Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Juli 2007
Aktenzeichen: 32 W (pat) 95/04

(BPatG: Beschluss v. 25.07.2007, Az.: 32 W (pat) 95/04)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Januar 2004 aufgehoben, soweit wegen des Widerspruchs aus der Marke 398 49 644 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke 301 44 610 angeordnet worden ist. Der Widerspruch aus der Marke 398 49 644 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Anschlussbeschwerde der aus der Marke 398 49 644 Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wort-/Bildmarkeist am 15. Januar 2002 für Waren der Klassen 3, 5, 8, 9, 11, 14, 16, 18, 20, 21, 22, 24, 25, 28, 29, 30, 32 und 33 sowie für Dienstleistungen der Klassen 35, 36, 38, 39, 41 und 42 in den Farben blau und schwarz unter der Nummer 301 44 610 in das Register eingetragen und am 15. Februar 2002 veröffentlicht worden.

Hiergegen ist Widerspruch erhoben worden 1. aus der für die Widersprechende zu 1) am 1. Februar 1996 eingetragenen Wortmarke 395 27 872 Livederen Warenverzeichnis lautet:

"alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und -säfte; Limonaden; Mineralwässer"

und 2. aus der für die Widersprechende zu 2) am 22. Januar 1999 für Waren der Klassen 1, 7, 8, 9, 10, 11, 16, 21 und 28 sowie für Dienstleistungen der Klassen 37, 38, 41 und 42 eingetragenen Wortmarke 398 49 644 LIFE Beide Widerspruchsmarken waren Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens. Hinsichtlich der Widerspruchsmarke 395 27 872 ist das Widerspruchsverfahren am 21. Juli 1998 und hinsichtlich der Widerspruchsmarke 398 49 644 am 24. Oktober 2001 abgeschlossen worden.

Die mit einer Angestellten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 22. Januar 2004 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 395 27 872 - "Live" antragsgemäß die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für folgende Waren angeordnet:

"Biere; Mineralwässer und kohlesäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, auch aromatisiert; Gemüsesäfte, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken, soweit in Klasse 32 enthalten; Molkegetränke".

Die sich insoweit gegenüberstehenden Waren seien teilweise identisch, teilweise hochgradig ähnlich und im Übrigen bestehe zumindest eine noch entfernte Ähnlichkeit. Bei der Widerspruchsmarke sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang auszugehen. Der Begriff "Live" sei für die hier in Rede stehenden Waren der Klasse 32 nicht beschreibend. Auf Seiten der jüngeren Marke führe dies dazu, dass es bei dem Grundsatz bleibe, wonach bei der Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr dem Wortbestandteil als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zukomme. Bei der jüngeren Marke sei danach auf den Bestandteil "LIVE" abzustellen, der mit der Widerspruchsmarke klanglich identisch sei, so dass die Gefahr von Verwechslungen bestehe.

Darüber hinaus hat die Markenstelle aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 398 44 644 - "LIFE" wegen der Gefahr von Verwechslungen in klanglicher Hinsicht die Löschung der angegriffenen Marke für Waren der Klassen 8, 9, 11, 16, 21 und 28 sowie für Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 angeordnet.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie bestreitet die Benutzung sowohl der Widerspruchsmarke 395 27 872 als auch der Widerspruchsmarke 398 49 644 mit am 1. März 2007 bzw. am 2. November 2006 beim Bundespatentgericht eingegangenen Schriftsätzen.

In Bezug auf die Frage der Verwechslungsgefahr macht die Markeninhaberin geltend, dass beide Widerspruchsmarken nur eine geringe Kennzeichnungskraft aufwiesen. Bei der Widerspruchsmarke 395 27 872 ergebe sich die Kennzeichnungsschwäche daraus, dass es zahlreiche Eintragungen mit dem Markenwort "Live" als Bestandteil gebe und dass der Begriff "Live" in Bezug auf die von dieser Marke erfassten Getränke lediglich eine werbeübliche Anpreisung darstelle und beschreibend auf die Vermittlung eines bestimmten Zeitgeistes und Lebensgefühls ("livefeeling") hinweise. Die weitere Widerspruchsmarke 398 44 644 "LIFE" sei eine Anlehnung an die für die nach den Benutzungsunterlagen allenfalls noch maßgeblichen Waren "Computer", "MP3-Player", "DVD-Player", "Lautsprecher" und "Fernseher" beschreibende und daher schutzunfähige Angabe "live".

