Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Januar 2007
Aktenzeichen: 24 W (pat) 89/05

(BPatG: Beschluss v. 26.01.2007, Az.: 24 W (pat) 89/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Gründe

I.

Die Wort-Bildmarke Grafikist für das folgende Warenverzeichnis

"Klasse 3: Kosmetikstifte aller Art, insbesondere Augenbrauenstifte, Augenkonturenstifte, Kajalstifte, Lippenkonturenstifte, Flüssiglinerstifte.

Klasse 5: Kosmetikstifte aller Art mit medizinischer/antiseptischer Wirkung, insbesondere Augenbrauenstifte, Augenkonturenstifte, Kajalstifte, Lippenkonturenstifte, Flüssiglinerstifte."

zur Eintragung in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet.

Mit Beschluss vom 28. April 2005 hat die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes, die Anmeldung gemäß §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen. Der angemeldeten Marke fehle die Eignung, die in Rede stehenden Waren als solche eines bestimmten Unternehmens zu kennzeichnen und sie von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Begriffskombination "GEL LINER" sei sprachgemäß aus dem einfachen, auch im Inland bekannten englischen Wort "Liner", mit dem die im Warenverzeichnis enthaltenden Kosmetikstifte bezeichnet würden (z. B. Eyeliner), und dem in den deutschen Sprachschatz eingegangenen Wort "Gel" gebildet. Unabhängig davon, ob die Begriffsbildung lexikalisch nachweisbar sei oder bereits verwendet werde, würden sie die angesprochenen Verkehrskreise ihrem Sinn nach ohne Weiteres als unmittelbar beschreibenden Hinweis auf die Art und Darreichungsform der Waren, nämlich auf Gel, das mittels eines Kosmetikstifts aufgetragen werde, verstehen. Da auch in der dekorativen Kosmetik nicht nur Puder und Cremes, sondern ebenfalls "Gel" (z. B. Aloe Vera-Gel) Einsatz fänden, sei der Begriff "GEL LINER" für die beanspruchten Waren nicht ungewöhnlich. Ferner halte sich die graphische Gestaltung durchaus im Rahmen des Werbeüblichen und könne der angemeldeten Marke keinen fantasievollen Überschuss verleihen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Nach ihrer Auffassung fehlt der angemeldeten Marke unter Anlegung des gebotenen großzügigen Maßstabs nicht jegliche Unterscheidungskraft. Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sei auf die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit und in ihrer konkreten graphischen Gestaltung abzustellen. Die Ausgestaltung der Marke sei aber durch die besondere Schriftform, die Fettschreibung des ersten Bestandteils, die Getrenntschreibung und den nicht zu den typographischen Schriftzeichen gehörenden Trennstrich eigenartig und prägnant. Außerdem komme dem lexikalisch nicht nachweisbaren und im Bereich der Kosmetikstifte nicht verwendeten Wortbestandteil "GEL LINER" keine rein beschreibende Bedeutung zu. Die bei einer von der Anmelderin durchgeführten Google-Suche zu dem Begriff "GEL LINER" gefundenen 250 Treffer bezögen sich zumeist auf Produkte, wie Fahrradhandschuhe oder Prothesen, im Einzelfall noch auf Tintenstifte. Die vom Senat recherchierten Verwendungsbeispiele beträfen Fußpflegeartikel. Auch könne nicht aus bereits gebrauchten Begriffen, wie Eyeliner oder Lipliner, auf eine beschreibende Angabe geschlossen werden. Vielmehr ergebe sich daraus, dass im Bereich der Kosmetika stets auch die Gesichtspartie, für die das jeweilige Produkt anzuwenden sei, in die Bezeichnung mit aufgenommen werde (z. B. Wimperndusche, Lippenstift, Augencreme, Lippgloss etc.). Abgesehen davon sei der Begriff "GEL LINER" für die meisten der beanspruchten Waren, insbesondere Augenbrauen-, Augenkonturen-, Kajal- und Lippenstifte, schon deshalb nicht beschreibend, weil diese nicht mit einer flüssigen Substanz vorstellbar seien. Flüssige Substanzen würden zu Verwischungen und Verschmierungen und gerade nicht zu der gewünschten Konturierung der Gesichtspartie führen. Aus diesem Grund seien bei Eye- und Liplinern die Farbpigmente in eine bei Raumtemperatur feste Fett-, Wachs- und Ölbasis eingeschlossen, wodurch es zu einer so genannten festen Anwendung, wie z. B. bei einem Bleistift, komme. Aus den dargelegten Gründen bestehe die angemeldete Marke auch nicht ausschließlich aus einer beschreibenden Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Hilfsweise regt sie an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg. Mit der Markenstelle ist der Senat der Auffassung, dass der Eintragung der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren jedenfalls das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht.

Unterscheidungskraft im Sinn der genannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH MarkenR 2002, 231, 235 (Nr. 35) "Philips/Remington"; MarkenR 2003, 187, 190 (Nr. 40) "Linde ua"; MarkenR 2004, 116, 120 (Nr. 48) "Waschmittelflasche"; GRUR 2006, 229, 230 (Nr. 27) "BioID"; BGH GRUR 2003, 1050 "Cityservice"; GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 18) "FUSSBALL WM 2006"). Die Unterscheidungskraft ist zum Einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum Anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. u. a. EuGH a. a. O. (Nr. 41) "Linde ua"; a. a. O. (Nr. 50) "Waschmittelflasche"; GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 24) "SAT.2"). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen i. d. R. so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. BGH MarkenR 2000, 420, 421 "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION"; GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"; EuGH a. a. O. (Nr. 53) "Waschmittelflasche"). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung dabei insbesondere solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH a. a. O. "marktfrisch"; GRUR 2001, 1153 "antiKalk"; a. a. O. (Nr. 19) "FUSSBALL WM 2006"; EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) "Postkantoor"). Die in der angemeldeten Marke enthaltene Wortfolge "GEL LINER" ist als eine in dem genannten Sinn nicht unterscheidungskräftige Angabe zu beurteilen, die für die in Rede stehenden Waren der Klassen 3 und 5 einen vom Verkehr ohne Weiteres und ohne Unklarheiten fassbaren beschreibenden Begriffsinhalt enthält.

