Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Januar 2004
Aktenzeichen: 29 W (pat) 218/01
(BPatG: Beschluss v. 21.01.2004, Az.: 29 W (pat) 218/01)
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. August 2001 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen "Büroartikel (ausgenommen Möbel); Werbung und Geschäftsführung; Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Erziehung; Unterhaltung; Organisation von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen" zurückgewiesen wurde.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke Think Systemsist am 31. Januar 2001 für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9:
Elektrische, elektronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;
Klasse 16:
Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel);
Klasse 35:
Werbung und Geschäftsführung;
Klasse 36:
Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen;
Klasse 38:
Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen;
Klasse 41:
Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; Organisation von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien (einschließlich CD-ROM und CD-I);
Klasse 42:
Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikationzur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 2. August 2001 als freihaltebedürftige und nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Die angemeldete Wortfolge sei in ihrer Gesamtheit ohne weiteres im Sinne von "Denksysteme" verständlich. Die Wortzusammensetzung entspreche dem bereits in den deutschen Sprachgebrauch eingegangenen Begriff "Think Tank" und sei daher als sprachüblich anzusehen. In Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen verstehe das angesprochene Publikum "Think Systems" daher lediglich als beschreibenden Hinweis auf mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Geräte und Datennetze bzw als thematische Angabe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass die angemeldete Wortfolge mehrdeutig sei und daher in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine klare Sachaussage enthalte.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Dem angemeldeten Zeichen fehlt für die Waren und Dienstleistungen Elektrische, elektronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;
Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);
Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen;
Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien (einschließlich CD-ROM und CD-I);
Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikationdie erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1, § 37 Abs 1 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, so dass auch ein geringes Maß ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden. Die Unterscheidungskraft einer Wortmarke fehlt dann, wenn das Zeichenwort eine für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehende Sachaussage darstellt oder es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl BGH GRUR 1999, 1089 - YES; GRUR 2003, 1050 - Cityservice). Ersteres ist hier der Fall.
1.1. Die Wortfolge "Think Systems" besteht aus den beiden englischsprachigen Begriffen "think" und "systems" und bedeutet in wörtlicher Übersetzung "Denksysteme". In dieser Bedeutung wird das angemeldete Zeichen auch bereits verwendet. So finden sich in den der Anmelderin vom Senat überreichten Rechercheunterlagen folgende Beispiele: "MindManager¨ - The ultimate think systems for professionals - kreatives Ideenmanagement, das Spass macht; "Think Systems!": Firmenphilosophie - Wörtlich übersetzt heißt "Think Systems!" zwar "Denken in Systemen" - für COMM-TEC ist "Think Systems!" jedoch eine Philosophie und bedeutet das Bewusstsein zu schaffen, in Lösungen zu denken, zu handeln und Lösungen anzubieten - http://infosys.commtec.de/firmenphilosophie.html; "Eine in sich schlüssige Produktpalette für Anwendungen im Umfeld von ...erlaubt uns, Ihnen noch stärker als zuvor sinnvolle Technik aus einem Guss (Think Systems!) anzubieten - Rödinger, COMM-TEC ClearOne - Audiokonferenz, Stand Juli 2003). Der Begriff "Think" wird darüber hinaus auch in anderen Wortzusammensetzungen als Hinweis auf einen vernetzten, übergreifenden Lösungsansatz verwendet, zB "Think Banks - Global operierende Geldhäuser und besonders ihre Entwicklungsabteilungen werden in den nächsten Jahren immer stärker darauf zurückgeworfen, weltmarktgängige Produkte mit hoher Geschwindigkeit zu entwickeln, Es ist durchaus vorstellbar, dass renommierte Häuser in Zukunft deshalb als Think-Banks, als Banken für Banken, agieren" - Zukunftsletter 12/03, S 3).