Bei der Beurteilung der die Ähnlichkeit der Marken sei die Markenstelle in Bezug auf die jüngere Marke unzutreffend davon ausgegangen, dass deren Gesamteindruck von dem Wortbestandteil "LIVE" geprägt werde. Vom Bundesgerichtshof sei mehrfach festgestellt worden, dass kein Erfahrungssatz ersichtlich sei, wonach der Verkehr bei kombinierten Wort-/Bildmarken in erster Linie den Wortbestandteil und ggf. dessen Bedeutung, nicht jedoch den Bildbestandteil in sein Erinnerungsbild aufnehme. Es sei nicht ausgeschlossen, einem Bildbestandteil eine prägende Bedeutung zuzubilligen, wenn dieser eine eigenständige herkunftshinweisende Bedeutung für den Verkehr entfalte. Die Markenstelle habe außerdem nicht ausreichend berücksichtigt, dass bei einer Wort-/Bildmarke Voraussetzung für eine Prägung durch den Wortbestandteil eine hinreichende Kennzeichnungskraft dieses Wortbestandteils sei. Dem Wortbestandteil "LIVE" komme nämlich in Bezug auf die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen aufgrund des insoweit beschreibenden Charakters keine hinreichende Kennzeichnungskraft zu, so dass die angegriffene Kombinationsmarke schon deswegen nicht von dem Wortbestandteil "LIVE" geprägt werde. Sowohl in bildlicher als auch in klanglicher Hinsicht werde der Verkehr die bildlich gestaltete "9" mitdenken. Dem Betrachter springe dieses graphisch und farblich hervorgehobene Zahlwort unmittelbar ins Auge, wohingegen das schlichte Wortzeichen "LIVE", das keinerlei figurative Elemente aufweise, demgegenüber zurücktrete. Die Markenstelle sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine analysierende Betrachtungsweise erforderlich sei, um das graphische Element als Zahlwort zu verstehen. Dem Fernsehpublikum sei die jüngere Marke in ihrer Wortbedeutung "Neun Live" schon aufgrund ihrer Verwendung als Bildschirmlogo für den gleichnamigen Fernsehsender bestens vertraut. In Bezug auf diejenigen Waren und Dienstleistungen, die nicht unter die Klasse 41 fielen, stehe der Bildbestandteil mindestens gleichwertig neben dem Wortbestandteil, wenn er ihn nicht sogar überwiege. Wenn aber der Gesamteindruck einer Kombinationsmarke durch gleichgewichtige Zeichenbestandteile bestimmt werde, sei kein Zeichenbestandteil allein geeignet, den Gesamteindruck der Marke zu prägen mit der Folge, dass eine Verwechslungsgefahr zu verneinen sei. Auch in klanglicher Hinsicht unterschieden sich die Vergleichsmarken deutlich. Aufgrund der originellen Kombination des englischen Zeichens "live" mit dem deutschen Zahlwort "9" erhalte die jüngere Marke eine einzigartige Prägung. Der zweisilbige deutschenglische Klang von "9 Live" sei mit den einsilbigen Widerspruchsmarken "LIFE" und "Live" nicht verwechselbar. Selbst wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Bildbestandteil der jüngeren Marke nicht als "9", sondern, wie die Markenstelle meine, als stilisierten Bildschirm ansähen, werde das Zeichen klanglich nicht durch den Wortbestandteil "LIVE" geprägt, denn dem stilisierten Bildschirm komme eine eigenständige herkunftshinweisende Bedeutung zu. Ebenso wenig bestehe eine Verwechslungsgefahr in begrifflicher Hinsicht. Der Bedeutungsgehalt der jüngeren Marke "9 LIVE" sei diffus. Die Stärke dieses Zeichens liege gerade darin, dass es Assoziationen freien Raum und sich nicht auf einen konkreten Sinngehalt festlegen lasse. Demgegenüber wiesen die Widerspruchsmarken mit ihrer Grundbedeutung "Leben" einen konkreten Sinngehalt auf, der vom Verkehr auch unmittelbar verstanden werde. Die jüngere Marke habe als Kombinationsmarke "Neun Live" bzw. "9 live" inzwischen eine erhebliche Verkehrsbekanntheit erworben, die ihre Kennzeichnungskraft in Bezug auf Fernsehsender und den damit zusammenhängenden Bereichen erheblich gestärkt habe. Diese Kennzeichnungsstärke sei aufgrund der für Fernsehdienstleistungen rein beschreibenden Natur des Zeichens "live" im Wesentlichen auf den deutschen Zeichenbestandteil "neun" bzw. "9" bzw. auf die originelle Kombination mit dem englischsprachigen Begriff "live" zurückzuführen. Die Gefahr von Verwechslungen mit den jeweils nur aus einem Wort bestehenden kennzeichnungsschwachen Widerspruchsmarken sei daher zu verneinen, ohne dass es noch auf die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen ankomme.

