "auf der Packung" in vollem Umfang
Rechnung getragen. Die Gefahr eines Verlustes der
Gebrauchsanleitung bei mehrmaliger Verwendung des Packungsinhaltes
sei lediglich theoretischer Natur. Im übrigen enthalte die von der
Klä-gerin geforderte ganzflächige Verklebung erhebliche Nachteile.
Gerade bei nochmaliger Verwendung der gleichen Packung bestehe die
Gefahr, daß die äußere Hülle der Packung mit Pflanzenschutzmittel
behaftet sei. Der Verwender, der die Verpackung sodann zum
nochmaligen Studium der Gebrauchsanleitung in die Hand nehme,
könnte dadurch mit Pflanzenschutzmittel in Berührung kommen und
eventuell Hautschädigungen erleiden.
Auch die Verwendung der der Klägerin
erteilten Zulassungsnummer verstoße nicht gegen § 20 Abs. 2 Nr. 2
PflSchG. An keiner Stelle fordere das Gesetz nämlich, daß die
eigene Zulassungsnummer des Verwenders abgedruckt werden müsse.
Eine solche gebe es auch nicht. Dies werde auch in der amtlichen
Praxis der Biologischen Bundesanstalt nicht anders gesehen.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 15. Januar
1991 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
das Versäumnisurteil
aufrechtzuerhalten.
Durch Urteil vom 23. April 1991, auf
dessen Inhalt verwiesen wird, hat das Landgericht das
Versäumnisurteil bestätigt. Gegen das ihr am 10. Mai 1991
zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 3. Juni 1991
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach
entsprechender Fristverlängerung mit einem am 8. November 1991
eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft
ihr erstinstanzliches Vorbringen. Hinsichtlich der Art und Weise,
in der die Gebrauchsanleitung anzubringen ist, macht sie geltend,
eine auf die Verpackung aufgedruckte Gebrauchsanleitung werde
unleserlich, wenn die Packung durch Einreißen geöffnet werde. Dies
könne durch externes Beifügen der Gebrauchsanleitung vermieden
werden. Es biete sich daher an, die Gebrauchsanleitung in einer
wiederverschließbaren Klarsichthülle auf der Verpackung
anzubringen.
Hinsichtlich der verwendeten
Zulassungsnummer vertritt sie die Ansicht, eine Zweitzulassung sei
nicht erforderlich und auch nicht möglich. Der Beklagten fehlten
Zulassungsbedürftigkeit und Antragsberechtigung gemäß § 11 Abs. 1,
12 Abs. 1 PflSchG. Erforderlich hierfür sei nämlich das
gewerbsmäßige Inverkehrbringen des Produktes. Der Import des
Pflanzenschutzmittels berechtige deswegen nur dann zur
Zweitzulassung, wenn wiederum ein Inverkehrbringen vorliege. Dies
sei hier jedoch nicht der Fall, da dasselbe Produkt auf dem
bundesdeutschen Markt bereits in den Verkehr gebracht worden sei
und an der Identität des eingeführten mit dem zugelassenen Produkt
kein Zweifel bestehe. Dann aber sei die Beklagte gemäß § 20 Abs. 2
Nr. 2 PflSchG verpflichtet, die Zulassungsnummer des
Zulassungsinhabers auf der Verpackung anzugeben. Die Klägerin habe
auch kein Recht, die für das Mittel "Lentagran" erteilte
Zulassungsnummer ausschließ-lich zu nutzen oder Vertreiber dieses
Mittels an der Nutzung der Zulassungsnummer zu hindern. Diese diene
nämlich allein der Identifizierung des Pflanzenschutzmittels bei
der Ausführung des Gesetzes, etwa durch Kontrollen der
Länderbehörden. Damit habe sie aber nur ordnungsrechtlichen
Charakter, ohne dem Anwender ein Schutzrecht zu vermitteln.
