Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. März 2005
Aktenzeichen: 23 W (pat) 331/03
(BPatG: Beschluss v. 03.03.2005, Az.: 23 W (pat) 331/03)
Tenor
Das Patent wird widerrufen.
Gründe
I Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 D des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 22. September 2000 eingegangene Patentanmeldung das am 18. Juni 2003 veröffentlichte Patent 100 47 113 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Sensoreinrichtung" erteilt.
Die Firma i... gmbh, Teichstraße in E..., hat mit Schriftsatz vom 18. September 2003, beim Patentamt per Telefax eingegangenen am selben Tag, Einspruch erhoben und beantragt, das Streitpatent zu widerrufen. Als Widerrufsgründe hat sie geltend gemacht, daß der Gegenstand des Streitpatents - über den Inhalt der zugrundeliegenden Patentanmeldung hinausgehe (§ 59 Abs 1 Satz 3 iVm § 21 Abs 1 Nr 4 PatG) und - nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig sei (§ 59 Abs 1 Satz 3 iVm § 21 Abs 1 Nr 1 PatG), wobei sie zum Stand der Technik auf die Literaturstelle - Prof. Dr. Helmut F. Schlaak "Mikrorelais in Mikrotechnologie - Grenzen und Potentiale", veröffentlicht iVm der 15. VDE-Fachtagung 1999 (Druckschrift D1)
verwiesen und die Auffassung vertreten hat, daß der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nach dieser Druckschrift nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Im Prüfungsverfahren sind zum Stand der Technik zudem die Entgegenhaltungen - DE 198 54 450 C2 (Druckschrift D2)
- DE 42 05 029 C1 (Druckschrift D3)
- DE 198 46 639 A1 (Druckschrift D4)
- JP 6060788 A mit dazugehörigem englischsprachigen Patent Abstract of Japan (Druckschrift D5) und - DE 41 00 634 A1 (Druckschrift D6)
in Betracht gezogen worden, von denen die Druckschrift D2 zwar nachveröffentlicht, als dazugehörige Offenlegungsschrift jedoch vorveröffentlicht ist.
Die Patentinhaberin hat mit Schriftsätzen vom 16. November 2004 und 3. Februar 2005 beantragt, den Einspruch in vollem Umfang zurückzuweisen und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten.
Sie tritt dem Vorbringen der Einsprechenden in allen wesentlichen Punkten entgegen und ist der Auffassung, daß die erfindungsgemäße Lehre ursprünglich offenbart sei und daß der Gegenstand des Patents gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 bis D6 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Außerdem macht sie geltend, daß die Vorveröffentlichung der Druckschrift D1 nicht belegt sei.
Der Einspruch ist von der Einsprechenden mit Schriftsatz vom 25. Februar 2005 zurückgenommen worden.
Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 25. Februar 2005 - per Fax eingegangen am selben Tag - die Teilung des Streitpatents erklärt.
Zur mündlichen Verhandlung am 3. März 2005 ist für die ordnungsgemäß geladene Patentinhaberin - wie angekündigt - niemand erschienen.
Die geltenden nebengeordneten erteilten Patentansprüche 1 und 22 lauten:
"1. Sensorvorrichtung, insbesondere Grenzwertsensor-Vorrichtung, mit einer Sensoreinrichtung zum Nachweis einer Messgröße, mit einer der Sensoreinrichtung zugeordneten Schalteinrichtung (1) zum Schalten eines Lastkreises (15, 16, 17), wobei die Schalteinrichtung (1) zu ihrer Ansteuerung einen Steuerkreis mit Steueranschlüssen (4, 25) aufweist, mit welchen die Sensoreinrichtung in Wirkverbindung steht, wobei die Schalteinrichtung (1) einen mit Hilfe des Steuerkreises (4, 25) schaltbaren und von diesem galvanisch getrennten Ausgangskreis (10) mit Ausgangsanschlüssen aufweist, bei welchen in mindestens einem Schaltzustand eine galvanische Trennung gegeben ist, wobei die Schalteinrichtung (1) als Mikro-Einrichtung mit nahezu leistungsloser Ansteuerung ausgebildet ist, wobei die Sensoreinrichtung zum Nachweis von Gegenständen und/oder fluiden Stoffen ausgelegt ist, wobei die Sensoreinrichtung lastkreisunabhängig ausgebildet ist undwobei der Lastkreis (15, 16, 17) in direkter Wirkverbindung mit dem Ausgangskreis (10) der Schalteinrichtung angeordnet ist.
