Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 14. Juli 2011
Aktenzeichen: 4a O 65/10 U.
(LG Düsseldorf: Urteil v. 14.07.2011, Az.: 4a O 65/10 U.)
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
Federkraftklemmanschlüsse mit einem Stromschienenstück und einer Blattfeder zum Anschluss eines elektrischen Leiters, wobei das Stromschienenstück aus einem flachen Material gefertigt ist und eine Leiterdurchstecköffnung in Form eines viereckigen Materialdurchzugs, der einen in Leiterdurchsteckrichtung sich erstreckenden Lochkragen mit ringförmig geschlossenen Lochkrageninnenwandflächen besitzt, und wobei die Blattfeder einen Klemmschenkel besitzt, dessen Ende in den Materialdurchzug eintaucht derart, dass er mit einer Lochkrageninnenwandfläche des Materialdurchzugs eine Klemmstelle für den elektrischen Leiter bildet,
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen an der Lochkrageninnenwandfläche, die mit dem Klemmschenkelende die Klemmstelle bildet, eine gegen den elektrischen Leiter vorstehende und quer zur Leiterdurchsteckrichtung sich erstreckende Querkante vorhanden ist und bei denen der Klemmschenkel der Blattfeder derart bemessen und geformt ist, dass die endseitige Klemmkante des Klemmschenkelendes in der Position der Klemmung des elektrischen Leiters in etwa der an der Lochkrageninnenwandfläche vorhandenen Querkante gegenüber liegt;
2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die vorstehend zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 25.03.2004 begangen worden sind, und zwar unter Angabe,
a) der Herstellungsmengen und  zeiten, oder bei Fremdbezug: der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und  preisen, der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und  preisen, der Typenbezeichnungen,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) und für die Zeit ab dem 28.02.2009 auch der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei hinsichtlich der Angaben zu a) (nur bei Fremdbezug) und b) Lieferscheine oder Rechnungen vorzulegen sind,
3. die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
4. die vorstehend zu I.1. bezeichneten, seit dem 28.01.2009 im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP XXX erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagte unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises beziehungsweise eines sonstigen Àquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Óbernahme der Verpackungs- und Transport- beziehungsweise Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird, sowie die Erzeugnisse aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die Erzeugnisse entweder wieder an sich nimmt oder deren Vernichtung bei dem jeweiligen Besitzer veranlasst.
II. Es wird festgestellt,
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I.1. bezeichneten und in der Zeit vom 25.03.2004 bis zum 27.02.2009 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 28.02.2009 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 †vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Entschädigung und Schadensersatz dem Grunde nach, Vernichtung, Rückruf aus den Vertriebswegen, Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, § 140 a Abs. 1 und 3, 140 b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB, Art. 2 § 1 Abs. 2 IntPatÜG. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Eine Aussetzung der Verhandlung ist nicht veranlasst.
I.
Das Klagepatent bezieht sich auf einen Federkraftklemmanschluss für einen elektrischen Leiter.
Wie in der Klagepatentschrift einleitend ausgeführt wird, ist ein solcher gattungsgemäßer Federkraftklemmanschluss aus der DE 28 25 291 C2 bekannt. Ein wesentliches Gattungsmerkmal solcher Federkraftklemmanschlüsse sei ein viereckiger Materialdurchzug durch das aus einem flachen Material gefertigte Stromschienenstück, der als Leiterdurchstecköffnung diene und der einen in die Leiterdurchsteckrichtung sich erstreckenden Lochkragen besitze, so dass zwischen der Lochkrageninnenwandfläche und einem in den Materialdurchzug sich hineinerstreckenden Ende einer Blattfeder eine Klemmstelle für einen elektrischen Leiter gebildet sei. Solche Stromschienenstücke könnten mit einem, aber auch mit mehreren Materialdurchzügen versehen sein, die bevorzugt in einer Linie angeordnet seien, um eine möglichst schmale Bauform des Stromschienenstücks (z.B. in der Art eines ausgestanzten Materialstreifens) zu erhalten wie dies z.B. für die Durchgangsstromschienen eng benachbarter Reihenklemmanordnungen verlangt werde. Solche besonders schmalen Stromschienenstücke besäßen im Bereich der Materialdurchzüge lediglich schmale, in Stromschienenrichtung verlaufende Randstege, deren Stromleitungsquerschnitte im Regelfall nicht ausreichend seien. Dieser Nachteil werde durch die Lochkragen der Materialdurchzüge ausgeglichen, deren Lochkragenquerschnitte zugleich auch Stromleitungsquerschnitte seien, so dass in der Summe die Querschnitte der Randstege und die Lochkragenquerschnitte einen genügend großen Stromleitungsquerschnitt in Richtung des Stromschienenstücks zur Verfügung stellen würden.