Die Markeninhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 vom 22. Januar 2004 aufzuheben und die Widersprüche aus den Marken 395 27 872 und 398 49 644 zurückzuweisen.

Die Widersprechende zu 1) beantragt, die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.

Sie macht geltend, dass der klangliche Gesamteindruck der jüngeren Marke von dem Wortbestandteil "LIVE" als der einfachsten Bezeichnungsform geprägt werde. Die Auffassung der Inhaberin der jüngeren Marke, der Bildbestandteil werde als Zahl "9" erkannt, sei nicht nachvollziehbar. Daran ändere auch der Hinweis der Markeninhaberin nichts, dass sich der Verkehr am Senderlogo und am Firmennamen der Markeninhaberin orientiere. Denn die jüngere Marke laute eben nicht "NEUN LIVE" und dem Verkehr trete die Marke regelmäßig nicht zusammen mit dem Firmennamen entgegen. Selbst wenn man unterstellte, dass der Verkehr die jüngere Marke als "9 LIVE" in Erinnerung behalten sollte, wäre von einer Ähnlichkeit der Marken auszugehen, weil Zahlen weitaus weniger kennzeichnungskräftig seien als Wörter. Der Bestandteil "9" - falls er überhaupt als solcher erkannt werde - verbinde sich mit dem Bestandteil "LIVE" auch nicht zu einem neuen eigenständigen Gesamtbegriff. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei normal. Die Bezeichnung "LIVE" sei nicht geeignet, die Waren der Widerspruchsmarke zu beschreiben. Die Waren der Widerspruchsmarke seien mit den für die jüngere Marke eingetragenen Waren der Klasse 32 teilweise identisch und im Übrigen ähnlich. Die jüngere Marke sei daher für die Waren der Klasse 32 zu löschen.

Zur Glaubhaftmachung der Benutzung hat die Widersprechende zu 1) eine eidesstattliche Versicherung des Prokuristen ihrer Vertriebsgesellschaft vom 6. Juli 2007 vorgelegt, der als Anlage eine Kopie der für Orangensaft benutzten Flaschenetiketten beigefügt war. In der mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende zu 1) Ablichtungen weiterer Flaschenetiketten für Orangensaft, Apfelsaft und Multivitaminsaft vorgelegt.

Die Markeninhaberin macht geltend, dass die von der Widersprechenden zu 1) vorgelegten Unterlagen nicht geeignet seien, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen. Die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung zur nutzungsberechtigten Firma, zur Art der Benutzung und zu den erzielten Umsätzen stünden in Widerspruch zu den Angaben auf den Flaschenetiketten. So sei die in der eidesstattlichen Versicherung angegebene nutzungsberechtigte Firma nicht nur nicht auf den vorgelegten Flaschenetiketten genannt, vielmehr seien dort jeweils andere und unterschiedliche Firmen aufgeführt, so dass zweifelhaft sei, ob die Benutzung der Widersprechenden zu 1) zugerechnet werden könne. Außerdem sei dadurch, dass der eidesstattlichen Versicherung nur ein Etikett für Orangensaft beigefügt sei, die Art und Weise der Benutzung der Widerspruchsmarke allenfalls für Orangensaft belegt. Die in der eidesstattlichen Versicherung angegebenen Umsatzzahlen bezögen sich aber allgemein auf alkoholfreie Getränke. Da die Umsatzzahlen für Orangensaft nicht gesondert ausgewiesen seien, sei nicht glaubhaft gemacht, dass die Marke - was den Umfang angehe - für die Ware, für die die Art der Benutzung belegt worden sei, nämlich für Orangensaft, ernsthaft benutzt werde.