1.2. Im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie lässt sich außerdem feststellen, dass zunehmend technische Systeme entwickelt werden, die in der Lage sind Daten und Informationen intelligent zu verarbeiten. So finden sich zB Hinweise auf Forschungen, bei denen die elektrischen Ströme im menschlichen Gehirn zur Steuerung eines Computers genutzt werden mit dem Ziel ein technisches Gerät wie ein Körperteil funktionieren zu lassen (vgl Zukunftsletter 12/03, S 8 - Brain Cursor). Es gibt Chips, die in großflächigen Textilien wie zB Teppichböden oder Zeltdächer Temperatur, Druck oder Vibration überwachen (vgl funkschau 11/2003, S 8 - Chipnetzwerk für Textilien). Im Bereich der Kommunikationstechnologie werden intelligente Netzmanagementsysteme zur Überwachung der Übertragungswege eingesetzt (vgl Deutsche Telekom, Unterrichtsblätter 1/2004, S 4). Neuartige Computersoftware ermöglicht Computersysteme, die vorausschauend steuern und Fehler kreativ beheben können (vgl Zukunftsletter 7/2003, 12 - "Digitale Schutzengel - Endlich: Computersysteme, die sich selbst verstehen, bereichern in Zukunft unsere Büros und Automobile"). Angesichts dieser technischen Entwicklung und den genannten Verwendungen ist daher davon auszugehen, dass das angesprochene Publikum den beschreibenden Bedeutungsgehalt der Wortfolge "Think Systems" im Sinne von "denkende, intelligente Systeme" ohne weiteres erfasst.
1.3. Dem steht nicht entgegen, dass die Wortfolge nicht nach den Regeln der englischen Sprache gebildet ist, weil der Ausdruck "denkende Systeme" im Englischen mit "thinking systems" übersetzt wird. In dem hier einschlägigen Bereich der Telekommunikation und Datenverarbeitung finden die Regeln der deutschen Sprache kaum noch Anwendung (vgl die Beispiele bei Freyermuth, c't 2003, 228). Der Senat sieht diese Auffassung aus eigener, durch regelmäßige Lektüre einschlägiger Fachzeitschriften erworbene Sachkunde bestätigt. Da die beteiligten Verkehrskreise an derartige willkürliche Wortzusammensetzungen deutsch- und englischsprachiger Begriffe gewöhnt sind, verstehen sie den beschreibenden Bedeutungsgehalt trotz der sprachregelwidrigen Wortbildung ohne weiteres.
1.4. In Verbindung mit den Waren "Elektrische, elektronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer" sowie der zugehörigen Dienstleistung der Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern weist das Zeichen darauf hin, dass diese Apparate, Geräte, Datenträger und Automaten mit Denksystemen gesteuert werden oder selbst ein solches System darstellen. Hinsichtlich der Waren "Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)" beschreibt es lediglich deren thematischen Inhalt. Wegen des engen sachlichen Zusammenhangs zwischen Print- und digitalen Medien und den Dienstleistungen ihrer Veröffentlichung und Herausgabe ist die Wortfolge auch zur Beschreibung der Dienstleistung "Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien (einschließlich CD-ROM und CD-I)" geeignet (vgl BGH GRUR 2003, 342 - Winnetou). Für die Dienstleistungen "Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation", die sich alle mit der Übertragung, Verarbeitung und Auswertung von Daten befassen, beschreibt das Zeichen unmittelbar deren Gegenstand, nämlich dass sie auf die Bereitstellung bzw Entwicklung denkender Systeme ausgerichtet sind.
2. Hinsichtlich der Dienstleistungen "Werbung und Geschäftsführung; Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Erziehung; Unterhaltung; Organisation von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen" stellt die angemeldete Marke weder eine konkrete beschreibende Sachangabe noch eine werbliche Aussage dar. Zwar können bei Erbringung der jeweiligen Dienstleistungen computergestützte Systeme zum Einsatz kommen. Da es sich dabei aber lediglich um die technische Infrastruktur handelt, die nicht das Wesen dieser Dienstleistungen ausmacht, bedarf es zusätzlicher gedanklicher Zwischenschritte um den Begriff "Think Systems" als Hinweis auf die Art der Erbringung dieser Dienstleistungen zu verstehen (vgl BGH WRP 2004, 357 - GeDIOS). Für die Waren "Büroartikel (ausgenommen Möbel)" hat das angemeldete Zeichen keinerlei Bedeutung. Insoweit ist Schutz zu gewähren.
Grabrucker Richter Schwarz ist in Urlaub und kann daher nicht unterzeichnen Grabrucker Fink Cl
BPatG:
Beschluss v. 21.01.2004
Az: 29 W (pat) 218/01
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