Hinsichtlich der bekannten Federkraftklemmeinrichtungen bezeichnet es das Klagepatent als nachteilig, dass die Stromübergangswerte zwischen der Lochkrageninnenwandfläche und dem geklemmten elektrischen Leiter nur schwach ausreichend seien. Praktische Versuche, dieses Problem durch eine Erhöhung der Klemmkräfte der Blattfeder zu lösen, seien unbefriedigend verlaufen, da höhere Klemmkräfte die manuell anzubringenden Einsteckkräfte für die Klemmung des elektrischen Leiters ungünstig beeinflussen würden.
US XXX offenbare einen Stecker mit Federkraftklemmanschlüssen zum Anschließen elektrischer Leiter an den Stecker. Ein Stromschienenstück sei entgegen der Einsteckrichtung des Leiterendes in Richtung des einzusteckenden Leiters und eines gegenüberliegenden Klemmschenkelendes an der Blattfeder umgebogen, so dass die umgebogene Endkante des Stromschienenstücks zusammen mit dem Klemmschenkelende eine Klemmstelle bilde. US XXX offenbare einen Lösemechanismus für einen Federkraftklemmanschluss. Der Federkraftklemmanschluss sei aus einer gradlinig verlaufenden Stromschiene und einer Blattfeder gebildet, dessen Klemmschenkelende sich schräg in Richtung der Ebene des Stromschienenstücks erstrecke. Ein anzuklemmender Leiter liege flächig an der Anlageebene des Stromschienenstücks an. EP XXX offenbare eine Anschlussklemme für einen elektrischen Leiter mit einem Stromschienenstück, dessen an eine Stecköffnung angrenzender Profilabschnitt in Richtung eines in die Stecköffnung einzusteckenden Leiters abgebogen sei. Das von der Stecköffnung entfernte Ende des abgewinkelten Profilabschnitts bilde zusammen mit einem Klemmschenkelende einer in die Stecköffnung eingesetzten Blattfeder eine definierte Klemmstelle, die eine hohe Kontaktsicherheit gewährleiste.
Vor diesem Hintergrund bezeichnet es die Klagepatentschrift als Aufgabe (technisches Problem), die gattungsgemäßen Vorteile eines Federkraftklemmanschlusses, der in seiner Stromschiene einen Materialdurchzug mit einem Lochkragen mit ringförmig geschlossenen Lochkrageninnenwandflächen besitze, beizubehalten, jedoch die Stromübergangswerte in der Klemmstelle zu verbessern, ohne dabei die Leitereinsteckkräfte zu erhöhen oder in anderer Weise den Leitereinsteckvorgang zu verschlechtern.
Dies geschieht nach Patentanspruch 1 durch eine Einrichtung mit folgenden Merkmalen:
1. Federkraftklemmanschluss zum Anschluss eines elektrischen Leiters, mit
1.1 einem Stromschienenstück (10) und
1.2 einer Blattfeder, wobei
2. das Stromschienenstück (10)
2.1 aus einem flachen Material gefertigt ist, und
2.2 eine Leiterdurchstecköffnung in Form eines viereckigen Materialdurchzugs besitzt.
3. Der Materialdurchzug besitzt einen in Leiterdurchsteckrichtung sich erstreckenden Lochkragen (13)
3.1 mit ringförmig geschlossenen Lochkrageninnenwandflächen (14, 15).
4. Die Blattfeder besitzt einen Klemmschenkel (20).
5. Das Ende des Klemmschenkels taucht derart in den Materialdurchzug (11) ein, dass er mit einer Lochkrageninnenwandfläche (15) des Materialdurchzugs (11) eine Klemmstelle für den elektrischen Leiter (23) bildet.
6. An der Lochkrageninnenwandfläche (15), die mit dem Klemmschenkelende die Klemmstelle bildet, ist eine gegen den elektrischen Leiter vorstehende und quer zur Leiterdurchsteckrichtung sich erstreckende Oberkante vorhanden.
7. Der Klemmschenkel (20) der Blattfeder ist derart bemessen und geformt, dass die endseitige Klemmkante (21) des Klemmschenkelendes in der Position der Klemmung des elektrischen Leiters (23) in etwa der an der Lochkrageninnenwandfläche vorhandenen Querkante (22) gegenüberliegt.
II.
Der Klagepatentanspruch bedarf im Hinblick auf die zwischen den Parteien streitigen Merkmale 5 bis 7 der Auslegung.
1.