Die Widersprechende zu 1) hält dem entgegen, dass auf den Flaschenetiketten jeweils die Hersteller- und Abfüllfirmen genannt seien. Davon zu unterscheiden sei die in der eidesstattlichen Versicherung genannte Vertriebsfirma, die die Widerspruchsmarke mit der ausdrücklichen Zustimmung der Widersprechenden zu 1) verwende. Was die Angaben zu Art und Umfang der Benutzung angehe, sei anzumerken, dass es sich bei dem der eidesstattlichen Versicherung beigefügten Etikett um ein Verwendungsbeispiel handle. Wie die weiteren in der mündlichen Verhandlung übergebenen Flaschenetiketten zeigten, werde die Widerspruchsmarke auch für andere Fruchtsäfte benutzt. Die Angaben zu den Umsatzzahlen, die sich allgemein auf alkoholfreie Getränke bezögen, stünden daher nicht im Widerspruch zu den Angaben betreffend die Art der Benutzung.

Die Widersprechende zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussbeschwerde hat sie die Löschung der angegriffenen Marke über die im angegriffenen Beschluss angeordnete Löschung hinaus für weitere Dienstleistungen beantragt.

Mit am 27. Juli 2007 beim Bundespatentgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Widersprechende zu 2) ihren Widerspruch zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde der Markeninhaberin ist, da sie vor dem 31. Dezember 2004 eingelegt wurde, ohne vorherige Erinnerung statthaft und auch sonst zulässig (§ 66, § 165 Abs. 4 a. F. MarkenG).

2. Der Senat hat die Beschwerde auch für begründet gehalten, soweit sie gegen die von der Markenstelle wegen des Widerspruchs aus der Marke 398 49 644 angeordnete Teillöschung der angegriffenen Marke 301 44 610 gerichtet war, und demzufolge den Beschluss der Markenstelle insoweit aufgehoben. Die Widersprechende zu 2) hat jedoch ihren Widerspruch aus der Marke 398 49 644 - "LIFE" mit Schriftsatz vom 27. Juli 2007 zurückgenommen, was auch noch nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2007 bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft möglich und zulässig war (vgl. Kirschneck in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 42 Rn. 36; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 42 Rn. 39). Der im Anschluss an die mündliche Verhandlung verkündete Senatsbeschluss ist dadurch ebenso wie die angefochtene Teillöschung wegen des Widerspruchs aus der Marke 398 49 644 wirkungslos geworden (§ 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Im Hinblick auf die eingetretene Wirkungslosigkeit erübrigt sich eine Begründung der verkündeten Entscheidung.

Gleiches gilt im Hinblick auf die vom Senat zurückgewiesene Anschlussbeschwerde der aus der Marke 398 49 644 Widersprechenden zu 2).

3. Soweit in dem angegriffenen Beschluss der Markenstelle die Löschung der jüngeren Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 395 27 872 angeordnet wurde, hat die Beschwerde der Markeninhaberin keinen Erfolg.

a) Die Markeninhaberin hat die Einrede der Nichtbenutzung mit Schriftsatz vom 28. Februar 2007 wirksam erhoben. Die fünfjährige sog. Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke, die gemäß § 26 Abs. 5 MarkenG mit dem Abschluss des Widerspruchsverfahrens am 21. Juli 1998 begonnen hatte, war zum Zeitpunkt der Erhebung der Einrede bereits abgelaufen. Da die angegriffene Marke noch während des Laufs der Benutzungsschonfrist veröffentlicht wurde, trifft die Widersprechende zu 1) die Obliegenheit, eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke während der letzten fünf Jahre vor der (abschließenden) Entscheidung über den Widerspruch, d. h. während des Zeitraums von Juli 2002 bis Juli 2007, glaubhaft zu machen. Dies ist ihr für die Ware "Fruchtsäfte" auch gelungen. Die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung vom 6. Juli 2007 sind weder in sich widersprüchlich noch stehen sie im Widerspruch zu den Angaben auf den als Anlage zu der eidesstattlichen Versicherung und zu den weiteren in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Flaschenetiketten.