Schließlich verstoße eine Auslegung der
§§ 11, 12 Abs. 1 PflSchG dergestalt, daß der Importeur eines im
Inland bereits in Verkehr gebrachten Produktes einer Zulassung
bedürfe, gegen Art. 30, 36 EWGV. Die Verpflichtung des Importeurs
zur Zweitzulassung eines identischen Produkts gebe nämlich aufgrund
der gesetzlichen Bestimmung dem Inhaber der Erstzulassung die
Möglichkeit, die Einfuhr nach §§ 13, 14 und 15 PflSchG zu
blockieren. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf den Inhalt des
Schriftsatzes vom 7. November 1991 ergänzend Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil der 1. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Köln vom 15. Januar 1991 - 81 0
193/90 - abzuändern und die Klage unter Aufhebung des
Versämnisurteils vom 15. Januar 1991 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ergänzt und vertieft ebenfalls ihr
erstinstanzliches Vorbringen. Hinsichtlich der Gebrauchsanleitung
macht sie insbesondere geltend, die Beklagte könne die naheliegende
Möglichkeit nicht ausschlie-ßen, daß der einmal aus der
Klarsichthülle entnommene Zettel beiseite gelegt werde und damit
verlorengehe. Daß ein Gebinde mit einem Pflanzenschutzmittel in
der hier in Rede stehenden Art zunächst lediglich angebrochen und
nach einiger Zeit wieder benutzt werde, entspreche allgemeiner
Erfahrung. Bei Weiterbenutzung befinde sich dann aber der
deutschsprachige "Beipackzettel" nicht mehr in der
Klarsichthülle.
Die Verwendung der Zulassungsnummer
03231-60 stelle eine nach § 1 UWG unzulässige Leistungsübernahme
dar und führe im Sinne des § 3 UWG in die Irre.
Soweit die Beklagte die
Zulassungsnummer dahin interpretiere, diese habe lediglich
ordnungsrechtlichen Charakter, übersehe sie, daß zusätzlich
gewerbliche und kommerzielle Eigentumsrechte des jeweiligen
Inhabers einer Zulassungsnummer gefährdet seien, wenn bei Eintreten
von Schäden durch parallel importierte Pflanzenschutzmittel der
jeweilige Zulassungsinhaber riskieren müßte, zur Verantwortung
gezogen zu werden. Óberdies vermittele die Benutzung der
Zulassungsnummer der Klägerin für das von der Beklagten in den
bundesdeutschen Verkehr gebrachte Pflanzenschutzmittel den
irreführenden Eindruck, die Klägerin habe es in den Verkehr
gebracht oder zwischen den Parteien bestünden unternehmerische
Beziehungen bzw. die Klägerin habe die Beklagte entsprechend
autorisiert.
Die Durchsetzung des Klagebegehrens
verstoße schon deswegen nicht gegen Art. 30 EWGV, weil Art. 36 EWGV
Handelsbeschränkungen zulasse, die dem Schutz des gewerblichen und
kommerziellen Eigentums dienten oder zum Schutze der Gesundheit
und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen gerechtfertigt
seien. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der
Klägerin wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 19. Dezember
1991 ergänzend Bezug genommen.
Die Akten des Verfahrens 6 U 140/90,
OLG Köln, haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d
Die Berufung ist zulässig, sie hat aber
in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat sein
Versäumnisurteil vom 15. Januar 1991, durch das die Beklagte
antragsgemäß verurteilt worden ist, durch das angefochtene Urteil
zu Recht bestätigt. Die Klägerin kann von der Beklagten verlangen,
daß diese es unterläßt, das für den Vertrieb in den Niederlanden
hergestellte Pflanzenschutzmittel "Lentagran" in der
Bundesrepublik Deutschland in Verpackungen anzubieten oder zu
vertreiben, auf denen die deutsche Gebrauchsanleitung in einer
Weise angebracht ist, wie es sich aus den im Tatbestand
wiedergegebenen Abbildungen und der Verpackung in Hülle Bl. 8 der
Beiakten 6 U 140/90, OLG Köln, ergibt und/oder auf denen die der
Klägerin zugeteilte Zulassungsnummer angegeben ist. Der Anspruch
ergibt sich aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines Verstosses
gegen Bestimmungen des Pflanzenschutzgesetzes, die der
Volksgesundheit dienen.
Wie der Senat bereits im Urteil vom 2.
