Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Mai 2009
Aktenzeichen: 24 W (pat) 11/08

(BPatG: Beschluss v. 12.05.2009, Az.: 24 W (pat) 11/08)

Tenor

Auf die Beschwerde der IR-Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 IR des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. Januar 2004 und vom 29. November 2007 aufgehoben.

Gründe

I.

Die international registrierte Marke (Wort-/Bildmarke)

beansprucht für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Schutz für folgende Dienstleistungen:

35 Transmission de savoirfaire commercial (franchising) en ce qui concerne l'organisation, l'ouverture ainsi que la gestion et la direction des Marches Cash & Carry, restaurants, installations similaires dans le domaine de la restauration ainsi que des commerces de detail.

36 Conseil financier et financement en ce qui concerne l'organisation, l'ouverture ainsi que la gestion et al direction des Marches Cash & Carry, restaurants, installations similaires dans le domaine de la restauration ainsi que des commerces de detail.

42 Transmission de savoirfaire technique (franchising) ainsi que la procuration de licence pour la gestion de Marches Cash & Carry, restaurants, installations similaires dans le domaine de la restauration ainsi que de commerces des detail.

Mit Beschlüssen vom 8. Januar 2004 und vom 29. November 2007, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 42 IR des Deutschen Patentund Markenamts der IR-Marke 766 954 den Schutz in Deutschland wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert (§§ 107, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG; Art. 5 Abs. 1 MMA i. V. m. Art. 6quinquies Abschnitt B Satz 1 Nr. 2 PVÜ). Der Wortbestandteil der schutzsuchenden Marke "bon appetit" werde von den inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres im Sinne der allgemeinen Höflichkeitsformel "Guten Appetit" verstanden. Der Ausdruck gehöre zum Grundwortschatz der französischen Sprache und werde auch im deutschsprachigen Raum auf dem Gastronomiesektor als werbende Anpreisung verwendet. Im Zusammenhang mit den beanspruchten, im Lebensmittelund Gastronomiebereich angesiedelten Dienstleistungen sei die Wortfolge "bon appetit" ein werblicher Hinweis auf das Ziel und den Zweck der Dienstleistungen, nämlich zufriedene Kunden zu bekommen, denen man einen "bon appetit" wünschen könne. Die schlagwortartige Bezeichnung spreche insbesondere den Fachverkehr direkt im Sinne einer Aufforderung zur Inanspruchnahme der Dienstleistungen an und werde daher nicht als betrieblicher Herkunftshinweis angesehen. Die graphische Gestaltung der Marke sei nicht geeignet, die Unterscheidungskraft und damit die Schutzfähigkeit des Zeichens zu begründen. Die drei oberhalb des Buchstabens "e" angeordneten bildlichen Elemente, die man als Akzent über dem "e" oder als Hinweis auf warmes, noch dampfendes Essen deuten könne, seien verzierende graphische Elemente, an die der Verkehr gewöhnt sei und die schon aufgrund ihrer geringen Größe nicht geeignet seien, dem schutzsuchenden Zeichen den Eindruck einer betrieblichen Herkunftskennzeichnung zu verleihen.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der IR-Markeninhaberin. Sie macht geltend, dass der schutzsuchenden Marke das erforderliche, aber auch ausreichende Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden könne. Dem Zeichen könne in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen kein unmittelbar beschreibender Sinngehalt entnommen werden. Zwar sei es möglich, dass der Ausdruck "bon appetit" nicht nur als Wunsch anlässlich der Einnahme einer Mahlzeit gebräuchlich sei, sondern auch als Werbeaussage zur Hervorrufung positiver Assoziationen eingesetzt werde. Damit könne die Wortkombination aber allenfalls in Bezug auf Gastronomiedienstleistungen einen beschreibenden oder werblichen Sinngehalt aufweisen. Der Markenstelle könne aber nicht gefolgt werden, wenn sie meine, die Wortfolge werde auch im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen nur als werblicher Hinweis auf das Ziel und den Zweck der Dienstleistungen verstanden. Insbesondere ergäben sich auch aus den von der Markenstelle übermittelten Verwendungsbeispielen keine Anhaltspunkte dafür, dass das schutzsuchende Zeichen nicht zur Unterscheidung der von der Markeninhaberin beanspruchten Dienstleistungen geeignet sei. Die Marke genieße schließlich auch in französischsprachigen Ländern wie Frankreich, Schweiz und Belgien Schutz. Im Übrigen stehe die Schutzverweigerung hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Marke im Widerspruch zur Praxis des Deutschen Patentund Markenamts und des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt. Das Deutsche Patentund Markenamt habe bereits eine Reihe von Marken mit dem Bestandteil "bon appetit" eingetragen. Die Markenstelle habe sich in den angefochtenen Beschlüssen nicht mit diesen Voreintragungen auseinandergesetzt und verletze daher mit der Schutzverweigerung das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Abs. 1 GG und den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung nach Artikel 20 Abs. 3 GG. Im Übrigen könne der schutzsuchenden Marke die Unterscheidungskraft auch im Hinblick auf die graphische Ausgestaltung nicht abgesprochen werden. Schließlich bestehe an der schutzsuchenden Marke auch kein Freihaltebedürfnis i. S. des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Die Markeninhaberin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der IR-Markeninhaberin hat in der Sache Erfolg. Dem Schutz der IR-Marke stehen für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland keine absoluten Schutzhindernisse gemäß §§ 107, 113, 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3, Art. 5 Abs. 1 MMA i. V. m. Art. 6 quinquies Abschnitt B Satz 1 Nr. 2 PVÜ entgegen. Insbesondere kann der IR-Marke nicht jede Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2, 1. Alt. PVÜ abgesprochen werden.

Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr.; EuGH GRUR 2006, 229, 230 [Nr. 27 ff.] -BioID; BGH GRUR 2003, 1050 -Cityservice; GRUR 2006, 850, 854 -FUSS-BALL WM 2006; GRUR 2008, 1093, 1094 [Nr. 13] -Marlene-Dietrich-Bildnis).

Keine Unterscheidungskraft kommt zunächst solchen Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 -BerlinCard). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu der betreffenden Ware oder Dienstleistung hergestellt wird (BGH GRUR 2006, 850, 854 -FUSSBALL WM 2006; GRUR 1998, 465, 468 -BONUS). Die Eignung, Produkte ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, kommt schließlich auch solchen Angaben nicht zu, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer gängigen Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2006, 850, 854-FUSSBALL WM 2006; GRUR 2001, 1042 -REICH UND SCHÖN; GRUR 2001, 1043, 1044 -Gute Zeiten -Schlechte Zeiten). Dabei darf die Prüfung, ob das erforderliche Maß an Unterscheidungskraft vorhanden ist, nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern muss streng und vollständig sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu vermeiden (EuGH 2003, 604, 607 [Nr. 57 -59] -Libertel; GRUR 2004, 674, 680 [Nr. 123 -125] -Postkantoor; GRUR 2004, 1027, 1030 [Nr. 45] -DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT). Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Marke in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

Die Markenstelle ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Wortbestandteil der IR-Marke die französische Übersetzung für "Guten Appetit" ist und dass aus nach Meinung der Markeninhaberin vergleichbaren Voreintragungen kein Anspruch auf Schutzgewährung im vorliegenden Fall abgeleitet werden kann (zuletzt bestätigt durch EuGH BlPMZ 2009, 197, 198 f. -Schwabenpost). Sie hat aber zu Unrecht angenommen, dass dem schutzsuchenden Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt.

Der Aussage "bon appetit" mag im Zusammenhang mit Lebensmitteln und Dienstleistungen auf dem Gebiet der Gastronomie als lediglich anpreisender Angabe die Eignung zur Unterscheidung der betrieblichen Herkunft der so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen fehlen. Für die vorliegend beanspruchten Dienstleistungen kann dies aber nicht angenommen werden. Diese beziehen sich zwar u. a. auf den Bereich der Gastronomie, stellen aber keine Gastronomiedienstleistungen im eigentlichen Sinne dar. Vielmehr bestimmen hier das Zurverfügungstellen von betriebswirtschaftlichem und technischem Knowhow sowie die Beratung auf finanziellem Gebiet den Charakter der Dienstleistungen. Der Formel "bon appetit" kann daher insoweit die Unterscheidungskraft nicht mit dem Hinweis darauf abgesprochen werden, dass es sich hierbei um eine Angabe handle, die sich auf Umstände beziehe, die die beanspruchten Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar beträfen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Dienstleistungen hergestellt werde (BGH GRUR 2006, 850, 854 -FUSSBALL WM 2006; GRUR 1998, 465, 468 -BONUS). Die Redewendung "bon appetit" stellt schon keinen unmittelbaren Hinweis auf den Bereich der Gastronomie dar, sondern enthält nur eine indirekte Andeutung hierauf. Sie ist daher allenfalls geeignet, eine Assoziation zu dem Wirtschaftszweig herzustellen, für den die beanspruchten Dienstleistungen erbracht werden.

Anhaltspunkte dafür, dass das Zeichen nur im Wortsinn verstanden würde, liegen ebenfalls nicht vor. Die beanspruchten Dienstleistungen richten sich nicht an Endverbraucher, sondern an die Betreiber von Gastronomiebetrieben und Einzelhandelsgeschäften und damit an einen Fachverkehr, der diese Dienstleistungen unter betriebswirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten als für den Betrieb eines Gewerbes notwendig oder nützlich in Anspruch nimmt. In diesem Zusammenhang liegt die Annahme fern, dass die Wortfolge "bon appetit" ausschließlich als Höflichkeitsformel verstanden wird.

Nachdem der Wortbestandteil "bon appetit" der IR-Marke für die beanspruchten Dienstleistungen kein unmittelbar merkmalsbeschreibender Bedeutungsgehalt entnommen werden kann, steht dem Schutz der IR-Marke in Deutschland auch das Schutzhindernis einer beschreibenden Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2, 2. Alt. PVÜ nicht entgegen. Ebenso wenig besteht die IR-Marke aus einer im Verkehr für die fraglichen Dienstleistungen üblichen Bezeichnung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, Art. 6 quinquies Abschnitt B Nr. 2, 3. Alt. PVÜ.

Anhaltspunkte für das Vorliegen sonstiger absoluter Schutzhindernisse sind nicht ersichtlich und von der Markenstelle im Übrigen auch nicht innerhalb der Jahresfrist des Art. 5 Abs. 2 MMA dem Internationalen Büro der WIPO mitgeteilt worden.

Hacker Eisenrauch Kober-Dehm Bb






BPatG:
Beschluss v. 12.05.2009
Az: 24 W (pat) 11/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d6fce7d3343f/BPatG_Beschluss_vom_12-Mai-2009_Az_24-W-pat-11-08




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share