22. Verwendung einer Mikro-Einrichtungmit einem Steuerkreis mit Steueranschlüssen (4, 25) zur nahezu leistungslosen Ansteuerung der Mikro-Einrichtung, mit einem mittels des Steuerkreises schaltbaren und von diesem galvanisch getrennten Ausgangskreis (10) mit Ausgangsanschlüssen, welche ihrerseits in mindestens einem Schaltzustand eine galvanische Trennung aufweisen, als Schalteinrichtung (1) zum Schalten eines Lastkreises (15, 16, 17) in einer Sensorvorrichtung, insbesondere einer Grenzwertsensor-Vorrichtung, mit einer Sensoreinrichtung zum Nachweis einer Messgröße, wobei die Sensoreinrichtung mit dem Steuerkreis der Mikro-Einrichtung in Wirkverbindung steht, wobei die Sensoreinrichtung zum Nachweis von Gegenständen oder fluiden Materialien ausgebildet ist, wobei die Sensoreinrichtung lastkreisunabhängig ausgebildet ist undwobei der Lastkreis in direkter Wirkverbindung zu dem Ausgangskreis (4, 25) der Schalteinrichtung angeordnet ist."
Hinsichtlich der erteilten Unteransprüche 2 bis 21 wird auf die Streitpatentschrift und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Zuständigkeit des (technischen) Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs 3 Satz 1 Nr 1 PatG. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Januar 2005 eingelegt worden ist.
Nach Rücknahme des Einspruchs bleibt das Bundespatentgericht auch für das gemäß § 61 Abs 1 Satz 2 PatG regelmäßig von Amts wegen fortzusetzende Einspruchsverfahren zuständig. Die Verfahrensbeteiligung der Einsprechenden endet allerdings mit der wirksamen Einspruchsrücknahme (Schulte PatG, 7. Aufl, § 61 Rdn 23).
Wer - wie vorliegend die Patentinhaberin - zur mündlichen Verhandlung freiwillig nicht erscheint, begibt sich seines Rechts auf rechtliches Gehör in mündlicher Form. Er muß daher auch mit einer in der mündlichen Verhandlung erörterten Entscheidungsgrundlage - hier mangelnde Patentfähigkeit des Streitpatentgegenstandes gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift D4, zu der die Patentinhaberin schriftsätzlich Stellung genommen hat - rechnen (vgl hierzu Schulte, PatG, 7. Aufl, Einleitung Rdn 233 und 234).
III Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl hierzu BGH Mitt 2003, 388, amtliche Leitsätze - "Basisstation"; Mitt 2002, 526, amtlicher Leitsatz - "Sammelhefter") hindert die Teilungserklärung nicht den Fortgang des Einspruchsverfahrens und eine abschließende Entscheidung über das Stammpatent. Begehrt die Patentinhaberin eine Entscheidung über das Stammpatent, so kommt es auf das Schicksal der Trennanmeldung nämlich in der Regel schon deshalb nicht an, weil durch die Teilung nichts abgetrennt werden muß. Maßgeblich ist alleine, ob die Rechtsverfolgung der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren - wie vorliegend - eine abschließende Entscheidung zuläßt.
IV Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet, denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung war das Streitpatent zu widerrufen.