November 1990 im einzelnen ausgeführt hat, verstößt die
Gebrauchsanleitung in der Form, in der sie von der Beklagten der
Verpackung beigefügt wird, gegen § 20 Abs. 2 Nr. 6 PflSchG. Danach
dürfen Pflanzenschutzmittel vom Hersteller, Vertriebsunternehmer
oder Einführer gewerbsmäßig oder im Rahmen sonstiger
wirtschaftlicher Unternehmungen nur in den Verkehr gebracht werden,
wenn auf den Behältnissen und abgabefähigen Packungen in deutscher
Sprache und in deutlich sichtbarer, leicht lesbarer Schrift
unverwischbar die Gebrauchsanleitung angegeben ist.
Unstreitig führt die Beklagte das
Pflanzenschutzmittel "Lentagran" in den Geltungsbereich des
Pflanzenschutzgesetzes ein und vertreibt es gewerbsmäßig. Die Art
und Weise, in der sie die Gebrauchsanleitung zur Kenntnis bringt,
steht weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck der
Bestimmung in Einklang. Schon das Erfordernis, daß die
Gebrauchsanleitung "auf" dem Behältnis bzw. "auf" der Verpackung
anzugeben ist, spricht gegen die Annahme, daß ein Beifügen auf
gesondertem und nicht - mit der vollen Fläche - fest mit dem
Behältnis verbundenem Papier zulässig ist. Daß die in § 20 Abs. 2
PflSchG aufgeführten Angaben in vollem Umfang fest auf dem
Behältnis selbst angebracht sein müssen, ist aber vor allem dem
Erfordernis zu entnehmen, daß die Angaben "unverwischbar" sein
müssen. Die Gefahr, daß die Schrift verwischt werden könnte, ergibt
sich gerade aus dem Umstand, daß sie außen auf der Verpackung
angebracht werden muß und deswegen äußeren Einflüssen ausgesetzt
ist. Ihr wird durch das Erfordernis der Unverwischbarkeit
begegnet.
Für die Annahme, daß ein Beifügen der
Gebrauchsanleitung in der von der Beklagten gewählten Form -
Einlegen eines gesonderten Papiers in ein fest mit der Packung
verbundenes Behältnis - unzulässig ist, spricht nicht zuletzt der
Sinn des Gesetzes. Diesen hat das Landgericht zutreffend darin
gesehen, daß die Gebrauchsanleitung bis zum endgültigen
Aufbrauchen des Mittels sichtbar und verfügbar gehalten werden
soll. Es besteht nämlich stets die Möglichkeit, daß ein Teil der
Packung erst später - eventuell sogar durch einen anderen Benutzer
- aufgebraucht wird. Dies kann angesichts des giftigen Inhalts ein
erneutes Lesen der Anweisung erforderlich machen. Daß dies möglich
ist, ist nur gewährleistet, wenn sich die Anleitung unmittelbar auf
der Verpackung und nicht in einem an dieser befestigten Behältnis
befindet. Die Gefahr, daß eine lose eingelegte Anweisung
verlorengehen kann, liegt auf der Hand. Ihr wollte der Gesetzgeber
ersichtlich entgegenwirken.
Demgegenüber vermag die Argumentation
der Beklagten nicht zu überzeugen. Daß die Klarsichthülle, in der
sich die Gebrauchsanleitung befindet, ihrerseits "fest und
dauerhaft" auf der Verpackung angebracht ist, ändert nichts an dem
Umstand, daß die Anleitung selbst lediglich lose in die Hülle
eingeschoben ist. Auch die früher geäußerte Ansicht der Beklagten,
daß der "fachkundige Verwender" schon zurecht kommen, einen
Beipackzettel nicht verlieren oder sich gegebenenfalls einen neuen
beschaffen werde, überzeugt nicht. Vielmehr dürfte die Annahme
näher liegen, daß der Anwender das Pflanzenschutzmittel bei
Verlust der Gebrauchsanleitung gegebenenfalls ohne deren erneute
Lektüre benutzen wird. Der von der Beklagten hervorgehobenen
Gefahr, daß eine unmittelbar aufgedruckte oder aufgeklebte
Gebrauchsanleitung durch Verschmutzung oder Kontaminierung
unleserlich werden könnte, will das Gesetz gerade dadurch
entgegenwirken, daß es die unverwischbare Angabe auf der Packung
fordert.
