Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. September 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 223/00

(BPatG: Beschluss v. 26.09.2001, Az.: 30 W (pat) 223/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Tolcedinist am 2. Oktober 1996 unter der Rollennummer 396 32 279 für

"Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke"

in das Markenregister eingetragen worden.

Widerspruch erhoben hat unter anderem die Inhaberin der rangälteren, seit 14. November 1986 für

"Produits veterinaires"

geschützten IR-Marke 506 236 TOLFEDINE.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit zwei Beschlüssen, davon einer im Erinnerungsverfahren ergangen, dem Widerspruch stattgegeben und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung ist ausgeführt, bei Annahme engster Warenähnlichkeit der jeweiligen von den Marken erfassten Waren seien an den Markenabstand hohe Anforderungen zu stellen, denen das jüngere Zeichen nicht genüge. Der Silbengliederung nach handle es sich bei beiden Zeichen, ausgehend von einem "Verschlucken" des endständigen "e" der Widerspruchsmarke um dreisilbige Worte mit identischen Anfangs- und Endsilben, die sich lediglich in einem Konsonanten in der unbetonten Wortmitte unterschieden. Damit sei eine Verwechslungsgefahr nicht wirksam zu verhindern.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, ein ausreichender Markenabstand sei dadurch gewährleistet, dass die angegriffene Marke in der klangstarken Mittelsilbe deutlich anders ausgesprochen werde und die Widerspruchsmarke zudem auf den Vokal "e" ende, der im Sprachgebrauch nicht zwangsläufig vernachlässigt werde. Infolgedessen sei allenfalls hinsichtlich der Wortanfänge eine Übereinstimmung festzustellen, die aber nicht zur Annahme einer relevanten Verwechslungsgefahr ausreiche.

Die Anmelderin beantragt (sinngemäß), die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten und die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. In Übereinstimmung mit der Auffassung der Markenstelle besteht Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr, vgl zB EuGH MarkenR 1999, 20 - CANON; BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA; MarkenR 2001, 204 - REVIAN/EVIAN).

Der Senat geht in Ermangelung anderer Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus.

Nach der maßgeblichen Registerlage liegen die von den jeweiligen Marken erfassten Waren jedenfalls im engen Ähnlichkeitsbereich (vgl BPatG 25 W (pat) 150/95 - CEFOVET/CEFASEPT, PAVIS PROMA - Knoll), da zum einen nach der Legaldefinition des § 2 Abs 1 AMG unter den Begriff "Arzneimittel" sowohl Human- als auch Tierarzneimittel fallen und zum anderen zwischen den Diätetika der angemeldeten Marke und den veterinärmedizinischen Erzeugnissen der Widerspruchsmarke eine enge Ähnlichkeit aufgrund der Gemeinsamkeiten bei Herstellung, Verwendung und Vertrieb anzunehmen ist (vgl Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 11. Aufl, S 263, m Sp). Das Warenverzeichnis der angemeldeten Marke enthält keine Einschränkung auf Humanarzneimittel. Da eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist, sind für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr uneingeschränkt die allgemeinen Verkehrskreise zu berücksichtigen.

Danach kann hier eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht ausgeschlossen werden, da die Unterschiede der gegenüberstehenden Zeichen - mit Ausnahme des Schlussvokals "e" der Widerspruchsmarke - nur in der regelmäßig weniger beachteten Wortmitte und dort nur in dem Unterschied der Konsonanten "-c-" einerseits und "-f-" andererseits liegen, was weder in klanglicher noch schriftbildlicher Hinsicht geeignet ist, einer Verwechslung zu begegnen. Dies umso mehr, als die besonders beachteten Wortanfänge (vgl BGH GRUR 1998, 924 - salvent/Salventerol) identisch sind.

Klanglich unterscheiden sich die Markenwörter bei schneller oder undeutlicher Aussprache und bei Weglassen des Schlussvokals der Widerspruchsmarke, wovon insbesondere bei Aussprache nach "französischen" Regeln, die hier im Hinblick auf die in Frankreich ansässige Widersprechende mit zu berücksichtigen ist, auszugehen ist (vgl Duden, Aussprachewörterbuch, 3. Aufl S 72), nicht ausreichend. Beide Bezeichnungen weisen dann dieselbe Silbenzahl und einen gleichen Sprechrhythmus auf, wobei auch bei der angegriffenen Bezeichnung die Silbe "-din" lang gesprochen wird.

Wenn darüber hinaus berücksichtigt wird, dass dem Verkehr die beiden Marken regelmäßig nicht gleichzeitig vorliegen und die Auffassung einer Marke grundsätzlich aufgrund eines meist undeutlichen Erinnerungsbildes gewonnen wird (vgl BGH GRUR 2000, 506 ATTACHÉ/TISSERAND), ist hier eine Verwechslungsgefahr anzunehmen, da es sich bei beiden Zeichen um Phantasiebezeichnungen handelt, die keine Bedeutungsanklänge durchscheinen lassen, was die Verwechslungsgefahr mindern könnte.

Zu einer Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Dr. Buchetmann Schwarz-Angele Voit






BPatG:
Beschluss v. 26.09.2001
Az: 30 W (pat) 223/00


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