Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Beschluss vom 6. Juni 2007
Aktenzeichen: OVG 11 N 2.07

(OVG Berlin-Brandenburg: Beschluss v. 06.06.2007, Az.: OVG 11 N 2.07)

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. November 2002 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Beklagte.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 50.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Durch Bescheid vom 23. Mai 2001 beanstandete die Beklagte gegenüber der Klägerin, einem privaten Fernsehunternehmen, den Beitrag €Die Heimwerker € Deutsche im Dübelwahn€ aus der ProSieben-Reportage vom 15. August 2000 wegen unzulässiger Schleichwerbung und gab ihr auf, die Vereinbarung zur Produktion und zum Erwerb der Rechte für die Ausstrahlung des Beitrags vorzulegen. Der Beitrag präsentiere trotz einer vielfältigen Baumarktlandschaft fast ausschließlich einen Baumarkt als verlässlichen Partner in Fragen des Heimwerkens und rücke dessen Firmenlogo weit über das Übliche und dramaturgisch Notwendige hinaus ins Bild. Nachdem die Klägerin diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgericht angefochten hatte, haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des Vorlagebegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid durch Urteil vom 14. November 2002 mit der Begründung aufgehoben, dass der beanstandete Beitrag keine Schleichwerbung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 6 des 4. RStV enthalte, weil eine Werbeabsicht nicht festzustellen sei. Diese sei nicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 des 4. RStV gesetzlich fingiert, weil die Leistung eines Entgelts oder die Erbringung einer ähnlichen Gegenleistung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sei. Auch lasse sich anhand der sonstigen in Rechtsprechung und Literatur hierzu entwickelten Indizien nicht zwingend auf eine Werbeabsicht rückschließen. Die beispielhafte Darstellung eines Baumarkts im Kontext einer Sendung über Heimwerker sei nicht themenwidrig. Die spezifische Form dieser Darstellung gehe zwar bis an die Grenze beanstandungsfähiger Schleichwerbung, indes nicht darüber hinaus. Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag ist nicht begründet, denn die von der Beklagten geltend gemachten Berufungszulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, und 3 VwGO liegen nicht vor. Dabei beschränkt sich die Prüfung des Senats grundsätzlich auf die fristgerechte Antragsbegründung im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Späterer Vortrag ist nur insoweit zu berücksichtigen, als er fristgerecht angeführte Gründe erläutert und vertieft, während die Geltendmachung neuer Aspekte außer Betracht zu bleiben hat. Hiernach ist es nicht gerechtfertigt, die Berufung zuzulassen.

1. Die Beklagte hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufgezeigt (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Derartige Zweifel bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163 f.) und nicht nur die Begründung der angefochtenen Entscheidung oder nur einzelne Elemente dieser Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004; Buchholz 310 § 124 Nr. 33; Senatsbeschluss vom 12. Juli 2006 - OVG 11 N 65.05 -, n. v.).

Hiervon ausgehend rechtfertigen die Einwände der Beklagten keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

a) Das gilt zum einen für deren Einwand, das Verwaltungsgericht lege einen zu engen Maßstab an das Vorliegen von Schleichwerbung an, wenn es meine, es müsse sich anhand der in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Indizien €zwingend€ auf eine Werbeabsicht rückschließen lassen. § 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 1 RStV in der Fassung des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrages (GVBl. 2000, 257), den das Verwaltungsgericht von der Beklagten unbeanstandet als maßgebend angesehen hat, definiert Schleichwerbung als die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 RStV insbesondere dann als zu Werbezwecken beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt. Damit ist die Werbeabsicht gesetzliches Tatbestandsmerkmal und muss im Einzelfall positiv festgestellt werden, soll der hier angefochtene Eingriffsakt der Beanstandung auf eine gesetzliche Grundlage zurückgeführt werden (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 15. Dezember 1998, - 10 L 5935/96 -, €Barbie€, ZUM 1999, 347 sowie bei Juris, dort Rdnr. 10, m.w.N.). Da das Verwaltungsgericht eine Gegenleistung und damit das Eingreifen der Fiktion des § 2 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 RStV verneint hat, was auch die Beklagte nicht angreift, und weil es sich bei der Absicht um eine innere Tatsache handelt, muss auf deren Vorliegen in der Regel aus Indizien geschlossen werden. Dieser Schluss muss indes derart eindeutig sein, dass er dem Gericht die Überzeugung verschafft, dass das gesetzliche Tatbestandsmerkmal erfüllt ist. In diesem Sinne sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu verstehen, Schleichwerbung liege nicht vor, weil die einschlägigen Indizien nicht €zwingend€ auf eine Werbeabsicht rückschließen ließen. Im Übrigen hat sich das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Frage, welche Indizien maßgebend sind, auf die Rechtsprechung bezogen, die auch die Beklagte für sich in Anspruch nimmt.