Soweit die Beklagte in diesem
Zusammenhang darauf hingewiesen hat, daß ein unmittelbares
Aufbringen der gesamten Gebrauchsanleitung auf der Verpackung bei
besonders kleinen Gebinden nicht möglich sei, vermag dies nicht zu
überzeugen. Für derartige Fälle sieht das Gesetz vielmehr in § 20
Abs. 4 Nr. 1 PflSchG die Schaffung von Ausnahmemöglichkeiten durch
den Verordnungsgeber vor, bei denen insbesondere an Kleinpackungen
gedacht worden ist (vgl. Lorz, Pflanzenschutzrecht, Anm. 2 d aa zu
§ 20 PflSchG).
Schließlich rechtfertigt auch der
Hinweis der Beklagten auf die Óblichkeit von Beipackzetteln im
Arzneimittelbereich keine abweichende Beurteilung. Dies ergibt
sich aus den Regelungen des Arzneimittelgesetzes. § 10 Abs. 1 AMG
schreibt vor, daß Fertigarzneimittel ... nur in den Verkehr
gebracht werden dürfen, wenn auf den Behältnissen und, soweit
verwendet, auf den äußeren Umhüllungen u. a. die "Art der
Anwendung" angegeben ist. Damit ist gemeint, daß sich die Angaben
auf der Außenseite der Behältnisse befinden müssen. Hierfür reicht
gerade nicht aus, daß die verlangten Angaben ganz oder teilweise
lediglich auf Packungsbeilagen erscheinen (Kloesel/Cyran, Anm. 2
zu § 10 AMG). Letzteres ergibt sich unter anderem daraus, daß § 11
AMG zusätzlich zu den Angaben auf den Behältnissen eine
Packungsbeilage mit bestimmten Angaben fordert. Dem Erfordernis
von Angaben "auf den Behältnissen" kann dann aber nicht durch die
ohnehin geforderte Packungsbeilage genügt werden. Die jetzige
Fassung des Arzneimittelgesetzes ist in den Jahren 1976 bis 1988
entstanden; das Pflanzenschutzgesetz stammt aus dem Jahre 1988.
Deswegen liegt es nahe, die Worte "auf den Behältnissen" in
demselben, nämlich dem obengenannten Sinne zu verstehen. Die
Heranziehung des Arzneimittelgesetzes spricht deswegen gerade
gegen eine Auslegung, wie sie die Beklagte vornimmt.
Soweit die Klägerin wegen der nach
ihrer Ansicht den gesetzlichen Anforderungen nicht genügenden
Gebrauchsanleitung gegen die Beklagte vorgeht, bestehen auch keine
Bedenken im Hinblick auf Art. 30 EWGV. Insoweit liegt bereits keine
mengenmäßige Einfuhrbeschränkung oder "Maßnahme gleicher Wirkung"
im Sinne dieser Bestimmung vor. Daß die Beklagte das giftige
Produkt nicht mit niederländischer Gebrauchsanleitung in
Deutschland in den Verkehr bringen darf, steht außer Frage. Sie
muß also ohnehin die für die Niederlande bestimmte Ausstattung in
diesem Punkt verändern. Wenn sie dabei einen anderen Weg
beschreiten muß als den bisher gewählten, hat dies nicht die
Wirkung einer mengenmä-ßigen Einfuhrbeschränkung. Óberdies greift
Art. 36 EWGV ein, nach dem die Bestimmungen der Art. 30 bis 34 EWGV
Einfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegenstehen, die u.
a. zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren
oder Pflanzen gerechtfertigt sind. Daß § 20 Abs. 2 Nr. 6 PflSchG
jedenfalls dem Schutze der Gesundheit von Menschen dient, kann
nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden.
Auch die Verwendung der der Klägerin
erteilten Zulassungsnummer durch die Beklagte steht mit dem
Pflanzenschutzgesetz nicht in Einklang. Pflanzenschutzmittel
dürfen nämlich nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 PflSchG nur in Verkehr
gebracht werden, wenn auf den Behältnissen und Packungen die
Zulassungsnummer angegeben ist. Hierunter ist die Nummer zu
verstehen, die dem jeweiligen Produzenten, Einführer oder
Vertreiber von der Biologischen Bundesanstalt als Zulassungsbehörde
erteilt worden ist. Zwar mag, wie die Beklagte hervorhebt, die
Zulassungsnummer für ein bestimmtes Mittel vergeben werden, das die
Zulassungsvoraussetzungen erfüllt. Die Zulassung wird jedoch, wie
§ 15 Abs. 1 PflSchG ausdrücklich sagt, "dem - jeweiligen -
Antragsteller" erteilt.