Keine Zweifel bestehen zunächst an der im Inland geläufigen Bedeutung des Wortes "GEL" als der Bezeichnung einer gelantineartigen Substanz (vgl. u. a. Neues deutsches Wörterbuch, Naumann und Göbel, 1996, S. 357 zu "Gel") sowie des englischen Wortes "LINER", das auch im deutschen Sprachgebrauch, insbesondere im Kosmetikbereich, häufig zur Bezeichnung von Produkten eingesetzt wird, mit denen (Kontur-)Linien gezogen werden (vgl. Neues deutsches Wörterbuch, a. a. O., S. 297 zu "Eyeliner" = Stift oder Pinsel zum Umranden des Auges). In konkretem Bezug zu den hier betroffenen Kosmetikstiften werden daher die angesprochenen inländischen Verbraucher den Gesamtbegriff "GEL LINER" ohne weitere Überlegungen und Unklarheiten als einen der Konturierung dienenden Kosmetikstift auf Gel-Basis und damit als eine unmittelbar Produkt beschreibende Angabe verstehen. Dies gilt um so mehr als das Publikum Gel-Stifte bereits aus dem Schreibwarenbereich kennt.

Aus der Zusammenstellung der Beschaffenheitsangabe "GEL" mit der Gattungsbezeichnung "LINER" vermag der Senat keine auf dem Kosmetiksektor ungewöhnliche sprachliche Verknüpfung zu sehen. Entgegen der Auffassung der Anmelderin sind derartige Begriffskombinationen aus Materialangabe und Gattungsname für Kosmetikprodukte häufig anzutreffen (z. B. Fettstift, Cremestift, Puderdose) und die Bezeichnungsmöglichkeiten auf diesem Warengebiet keineswegs auf Kombinationen aus Gattungsnamen und Angabe der bestimmungsgemäßen Gesichts- oder Körperpartie beschränkt. Abgesehen davon lässt sich die Verwendung des Begriffs "Gel Liner", wie auch die Anmelderin selbst in ihrer Internet-Recherche ermittelt hat, bereits für Schreibstifte belegen, die in ihrer Funktion grundsätzlich mit Kosmetikstiften vergleichbar sind, sowie außerdem auch für kosmetische Erzeugnisse (vgl. die der Anmelderin vom Senat übermittelte Internet-Seite www.kaufmonster.de/..., auf der ein Starter-Set für professionelle Gel-Nägel angeboten wird, das u. a. einen Gel Liner enthält).

Das weitere Argument der Anmelderin, Kosmetikstifte mit einer flüssigen Substanz seien nicht vorstellbar, wird bereits dadurch entkräftet, dass sie selbst im Warenverzeichnis Schutz für "Flüssiglinerstifte" beansprucht. Aus den der Anmelderin vom Senat übermittelten Internet-Seiten, auf denen u. a. "Lipgelee", "Creme Liner", "Liquid Liner" (s. www.beautyboard.de/...), ein "Liquid Lidstrich" (s. www.cia.de/...) und "Liquid Eyeliner" (s. http://search.ebay.de/...) angeboten werden, geht darüber hinaus hervor, dass grundsätzlich bei allen Arten von Kosmetikstiften flüssige Stoffe verwendet werden können und im Verkehr auch verwendet werden. Ein Gel ist dabei im Verhältnis zu einer Flüssigkeit in seiner Konsistenz zudem fester und birgt daher entsprechend weniger die Gefahr, zu verwischen.

Was schließlich die graphische Gestaltung des Schriftzuges anbelangt, ist die Beurteilung der Markenstelle nicht zu beanstanden, dass diese vollkommen werbeüblich und deshalb nicht geeignet ist, der Marke in ihrer Gesamtheit Unterscheidungskraft zu verleihen. Die verwendeten Stilmittel, zum Einen die Hervorhebung des Eingangswortes mittels Fettdruck (vgl. hierzu EuGH GRUR a. a. O (Nr. 35) "BioID"), zum Anderen die dünne senkrechte Trennlinie zwischen den beiden Wortbestandteilen, sind einfachster Art und stehen i. d. R. im Zeichensatz handelsüblicher Schreibsoftware zur Verfügung (z. B. in Microsoft Word). Gerade angesichts der dargelegten glatt beschreibenden Aussage des Wortbestandteiles vermögen derart schlichte und gängige Mittel werbemäßiger Hervorhebung den angesprochenen Verkehrskreisen im optischen Eindruck nicht die charakteristischen Merkmale zu bieten, die für eine herkunftshinweisende Funktion der Marke erforderlich wären (vgl. BGH GRUR a. a. O., S. 1054 "antiKALK").

Der Senat sah keine Veranlassung, der Anregung der Anmelderin zu folgen und die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Weder war eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Entscheidungserheblich waren vielmehr im Wesentlichen die Beurteilung tatsächlicher Fragen und die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die einschlägigen Rechtsnormen unter Anwendung anerkannter Rechtsprechungsgrundsätze.






BPatG:
Beschluss v. 26.01.2007
Az: 24 W (pat) 89/05


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