Ein erfindungsgemäßer Federkraftklemmanschluss unterscheidet sich von dem aus der DE XXX bekannten und in der Klagepatentschrift beschriebenen Federkraftklemmanschluss dadurch, dass die an der Klemmstelle beteiligte Lochkrageninnenwandfläche eine gegen den elektrischen Leiter vorstehende und quer zur Leiterdurchsteckrichtung sich erstreckende Querkante aufweist (Merkmal 6) und die Klemmschenkel der Blattfeder derart bemessen und geformt sind, dass ihre endseitige Klemmkante in der Klemmposition in etwa der an der Lochkrageninnenwandfläche vorhandenen Querkante gegenüberliegt (Merkmal 7).
Die Funktion einer solchen Gestaltung von Klemmschenkel und Lochkrageninnenwandfläche besteht unter anderem darin, dass ein Kontaktpunkt zwischen dem elektrischen Leiter und der vorstehenden Querkante an der Lochkrageninnenwandfläche gebildet wird, der geometrisch die Kontaktanlagenfläche zwischen dem elektrischen Leiter und dem Lochkragen des Materialdurchzugs auf eine kleinere definierte Kontaktfläche minimiert, in Kombination mit einer maximal möglichen Kontaktkraftaufbringung. Letztere ergibt sich nach dem Klagepatent daraus, dass der Klemmschenkel der Klemmfeder derart bemessen und geformt ist, dass die endseitige Klemmkante des Klemmschenkelendes in der Position der Klemmung des elektrischen Leiters nahezu direkt auf die geometrisch minimierte Kontaktanlagefläche einwirkt, indem die Klemmkante des Klemmschenkelendes in etwa der an der Lochkrageninnenwandfläche gebildeten Querkante gegenüberliegt. Hieraus resultiert eine hohe spezifische Flächenpressung in der Kontaktanlagefläche, die die Stromübergänge verbessert und zudem einen gasdichten Kontakt gewährleistet (vgl. Abs. [0012]; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift, Anlage K 1).
Um diese Funktion zu erreichen, enthält Merkmal 6 Vorgaben für die räumlichkörperliche Gestaltung der Querkante in dreierlei Hinsicht: Die Querkante soll vorstehen, womit nichts anderes als eine Relativposition der Querkante zu anderen Bauteilen des Federkraftklemmanschlusses angesprochen ist. Weiterhin soll die Querkante gegen den elektrischen Leiter vorstehen, was in der Klagepatentschrift definiert wird mit "in Richtung des Zentrums des Materialdurchzugs" (Abs. [0027]). Dem ist auch die Beklagte nicht weiter entgegengetreten. Schließlich soll sich die Querkante noch quer zur Leiterdurchsteckrichtung erstrecken.
a)
Was die letzte Eigenschaft ("quer zur Leiterdurchsteckrichtung") angeht, wird bereits aus der Begrifflichkeit ("sich erstrecken"), aber auch aus der Systematik des Klagepatentanspruchs ("vorstehen" der Querkante einerseits und "sich erstrecken" andererseits) deutlich, dass die Erstreckungsrichtung quer zur Leiterdurchsteckrichtung nicht dieselbe Richtung meint wie das "Vorstehen gegen den elektrischen Leiter." Daher greift auch die Auffassung der Beklagten nicht durch, bereits der Begriff "Querkante" beschreibe die Erstreckung in Längsrichtung der Kante, während "quer zur Leiterdurchsteckrichtung" zusätzlich ein Hineinragen der Kante in die Leiterdurchsteckrichtung meine (von beiden Parteien als x- und z-Richtung benannt). Für eine solche Auslegung bietet das Klagepatent keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Begriff "Querkante" lediglich die Erstreckungsrichtung quer zur Leiterdurchsteckrichtung beschreiben soll, nicht aber eine von dieser Richtung zu unterscheidende Erstreckungsrichtung.
b)
Soweit die Querkante gegen den elektrischen Leiter vorstehen soll, impliziert der Wortlaut des Klagepatentanspruchs, dass die Querkante von der Lochkrageninnenwandfläche vorsteht, beziehungsweise die übrigen Bereiche der Innenwand gegenüber der Querkante zurückversetzt verlaufen. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass die Querkante in jedem Fall durch einen zusätzlichen Knick in der Lochkrageninnenwand, wie bezüglich eines Ausführungsbeispiels dargestellt in Figur 5 der Klagepatentschrift, ausgebildet werden muss. Dies ist bereits bei funktionaler Betrachtung zur Minimierung der Kontaktanlagefläche auf einen Kontaktpunkt zwischen elektrischem Leiter und Querkante nicht erforderlich, ergibt sich aber auch aus der Beschreibung des Klagepatents. Demnach kann die Querkante bereits durch eine Neigungsanordnung des Stromschienenstücks insgesamt oder durch Anstauchen, Drücken oder Formpressen des zugeordneten Lochkrageninnenbereichs - mithin auch der gesamten Lochkrageninnenwandfläche - gebildet werden (Abs. [0010]).