1. Zulässigkeit des Einspruchs Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin zwar nicht in Frage gestellt worden. Jedoch haben Patentamt und Gericht auch ohne Antrag der Patentinhaberin die Zulässigkeit des Einspruchs in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen zu überprüfen (vgl Schulte, PatG, 7. Aufl, § 59, Rdn 145), da ein unzulässiger - einziger - Einspruch zur Beendigung des Einspruchsverfahrens ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents führt (vgl hierzu Schulte, PatG, 7. Aufl, § 61, Rdn 24; BGH GRUR 1987, 513, II.1. - "Streichgarn").
Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs bestehen im vorliegenden Fall aber insofern keine Bedenken, als die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 u.a. den Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung geltend gemacht hat und jedenfalls diesen ausreichend substantiiert hat, d.h. die Tatsachen im einzelnen angegeben hat, aus denen sich ergeben soll, daß das Streitpatent zu widerrufen ist (vgl hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, li Sp, Abs 1 - "Epoxidation"; Schulte, PatG, 7. Aufl, § 59 Rdn 77 bis 84; BGH Mitt 2004, 18, amtlicher Leitsatz - "Automatisches Fahrzeuggetriebe"). Ob die dabei vorgetragenen Tatsachen den Widerruf des Patents auch tatsächlich rechtfertigen, ist nicht bei der Zulässigkeit, sondern bei der Begründetheit des Einspruchs zu prüfen (vgl BGH BlPMZ 1987, 203, 204, li Sp, vorle Abs - "Streichgarn"; BlPMZ 1985, 142, Leitsatz - "Sicherheitsvorrichtung"; BlPMZ 1988, 289, 290, Abschn II.1. - "Meßdatenregistrierung"; Schulte, PatG, 7. Aufl, § 59 Rdn 84).
2. Zulässigkeit der Patentansprüche Gegen die Zulässigkeit der nebengeordneten erteilten Patentansprüche 1 und 22 bestehen erhebliche Bedenken.
Wie sich aus der ursprünglichen Beschreibung ergibt, besteht die erfindungsgemäße Sensorvorrichtung - in der Terminologie des erteilten Patentanspruchs 1 - aus einer Sensoreinrichtung - als dem eigentlichen Sensor -, einem dieser nachgeschalteten Steuerkreis, einer davon gesteuerten Schalteinrichtung - die vorzugsweise ein Mikro-Relais ist - und einem davon geschalteten Lastkreis (vgl die ursprüngliche Beschreibungsseite 6, vorle Abs). Danach steht die Sensoreinrichtung also mit dem Steuerkreis - d.h. dessen Eingang - in Wirkverbindung (vgl hierzu auch den erteilten nebengeordneten Patentanspruch 22 in Sp 13, Z 3 und 4 der Streitpatentschrift), während die Schalteinrichtung (1) über Anschlüsse (4, 25) des Steuerkreises steuerbar ist (vgl das letzte Merkmal nach dem Oberbegriff des ursprünglichen Patentanspruchs 1), der Steuerkreis also über seine Steueranschlüsse (4, 25) mit der Schalteinrichtung (1) in Wirkverbindung steht. Das entsprechende Merkmal des erteilten Patentanspruchs 1, wonach - die Schalteinrichtung (1) zu ihrer Ansteuerung einen Steuerkreis mit Steueranschlüssen (4, 25) aufweist, mit welchen die Sensoreinrichtung in Wirkverbindung steht, fordert demgegenüber, daß die Sensoreinrichtung mit den Steueranschlüssen (4, 25) - d.h. dem Ausgang - des Steuerkreises in Wirkverbindung zu stehen hat.
Auch ist gemäß dem Merkmal des erteilten Patentanspruchs 1 - sowie dem entsprechenden Merkmal des erteilten Patentanspruchs 22 -, wonach - die Schalteinrichtung (1) einen mit Hilfe des Steuerkreises (4, 25) schaltbaren und von diesem galvanisch getrennten Ausgangskreis (10) mit Ausgangsanschlüssen aufweist, der gesamte Steuerkreis vom gesamten Ausgangskreis (10) galvanisch getrennt. Demgegenüber sind gemäß dem entsprechenden Merkmal des ursprünglichen Patentanspruchs 1, wonach - zwischen den Anschlüssen (4; 12, 13) des Steuerkreises der Schalteinrichtung (1) und den Ausgangsanschlüssen (5, 6, 5', 6') der Schalteinrichtung (1) für den Lastkreis (15, 16) eine galvanische Trennung vorgesehen ist, aber nur die Steueranschlüsse (4; 12, 13) des Steuerkreises von den Ausgangsanschlüssen (5, 6, 5', 6') der Schalteinrichtung (1) galvanisch getrennt, d.h. die galvanische Trennung ist danach nicht zwischen Steuerkreis und Ausgangskreis, sondern - wie bei Relais üblich - innerhalb des Ausgangskreises vorgesehen.
