Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 30. Dezember 2008
Aktenzeichen: 41 O 102/07
(LG Düsseldorf: Urteil v. 30.12.2008, Az.: 41 O 102/07)
Tenor
I. Die in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 21.08.2007 gefassten Beschlüsse zu Tagesordnungspunkt 1, 2 und 3 mit folgendem Wortlaut, werden für nichtig erklärt:
1. Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2006
Der Aufsichtsrat und die persönlich haftende Gesellschafterin schlagen vor und die persönlich haftende Gesellschafterin stimmt zu, den einen Bilanzverlust von Euro 25.368,35 ausweisenden Jahresabschluss nebst Lagebericht für das Geschäftsjahr 2006 festzustellen und den Bericht des Aufsichtsrates entgegenzunehmen.
Der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006, der Lagebericht und der Bericht des Aufsichtsrats liegen zur Einsichtnahme in den Geschäftsräumen der Gesellschaft, Inselstr. 24, 40479 Düsseldorf, aus.
2. Beschlussfassung über die Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafterin für das Geschäftsjahr 2006
Der Aufsichtsrat und der persönlich haftende Gesellschafter schlagen vor, der persönlich haftenden Gesellschafterin für das Geschäftsjahr 2006 Entlastung zu erteilen.
3. Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2006
Der Aufsichtsrat und der persönlich haftende Gesellschafter schlagen vor, den Mitgliedern des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2006 Entlastung zu erteilen.
Wegen der weitergehenden Klage zu Tagesordnungspunkt 4 wird die Klageabgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 1/10 der Kläger und zu 9/10 die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist als Kommanditgesellschaft auf Aktien eine kleine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB. Ihr Grundkapital beträgt 1.050.000 mit einem rechnerischen Nennbetrag von je 1,-- Euro. Größter Kommanditaktionär der Beklagten ist mit 723.864 Stückaktien A Deren Geschäftsführer ist B, der zugleich auch Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten sowie in eigener Person auch Kommanditaktionär ist.
Gemäß § 6 Abs. 1 der Satzung der Beklagten war die Laufzeit der Gesellschaft befristet auf den 31.12.2005. Es heißt dort weiter: "Die Hauptversammlung beschließt über die Verlängerung der Laufzeit der Gesellschaft um ein weiteres Jahr spätestens 6 Monate vor dem Ablauf der Laufzeit. Eine wiederholte Beschlussfassung über die Verlängerung, jeweils um ein weiteres Jahr, ist zulässig."
Die Hauptversammlung der Beklagten vom 29.06.2005 und 13.06.2006 beschlossen die Verlängerung der Laufzeit der Gesellschaft um jeweils 1 Jahr bis zum 31.12.2006/2007.
Per Einschreiben vom 09.07.2007 lud die Beklagte ihre Kommanditaktionäre, so auch den Kläger, zur Hauptversammlung am 21.08.2007 ein. In dieser Hauptversammlung wurde zu TOP 5 - insoweit vom Kläger nicht angefochten - eine Änderung der Satzung dahin beschlossen, dass die Laufzeit der Gesellschaft am 30.09.2010 endet. Diese Satzungsänderung wurde am 11.10.2007 in das Handelsregister der Gesellschaft eingetragen.
In der Hauptversammlung vom 21.08.2007 war der Kläger selbst sowie sein Anwalt anwesend. Im Rahmen der Aussprache auf der Hauptversammlung rügte der Kläger verschiedene Punkte, darunter, dass das Gutachten der C vom 26.06.2007 zur Frage der Erforderlichkeit eines Abhängigkeitsberichtes der Gesellschaft nicht eingesehen werden könne. Der vom Kläger gestellte Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers wurde bei einer im Protokoll verzeichneten Präsens von 756.839 Stimmen mit 732.365 Neinstimmen abgelehnt.