Auch wenn, wie die Beklagte in der
Berufungsverhandlung ausgeführt hat, ein begünstigender
Verwaltungsakt für die Zulassungsverfügung der Biologischen
Bundesanstalt nach den Grundsätzen des allgemeinen
Verwaltungsrechts einen Adressaten haben muß, spricht gleichwohl
die Nennung des Antragstellers in § 15 Abs. 1 PflSchG als
desjenigen, dem die Zulassung zu erteilen ist, für die Annahme, daß
die Zulassung des Mittels personenbezogen für den jeweiligen
Antragsteller erteilt wird. Der von der Beklagten angeführte
Grundsatz ergibt sich ohne weiteres aus den Regeln des allgemeinen
Verwaltungsrechts. Wenn das Pflanzenschutzgesetz gleichwohl
besonders anordnet, die Zulassung sei "dem Antragsteller" zu
erteilen, so liegt hierin ein deutlicher Hinweis darauf, daß die
Zulassung nicht ausschließlich produktbezogen, sondern ebenso
personenbezogen für den jeweiligen Antragsteller erteilt wird.
Für die Annahme, daß die Beklagte als
Einfuhrunternehmen einer eigenen Zulassung und damit der
Erteilung einer eigenen Zulassungsnummer durch die Biologische
Bundesanstalt bedarf, spricht neben den im Senatsurteil vom 2.
November 1990 bereits angeführten Gesichtspunkten im Ergebnis
überdies folgendes:
Soweit ein für die Bundesrepublik
Deutschland zugelassenes und ein einzuführendes Produkt nicht
identisch, sondern nur ähnlich oder vergleichbar sind, bedarf es
unzweifelhaft einer Zulassung durch die Biologische Bundesanstalt.
Bei einem Importprodukt stellt sich aber stets die Frage nach der
Identität mit dem in Deutschland zugelassenen Erzeugnis, für die
die bloße Namensgleichheit nicht ausreichen kann. Bedürfte es
insoweit nicht der Einschaltung der Biologischen Bundesanstalt, so
läge die Entscheidung über die Identität der Produkte bei einem
Parallelimport praktisch in der Hand des Einführers. Ein solches
Ergebnis - keinerlei Anzeige oder Zulassungsantrag durch den
Einführer bei einem Produkt, sofern es mit einem bereits
zugelassenen Pflanzenschutzmittel vom Einführer als identisch
bezeichnet wird - wäre im Zusammenhang mit den hier in Rede
stehenden giftigen Stoffen untragbar.
Dem kann die Beklagte auch nicht mit
Erfolg entgegenhalten, in dem im Hinblick auf mögliche Gefährdungen
der menschlichen Gesundheit wesentlich sensibleren Bereich des
Arzneimittelrechts bedürfe es bei dem Parallelimport eines
Präparates keiner Zulassung für den Importeur, da die Zulassung
produkt- und nicht personenbezogen erteilt werde. Dies zeige, so
hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
ausgeführt, daß es auch im Pflanzenschutzrecht im Ergebnis keiner
Zulassung für den Einführer bedürfe, wenn ein für einen
Erstanmelder bereits zugelassenes Pflanzenschutzmittel in die
Bundesrepublik Deutschland importiert werde.
Damit verkennt sie jedoch, daß im
arzneimittelrechtlichen Schrifttum überwiegend davon ausgegangen
wird, die Zulassung eines Arzneimittels nach § 25 AMG werde
"personenbezogen dem Antragsteller und nur ihm" (Kloesel-Cyran,
Anm. 5 zu § 25 AMG, m.w.N.) erteilt. Ein "Anhängen" an die
Zulassung eines Präparates gleicher Zusammensetzung ist danach
nicht möglich. Soweit in diesem Zusammenhang produktbezogene
Aspekte darin gesehen werden, daß Arzneimittel nach ihrer Zulassung
zusätzlich auch von anderen Unternehmen als eigenes Erzeugnis in
den Verkehr gebracht werden könnten, wird jedenfalls eine Anzeige
nach § 29 Abs. 1 AMG für erforderlich gehalten (vgl.