Das Klagepatent geht dabei zunächst von dem aus dem Stand der Technik (DE 28 25 291 C2) bekannten Stromschienenstück aus, bei dem sich der Lochkragen in Leiterdurchsteckrichtung erstreckt (vgl. Abs. [0002]) und infolgedessen der elektrische Leiter an der Lochkrageninnenwand flächig anliegt. Soll nun eine Querkante - wie in der Klagepatentschrift beschrieben (Abs. [0010]) - "durch eine Neigungsanordnung des Stromschienenstücks insgesamt" gebildet werden, muss das Stromschienenstück insgesamt im Verhältnis zum elektrischen Leiter und seiner Durchsteckrichtung geneigt werden. Soll die Klemmkante hingegen durch Anstauchen, Drücken oder Formpressen gebildet werden (Abs. [0010]), muss jedenfalls der zur Klemmstelle gehörige Lochkragenbereich in Richtung des elektrischen Leiters vorgestellt werden. Denn nur so kann die im Klagepatent beschriebene Minimierung der Kontaktanlagefläche auf einen Kontaktpunkt zur Verbesserung der Stromübergangswerte erreicht werden. In beiden Fällen genügt es aber, wenn die Lochkrageninnenwandfläche als solche nicht mehr parallel, sondern in einem Winkel (insofern "Neigungsanordnung") zum elektrischen Leiter verläuft. Damit kommt es für die Frage, ob die Querkante gegenüber der übrigen Lochkrageninnenwandfläche vorsteht, maßgeblich auf die Leiterdurchsteckrichtung an.
Nach seinem Wortlaut beschreibt der Begriff "Leiterdurchsteckrichtung" die Richtung, in die der elektrische Leiter durch den Materialdurchzug gesteckt wird. Etwas anderes ergibt sich weder aus dem Klagepatentanspruch, noch aus der Beschreibung des Klagepatents. Die Leiterdurchsteckrichtung wird insbesondere nicht durch die Erstreckungsrichtung des Lochkragens definiert. Der Klagepatentanspruch gibt vielmehr vor, dass sich der Lochkragen in der Leiterdurchsteckrichtung erstrecken soll (Merkmal 3). Dazu stehen auch nicht die Erwägungen des Europäischen Patentamts in der Einspruchsentscheidung vom 14.02.2011 im Widerspruch. Soweit das Europäische Patentamt ausgeführt hat, durch das Merkmal 3 werde eine Leiterdurchsteckrichtung definiert, in deren Richtung sich der Lochkragen des Materialdurchzugs erstrecken soll (Rn 4.3. der Anlage K 16), bezieht sich dies erkennbar auf die Fragestellung, ob die Erfindung vollständig, insbesondere ausführbar, offenbart ist. Eine abschließende Definition des Begriffs "Leiterdurchsteckrichtung" ist damit nicht verbunden. Sie würde auch versagen, wenn sämtliche Lochkrageninnenwandflächen verformt sein sollten, was nach der Beschreibung des Klagepatents nicht ausgeschlossen ist (vgl. Abs. [0011]).
Entgegen der Auffassung der Beklagten wird die Leiterdurchsteckrichtung auch nicht zwingend durch die Ausrichtung eines Leitereinführungskanals definiert. Für eine solche Definition bietet die Klagepatentschrift keinerlei Anhaltspunkt; Leitereinführungskanäle sind hier weder erwähnt, noch sind sie in den Zeichnungen dargestellt. Zudem ist es möglich, dass Leiterdurchführungskanäle so gestaltet sind, dass der Leiter aus verschiedenen Richtungen in den Materialdurchzug gesteckt werden kann. Zu dieser Auslegung stehen die Erwägungen des Europäischen Patentamts in der Entscheidung vom 14.02.2011 nicht im Widerspruch. Zwar wird hier ausgeführt, dass keine der Figuren der Entgegenhaltung DE XXX einen eingesteckten Leiter zeige und die darin dargestellten Leitereinführungskanäle eine eindeutige Leitereinsteckrichtung senkrecht zur Stromschiene und parallel zu den Lochkragenwänden vorgäben (Rn 5.4 der Anlage K 16). Diese Ausführungen in der Einspruchsentscheidung beziehen sich jedoch allein auf den Offenbarungsgehalt der als neuheitsschädlich entgegen gehaltenen DE XXX. Da diese außer den Leitereinführungskanälen keinen Anhaltspunkt für die Offenbarung einer Leitereinsteckrichtung enthielten, konnte das Europäische Patentamt nur von der durch die Leitereinführungskanäle vorgegebenen Einsteckrichtung ausgehen. Dies sagt aber über den Erfindungsgegenstand und insbesondere über den Begriff der Leitereinsteckrichtung im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs nichts aus. Diese ist nicht zwingend auf die durch etwaige Leitereinführungskanäle vorgegebene Einsteckrichtungen beschränkt. Vielmehr ist unter der Leiterdurchsteckrichtung im Sinne des Klagepatents die Richtung zu verstehen, in die der elektrische Leiter eingeführt werden kann, so dass sich die Lochkrageninnenwandfläche in einem Winkel zur Durchsteckrichtung erstreckt und damit die Randkante gegenüber dem Rest der Wandfläche "gegen den elektrischen Leiter vorsteht".