Die in der eidesstattlichen Versicherung angegebene Nutzung der Widerspruchsmarke durch die M... GmbH ist gemäß § 26 Abs. 2 MarkenG als Benutzung durch die Widersprechende zu 1) anzusehen. An den Nachweis der Zustimmung eines Markeninhabers zur Benutzung seiner Marke durch einen Dritten, sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen; insbesondere ist insoweit regelmäßig nicht die Vorlage eines Lizenzvertrages nötig (Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 26 Rdn. 74). Die Erklärung in der eidesstattlichen Versicherung des Prokuristen der Vertriebsfirma der Widersprechenden zu 1), dass seine Firma die Bezeichnung "Live" seit mehr als 25 Jahren mit Zustimmung der Widersprechenden zu 1) benutze, ist glaubhaft und ausreichend. Dass auf den Flaschenetiketten nicht die in der eidesstattlichen Versicherung als Benutzer genannte M... GmbH, sondern andere Firmen aufge- führt sind, macht die eidesstattliche Versicherung in Bezug auf die Person des Benutzers der Marke nicht unstimmig. Die auf den Flaschenetiketten genannten Firmen sind die Hersteller der jeweiligen Getränke. Die Angabe dieser Firmen auf den Etiketten schließt nicht aus, dass die Widerspruchsmarke (auch) von der M... GmbH als Vertriebsfirma rechtserhaltend und mit Zu- stimmung durch die Widersprechende zu 1) benutzt wird. Denn eine wirksame Zustimmung im Sinne des § 26 Abs. 2 MarkenG setzt nicht voraus, dass der Dritte, der die Marke mit Zustimmung des Inhabers benutzt, auf dem Produkt genannt wird. Dass die Widerspruchsmarke noch nicht seit 25 Jahren, sondern erst seit dem 6. Juli 1995 eingetragen ist, macht die Erklärung entgegen der Auffassung der Markeninhaberin ebenfalls nicht unglaubwürdig, da die Verwendung der Bezeichnung "Live" nicht die Eintragung der Bezeichnung als Marke voraussetzt. Entscheidend für eine Zurechnung der Benutzung im Sinne des § 26 Abs. 2 MarkenG ist lediglich, dass die Marke im maßgeblichen Zeitraum mit Zustimmung des Inhabers genutzt wurde.

Auch die Art und der Umfang der Benutzung der Marke für Fruchtsäfte sind durch die eidesstattliche Versicherung ausreichend glaubhaft gemacht. In der eidesstattlichen Versicherung ist zunächst ausgeführt, dass die Widerspruchsmarke für "alkoholfreie Getränke, nämlich Säfte" benutzt worden sei. Art und Weise der Benutzung ergäben sich aus der beigefügten Kopie einer Flaschenausstattung, die ein Etikett für einen Orangensaft zeigt. Im nächsten Absatz heißt es, dass mit "entsprechend gekennzeichneten alkoholfreien Getränken" bestimmte näher angegebene Umsätze erzielt worden seien. Diese Ausführungen sind zwanglos dahin zu verstehen, dass sich die Umsatzangaben nicht auf Umsätze mit irgendwelchen alkoholfreien Getränken beziehen, deren Kennzeichnung - mit Ausnahme für Orangensaft - nicht belegt wäre. Vielmehr wird mit der Formulierung "entsprechend gekennzeichnete alkoholfreie Getränke" ersichtlich auf die im vorangehenden Absatz genannten "alkoholfreie(n) Getränke, nämlich Säfte" Bezug genommen, wobei das Orangensaft-Etikett lediglich ein Verwendungsbeispiel darstellt. Bei dieser Sachlage lassen sich die angegebenen Umsätze ohne weiteres der Ware "Orangen- und sonstige (Frucht-)Säfte" zuordnen.