Hinsichtlich der weiteren Beschlussfassungen folgte die Hauptversammlung den Vorschlägen der persönlich haftenden Gesellschafterin aus der Einladung und beschloss - jeweils bezogen auf das Geschäftsjahr 2006 - zu TOP 1 die Feststellung des Jahresabschlusses, zu TOP 2 die Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafterin, zu TOP 3 die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates, zu TPO 4 die Wahl der C zum Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2007 sowie zu TOP 5 eine Neufassung von § 6 Abs. 1 der Satzung dahingehend, dass die Laufzeit der Gesellschaft auf den 30.09.2010 befristet wurde.
Der Kläger erhob gegen alle vorgenannten Beschlüsse Widerspruch zu notariellem Protokoll. Wegen der weiteren Einzelheiten im Ablauf der Hauptversammlung wird auf die notarielle Urkunde des Notars D (UR.-Nr. 1429/2007, Anlage B 1 Bl. 60 f d.A.) Bezug genommen.
Mit seiner am 21.09.2007 bei der Kammer eingereichten und der Beklagten am 15.11.2007 zugestellten Klage wendet sich der Kläger gegen die vorgenannten Beschlüsse der Hauptversammlung zu den Tagesordnungspunkten 1 - 4.
Der Kläger macht geltend:
Der Beklagten seien bei ihrer Beschlussfassung zahlreiche Fehler unterlaufen. Bei der Beklagten handele es sich um eine abhängige Gesellschaft. Die Beklagte werde maßgeblich durch den Alleingeschäftsführer und Mehrheitseigner B beeinflusst. B dominiere als alles entscheidende Person sowohl die Belange der Beklagten als auch die Belange der an der Beklagten mit ca. 70% mehrheitlich beteiligten A . Auch außerhalb seiner Beteiligung an der Beklagten sei B noch eigenständig anderweitig unternehmerisch tätig. Aus diesen Gründen habe ein Abhängigkeitsbericht nach § 312 AktienG gefertigt werden müssen. Für das fehlen dieses Abhängigkeitsberichtes sei nicht nur die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten verantwortlich, sondern auch der Aufsichtsrat und der Abschlussprüfer. Da die Abhängigkeit der Beklagten weder von der Geschäftsführung noch vom Wirtschaftsprüfer noch vom Aufsichtsrat erkannt und berücksichtigt worden sei, seien die Beschlussfassungen über den Jahresabschluss sowie die Entlastungen unwirksam. Auch hätte bereits im Jahre 2006 entweder ein satzungsändernder Beschluss der Hauptversammlung zu dem Fortbestand der Beklagten stattfinden oder aber eine Abwicklung der Gesellschaft im Jahre 2006 beginnen müssen. Die Gesellschaft habe sich deshalb in einem Schwebezustand der Liquidation befunden, der erst durch den Beschluss der Hauptversammlung vom 21.08.2007 beendet worden sei. Dem Jahresabschluss könne auch deshalb nicht zugestimmt werden, da er der Liquidation der Gesellschaft keine Rechnung trage.
Ferner seien alle Beschlüsse nichtig, weil die Einladung mittels eingeschriebenen Briefes erfolgt sei und der eingeschriebene Brief in mehreren Fällen an die Gesellschaft zurückgesandt worden sei, weil der Empfänger nicht habe ermittelt werden können. Weil die Beklagtre hiervon Kenntnis gehabt hätte, hätte sie eine Einladung der Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger veranlassen müssen.
Ferner sei sein Sonderprüfungsantrag in der Hauptversammlung fehlerhaft behandelt worden und es seien der Beklagten auch Fehler in der Präsenz oder in der Abstimmung unterlaufen.
Der Kläger beantragt,
I. die in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 21.08.2007 gefassten Beschlüsse zu Tagesordnungspunkt 1, 2 und 3 mit folgendem Wortlaut, werden für nichtig erklärt:
Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2006
Der Aufsichtsrat und die persönlich haftende Gesellschafterin schlagen vor und die persönlich haftende Gesellschafterin stimmt zu, den einen Bilanzverlust von Euro 25.368,35 ausweisenden Jahresabschluss nebst Lagebericht für das Geschäftsjahr 2006 festzustellen und den Bericht des Aufsichtsrates entgegenzunehmen.