2.
Gemäß der Merkmale 5 und 7 des Patentanspruchs 1 soll das Ende des Klemmschenkels derart in den Materialdurchzug (11) eintauchen, dass es mit einer Lochkrageninnenwandfläche (15) des Materialdurchzugs (11) eine Klemmstelle für den elektrischen Leiter (23) bildet, wobei der Klemmschenkel (20) der Blattfeder derart bemessen und geformt sein soll, dass die endseitige Klemmkante (21) des Klemmschenkelendes in der Position der Klemmung des elektrischen Leiters (23) in etwa der an der Lochkrageninnenwandfläche vorhandenen Querkante (22) gegenüberliegen soll.
Dass sich das Klemmschenkelende der Blattfeder - wie von der Beklagten vertreten - zu diesem Zwecke in jedem Fall innerhalb der Lochkragenfläche befinden muss, gibt das Klagepatent nicht vor. Eine solche Beschränkung lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Dem Begriff "eintauchen" entnimmt der Fachmann lediglich, dass das Ende des Klemmschenkels in den Materialdurchzug eingeführt werden soll, versteht dies aber nicht in einer Weise, dass das Klemmschenkelende in jedem Fall im Innenbereich des Lochkragens liegen muss. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der englischen oder der französischen Übersetzung in der Patentschrift "inserted into", bzw. "enfoncée dans", zumal bei europäischen Patenten hinsichtlich der Auslegung die Fassung der Patentansprüche in der vom Anmelder gewählten Verfahrenssprache, hier deutsch, entscheidend ist, Art. 70 Abs. 1, 3 EPÜ.
Dass das Patent an dieser Stelle nicht Begriffe wie "hindurchtauchen" oder "durchkreuzen" verwendet bedeutet ebenfalls nicht, dass das Klemmschenkelende nicht durch den Lochkragenbereich hindurchtauchen darf - es bedeutet lediglich, dass das Klemmschenkelende dies nicht muss, sondern es sich vielmehr auch innerhalb des Lochkragens befinden kann.
Dem stehen die Ausführungen der Klagepatentschrift nicht entgegen, in denen ausgeführt wird, dass "die endseitige Klemmkante 21 des Klemmschenkels 20 bei unbelegter und geschlossener Klemmstelle an der Lochkrageninnenwandfläche 15 anliegt und somit in dem Materialdurchzug anschlagfixiert gehalten ist, bzw. dass der Klemmschenkel der Blattfeder in der Position der Klemmung des elektrischen Leiters maximal in die Tiefe des Materialdurchzugs eintaucht" (Abs. [0026] und [0028]). An diesen Stellen beschreibt die Klagepatentschrift ein Ausführungsbeispiel. Hierauf kann der Schutzbereich des Patents nicht beschränkt werden, was bereits daraus folgt, dass es sich bei der Schilderung von Ausführungsbeispielen nur um exemplarische (und nicht abschließende) Erläuterungen des Erfindungsgegenstands handelt (vgl. BGH, GRUR 2004, 1023, 1024 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Auflage Rn. 16).
Ein anderes Ergebnis lässt sich auch aus dem funktionalen Zusammenhang nicht herleiten. Eine Anforderung an die Tiefe des Eintauchens des Klemmschenkelendes ergibt sich lediglich aus Merkmal 7 der Klagepatentschrift: In der Position der Klemmung des elektrischen Leiters soll das Klemmschenkelende in etwa der an der Lochkrageninnenwandfläche vorhandenen Querkante gegenüberliegen, um die Klemmstelle für den elektrischen Leiter zu bilden. Bereits aus der Wendung "in etwa" ergibt sich, dass Klemmkante und Querkante nicht exakt gegenüberliegen müssen. Dass aber die Klemmstelle für den elektrischen Leiter, die nach der Lehre des Klagepatents von dem Klemmschenkelende der Blattfeder und der Querkante an der Lochkrageninnenwandfläche gebildet werden soll, nicht entstehen kann, wenn das Klemmschenkelende sich etwas unterhalb anstatt etwas oberhalb der Lochkragenfläche befindet, behauptet selbst die Beklagte nicht.