Ferner sind im Unterschied zu dem Merkmal der erteilten Patentansprüche 1 und 22, wonach - die Sensoreinrichtung zum Nachweis von Gegenständen und/oder fluiden Stoffen ausgelegt ist, in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen für die Sensoreinrichtung nur die beiden Alternativen Näherungsschalter bzw. Füllstands-Sensoren - insoweit entsprechend den erteilten Patentansprüchen 2 bzw. 3 - offenbart (vgl die ursprüngliche Beschreibungsseite 1, Abs 3).
In den ursprünglichen Unterlagen ist ersichtlich auch nicht das Merkmal der erteilten Patentansprüche 1 und 22 als zur Erfindung gehörend offenbart, wonach - die Sensoreinrichtung lastkreisunabhängig ausgebildet ist, womit nach den Angaben der Patentinhaberin gemeint sein soll, daß die Sensoreinrichtung keine physikalische Größe erfaßt, die in direktem Zusammenhang mit dem Lastkreis - beispielsweise dem dort fließenden elektrischen Strom - steht (vgl den Schriftsatz vom 7. Dezember 2001, S 5, Abs 1).
Entsprechendes gilt auch für das Merkmal der erteilten Patentansprüche 1 und 22, wonach - der Lastkreis (15, 16, 17) in direkter Wirkverbindung mit dem Ausgangskreis (10) der Schalteinrichtung angeordnet ist.
Danach könnte der Lastkreis (15, 16, 17) nämlich mit dem Ausgangskreis (10) der Schalteinrichtung (1) auch kapazitiv oder induktiv - direkt - gekoppelt sein, wohingegen in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen allenfalls eine galvanische Verbindung (21 bzw. 22) zwischen dem Lastkreis (15, 16, 17) und dem Ausgangskreis (10) offenbart ist (vgl die Fig 3a bis 5b mit zugehöriger Beschreibung).
Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob sämtliche erteilten Patentansprüche mit ihren Merkmalen in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart sind, denn der Einspruch hat jedenfalls deshalb Erfolg, weil der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (vgl hierzu BGH GRUR 1991, 120, 121 li Sp Abs 3 - "Elastische Bandage").
3) Patentgegenstand Nach den Angaben in der Streitpatentschrift (vgl Abs [0001]) geht die Erfindung von einer - ersichtlich als bekannt vorausgesetzten - Sensorvorrichtung, insbesondere Grenzwertsensor-Vorrichtung, mit einer Sensoreinrichtung zum Nachweis einer Meßgröße und einer der Sensoreinrichtung zugeordneten Schalteinrichtung zum Schalten eines Lastkreises aus.