Hinsichtlich des Umfangs der Benutzung im maßgeblichen Benutzungszeitraum enthält die eidesstattliche Versicherung ebenfalls ausreichende Angaben. Zwar wird ausdrücklich nur der Umsatz für das vierte Quartal 2002 angegeben. Da jedoch versichert wird, dass die Umsätze in den Jahren 2001 bis 2005 die gleiche Größenordnung hatten, ist die Angabe ausreichend. Die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung decken auch einen wesentlichen Teil des Benutzungszeitraums ab, so dass insgesamt eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke 395 27 872 für Fruchtsäfte anzuerkennen ist.

b) Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) - Sabèl/Puma; GRUR Int. 2000, 899, 901 (Nr. 40) - Marca/Adidas; GRUR 2006, 237, 238 (Nr. 18 f.) - PICASSO; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2002, 626, 627 - IMS; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang; GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May; GRUR 2006, 859, 860 - Malteserkreuz).

Nach diesen Grundsätzen hat die Markenstelle aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 395 27 872 zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke im antragsgemäßen Umfang angeordnet (§ 43 Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).

Die Waren der jüngeren Marke, gegen die sich der Widerspruch richtet, sind mit der auf Seiten der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG allein zu berücksichtigenden Ware "Fruchtsäfte" teils identisch ("alkoholfreie Getränke, auch aromatisiert; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte") und im Übrigen ähnlich. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs (s. Nachweise bei Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 44) ist von Warenähnlichkeit auszugehen, wenn der beteiligte Verkehr unter Berücksichtigung aller erheblichen Gesichtspunkte, die das Verhältnis der Produkte zueinander bestimmen, zu der Auffassung gelangen kann, diese stammten aus denselben oder aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit - unterstellt - identischen Marken gekennzeichnet sind. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei im vorliegenden Fall der Beschaffenheit der Erzeugnisse, dem Verwendungszweck und der Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren zu (vgl. BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN).

Zwischen "Fruchtsäften" und "Sirupen und anderen Präparaten für die Zubereitung von Getränken, soweit in Klasse 32 enthalten" besteht aufgrund der Inhaltsstoffe und des Verwendungszwecks eine hochgradige Ähnlichkeit. Ebenso sind Fruchtsäfte von ihrer Beschaffenheit her Gemüsesäften ähnlich und stehen zu diesen in einem Austauschverhältnis.

Bezüglich der weiteren auf Seiten der jüngeren Marke angegriffenen Waren ist zu berücksichtigen, dass auf dem vorliegenden Warensektor der - in den letzten Jahren verstärkt zu beobachtende - Trend dahin geht, dass sowohl alkoholische als auch alkoholfreie Getränke zunehmend mit fruchtigen Geschmacksvarianten angeboten werden. Was alkoholische Getränke anbetrifft, werden neben sog. Alcopops (Mischgetränke aus Fruchtsaft und in der Regel hochprozentigen alkoholischen Getränken) zunehmend - in Abkehr vom traditionellen deutschen Reinheitsgebot - auch Mischgetränke auf der Basis von Bier mit Fruchtgeschmack angeboten. Derartige Entwicklungen des Marktes können nicht ohne Auswirkungen auf das Verständnis der Verbraucher bleiben, so dass "Fruchtsaft" mit der für die jüngere Marke eingetragenen Ware "Bier" als ähnlich anzusehen ist. Auch nicht alkoholische Getränke wie Mineralwässer oder kohlensäurehaltige Wässer werden regelmäßig mit Fruchtsäften gemischt und teilweise als bereits fertige Mischgetränke (z. B. Apfelschorle) regelmäßig von denselben Anbietern/Unternehmen angeboten, so dass auch insoweit hochgradige Ähnlichkeit besteht. Auch Milchgetränke und damit auch Molkegetränke sind in allen denkbaren Fruchtgeschmacksvarianten erhältlich. Umgekehrt wird Molke teilweise auch Erfrischungsgetränken zugesetzt, so dass auch insoweit zumindest von einer mittleren Ähnlichkeit auszugehen ist.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist von der Markenstelle mit Recht als durchschnittlich eingestuft worden. Die gegen die Annahme einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft vorgetragenen Argumente der Markeninhaberin greifen nicht durch. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Begriff "Live" in Bezug auf Fruchtsäfte eine unmittelbar beschreibende und damit schutzunfähige Angabe darstelle, weil er lediglich darauf hinweise, dass die damit bezeichneten Getränke ein "livefeeling" vermittelten. Insoweit handelt es sich nicht um ein "Merkmal" von Fruchtsäften im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Angesichts des unklaren Bedeutungsgehalts kann dem Markenwort der Widerspruchsmarke auch nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei "Live" in Bezug auf Getränke um eine werbeübliche Anpreisung handle, liegen ebenfalls nicht vor. Eine Schwächung der Kennzeichnungskraft aufgrund zahlreicher Markeneintragungen mit dem Bestandteil "Live" ist ebenfalls zu verneinen. Eine Reduzierung der Kennzeichnungskraft durch Drittmarken kommt nur ausnahmsweise in Betracht (Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 198). Die Voraussetzungen für eine solche Annahme liegen hier nicht vor, da über die Benutzungslage dieser Drittmarken nichts bekannt ist.