Wie weit die Abweichung hinsichtlich der Anforderung "in etwa" in Merkmal 7 des Klagepatentanspruchs 1 sein darf, gibt das Klagepatent nicht vor, vielmehr wird dem Fachmann - für diesen erkennbar - insoweit ein Spielraum eingeräumt; die Lehre des Klagepatents gibt zu erkennen, dass Klemmkante und Querkante nicht exakt einander gegenüberliegen müssen. Der Fachmann entnimmt diesem Merkmal, dass die endseitige Klemmkante und die Querkante derart einander gegenüberliegen müssen, dass sie noch eine Klemmstelle für den Leiter bilden können, ohne dass es zu einer flächigen Anlage des elektrischen Leiters an der Lochkrageninnenwand kommen kann. Dies ist deshalb erforderlich, weil das Klagepatent, anders als der Stand der Technik, keine parallel zur Leiterdurchsteckrichtung verlaufende Seitenwand vorsieht, sich eine Klemmstelle also nicht mit jedem beliebigen Teil der Seitenwand bilden soll, sondern nur mit der Querkante. Hieraus resultiert nach dem Klagepatent die hohe spezifische Flächenpressung, die die Stromübergänge verbessert und zudem einen gasdichten Kontakt gewährleistet (vgl. Abs. [0012]). Weiterhin hat die Position von Klemm- und Querkante nach der Klagepatentschrift den Vorteil, dass auf den Leiter keine Kippmomente ausgeübt werden (vgl. Abs. [0013]). Das Kippmoment eignet sich jedoch schon deshalb nicht als Eingrenzung für den Begriff "in etwa", weil die genaue Position von Klemmkante und Querkante auch von Form, Maß und Durchsteckrichtung des elektrischen Leiters abhängt. Hinzu kommt, dass grundsätzlich bereits dann, wenn sich Klemmkante und Querkante nicht exakt senkrecht gegenüberliegen - was das Klagepatent nicht voraussetzt - ein Kippmoment entstehen kann, das sogar dazu führen kann, dass sich der elektrische Leiter so ausrichtet, dass die beiden Kanten nunmehr gegenüber liegen und die Klemmkraft erhöht ist. Das Kippmoment darf hingegen nicht dazu führen, dass es zu einer flächigen Anlage des elektrischen Leiters an der Lochkrageninnenwand kommt. Vor diesem Hintergrund ist das Merkmal 7 dahingehend zu verstehen, dass die endseitige Klemmkante der Querkante jedenfalls dann noch "in etwa gegenüberliegt", solange noch eine Klemmstelle für den Leiter in Form eines Kontaktpunktes gebildet wird.
III.
Dies vorausgeschickt macht die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Zu Recht hat die Beklagte die Verwirklichung der Merkmale 1 bis 4 nicht in Frage gestellt, so dass es in dieser Hinsicht keiner weiteren Ausführungen bedarf. Darüber hinaus sind aber bei der angegriffenen Ausführungsform auch die Merkmale 5, 6 und 7 wortsinngemäß verwirklicht.
Hinsichtlich des Merkmals 5 taucht unstreitig bei der angegriffenen Ausführungsform das Ende des Klemmschenkels der Blattfeder in den Materialdurchzug ein. Dass das Ende des Klemmschenkels in der Position der Klemmung jeweils geringfügig unterhalb des Lochkragens angeordnet ist, führt aus dem Schutzbereich des Klagepatents - wie erörtert - nicht heraus. Aus den vorgelegten Abbildungen (Anlagen K 8, K 9, K 12, K 13 und K 17) sowie den zugehörigen Mustern ist auch ersichtlich, dass bei der angegriffenen Ausführungsform das Ende des Klemmschenkels und die Lochkrageninnenwandfläche des Materialdurchzugs eine Klemmstelle für einen elektrischen Leiter bilden; die angegriffene Ausführungsform könnte ansonsten ihrer Funktion als Kontaktreihenklemme auch nicht nachkommen.