Der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006, der Lagebericht und der Bericht des Aufsichtsrats liegen zur Einsichtnahme in den Geschäftsräumen der Gesellschaft, Inselstr. 24, 40479 Düsseldorf, aus.
Beschlussfassung über die Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafterin für das Geschäftsjahr 2006
Der Aufsichtsrat und der persönlich haftende Gesellschafter schlagen vor, der persönlich haftenden Gesellschafterin für das Geschäftsjahr 2006 Entlastung zu erteilen.
Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2006
Der Aufsichtsrat und der persönlich haftende Gesellschafter schlagen vor, den Mitgliedern des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2006 Entlastung zu erteilen.
Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2007
Der Aufsichtsrat schlägt vor, die C für das Geschäftsjahr 2007 zum Abschlussprüfer zu wählen.
hilfsweise
Es wird festgestellt, dass die vorbezeichneten Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 21. August 2007 nichtig sind.
äußerst hilfsweise
Es wird festgestellt, dass der vorbezeichnete Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 21. August 2007 unwirksam ist.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Die Beklagte hält die Klage wegen verspäteter Zustellung für verfristet.
In der Sache selbst verteidigt die Beklagte die Rechtsmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse und wendet ein:
Eine Pflicht zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichtes habe nicht bestanden. Die A habe als Kommanditaktionärin der Beklagten keinen beherrschenden Einfluss auf diese. Der E (der persönlich haftenden Gesellschafterin) fehle die Unternehmenseigenschaft. Auf eine Beherrschung durch B könne der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere zu den Angriffen des Klägers einerseits und zur Rechtsverteidigung der Beklagten andererseits, wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze und die zur Akte gereichten Urkunden und sonstigen Unterlagen Bezug genommen.
Gründe
A. Zur Zulässigkeit
Die Klage ist gem. §§ 278 Abs. 3, 245, 246 AktG zulässig.
Sie ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach der Hauptversammlung per Telefax am 21.9.2007 bei Gericht eingegangen und der Beklagten am 15.11.2007 zugestellt worden. Diese Zustellung hat gem. § 167 ZPO Rechtshängigkeit mit Rückwirkung auf den 21.9.2007 bewirkt. Die Zustellung erfolgte "demnächst" im Sinne der Norm. Soweit man überhaupt von einer Verzögerung der Zustellung sprechen kann, beruhte diese nicht auf einem Versäumnis des Klägers. Der Kläger hat am 24.9.2007 mit Eingang des Originals seiner Klage unter Angabe eines Streitwertes von 50.000,- € einen die Gerichtskosten deckenden Scheck vorgelegt, der ordnungsgemäß am 13.10.2007 eingelöst wurde. Nach weiterer Prüfung hat das Gericht am 25.10.2007 unter vorläufiger Bestimmung des Streitwertes auf 50.000,- das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die Klage unter Vermittlung der Geschäftsstelle alsbald zugestellt.
Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 245 Ziff. 1 AktG sind gegeben und werden von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
B. Zur Begründetheit
Die Klageanträge 1 bis 3 sind begründet. Der Klageantrag 4 ist dagegen unbegründet.
I.