Bei dieser Ausgangslage hat die angegriffene Marke einen deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke einzuhalten. Diesen Anforderungen wird sie jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der klanglichen Verwechslungsgefahr nicht gerecht. Im Rahmen der Prüfung, ob die Gefahr von Verwechslungen besteht, sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken die fraglichen Marken jeweils in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen. Das schließt es nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 [Nr. 28 f.] - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 60, 62 [Nr. 17] - coccodrillo). Beim Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen ist nach ständiger Rechtsprechung davon auszugehen, dass der Verkehr bei der klanglichen Wiedergabe in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zumisst (Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 296 m. w. N.), im vorliegenden Fall also dem mit der Widerspruchsmarke 395 27 872 identischen Wortbestandteil "LIVE". Da dieser Bestandteil in Bezug auf die hier in Rede stehenden Waren durchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweist, besteht keine Veranlassung, von dem Grundsatz "Wort vor Bild" abzugehen. Vielmehr wird die Annahme, dass der Verkehr sich bei der angegriffenen Marke vornehmlich am Wortbestandteil orientieren wird, noch dadurch unterstützt, dass der Bildbestandteil der jüngeren Marke nicht ohne weiteres klar und eindeutig zu bezeichnen ist. Es kann sich dabei ebenso um einen stilisierten Bildschirm wie um ein stilisiertes Komma oder um einen stilisierten Apostroph oder um eine Sprechblase handeln. Wird aber der Gesamteindruck der jüngeren Marke von dem Wortbestandteil "LIVE" geprägt, stehen sich hier in klanglicher Hinsicht identische Marken gegenüber.

Die Markeninhaberin kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg auf die Feststellung des Bundesgerichtshofs berufen, dass es keinen Erfahrungssatz gebe, wonach sich der Verkehr bei einer Kombinationsmarke ausschließlich an dem Wortbestandteil orientiere. Diese Feststellung bezieht sich nur auf die Annahme einer (schrift)bildlichen, nicht aber auf die Annahme einer klanglichen Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2007, 235, 237 - Goldhase; Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 296 m. w. N.). Da sich in klanglicher Hinsicht identische Marken gegenüberstehen, kommt es indes auf die Frage, ob die Marken auch in (schrift)bildlicher Hinsicht verwechselbar ähnlich sind, nicht mehr an (Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 123).

Die Markenstelle hat demnach die Löschung der angegriffenen Marke auf Grund des Widerspruchs aus der Marke 395 27 872 zu Recht in dem von der Widersprechenden zu 1) beantragten Umfang angeordnet.

4. Es bestand kein Anlass, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

5. Die von der Widersprechenden zu 1) angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 MarkenG ist nicht geboten. Es war keine Rechtsfrage zu entscheiden, die von grundsätzlicher Bedeutung ist oder deren Beantwortung zur Fortbildung des Rechts eine Befassung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 1. Alt. MarkenG). Auch der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 83 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. MarkenG) ist nicht gegeben.

Prof. Dr. Hacker Kruppa Dr. Kober-Dehm Hu






BPatG:
Beschluss v. 25.07.2007
Az: 32 W (pat) 95/04


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