Darüber hinaus wird auch das Merkmal 6 verwirklicht. Bei der angegriffenen Ausführungsform verläuft die Lochkrageninnenwandfläche, die mit dem Klemmschenkelende die Klemmstelle bildet, nicht senkrecht zur Stromschienenrichtung, sondern ist schräg angestellt. Die Querkante wird dabei durch die Unterkante dieser Wandfläche gebildet. Geht man für die Leiterdurchsteckrichtung von der Richtung aus, in der auch in den Lichtbildern K 8, K 9, K 12, K 13 und K 17 und den zugehörigen Mustern die elektrischen Leiter durch den Materialdurchzug gesteckt wurden, steht die Querkante gegen den elektrischen Leiter vor. Denn die Lochkrageninnenwandfläche verläuft nicht parallel zur Leiterdurchsteckrichtung, sondern unter einem Winkel, so dass die Querkante im Verhältnis zu den übrigen Bereichen der Lochkrageninnenwandfläche weiter in Richtung des Zentrums des Materialdurchzugs vorsteht. Mit Blick auf die Muster und die vergrößerten Darstellungen in den Abbildungen K 8, K 9, K 12, K 13 und K 17 kann auch nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden, dass der elektrische Leiter, anders als nach dem Stand der Technik, nicht in der gesamten Länge an der Lochkrageninnenwand anliegt, sondern die Kontaktanlagefläche auf einen Kontakt- oder Kreuzungspunkt zwischen dem elektrischen Leiter und der Querkante minimiert wird. Die Beklagte trägt zwar vor, die Lichtbilder würden die Einklemmsituation nicht korrekt wiedergeben, erläutert und belegt aber nicht, wie sich die konkrete Einklemmsituation hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform stattdessen darstellen soll.
Dass die Ausrichtung der Seitenwände der Leitereinführungskanäle der angegriffenen Ausführungsform nicht mit der in den Anlagen K 8, K 9, K 12, K 13 und K 17 und den zugehörigen Mustern erkennbaren Leiterdurchsteckrichtung übereinstimmt, ist unbeachtlich. Wie bereits anlässlich der Auslegung des Klagepatentanspruchs ausgeführt, wird die Leiterdurchsteckrichtung nicht zwingend durch die Ausrichtung der Leitereinführungskanäle bestimmt, jedenfalls dann nicht, wenn der elektrische Leiter in einer von der Ausrichtung der Leitereinführungskanäle abweichenden Richtung in den Materialdurchzug eingesteckt werden kann. Eine Patentverletzung liegt jedenfalls vor, wenn die Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht sind und die angegriffene Ausführungsform objektiv geeignet ist, die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen zu erreichen. Das ist hier der Fall. Einer Patentverletzung steht nicht entgegen, dass eine Vorrichtung normalerweise anders bedient wird und die Abnehmer deshalb von der patentverletzenden Lehre regelmäßig keinen Gebrauch machen. Die Patentverletzung entfällt in einem solchen Fall selbst dann nicht, wenn der Hersteller ausdrücklich eine andere Verwendung seiner Vorrichtung empfiehlt, solange die Nutzung der patentgemäßen Lehre möglich bleibt (BGH GRUR 2006, 399 - Rangierkatze).
Auch das Merkmal 7 des Klagepatentanspruchs wird von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht. Dass die Klemmkante des Klemmschenkelendes der Blattfeder und die Querkante an der Lochkrageninnenwandfläche hinsichtlich ihrer Höhe derart weit auseinanderliegen, dass eine Klemmstelle in der Form eines Kontaktpunktes nicht gebildet werden kann, wird durch die Abbildungen der K 8, K 9, K 12, K 13 und K 17 und die zugehörigen Muster widerlegt.
IV.
Da die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklicht ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der weiteren Herstellung, des Anbietens, In-Verkehr-Bringens und Gebrauchens sowie der weiteren Einfuhr und des weiteren Besitzes gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1, 9 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands ohne Berechtigung erfolgt.
2. Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer den Umständen angemessenen Entschädigung aus Art. II § 1 Abs. 2 IntPatÜG. Die Beklagte als Fachunternehmen hätte bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, dass die von ihr benutzte Erfindung Gegenstand der europäischen Patentanmeldung war.
Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, die Umstände zur Bezifferung einer angemessenen Entschädigung darzulegen und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Entschädigungspflicht die Verjährung der Entschädigungsansprüche droht, Art. II § 1 Abs. 2 IntPatÜG i.V.m. § 141 PatG.
3. Zudem hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG, weil die Beklagte die Patentverletzung schuldhaft beging, § 276 BGB.
4. Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, die ihr zustehende Entschädigung und den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist im Übrigen auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
5. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 a Abs. 1 PatG. Die für den Vernichtungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen des § 139 Abs. 1 PatG liegen vor, zumal die Beklagte nicht in Abrede gestellt hat, im Inland in Besitz der angegriffenen Ausführungsform zu sein. Dies liegt schon deshalb nahe, weil die Beklagte ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat und die angegriffene Ausführungsform hier vertreibt.
6. Zudem hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der seit Erteilung des Patents am 28.01.2009 im Besitz Dritter befindlichen angegriffenen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG, da die Beklagten mit der angegriffenen Ausführungsform die klagepatentgemäße Erfindung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG benutzen, ohne dazu berechtigt zu sein.
