Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 18. November 2003
Aktenzeichen: 4 U 105/03

(OLG Hamm: Urteil v. 18.11.2003, Az.: 4 U 105/03)

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 7. August 2003 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung der Antragsgegnerin ist unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht einen Unterlassungsanspruch der Antragstellerin wegen der beanstandeten Regenwaldkampagne der Antragsgegnerin nach § 1 UWG bejaht, soweit für diese Kampagne mit den verbotenen Werbespots und der Aussage in dem Flyer geworben wird.

Diese Werbeaussagen verstoßen gegen die guten Sitten im Wettbewerb im Sinne des § 1 UWG, soweit sie pauschal einen Kasten Bier der Antragsgegnerin mit dem Schutz eines Quadratmeter Regenwaldes in Afrika gleichsetzen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Ergänzend wird folgendes ausgeführt:

Mit dem Landgericht sieht auch der Senat die Unlauterkeit der angegriffenen Werbekampagne nicht in einem psychischen Kaufzwang (vgl. dazu Bottenschein WRP 2002, 1107) oder einer übermäßig gefühlsbetonten Werbung (vgl. dazu Hösch, WRP 2003, 936, 943). Auch wenn die Werbung der Antragsgegnerin sehr einnehmend sein mag, so entwickelt sie doch noch keine solche Suggestivkraft, dass die Verbraucher dadurch gleichsam blind für konkurrierende Getränkeangebote werden.

Das Unlauterkeitsmoment liegt vielmehr - wie schon in der ersten "Regenwald"-Entscheidung des Senats dargetan (Urteil vom 12. November 2002 - Aktenzeichen 4 U 109/02 - WRP 2003, 396 - Regenwald-Projekt) - in der fehlenden Transparenz und begrifflichen Genauigkeit der versprochenen Hilfeleistung, die die Antragsgegnerin mit Hilfe des Bierkonsums ihrer Kunden leisten will und kann. Die beanstandete Spendenformel erweckt größere Schutzerwartungen, als die Antragsgegnerin wahrhalten kann.

Soweit das Landgericht im Anschluss an die erwähnte Senatsentscheidung im angefochtenen Urteil ausführt, dass bei der Koppelung einer Ware mit einer Sponsoring-Leistung letztere genau umrissen werden müsse, ist das allerdings nicht so zu verstehen, dass der Werbende seine Sponsoring-Leistung gewissermaßen auf Heller und Pfennig offenlegen muss. Denn die Vorschrift des § 1 UWG hat nicht den Zweck, über die für Preisangaben geltenden Vorschriften hinaus die Gewerbetreibenden anzuhalten, in der Werbung die Elemente ihrer Preisbemessung nachvollziehbar darzustellen, um Preisvergleiche zu erleichtern (BGH NJW 2003, 1671 - Gesamtpreisangebot). Ob das so auch dann gilt, wenn dem Verbraucher Preisvergleiche wie hier gar nicht möglich sind, weil der Kasten Bier der Antragsgegnerin - wie diese in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich eingeräumt hat - vor und nach der Werbekampagne denselben Preis hatte, kann hier dahingestellt bleiben.

Denn § 1 UWG hat jedenfalls auch den Zweck, den Verbraucher vor unlauterer Beeinflussung zu schützen. Dies ist bei einer Werbung für ein Koppelungsgeschäft, das in besonderer Weise anlockend wirkt, der Fall, wenn nur unzureichend über dessen Zusammensetzung informiert wird und dadurch die Gefahr einer unlauteren Beeinflussung der Verbraucher durch Täuschung über den tatsächlichen Wert der Zusatzleistung gegeben ist (BGH am angegebenen Ort --Gesamtpreisangebot). Eine solche unlautere Beeinflussung des Verbrauchers ist hier gegeben, wenn die Antragsgegnerin für jeden gekaufen Kasten Bier verspricht, einen Quadratmeter Regenwald in Afrika zu schützen. Denn dieses direkt proportionale Versprechen kann die Antragsgegnerin nicht wahrhalten. Wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich betont hat, will sie vom Verbraucher bei ihrem Werbeslogan durchaus beim Wort genommen werden. Der Werbeslogan soll nicht nur in übertragenem Sinne allgemein ein besonderes Umweltengagement der Antragsgegnerin herausstellen, dessen Umfang aber erkennbar im einzelnen offenbleiben soll. Der Werbeslogan "ein Kasten Bier = ein Quadratmeter Schutz des Regenwaldes" soll keine inhaltsleere Floskel sein, sondern das Umweltengagement der Antragsgegnerin tatsächlich beschreiben.