Die angegriffenen Beschlüsse sind nicht bereits wegen eines Ladungsmangels gem. §§ 278 Abs. 3, 241, 121 AktG nichtig. Die Satzung der Beklagten erlaubt in § 15 Abs. 4 Satz 2 in Übereinstimmung mit § 121 Abs. 4 AktG eine Einladung der Kommanditaktionäre durch Einschreibebrief. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte Gebrauch gemacht. Die Kommanditaktionäre sind der Beklagten sämtlichst bekannt, weil sie gem. § 4 Abs. 2 der Satzung ausschließlich Namensaktien ausgegeben hat. Der Umstand, dass der Einschreibebrief mit der Einladung in 5 oder 6 Fällen an die Beklagte zurückgesandt wurde, weil die Empfänger nicht ermittelt werden konnten, verpflichtete die Beklagte nicht zu einer öffentlichen Bekanntmachung der Einladung im Bundesanzeiger. § 3 der Satzung ist dazu nicht einschlägig, denn die Modalitäten der Einladung zur Hauptversammlung sind in § 15 speziell geregelt. Eine öffentliche Bekanntmachung der Einladung war auch nicht mit Rücksicht darauf "zwingend geboten", dass bereits aus der vorausgegangenen Hauptversammlung bekannt war, dass nicht alle eingeschriebenen Briefe den Empfänger erreichten. Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt gem. § 67 Abs. 2 AktG (nur) als Aktionär, wer als solcher mit den erforderlichen Angaben (Namen, Geburtsdatum, Adresse, Stückzahl, Aktiennummer, vgl. Abs. 1) im Aktienregister der Gesellschaft eingetragen ist. Die Beklagte hat die Einladung an sämtliche in ihrem Aktienregister verzeichnete Aktionäre versandt. Hierbei hat sie die ihr zuletzt mitgeteilten Anschriften zugrundegelegt. Die Gesellschaft trifft keine Verpflichtung zur Nachforschung, ob die ihr vorliegenden Daten noch aktuell sind, vielmehr ist der Aktionär gehalten, eine Anschriftenänderung mitzuteilen (Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 67 Rdn. 17).
Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 15.9.2008 erstmals als Ladungsmangel rügt, dass die Beklagte in ihrer Einladung überhaupt nichts zu einer möglichen Art und Weise der Vertretung in der Hauptversammlung geschrieben habe und sie den Aktionären wegen dieses Unterlassens die Möglichkeit einer Vertretung genommen habe, was der Kläger als Verstoß gegen § 121 Abs. 3 AktG wertet, handelt es sich hierbei um einen unbeachtlichen weil nachgeschobenen Anfechtungsgrund. Die Anfechtungsgründe müssen zumindest in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern bereits innerhalb der Anfechtungsfrist dargelegt werden (Hüffer, § 246 AktG Rdn. 26), woran es fehlt.
II.
Die Beklagte hat gegen § 312 AktG verstoßen, weil sie den nach dieser Vorschrift erforderlichen Abhängigkeitsbericht nicht erstellt hat.
§ 312 AktG ist auch auf die abhängige Kommaditgesellschaft auf Aktien (KgaA) anwendbar. Das folgt aus § 311 AktG, der bereits dem Wortlaut nach für die KgaA gilt und dessen Durchsetzung § 312 AktG gerade dienen soll (Hüffer, § 312 AktG Rdn. 5; Fett in Bürgers-Körber, AktG, 1. Aufl. 2008, § 312 Rdn. 4; OLG Stuttgart, Urt. vom 14.5.2003 - 20 U 31/02 - zitiert nach Juris, veröffentlicht auch in AG 2003, 527 ff.).
Die Beklagte ist auch eine abhängige Gesellschaft im Sinne der §§ 312 Abs. 1, 17 Abs. 1 AktG. Die Beklagte ist zunächst einmal abhängig von ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin E der nach Maßgabe von §§ 278 Abs. 2, 283 AktG in Verbindung mit §§ 7, 8 der Satzung die Geschäftsführung und Vertretung der Beklagten mit den einem Vorstand einer Aktiengesellschaft entsprechenden Befugnissen obliegt. Die Beklagte ist desweiteren auch abhängig von ihrer Mehrheitsgesellschafterin A die zwar nicht - wie bei einer Aktiengesellschaft - über den Aufsichtsrat zur Bestellung der Geschäftsführung befugt ist, die aber über ihre mehr als 2/3 der Gesellschaftsanteile umfassende Mehrheit einen unmitttelbaren Einfluß auf die Beklagte ausüben kann, indem sie gem. § 285 AktG die Entscheidungen der Hauptversammlung über die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrates, die Entlastung des persönlich haftenden Gesellschafters und der Mitglieder des Aufsichtsrates, die Bestellung von Sonderprüfern, die Geltendmachung von und den Verzicht auf Ersatzansprüche sowie die Wahl von Abschlußprüfern durch ihre Stimmrechtsausübung maßgeblich steuern kann. Allerdings sind diese Steuerungsmöglichkeiten begrenzt dadaurch, dass einige der von Hauptversammlung beschlossenen Maßnahmen wiederum auch der Zustimmung des persönlich haftenden Gesellschafters bedürfen. Da B hier indessen einerseits Geschäftsführer der A ist und er andererseits zugleich auch Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten ist, üben unter seiner Leitung beide Unternehmen einen beherrschenden Einfluß auf die Geschicke der Beklagten aus, wie es § 17 Abs. 1 AktG voraussetzt.