Ob die festgestellten Indizien es rechtfertigen, davon auszugehen, dass die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen etc. absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist, ist unter Wahrung der verfassungsrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit (Art. 5 I 2 GG) jeweils einzelfallbezogen zu entscheiden (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 15. Dezember 1998, - 3927/69 -, €ADAC€, NJW 2000, 96). Dementsprechend gehen auch die Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das Sponsoring im Fernsehen - Fernseh-Werberichtlinien - davon aus, dass das Darstellen von gewerblichen Waren oder deren Herstellern, von Dienstleistungen oder deren Anbietern außerhalb von Werbesendungen keine Schleichwerbung sei, wenn es aus überwiegend programmlich-dramaturgischen Gründen sowie zur Wahrnehmung von Informationspflichten erfolge (Nr. 9 Abs. 1 Satz 1). Weiterhin sei die Frage, ob die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen im Programm vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen sei und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen könne, im Einzelfall an Hand von Indizien (z.B. Intensität der Darstellung, Alleinstellungsindiz) festzustellen (Nr. 9 Abs. 1 Satz 3). Zwar ist nach Nr. 9 Abs. 2 der Fernseh-Werberichtlinien auch bei zulässiger Darstellung von Produkten und Dienstleistungen nach Möglichkeit die Förderung werblicher Interessen durch die redaktionelle Gestaltung zu vermeiden. Die Systematik dieser Regelungen, die im Übrigen lediglich als Auslegungshilfen und Ansätze für eine Selbstbindung der Landesmedienanstalten dienen (vgl. OVG Lüneburg €Barbie€, a.a.O.), und die Formulierung €nach Möglichkeit€ zeigen jedoch, dass die Würdigung der für und gegen eine Werbeabsicht sprechenden Indizien nicht zu einer unzulässigen Einengung des durch die Rundfunkfreiheit geschützten redaktionellen Gestaltungsspielraums des Programmveranstalters führen darf. Entscheidend ist daher nicht, ob ein die (beanstandete) Darstellung vermeidendes alternatives redaktionelles Konzept denkbar gewesen wäre, sondern, ob das gewählte redaktionelle Konzept die Darstellung rechtfertigen kann.

Dem steht auch die wettbewerbsrechtliche Zivilrechtsprechung nicht entgegen, nach der es der Feststellung konkreter Umstände bedürfe, dass neben der Wahrnehmung der publizistischen Aufgabe die Absicht, fremden Wettbewerb zu fördern, eine größere als nur notwendigerweise begleitende Rolle gespielt habe. In der Regel sei diese Absicht dann mehr als eine mit der journalistischen Berichterstattung einhergehende Begleiterscheinung und falle wettbewerbsrechtlich ins Gewicht, wenn in redaktionellen Beiträgen Produkte oder Dienstleistungen namentlich genannt und angepriesen würden. Jedoch sei auch in solchen Fällen nicht ausgeschlossen, dass unter Berücksichtigung des Informationsgebots der Medien und unter Würdigung von Aufmachung und Inhalt der redaktionellen Beiträge einer Wettbewerbsförderungsabsicht eine nur untergeordnete Bedeutung zukomme (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 1998, - I ZR 120/95 -, €AZUBI ´94€, NJW-RR 1998, 831; BGH, Urteil vom 30. April 1997, - I ZR 196/94 -, €Die Besten I€, NJW 1997, 2679; KG, Beschluss vom 29. Juli 2005, - 5 W 85/05 -, ZUM 2005, 746).