Ein Problem bei derartigen Sensorvorrichtungen sei, daß die zur Ansteuerung eines Lastkreises bzw. einer entsprechenden Last vorgesehene Schalteinrichtung im Ausgangskreis entweder als Transistor oder Transistorstufe aufgebaut sei oder als elektromechanisches Relais (vgl Abs [0004] der Streitpatentschrift). Werde die Transistorlösung als Schalteinrichtung gewählt, so bestehe zwar die Möglichkeit, dies auf einem Layout mit der entsprechenden Anpassungselektronik des Sensors auszuführen, jedoch bestehe ein ganz wesentlicher Nachteil dabei darin, daß bei einem einfachen, kostengünstigen Aufbau zwischen dem Steuerkreis und dem Lastkreis keine galvanische Entkopplung vorhanden sei, weshalb Potentialverschleppungen auftreten könnten, wobei beim Transistor das zusätzliche Problem bestehe, daß er Wechselspannungen nicht schalten könne (vgl Abs [0005] der Streitpatentschrift). Beim Einsatz eines elektromechanischen Relais als Schalteinrichtung im Ausgangskreis hätte man die Nachteile einer relativ großen Baugröße und einer relativ hohen Ansteuerleistung von beispielsweise 200 mW in Kauf zu nehmen (vgl Abs [0006] der Streitpatentschrift). Auch sei nicht erkennbar, daß sich die Nachteile der Lösungen mit konventionellen elektromechanischen Relais im Hinblick auf Leistungsaufnahme, HF-Tauglichkeit, Baugröße und Maximalanzahl der Schaltspiele durch eine stetige Weiterentwicklung auf dem Gebiet dieser Relais in absehbarer Zeit lösen ließe (vgl Abs [0007] der Streitpatentschrift).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine Sensorvorrichtung, insbesondere eine Grenzwertsensor-Vorrichtung mit miniaturisierter Schalteinrichtung im Ausgangsbereich zu realisieren, wobei ein modulartiger Aufbau sowie eine verbesserte Ansteuerung der Schalteinrichtung mit hohen Schaltgeschwindigkeiten und einer hohen Anzahl von Schaltspielen möglich sein soll (vgl Abs [0014] der Streitpatentschrift).
Diese Aufgabe nimmt jedoch unzulässigerweise bereits die Problemlösung nach dem erteilten Patentanspruch 1 weitgehend vorweg (vgl hierzu BGH GRUR 1991, 811, amtlicher Leitsatz 2 - "Falzmaschine"; Schulte, PatG, 7. Aufl, § 1 Rdn 65). Denn ein wesentlicher Grundgedanke der Erfindung besteht darin, eine im wesentlichen mikromechanische Schalteinrichtung - in Form zumindest eines Mikro-Relais (vgl die erteilten Patentansprüche 4, 5 und 16) - zu verwenden, das mit äußerst leistungsarmem Antrieb - nach dem elektrostatischen oder piezoelektrischen Prinzip (vgl den erteilten Patentanspruch 6) - betätigbar ist (vgl die Abs [0015] bis [0026] der Streitpatentschrift).
Andererseits ist nicht ersichtlich, mit welchen Merkmalen des - einteiligen - erteilten Patentanspruchs 1 der auf einen modulartigen Aufbau sowie auf eine verbesserte Ansteuerung der Schalteinrichtung gerichtete Teil der Aufgabe gelöst wird (vgl hierzu die Sp 2, Z 45 bis 51 iVm dem Abs [0026] der Streitpatentschrift).
Die erfindungsgemäße Sensorvorrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 1 besteht letztlich aus einer Sensoreinrichtung - als dem eigentlichen Sensor bzw. Detektor -, einem diesem nachgeschalteten Steuerkreis mit mindestens einem davon gesteuerten Mikro-Relais und einem davon geschalteten Lastkreis. Die gemäß dem Patentanspruch 1 vorgesehene nahezu leistungslose Ansteuerung ist dabei nur mit einem elektrostatischen oder piezoelektrischen Mikro-Relais (siehe erteilter Patentanspruch 6) erreichbar (vgl hierzu gutachtlich die - nach Ermittlung des Senats im übrigen als Proceedings 15. VDE-Fachtagung, 1999, veröffentlichte - Druckschrift D1, S 5 und 6, Abschnitte 2.2 Elektrostatischer Antrieb bzw. 2.3 Piezoelektrischer Antrieb). Mikro-Relais implizieren zudem die im erteilten Patentanspruch 1 vorgesehenen galvanischen Trennungen (vgl Abs [0017] der Streitpatentschrift bzw. Druckschrift D1, S 1, li Sp, Abs 1 und re Sp, Abs 1) sowie eine hohe Schaltgeschwindigkeit und eine hohe Anzahl von Schaltspielen (vgl zu ersterem die Druckschrift D4, Sp 2, le Abs bis Sp 3, Abs 1 bzw. zu letzterem die Druckschrift D1, S 1, Kurzfassung, drittle Satz).