Es ist anerkannt, dass die Zusammenrechnung der Einflusspotentiale zweier Unternehmen eine Beherrschung begründen kann. Dazu reicht es aus, wenn aus der Perspektive des abhängigen Unternehmens eine Interessenkoordination gegeben ist. Eine solche Interessenkoordination ist insbesondere anerkannt bei Personenidentität der Vorstände der Einfluß nehmenden Unternehmen (Zu allem vgl. Hüffer, § 17 AktG Rdn. 15 und 16 m.w.N.). So liegen die Dinge hier.
Ob - isoliert betrachtet - eine Beherrschung zu verneinen ist, wenn sich der Unternehmensgegenstand und die Geschäftstätigkeit der persönlich haftenden Gesellschafterin einer KgaA in der Übernahme der Komplementärstellung erschöpfen und diese keinen darüberhinausgehenden eigenen Geschäftsbetrieb unterhält, oder wenn sich - bezogen auf eine Kommanditaktionärin als Mehrheitsgesellschafterin - ergibt, dass deren Einfluß durch bestimmte Regelungen der Satzung (wie z.B. den Ausschluß des Widerspruchsrechtes der Kommanditaktionäre bei außergewöhnlichen Geschäften beschränkt) beschränkt ist, kann dahinstehen, denn hier gründet sich die Abhängigkeit der Beklagten auf die Kombination der Steuerung ihrer Geschicke durch zwei Unternehmen, die ihrerseits von ein und derselben natürlichen Person gelenkt werden und die durch ihr Zusammenwirken die Beklagte unausweichlich in eine fremdbeherrschte Abhängigkeit bringen. Beide Unternehmen - die Mehrheitsgesellschafterin A und die geschäftsführende Komplementärin Media Venture - bringen die Beklagte unter der Leitung ihres Geschäftsführers B, der in dritter Funktion auch noch (einfacher) Kommanditist der Beklagten ist, durch die Möglichkeit einer abgestimmten Verhaltensweise faktisch in eine vollständige und unmittelbare Abhängigkeit. Deshalb kommt es auch nicht weiter darauf an, ob B aufgrund der Bündelung seiner Funktionen auch selbst in eigener Rechtsperson als beherrschender Unternehmer im Sinne des § 312 AktG angesehen werden kann, was der Kläger mit durchaus tragfähigen Argumenten zu dessen anderweitigen unternehmerischen Tätigkeiten ebenfalls darlegt.
III.