Die Antragsgegnerin verspricht damit aber etwas, was sie nicht wahrhalten kann. Durch die Gleichsetzung von einem Kasten Bier und einem Quadratmeter eines nachhaltig geschützten Regenwaldes wird mehr versprochen als nur die Ablieferung einer Spende an eine Umweltorganisation, hier die Regenwaldstiftung des WWF. Der Verkehr weiß, dass es bei Naturschutzgebieten in ganz besonderer Weise um die flächenmäßige Ausdehnung geht. An diese Vorstellung knüpft die Antragsgegnerin mit ihrer Werbung an. Versprochen wird nicht nur die Unterstützung verschiedener Aktionen, sondern ein gebietsweiser Schutz. Damit geht die Aktion der Antragsgegnerin über allgemeines Umweltsponsoring hinaus. Der Biertrinker glaubt aufgrund der Gleichsetzung, dass das Schutzgebiet in seiner Ausdehnung umso größer wird, je mehr Kisten Bier der Antragsgegnerin er trinkt.

Die Antragsgegnerin macht es sich hier zunutze, dass nach der Lebenserfahrung die Spendenbereitschaft um so größer ist, je konkreter und objektbezogener deren Verwendungszweck ist, je mehr der Spender also an Erfolg gerade seiner Spende sehen kann. Deshalb werden gerade auch im sozialen Bereich vielfach Patenschaften angeboten, damit der Spender die Entwicklung seines "Patenkindes" verfolgen kann, den Erfolg gerade seiner Spende erleben kann, dass seine Spende also nicht in einem anonymen Spendenaufkommen untergeht.

Gerade diesen Schritt aus der Anonymität der Spende geht die Antragsgegnerin mit der beanstandeten Werbekampagne. Sie suggeriert damit dem Verbraucher, dass er mit seinem Bierkonsum nicht nur allgemein etwas für die Erhaltung des Regenwaldes tut, sondern dass er sich seine Schutzfläche gewissermaßen ertrinken kann, Hilfe leisten kann, die tatsächlich, sogar quadratmeterweise, ankommt.

Dieses Versprechen, das also gleichsam in die Fläche geht, kann die Antragsgegnerin aber nicht einlösen.

Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Antragsgegnerin nicht plausibel darlegen können, dass ihr Umweltsponsoring tatsächlich so aussieht, dass es die Gleichsetzung von einem Kasten Bier mit einem Quadratmeter geschützten Regenwaldes rechtfertigen könnte. Insoweit sind ihre Ausführungen nicht über das hinausgegangen, was schon in ihrem Werbeflyer (vgl. Bl. 8 d.A.) steht, was nämlich, prozentual aufgeschlüsselt, mit einem Euro als Spende geschieht. Danach erschöpft sich das Engagement der Antragsgegnerin in der Unterstützung verschiedener Aktionen. Das ist aber nicht der direkt proportionale Schutz, den der beanstandete Werbeslogan verspricht.

Der Senat verkennt nicht, dass ein höheres Spendenaufkommen sich anders auswirkt als ein geringeres. So können etwa 100 Ranger ein größeres Naturschutzgebiet als nur 10 beaufsichtigen. Können viele Holzschlagrechte erworben werden, kann illegaler Holzeinschlag auf einem größeren Gebiet verhindert werden, als wenn nur wenige Holzschlagrechte erworben werden können.

Das ist aber nicht der direkte proportionale Schutz, den der beanstandete Werbeslogan verspricht. Man mag zwar durch eine wirtschaftliche Berechnung, in die man die wichtigsten Kostenfaktoren einstellt, den Betrag ermitteln können, der für ein bestimmtes Naturschutzgebiet dann den Durchschnittswert bildet, der je Quadratmeter Schutzfläche anzusetzen ist. Dies ist dann aber ein rein theoretischer Wert, der lediglich etwas über das Gesamtverhältnis der Fläche zu den Kosten aussagt.

Die griffige Formulierung der Antragsgegnerin von einem Kasten Bier = ein Quadratmeter geschützter Regenwaldfläche suggeriert dem Verbraucher aber mehr an Schutz. Dieses "Mehr" ihrer Kampagne wird von der Antragsgegnerin aber tatsächlich nicht wahrgehalten.

Auch nach den Erörterungen im Senatstermin muss es dabei bleiben, dass lediglich eine mittelbare Beziehung zwischen der Anzahl der verkauften Kästen Bier und dem Umfang der geschützten Fläche besteht, nämlich dergestalt, dass dieser Schutz allgemein umso größer und intensiver gewährt werden kann, je höher das Spendenaufkommen ist, und dass dieses Spendenaufkommen umso höher ist, je mehr Kästen Bier die Antragsgegnerin verkaufen kann. Damit wird aber lediglich die Höhe des Spendenaufkommens an den Umsatz insgesamt geknüpft, was die beworbene Gleichsetzung und damit das Versprechen eines direkt proportionalen Schutzes nicht rechtfertigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entsscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 18.11.2003
Az: 4 U 105/03


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