Entgegen der Auffassung der Beklagten lassen auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach die Form der Darstellung des angeblich beworbenen Baumarktes €nicht derart ins Superlative gesteigert€ sei, dass sie nicht mehr durch sachlich notwendige Gründe zu erklären wäre, nicht auf einen unzutreffenden Bewertungsmaßstab schließen. Vielmehr nimmt das Verwaltungsgericht hiermit offenbar auf die wortgleiche Formulierung im Urteil des OVG Lüneburg Bezug, das einen derartigen Fall angenommen und hinsichtlich dieses Kriteriums auf Rechtsprechung des BGH verwiesen hat (€Barbie€ a.a.O., bei Juris Rdnr. 16).

b) Ernstliche Richtigkeitszweifel zeigt die Beklagte auch nicht hinsichtlich der konkreten Einzelfallbewertung des Verwaltungsgerichts auf, das zu dem Ergebnis gelangt ist, die spezifische Form der € grundsätzlich notwendigen - Darstellung reiche zwar an die Grenze beanstandungsfähiger Schleichwerbung heran, überschreite sie aber nicht. Die Beklagte beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die bereits vom Verwaltungsgericht gewürdigten Indizien im Ergebnis anders als dieses zu gewichten, zeigt aber nicht auf, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Würdigung rechtlich fehlerhaft vorgegangen wäre. Soweit sie ihre abweichende Wertung im Schriftsatz vom 15. August 2003 auf konkrete, nicht bereits ausdrücklich vom Verwaltungsgericht gewürdigte Textzitate aus dem beanstandeten Beitrag stützt, handelt es sich um den nach Ablauf der Begründungsfrist eingereichten und hier außer Betracht zu lassenden Vortrag neuer Aspekte. Im Übrigen ist den zitierten Kommentaren, wie z.B. €Marktführer €, größte €-Filiale in Norddeutschland, Service wird hier großgeschrieben, der Kunde findet hier alles, was er begehrt€, und selbst dem Kommentar €Einkaufsparadies für Hobby-Handwerker€ ein sich in die Thematik des Beitrags einpassender objektiver Informationswert nicht abzusprechen, der nicht notwendig als Anpreisung gemeint sein muss, sondern ebenso lediglich den Zweck haben kann, die thematisierte Zeiterscheinung €Heimwerken€ dort zu zeigen, wo ihr Ausmaß besonders augenfällig zutage tritt. Schließlich führt auch der - fristgerecht vorgebrachte - Einwand der Beklagten nicht weiter, die vom Verwaltungsgericht gegen eine Werbeabsicht angeführte dramaturgisch zu rechtfertigende Einbettung der Darstellung des Baumarktes in andere themenverwandte und die meiste Zeit des Gesamtbetrags einnehmende Erzählstränge über das Hausbauen in Eigenregie seien in besonderer Weise geeignet, den Zuschauer irrezuführen. Denn hierbei handelt es sich um ein zusätzliches Merkmal der Definition von Schleichwerbung, das die Werbeabsicht, über die der Rezipient getäuscht wird, nicht ersetzt, sondern voraussetzt.

2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hat die Beklagte ebenfalls nicht aufgezeigt. Sie nimmt lediglich auf ihre Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Bezug, mit denen indes nicht dargelegt wird, dass der Fall in Ansehung der erstinstanzlichen Entscheidung noch besondere Schwierigkeiten aufweist, die die Durchführung des Berufungsverfahrens erforderten. Insoweit gelten die obigen Ausführungen entsprechend.

3. Schließlich rechtfertigt der Vortrag der Beklagten keine Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das hätte vorausgesetzt, dass die Beklagte eine konkrete Tat- oder Rechtsfrage von fallübergreifender Bedeutung aufwirft und in Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils deren obergerichtliche Klärungsbedürftigkeit darlegt. Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag nicht gerecht. Die von der Beklagten formulierten Fragen lassen sich anhand der Ausführungen zu 1. beantworten, ohne dass es hierfür der Durchführung des Berufungsverfahrens bedarf. Im Übrigen ist die Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides entscheidend durch die Würdigung der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls geprägt, die sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung von vornherein entzieht. Auf die von der Beklagten angeführte Vorschrift des § 48 RStV kommt es für die Zulassung der Berufung nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 3 GKG a.F..

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.






OVG Berlin-Brandenburg:
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