Kloesel-Cyran, a.a.0.). Ohne daß es einer Abgrenzung von
Zulassungs- und Anzeigepflicht im einzelnen bedarf, ist damit im
Arzneimittelrecht jedenfalls sichergestellt, daß jegliches
Inverkehrbringen eines Präparates unabdingbar die vorherige
Einschaltung der Zulassungsbehörde durch den Vertreiber
voraussetzt. Die Rechtslage im Arzneimittelrecht steht mithin der
Annahme, daß die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln
personenbezogen für den Antragsteller erfolgt und es deswegen bei
einem Parallelimport (auch) einer Zulassung für den Einführenden
bedarf nicht entgegen, sondern spricht vielmehr für deren
Richtigkeit.
Die Beklagte meint, sie könne nicht auf
den Weg der Zweitzulassung verwiesen werden, da
Zulassungsbedürftigkeit und Antragsberechtigung gemäß §§ 11, Abs.
1, 12 Abs. 1 PflSchG fehlten. Wesentliches Merkmal der
Antragsberechtigung sei das gewerbsmäßige Inverkehrbringen eines
Produkts. Deswegen berechtige der Import des Produktes nur dann zur
Zweitzulassung, wenn ein erneutes Inverkehrbringen vorliege. Dieser
Argumentation vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach § 12
Abs. 1 Nr. 3 PflSchG kann nämlich der Einführer die Zulassung
beantragen. Unter Einfuhr im Sinne des Pflanzenschutzgesetzes ist
aber jedes Verbringen in oder durch den Geltungsbereich des
Gesetzes zu verstehen (vgl. Lorz a.a.0., Anm. 13 zu § 2 PflSchG).
Mehr setzt § 12 Abs. 1 PflSchG in der Fallgestaltung der Nr. 3
("Einführer") nicht voraus. Aus welchem Grunde es an der
Antragsberechtigung fehlen sollte, ist deswegen nicht zu
erkennen.
Nach § 12 Abs. 1 Nr 1 PflSchG kann
Antragsteller für die Zulassung der Hersteller, der
Vertriebsunternehmer oder der Einführer sein. Im vorliegenden
Falle haben lediglich die deutsche Produzentin und die Klägerin
einen Zulassungsantrag gestellt und die Zulassung erhalten, die
Beklagte jedoch nicht. Der Produzentin ist daraufhin unstreitig die
Zulassungsnummer 03231, der Klägerin die Nummer 03231-60 erteilt
worden. Ein weiteres Vertriebsunternehmen bzw. ein Einführer müßte
erneut einen Antrag stellen und erhielte dann ebenfalls eine -
abweichende - Zulassungsnummer. Wie dem Senat aus anderen
Verfahren bekannt ist, verfährt die Biologische Bundesanstalt in
der Praxis so, daß Vertreiber und Einführer Zulassungsnummern
erhalten, denen die Zahl 60 bzw. 61, 62 usw. angehängt ist. Dieser
Verfahrensweise entspricht die Zuteilung der Nummern auch im
vorliegenden Fall. Ein weiteres Vertriebsunternehmen oder ein
Einführer erhielte nunmehr gegebenenfalls die Nummern 03231-61 oder
-62. Auf diese Weise wird entsprechend dem Zweck der gesetzlichen
Regelung sichergestellt, daß bei Óberprüfungen durch die
zuständigen Behörden nicht nur der Produzent, sondern
gegebenenfalls sogleich auch der jeweilige Verteiler bzw. Einführer
und die Charge, aus denen die überprüften Bestände herrühren,
jederzeit festgestellt werden können.
In dem Vertrieb des
Pflanzenschutzmittels in einer Ausstattung, die § 20 PflSchG
zuwiderläuft, liegt zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG. Nach § 1
Abs. 1 Nr. 4 PflSchG dienen die Regelungen des
Pflanzenschutzgesetzes über das Zulassungsverfahren und das
Vertreiben von Pflanzenschutzmitteln der Volksgesundheit. Normen
zum Schutz der Volksgesundheit sind nicht wettbewerbsneutral; ihre
Einhaltung entspricht vielmehr einer sittlichen Pflicht, so daß
ein Verstoß gegen diese Vorschriften stets wettbewerbswidrig ist
(vgl. Senat in 6 U 68/83, veröffentlichtin WRP 1984, 164 166
m.w.N.).
