Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. November 2007
Aktenzeichen: 19 W (pat) 335/04
(BPatG: Beschluss v. 26.11.2007, Az.: 19 W (pat) 335/04)
Tenor
Das Patent 195 04 470 wird aufrecht erhalten.
Gründe
I.
Für die am 10. Februar 1995 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung wurde die Erteilung des nachgesuchten Patents am 4. März 2004 veröffentlicht.
Das Patent betrifft einen Elektrischen Durchlauferhitzer.
Gegen das Patent hat die S... GmbH & Co. KG in H..., form- und fristgerecht Einspruch erhoben mit der Begründung, dass der Patentgegenstand nicht ausführbar offenbart sei und diesem auch keine erfinderische Tätigkeit zugrunde liege im Blick auf einen im Einzelnen genannten Stand der Technik.
Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent aufrecht zu erhaltenund das Vorbringen der Einsprechenden im Schriftsatz vom 20. November 2007 als verspätet zurückzuweisen.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet mit einer - an die Fassung der Einsprechenden angelehnten - eingefügten Gliederung:
"1.1 Elektrischer Durchlauferhitzer, 1.2 der zum Schalten einer Heizleistung auf seine elektrischen Heizkörper (9a bis 9d) elektronische Schaltelemente (23a bis 23d) aufweist, 1.3 welche von einer Steuerschaltung (19) in Abhängigkeit vom Warmwasserbedarf geschaltet sind und zu ihrer Kühlung thermisch an eine Zulaufleitung (5) des Durchlauferhitzers angekoppelt sind, dadurch gekennzeichnet, 1.a dass einzelne Heizkörper (9ad) unterschiedlich große Nennheizleistungen aufweisen und abgestuft bezüglich der Heizleistung speisbar sind, 1.b dass die Steuerschaltung (19) überprüft, ob die Zulauftemperatur ausreicht, um die Schaltelemente (23ad) bei vorgegebener Heizleistung ausreichend zu kühlen, und 1.c dass die Steuerschaltung (19), falls die Zulauftemperatur zu hoch ist, so dass trotz der Wasserkühlung die kritische Temperatur eines der Schaltelemente überschreiten würde, 1.c1 die vom betreffenden Schaltelement (23a) geschaltete Heizleistung reduziert und 1.c2 auf andere Heizkörper (9b, 9c) schaltet."
Dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 liegt die Aufgabe zugrunde, einen elektrischen Durchlauferhitzer bereitzustellen, der die wassergekühlten Schaltelemente im Wesentlichen unabhängig von der Zulauftemperatur ohne Abschalten des Durchlauferhitzers vor Überhitzung schützt (Absatz [0006] der PS).
Die Einsprechende ist der Ansicht, in der Patentschrift sei nicht offenbart, wie das Schaltelement erkannt werde, für welches die Wasserkühlung nicht ausreiche, um dann die Heizleistung des zugeordneten Heizelements zu reduzieren. Auch der Unterschied in der Ansteuerung sei in der Patentbeschreibung nur angedeutet, so dass die Erfindung von Fachmann nicht ausgeführt werden könne.
Im Übrigen sei dem Fachmann aus der US 4,638,147 bekannt, bei Durchlauferhitzern mit Heizkörpern unterschiedlicher Nenn-Heizleistung diese bedarfsweise getaktet zu betreiben mit der Folge einer verringerten Wärmebelastung der Triacs, so dass kein Abschalten des Durchlauferhitzers nötig sei. Die Verteilung der Heizleistung auf alle verbleibenden Heizkörper sei auch aus Gründen der vorgeschriebenen Lastsymmetrie am Netz und im Hinblick auf einer geringere Verkalkung und Korrosion nötig und üblich. Zumindest gelange der Fachmann aber durch Kombination der DE 39 06 603 C2 mit der US 4 638 147 zum Patentgegenstand.
Die Patentinhaberin trägt im Wesentlichen vor, dass der Fachmann die US 4,638,147 zur Lösung der Patentaufgabe nicht heranziehe, weil das Problem der Überhitzung der Triacs dort gar nicht angesprochen sei.
Auch keine der übrigen im Verfahren genannten Druckschriften offenbare die Kombination der Merkmale 1.c1 und 1.c2.
Im Übrigen sei für einen Fachmann, der aus dem Stand der Technik ohne weiteres zur anspruchsgemäßen Lösung gelange, die Erfindung im Streitpatent auch so deutlich und vollständig offenbart, dass er sie ausführen könne.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Einspruchsverfahren Gemäß der eindeutigen Zuständigkeitsregelung in § 147 Abs. 3 PatG in der Fassung vom 9. Dezember 2004 liegt die Entscheidungsbefugnis über den unstreitig zulässigen, am 30. Juni 2006, d. h. vor der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG noch anhängigen Einspruch bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts (vgl. auch BGH Beschluss vom 27. Juni 2007 X ZB 6/05 - Informationsübermittlungsverfahren II).
Dieser hatte aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden.
Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.