4) Patentfähigkeit A) Patentanspruch 1 Der - unbestritten neue - Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift D4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung und Fertigung von Sensorvorrichtungen befaßter, berufserfahrener Physiker oder Elektroingenieur mit Fachhochschulausbildung zu definieren ist.
Die Druckschrift D4 offenbart nämlich eine Sensorvorrichtung, die auch bereits folgende Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweist:
a) eine Sensoreinrichtung (Hallsensor 5) zum Nachweis einer Meßgröße (vgl. die Fig. 2 mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 5, Absatz 3), b) eine der Sensoreinrichtung (5) zugeordnete Schalteinrichtung (Schaltfeld 1) zum Schalten eines Lastkreises (vgl. die Fig. 2 mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 5, Absatz 4 iVm Spalte 4, Absätze 6 bis 9 zur Fig. 1), c) wobei die Schalteinrichtung (1) zu ihrer Ansteuerung einen Steuerkreis (Steuereinrichtung 7) mit Steueranschlüssen aufweist, mit welchen die Sensoreinrichtung (5) in Wirkverbindung steht (vgl. die Fig. 2 mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 5, Absatz 4), d) wobei die Schalteinrichtung (1) einen mit Hilfe des Steuerkreises (7) schaltbaren und von diesem galvanisch getrennten Ausgangskreis mit Ausgangsanschlüssen aufweist, bei welchen in mindestens einem Schaltzustand eine galvanische Trennung vorgesehen ist (vgl. die Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung), e) wobei die Schalteinrichtung (1) als Mikro-Einrichtung (matrixartiges Schaltfeld 1 aus seriell und parallel geschalteten Mikro-Relais (Mikro-Relais-Zellen 3 mit beweglichen Kontaktstücken 4) mit nahezu leistungsloser Ansteuerung ausgebildet ist (vgl. den Anspruch 4 und die Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 4, Absatz 6 bis Spalte 5, Zeile 4) und Dazu ist zu bemerken, daß die Schalteinrichtung (1) gemäß der Druckschrift D4 zwecks Anpassung an höhere Spannungen und Ströme als matrixartiges Schaltfeld aus seriell und parallel geschalteten Mikro-Relais (3) ausgebildet ist (vgl Sp 1, vorle Abs), die - insoweit entsprechend den Unteransprüchen 16 und 17 sowie den Ausführungsbeispielen nach den Figuren 7a bis 8c des Streitpatents - von dem Steuerkreis (7) jeweils gleichzeitig geschaltet werden (vgl den Anspruch 1 iVm den Fig 1 und 2 nebst der dazugehörigen Beschreibung in Sp 4, Abs 6 und 7 und Sp 5, Abs 4 dieser Druckschrift). Zu dem vorstehenden Merkmal c) ist zu bemerken, daß das entsprechende Merkmal des erteilten Patentanspruchs 1 im Lichte der Gesamtoffenbarung des Streitpatents (vgl den Abs [0040] iVm dem erteilten Patentanspruch 22, Sp 13, Z 3 und 4) dahingehend auszulegen ist, daß die Sensoreinrichtung - insoweit entsprechend dem Stand der Technik nach der Druckschrift D4 - mit dem Steuerkreis verbunden ist. Die beiden galvanischen Trennungen gemäß dem vorstehenden Merkmal d) sind aber bezeichnend für Relais und somit auch bei jedwedem Mikro-Relais automatisch vorhanden (vgl hierzu gutachtlich die Druckschrift D1, S 1, li Sp, Abs 1 und re Sp, Abs 1). Die nahezu leistungslose Ansteuerung gemäß dem vorstehenden Merkmal e) ergibt sich daraus, daß gemäß der Druckschrift D4 Mikro-Relais mit elektrostatischem Antrieb vorgesehen sind - insoweit entsprechend dem erteilten Patentanspruch 6 des Streitpatents - (vgl hierzu die Druckschrift D4, Anspruch 