Die Auslegung des
Pflanzenschutzgesetzes durch den Senat und die Anwendung des so
ausgelegten Gesetzes im Rahmen des § 1 UWG verstoßen nicht gegen
die Vorschriften des Artikel 30 EWGV. Danach sind mengenmäßige
Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maß-nahmen gleicher Wirkung
zwischen Mitgliedsstaaten verboten. In einem Fall wie dem hier zu
entscheidenden gilt jedoch Artikel 36 EWGV, wonach die
Bestimmungen der Artikel 30 - 34 Einfuhrverboten oder
-beschränkungen nicht entgegenstehen, die u. a. zum Schutze der
Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen
gerechtfertigt sind. Wie bereits ausgeführt, dient § 20 PflSchG
insgesamt dem Schutz der Volksgesundheit. Für das Gebot des § 20
Abs. 2 Nr. 6 PflSchG, die Gebrauchsanleitung in bestimmter Weise
auf der Verpackung anzubringen, wird dies von der Antragsgegnerin
offensichtlich auch nicht in Zweifel gezogen. Nichts anderes gilt
aber für Pflicht zur Kennzeichnung mit der Zulassungsnummer nach §
20 Abs. 2 Nr. 2 PflSchG. Wenn durch die Verpflichtung des
Vertreibers, die - eigene - Zulassungsnummer anzugeben,
sichergestellt werden soll, daß bei behördlichen Óberprü-fungen
festgestellt werden kann, welcher Charge das hochgiftige Mittel
jeweils entstammt, so dient dies ausschließlich dem Schutze der
öffentlichen Gesundheit und erscheint insoweit auch angemessen und
geboten. Eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den
EG-Mitgliedsstaaten ist hierin nicht zu sehen. Eine ganz andere -
von der Kennzeichnung der Ausstattung zu unterscheidende - Frage
ist die nach den Voraussetzungen der Zulassung eines Mittels für
einen oder mehrere weitere Antragsteller und das hierauf
gerichtete Verfahren, wie es in § 13 PflSchG geregelt ist. In der
Tat hat es der Europäische Gerichtshof für denkbar gehalten, daß in
den Zulassungsmodalitäten eine verschleierte Beschränkung des
Handels liegen könne (EuGH NJW 1982, 1217). Auch die von der
Beklagten zitierte Entscheidung (EuGH, Amtliche Sammlung 1976, 613
ff.) befaßt sich mit der Frage, ob und inwieweit die nationalen
(Gesundheits-)Behörden von einem Händler für die Zulassung eines
bereits zugelassenen Arzneimittels zur Einfuhr pharmazeutische
Angaben verlangen können, die ihnen bereits aufgrund der früheren
Zulassung vorliegen. Derartige Fragen des Zulassungsverfahrens und
der dort gestellten Erfordernisse sind jedoch nicht Gegenstand des
hier zu entscheidenden Rechtsstreits. Der Senat hat vielmehr
ausschließlich darüber zu befinden, ob der von der Antragsgegnerin
durchgeführte Vertrieb des Pflanzenschutzmittels bestimmten
pflanzenschutzrechtlichen Erfordernissen hinsichtlich der
Ausstattung bzw. der Kennzeichnung entspricht. Die insoweit im
Gesetz festgelegten Anforderungen dienen ausschließlich dem
Gesundheitsschutz und haben keine darüber hinausgehenden
Handelsbeschränkungen zum Gegenstand.
Für die von der Beklagten in diesem
Zusammenhang angeregte Vorabklärung durch den Europäischen
Gerichtshof bestand keine Veranlassung. Der Senat hat sich über
die Auslegung der einschlägigen Vorschriften des EWG-Vertrages
durch den Europäischen Gerichtshof aufgrund der bereits
vorliegenden Urteile eine hinreichend sichere Óberzeugung
verschaffen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die nach § 546 Abs. 2 ZPO
festzusetzende Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert ihres
Unterliegens im Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 21.02.1992
Az: 6 U 99/91
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https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d6417a48b608/OLG-Koeln_Urteil_vom_21-Februar-1992_Az_6-U-99-91