Als für die Beurteilung der Lehre des Streitpatents und des Standes der Technik zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Elektroingenieur (FH) mit Berufserfahrungen in der Entwicklung und dem Betrieb moderner, elektronisch geregelter Durchlauferhitzer an.
Die von der Patentinhaberin erhobene Rüge eines verspäteten Vorbringens dreier Druckschriften in der Eingabe vom 20. November 2007 - die mit der Frage einer möglicherweise erforderlichen Vertagung der mündlichen Verhandlung mit Kostenfolge für die Einsprechende verbunden sein könnte - brauchte nicht weiter nachgegangen zu werden, da schon aufgrund der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Sachaufklärung dem Sachantrag der Patentinhaberin stattzugeben war.
2. Offenbarung der Erfindung Das Streitpatent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass der Fachmann sie ausführen kann.
Den von der Einsprechenden in der Patentschrift vermissten Hinweisen darauf, wie ein überlastungsgefährdetes Schaltelement erkannt werden kann, bedurfte es nicht, weil solches zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns gehört. Denn die Betriebstemperatur eines elektronischen Schaltelements ist mit geeigneten, allgemein bekannten Sensoren, z. B. mit Thermoelementen, ermittelbar, und die zur Verfügung stehende thermische Reserve kann entweder aus Datenblättern oder durch wenige gezielte Versuche im interessierenden Parameterbereich ermittelt oder abgeschätzt werden.
Dass schon dem erteilten Patentanspruch 1 geeignete Heizmuster zugrunde liegen, auf welche die Steuerung im normalen Betrieb (Merkmal 1.b) und für den Fall drohender Überhitzung (Merkmale 1.c1 und 1.c2) bedarfsweise zugreift, wird vom Fachmann mitgelesen, weil schon bei der Aufteilung der maximalen Nennleistung auf mehrere Heizkörper beim Entwurf eines Durchlauferhitzers auf eine geeignete Abstufung regelmäßig zu achten ist.
Die Patentbeschreibung erläutert dieses auch noch anhand eines konkreten Beispiels (Fig. 2 und 4 i. V. m. [0022]), so dass dem Fachmann die entscheidende Richtung gewiesen wird, in der er aus seinem Fachwissen heraus eine geeignete Steuerung konzipieren kann.
3. Neuheit Der Gegenstand gemäß dem Patentanspruch 1 ist neu.
Aus der DE 39 06 603 C2 ist in Übereinstimmung mit dem erteilten Patentanspruch 1 bekannt ein 1.1 Elektrischer Durchlauferhitzer (Titel)
1.2 der zum Schalten einer Heizleistung auf seine elektrischen Heizkörper 6 elektronische Schaltelemente 7 aufweist (Figur mit Text)
1.3 welche von einer Steuerschaltung 8 in Abhängigkeit vom Warmwasserbedarf geschaltet sind und zu ihrer Kühlung thermisch an eine Zulaufleitung 3 des Durchlauferhitzers angekoppelt sind (Sp. 3 Z. 15 bis 29), wobei 1.a (teilweise) dass einzelne Heizkörper 6 abgestuft bezüglich der Heizleistung speisbar sind (Sp. 3 Z. 29 bis 34), 1.b dass die Steuerschaltung 8 überprüft, ob die Zulauftemperatur ausreicht, um die Schaltelemente 7 bei vorgegebener Heizleistung ausreichend zu kühlen (Sp. 3 Z. 35 bi 58).
Wenn die Kühlung nicht ausreicht, wird der bekannte Durchlauferhitzer abgeschaltet (Sp. 3 Z. 46 bis 66 und Sp. 4 Z. 30 bis 35).
Demnach unterscheidet sich der Anspruchsgegenstand vom bekannten dadurch, 1.a (Rest) dass einzelne Heizkörper unterschiedlich große Nennheizleistungen aufweisen, 1.c dass die Steuerschaltung, falls die Zulauftemperatur zu hoch ist, so dass trotz der Wasserkühlung die kritische Temperatur eines der Schaltelemente überschreiten würde, 1.c1 die vom betreffenden Schaltelement geschaltete Heizleistung reduziert und 1.c2 auf andere Heizkörper schaltet.
Aus der US 4,638,147 bekannt ist ein 1.1 Elektrischer Durchlauferhitzer 10, 1.2 der zum Schalten einer Heizleistung auf seine elektrischen Heizkörper 17 - 21 elektronische Schaltelemente 23 - 27 aufweist, 1.3 (teilweise) welche von einer Steuerschaltung 30, 45 in Abhängigkeit vom Warmwasserbedarf geschaltet sind (Sp. 5 Z. 44 bis 47) und zu ihrer Kühlung thermisch angekoppelt sind, wobei 1.a einzelne Heizkörper 17 - 21 unterschiedlich große Nennheizleistungen aufweisen (Fig. 3 und Sp. 6 Z. 55 bis 59) und abgestuft bezüglich der Heizleistung speisbar sind (Sp. 7 Z. 11 bis 15).