Der Verstoß der Beklagten gegen § 312 AktG führt zwar nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschschlusses (Vgl. BGHZ 135,107), das Fehlen eines Abhängigkeitsberichtes im Jahrsabschluß begründet aber ohne weiteres die Anfechtbarkeit der Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2006 durch die Hauptversammlung der Beklagten gem. §§ 286, 278 Abs. 3, 257, 243 ff. AktG und führt damit zum Erfolg des Klageantrages 1. Der Lagebericht vermittelt der Hauptversammlung keine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens, wenn er durch Weglassen der Schlußerklärung des Vorstandes entgegen § 312 Abs. 3 AktG die Abhängigkeit oder jedenfalls die zusammenfassende Beurteilung des Vorstandes über ihre Auswirkungen im vergangenen Geschäftsjahr verschweigt. Der Lagebericht in dann in einem wesentlich Punkt unvollständig ( Vgl. Kropff in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl. 2000, § 312 Rdn. 74; Hüffer, AktG, § 257 Rdn. 6; Schulz in Bürgers/Körber, § 257 AktG Rdn. 3 am Ende). Zutreffend macht der Kläger geltend, dass der Abschlußprüfer hier wegen Fehlens des Abhängigkeitsberichtes sein Testat gem. § 313 AktG - wenn er es nicht schon ganz hätte versagen müssen - zumindest hätte einschränken müssen (Vgl. Kropff, a.a.O. Rdn. 65 bis 67). Gerade im Falle einer KgaA, bei der die Hauptversammlung auch den Jahresabschluß feststellt, kann ohne weiteres auch der Feststellungsbeschluß angefochten werden. § 257 Abs. 1 S. 2 AktG steht dem nicht entgegen, denn es geht hier um einen Verfahrensmangel und nicht um einen der in § 256 AktG beschriebenen Inhaltsmängel.
IV.
Auch der Beschluß der Hauptversammlung zur Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafterin (Klageantrag 2) ist gem. §§ 278 Abs. 3, 120, 243 AktG wegen Verstoßes gegen § 312 AktG unwirksam.
Ein Beschluß über die Entlastung des persönlich haftenden Gesellschafterns einer KgaA ist nach zutreffender Meinung des OLG Stuttgart bereits anfechtbar, wenn die Schlußerklärung des persönlich haftenden Gesellschafters zum Abhängigkeitsbericht im Lagebericht fehlt (OLG Stuttgart, a.a.O. bei Juris Rdn. 63 ff.). Diese Anfechtbarkeit muß erst recht gegeben sein, wenn nicht nur die Schlußerklärung fehlt, sondern der Abhängigkeitsbericht selbst gar nicht erstellt wurde, weil das für seine Erstellung zuständige Organ - wie hier - der Auffassung ist, eine rechtsrelevante Abhängigkeit sei gar nicht gegeben. Die Pflicht zur Aufstellung eines Abhängigkeitsberichtes obliegt gem. § 312 Abs 1 AktG dem Vorstand und damit im gegebenen Fall der geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten. Es liegt ein eindeutiger und auch schwerwiegender Gesetzesverstoß (Vgl. zu diesem Erfordernis BGH NJW 2003,1032 "Makroton") vor, wenn dieser Abhängigkeitsbericht nicht aufgestellt wird. Die Eindeutigkeit der Notwendigkeit zur Aufstellung des Berichtes ergibt sich daraus, dass die Bündelung der Funktionen, mit denen B über die von ihm geleiteten Unternehmen die Geschicke der Beklagten bestimmt, evident ist. Schwerwiegend ist der Verstoß in Ansehung des Zweckes, dem ein Abhängigkeitsbericht dient. Der Zweck des § 312 AktG besteht darin, dass außenstehenden Aktionären und Gläubigern der Gesellschaft die Durchsetzung von Ansprüchen nach §§ 311, 317 AktG, die auf den Einzelausgleich schädigender Maßnahmen gerichtet, erleichtert wird (Vgl. Kropff, a.a.O. zu § 312 Rdn. 1 ff.). Das im Falle einer faktischen Behrrschung gem. § 311 AktG bestehende Verbot des beherrschenden Unternehmens, der abhängigen Gesellschaft Nachteile zuzufügen, kann nicht durchgesetzt werden, wenn sich der Vorstand der Gesellschaft weigert, einen Abhängigkeitsbericht aufzustellen, denn nur aus dem Abhängigkeitsbericht heraus können Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob für das abhängige Unternehmen nachteilige Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen mit dem herrschenden Unternehmen vorgenommen/getroffen wurden und zum Ausgleich solcher Nachteile Maßnahmen ergriffen werden müssen. Ohne den Abhängigkeitsbericht und die dazugehörige Schlusserklärung des Vorstandes/persönlich haftenden Gesellschafters erfährt der Kommanditaktionär nichts über die Abhängigkeit seines Unternehmens und der diesem möglicherweise drohenden Nachteile. Die Vorenthaltung dieser wesentlichen Informationen durch den persönlich haftenden Gesellschafter macht als Gesetzesverstoß auch seine Entlastung anfechtbar (Vgl. zu alledem BGHZ 61, 193 "Seitz"; OLG Stuttgart, a.a.O. bei Juris Rdn. 65; OLG Düsseldorf, NZG 2000, 314; Kropff, a.a.O. § 312 AktG Rdn. 74).