4 iVm Sp 4, le Abs bis Sp 5, Z 4). Auch ist nach dem vorstehenden Merkmal f) - in der Terminologie des erteilten Patentanspruchs 1 - der Lastkreis insofern in direkter Wirkverbindung mit dem Ausgangskreis der Schalteinrichtung (1) angeordnet, als gemäß der Druckschrift D4 die Mikro-Schalteinrichtung - d.h. das aus Mikro-Relais bestehende Schaltfeld (1) - ausgangsseitig direkt mit dem Lastkreis verbunden ist (vgl hierzu die Lastkreisanschlüsse in den Fig 1 und 2 der Druckschrift D4). Andererseits ist die Sensoreinrichtung (5) gemäß der Druckschrift D4 - im Unterschied zur lastkreisunabhängigen Ausbildung der Sensoreinrichtung gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 - insofern lastkreisabhängig ausgebildet, als sie dem Überstromschutz - d.h. der Überwachung des Stromes im Lastkreis - dient (vgl hierzu den Anspruch 5 bzw zur Terminologie den Schriftsatz der Patentinhaberin vom 7. Dezember 2001, S 5, Abs 1).
Nach alledem unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents von diesem Stand der Technik nach der Druckschrift D4 noch dadurch, daß bei ihm:
- die Sensoreinrichtung zum Nachweis von Gegenständen und/oder fluiden Stoffen ausgelegt ist und - die Sensoreinrichtung lastkreisunabhängig ausgebildet ist.
Diese von der Anmelderin im Prüfungsverfahren aus Abgrenzungsgründen in den Patentanspruch 1 aufgenommenen Merkmale vermögen - auch bei unterstellter gegebener Offenbarung - die Patentfähigkeit des Gegenstands des erteilten Patentanspruchs 1 jedoch insofern nicht zu begründen, als es sich dabei jeweils um an sich bekannte Varianten einer Sensoreinrichtung handelt, die der Fachmann ohne weiteres in Betracht zieht.
Die Sensorvorrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 1 ist daher nicht patentfähig.
B) Patentanspruch 22 Der Gegenstand des auf die Verwendung einer Mikro-Einrichtung als Schalteinrichtung zum Schalten eines Lastkreises in einer Sensorvorrichtung gerichteten - mit dem erteilten Patentanspruch 1 technisch im wesentlichen inhaltsgleichen - nebengeordneten erteilten Patentanspruchs 22 beruht gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift D4 ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er sich vom Stand der Technik nach der Druckschrift D4 auch nur durch die vorstehend im Zusammenhang mit dem erteilten Patentanspruch 1 bereits als nicht patentbegründend beurteilten Merkmale unterscheidet, wonach - die Sensoreinrichtung zum Nachweis von Gegenständen oder fluiden Stoffen ausgelegt ist und - die Sensoreinrichtung lastkreisunabhängig ausgebildet ist.
Die Verwendung einer Mikro-Einrichtung als Schalteinrichtung zum Schalten eines Lastkreises in einer Sensorvorrichtung nach dem nebengeordneten erteilten Patentanspruch 22 erweist sich daher ebenfalls als nicht patentfähig.
C) Unteransprüche Mit dem erteilten Patentanspruch 1 fallen wegen der Antragsbindung auch die darauf zurückbezogenen erteilten Unteransprüche 2 bis 21 (vgl hierzu BGH GRUR 1997, 120 amtlicher Leitsatz - "Elektrisches Speicherheizgerät"). Einen eigenständigen erfinderischen Gehalt hat die Patentinhaberin für diese echten Unteransprüche auch nicht geltend gemacht.
Das Streitpatent ist daher nicht rechtsbeständig.
Dr. Tauchert Dr. Meinel Dr. Gottschalk Schramm Be
BPatG:
Beschluss v. 03.03.2005
Az: 23 W (pat) 331/03
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