Die Tatsache, dass die Verletzungsgegenstände teilweise eingebaut wurden, lässt den Rückrufanspruch als solchen nicht entfallen. Ein solcher Einbau von Verletzungsgegenständen in andere Gegenstände ist üblich, eine Ausnahme hat der Gesetzgeber allein hierfür nicht vorgesehen.
Es bestehen zudem keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit des Rückrufs im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG. Der Rückrufanspruch dient dem Patentschutz. Er steht dem Patentinhaber grundsätzlich zu und ist gemäß dem Wortlaut des § 140a Abs. 4 S. 1 PatG nur dann ausgeschlossen, "wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist". Bereits dem Wortlaut ist mithin zu entnehmen, dass die Verpflichtung zum Rückruf die Regelmaßnahme darstellt und dass von ihr nur unter besonderen Umständen abgesehen werden soll, die den Einzelfall von der typischen Sachverhaltsgestaltung unterscheiden, für die § 140 b Abs. 3 PatG die Pflicht zum Rückruf anordnet (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.07.2010, Az. I-2 U 47/10 - Gleitsattelscheibenbremse I - zum Auskunftsanspruch nach § 140 b Abs. 4 PatG mit an der entscheidenden Stelle identischem Wortlaut ("Ansprüche ... sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist").) Die für die Annahme der Unverhältnismäßigkeit erforderlichen Tatsachen hat die Beklagte darzulegen, die sich auf die Ausnahmeregelung beruft. Dem ist die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen. Dass Verletzungsgegenstände in größere Maschinen eingebaut wurden, stellt für sich noch keinen Ausnahmefall dar, ebenso wenig, dass der Preis für den Austausch der Verletzungsgegenstand höher ist als der Wert des Verletzungsgegenstands. Die Beklagte gibt zudem zwar an, dass für den Austausch und den Einbau eines neuen Federkraftklemmanschlusses Kosten in Höhe von 35 € bis 75 € anfallen würden, legt aber nicht dar, welche Verletzungsgegenstände konkret überhaupt wo eingebaut wurden, ob immer nur ein einziger Federkraftklemmanschluss eingebaut wird oder für denselben Preis gleich mehrere Federkraftklemmanschlüsse ausgetauscht werden können, wie hoch die Gefahr eines erheblichen Produktionsausfalls und die Gefahr eines irreparablen Schadens für die Gesamtanlage überhaupt ist, wie viele Federkraftklemmanschlüsse in Schaltschränke verbaut wurden und wie hoch die Kosten für eine erneute Prüfung eines Schaltschrankes ausfallen.
V.
Zu einer nach § 148 ZPO möglichen Aussetzung der Verhandlung zumindest bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts über das gegen das Klagepatent eingeleitete Nichtigkeitsverfahren besteht keine hinreichende Veranlassung.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. nur Mitt. 1988, 91 - Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 - Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 - Flachdachabläufe) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 - Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Monopolrecht verleiht und dass ein wesentlicher Teil dieses Rechtes, nämlich der Unterlassungsanspruch gegenüber einem Patentverletzer, durch eine Aussetzung der Verhandlung des Verletzungsrechtsstreits praktisch suspendiert würde, kommt eine Aussetzung wegen eines gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens nur dann in Betracht, wenn ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klageschutzrechtes nicht nur möglich, sondern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass das Klagepatent sich im Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen wird, liegt nicht vor. Das Patent DE XXX welches die Beklagte als neuheitsschädlich anführt, wurde bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt, die Klagepatentschrift führt es als Stand der Technik ausdrücklich auf. Selbiges gilt für die EP XXX, welche die Beklagte in Kombination mit der DE XXX für die fehlende Erfindungshöhe anführt. Zudem hat sich die Einspruchsabteilung des europäischen Patentamts bereits mit sämtlichen von der Beklagten vorgebrachten Punkten befasst und das Klagepatent aufrechterhalten. Die Beschwerdebegründung der Beklagten enthält kein derartig neues, relevantes Vorbringen, dass von einer Abänderung der Entscheidung der Einspruchsabteilung des europäischen Patenamts im Beschwerdeverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden könnte.
Der Einwand, die Druckschrift DE XXX werde sich bei der hier vertretenen Auslegung als neuheitsschädlich erweisen, greift nicht durch. Die Begründung wird auf die Ausführungen in Abschnitt II. 1. b) (a. E.) Bezug genommen.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
Streitwert: 500.000,00 EUR
Dr. Voߠ Thomas Bliesner
LG Düsseldorf:
Urteil v. 14.07.2011
Az: 4a O 65/10 U.
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d6a5679fde82/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_14-Juli-2011_Az_4a-O-65-10-U