V.
In der hier gegebenen Situation begründet der Verstoß gegen § 312 AktG zugleich auch die Gesetzwidrigkeit der Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates, weshalb auch Klageantrag 3 Erfolg hat. Trotz der ansonsten gegenüber einer AG eingeschränkten Befugnisse des Aufsichtsrates der KgaA trifft auch den Aufsichtsrat der KgaA gem. §§ 278 Abs. 3 AktG die Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführung der KgaG (Förl/Fett, § 287 AktG Rdn. 3). Diese umfaßt gem. § 314 AktG auch die Pflicht zur Prüfung eines von dem persönlich haftenden Gesellschafter/Vorstand aufzustellenden Abhängigkeitsberichtes. Diese Prüfpflicht findet ihren Ausdruck auch in § 20 Abs. 1 der Satzung. Der Aufsichtsrat der Beklagten hat trotz evidenten Anhaltes für eine Abhängikeit der Beklagten nach §§ 312, 17 AktG keinerlei Prüfung dieser Abhängigkeit vorgenommen, obwohl ihm ein Wirtschaftsprüfer angehört. Er hat es versäumt, einen Abhängigkeitsbericht anzufordern und auf dessen ordnungsgemäße Vorlage hinzuwirken. Es fehlt an jeder Prüfungshandlung als solcher mit der Folge, dass auch dem Aufsichtsrat keine Entlastung zuteil werden konnte (Vgl. Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 314 Rdn. 5; OLG Düsseldorf, Urt. vom 19.11.1999 - 17 U 46/99 - zitiert nach Juris sowie AG 2000,365 ff).
VI.
Kein Erfolg beschieden ist dagegen dem Klageantrag 4. Eine anfechtungsrelevante Fehlleistung der KPMG im Geschäftsjahr 2006, die ihrer Wahl zum Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2007 entgegensteht, ist nicht schlüssig dargelegt. Die Verantwortlichkeit für die Entscheidung, einen Abhängigkeitsbericht nicht aufzustellen, liegt in erster Linie bei dem Vorstand bzw. hier der persönlich haftenden Kommanditgesellschafterin und - auf einer zweiten Ebene - bei dem den Vorstand überwachenden Aufsichtsrat. Die Prüfpflicht des Abschlussprüfers nach § 313 AktG bezieht sich dagegen nur auf den Inhalt des vom Vorstand errichteten Abhängigkeitsberichtes. Für ein kollusives Zusammenwirken des Vorstandes, des Aufsichtsrates und des Abschlussprüfers im Hinblick auf die Beurteilung der Voraussetzungen des § 312 AktG im Streitfall und deren sachwidrige Verneinung fehlt es an konkreten Anhaltspunkten. Sonstige Gründe, die eine Gesetzwidrigkeit der Entscheidung der Hauptversammlung über die Bestellung des Abschlussprüfers begründen könnten, trägt der Kläger nicht vor.
VII.
Da der Kläger mit seinen Klageanträgen 1 bis 3 bereits wegen des Verstoßes gegen § 312 AktG Erfolg hat, bedarf es keines Eingehens der Kammer mehr auf die zur Rechtfertigung dieser Anträge ergänzend vorgebrachten Anfechtungsgründe.
C. Zu den Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus § 709 ZPO.
Der Streitwert für das Verfahren wird auf 60.000,00 € festgesetzt (je 15.000,00 € für die Klageanträge 1 bis 4).
LG Düsseldorf:
Urteil v. 30.12.2008
Az: 41 O 102/07
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