Abweichend vom Restmerkmal 1.3 im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 sind dort die elektronischen Schaltelemente nicht an die Zulaufleitung 12 thermisch angekoppelt sondern an den Behälter 16 (Sp. 8 Z. 27 bis 32).
Weitergehende Maßnahmen gegen eine Überhitzung der Schaltelemente sind dort nicht angesprochen, so dass sich der anspruchsgemäße Durchlauferhitzer darüber hinaus durch alle Merkmale 1.b bis 1.c2 vom bekannten unterscheidet.
Beim dem aus DE 41 06 273 C1 bekannten Durchlauferhitzer sind außer der Kühlung der Triacs 7 durch zufließendes Kaltwasser keine weiteren Maßnahmen vorgesehen (Sp. 1 Z. 56 bis Sp. 2 Z. 7), während die DE 42 11 590 C1 zur Verhinderung einer Überhitzung lediglich einen Zusatzlüfter 8 vorsieht, so dass sich in keiner der beiden Druckschriften die Merkmale 1.c bis 1.c2 bekannt sind.
Gegenüber der DE 41 30 337 C2 ist der Patentgegenstand schon deshalb neu, weil diese keinen Durchlauferhitzer mit wassergekühlten Schaltelementen betrifft sondern eine elektrische Heizeinheit mit einer Heizfläche, insbesondere Glaskeramik-Kochstellen (Bezeichnung und [0020]).
Die DE 42 08 602 A 1 offenbart für die beispielsweise vorgesehenen Triacs (Sp. 2 Z. 25 und 26) keinerlei Maßnahmen zur Kühlung.
4. Erfinderische Tätigkeit Die Vorrichtung gemäß dem Patentanspruch 1 ergibt sich für den Fachmann auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Schon für den aus DE 39 06 603 C2 bekannten Durchlauferhitzer wird die vom Benutzer unerwartet hinzunehmende Abschaltung als "störend" bezeichnet, so dass sich die Patentaufgabe, einen elektrischen Durchlauferhitzer bereitzustellen, der die wassergekühlten Schaltelemente im Wesentlichen unabhängig von der Zulauftemperatur ohne Abschalten des Durchlauferhitzers vor Überhitzung schützt, dem Fachmann aufgrund des mangelnden Komforts bei der praktischen Anwendung stellt.
Zur Lösung dieser Aufgabe wird der Fachmann jedoch die US 4,638,147 nicht in Betracht ziehen, weil diese - wie die Patentinhaberin zur Überzeugung des Senats in der mündlichen Verhandlung zutreffend ausgeführt hat - sich nicht mit dem Problem der Überhitzung der Schaltelemente befasst.
Dass eine gleichmäßige Verteilung einer gewünschten Heizleistung eine verringerte Bauteilerwärmung zur Folge hat, ist eine platte Selbstverständlichkeit. Deshalb könnte der Fachmann ausgehend von dem Durchlauferhitzer gemäß DE 39 06 603 C2 nur in Kenntnis der Erfindung - d. h. durch eine unzulässige rückschauende Betrachtung - den Schluss ziehen, anstelle einer Abschaltung des gesamten Gerätes eine Entlastung des betreffenden Heizelementes durch geeignete Umverteilung der erforderlichen Heizleistung vorsehen, wie sie der erteilte Patenanspruch 1 schon durch seine Anspruchsmerkmale 1.c bis 1.c2 lehrt.
Die DE 42 11 590 C1 weist dem Fachmann mit dem bedarfsweise einzuschaltenden Zusatzlüfter 8 einen ganz anderen Weg, eine Abschaltung des Gerätes wegen drohender Überhitzung der Schaltelemente aufgabengemäß zu vermeiden.
Die in der DE 41 30 337 C2 vorgesehene Umverteilung der Heizleistung zwischen verschiedenen Heizkörpern (insbes. [0008] und [0011]) dient dort allein der Bereitstellung einer gewünschten Temperaturverteilung innerhalb der Heizfläche ([0003] und [0007]); mögliche Rückwirkungen auf die Erwärmung der elektronischen Schaltelemente sind dort ebenso wenig angesprochen wie Maßnahmen zu deren Verhinderung.
Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob der Fachmann eine Kochfelder betreffende Druckschrift bei der Weiterentwicklung von Durchlauferhitzern überhaupt in Betracht zieht.
Die DE 42 08 602 A1 betrifft den netzrückwirkungsarmen Betrieb von Durchlauferhitzern mit minimierter Oberflächenbelastung (Sp. 1 Z. 51 bis 59) und enthält keinerlei Hinweise auf mögliche Probleme der Schaltelementekühlung.
Zur Angabe der anspruchsgemäßen Lösung bedurfte es deshalb einer über übliches fachmännisches Handeln hinausgehenden erfinderischen Tätigkeit.
Mit dem Patentanspruch 1 hat das Patent auch im Umfang der erteilten Unteransprüche Bestand.
Bertl Dr. Kaminski Groß
Zimmerer Be
BPatG:
Beschluss v. 26.11.2007
Az: 19 W (pat) 335/04
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