Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Dezember 2008
Aktenzeichen: 26 W (pat) 60/08

(BPatG: Beschluss v. 10.12.2008, Az.: 26 W (pat) 60/08)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 152

Gründe

I Für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9, 11, 16, 17, 19, 20, 29, 30, 31, 32, 35, 36, 37, 39 40, 41, 42 ist die Marke 307 51 081.6 als sonstige Markenform "variable Bildmarke" mit folgender Beschreibung eingereicht worden:

"Eine violettpurpurfarben gefüllte, rechteckähnliche geometrische Figur mit zwei parallelen, gleich langen, geraden Begrenzungslinien in einer ersten Richtung und einer geraden und einer kreisbogenförmigen Begrenzungslinie in einer zur ersten Richtung rechtwinkligen zweiten Richtung, wobei das Verhältnis der Länge der Begrenzungslinien in der ersten Richtung zur Länge der geraden Begrenzungslinie in der zweiten Richtung variabel ist".

Die Markenstelle für Klasse 37 des DPMA hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, nach den Grundsätzen der "Sieckmann"-Entscheidung des EuGH (vgl. GRUR 2003, 145) könne ein Zeichen nur dann eine Marke sein, wenn es sich mit Hilfe von Figuren, Linien oder Schriftzeichen grafisch darstellen lasse und die Darstellung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv sei. Die angemeldete Marke sei vorliegend nicht eindeutig zu identifizieren, da das flächenmäßige Verhältnis der sich gegenüber liegenden Markenbegrenzungen sowohl in seiner Breite als auch in seiner Tiefe variabel sei. Es entstünden dadurch verschiedene bildliche Eindrücke, die nicht auf dieselbe Marke schließen ließen. Der wesentliche Zweck der grafischen Darstellung, den Schutzgegenstand durch Auffassung der grafischen Darstellung erfassen zu können, werde verfehlt. Zur Definition der Marke diene eine Art mathematische Formel, die die Allgemeinheit aber nicht über die Marke informieren könne. Der Hinweis der Anmelderin auf Hörund Wortmarken (letztere umfassten auch beliebige grafische Ausgestaltungen) gehe fehl, da die angemeldete Marke z. B. auch Ausprägungen umfasse, bei denen die kreisbogenförmige Begrenzungslinie in Bezug auf die purpurfarbene Fläche nach innen gekrümmt sei.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie vertritt die Ansicht, schon der Gegenstand der Anmeldung sei von der Markenstelle nicht richtig wiedergegeben worden, da die Markenanmeldung keine unmittelbare, sondern lediglich eine mittelbare Wiedergabe enthalte. Diese Markenwiedergabe setze sich zusammen aus einer Umschreibung dessen, was als Marke angemeldet sei und vier grafischen Beispielsdarstellungen, welche dazu dienten, den Betrachtern zu erläutern, wie die textmäßige Umschreibung des Anmeldegegenstands zu verstehen sei. Beide Elemente seien als einheitliche Wiedergabe anzusehen, aber nicht als Beschreibung nach § 12 Abs. 3 MarkenV. Gegenstand der Anmeldung sei eine variable Bildmarke, die einerseits feststehende Merkmale (spezieller Farbton und grafische Grundform) und andererseits variable Merkmale (Verhältnis zwischen Länge und Breite des grafischen Grundelements sowie naturgemäß Gesamtgröße der Bildmarke) aufweise. Damit decke die angemeldete Marke eine Reihe möglicher konkreter Benutzungsformen ab. Die Markenfähigkeit nach § 3 Abs. 1 MarkenG sei gegeben, da das Zeichen nicht eine bloße Vielfalt unterschiedlicher Darstellungen sei, sondern die abstrakte Eigenschaft, die dieser Vielzahl konkreter Gestaltungen gemeinsam zukomme. Dieser Grundsatz sei allgemein anerkannt für abstrakte Farbmarken bzw. Zwei-Farben-Marken, wo auch eine Vielzahl konkreter Gestaltungen unter die abstrakte Marke fielen. Weiterhin gelte der Grundsatz auch für Positionsmarken (z. B. roter Streifen auf dem Schuhabsatz, der nicht auf exaktes Breiten-Längen-Verhältnis eingeschränkt sein müsse). Die angemeldete Marke sei auch grafisch darstellbar. Die Darstellung sei nach den Grundsätzen der "Libertel"-Entscheidung klar und eindeutig. Die wörtliche Umschreibung mit den beispielhaften Benutzungsformen eigene sich zur genauen Abgrenzung. Auch der unbefangene Betrachter könne -ohne Mathematiker oder Naturwissenschaftler zu sein -unmittelbar erkennen, welche Benutzungsformen unter die Marke fielen und welche nicht. Schließlich weise die Marke neben der grafischen Darstellbarkeit des § 8 Abs. 1 MarkenG auch eine konkrete Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf. Es handele sich nicht um eine geometrische Grundform, sondern um einen speziellen "Clip", ein sog. "Polygon" in einem seltenen Farbton.

Die Anmelderin beantragt daher sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde erweist sich als nicht begründet.

Die angemeldete Marke ist von der Eintragung ausgeschlossen, da ihre grafische Darstellbarkeit zu verneinen ist (§ 8 Abs. 1 MarkenG). Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, dient das Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit dazu, die Eintragung in das Register zu ermöglichen, Dritten auf diese Weise Auskunft über den Schutzgegenstand zu geben und eine zuverlässige Grundlage für die Beurteilung von Markenkollisionen und -verletzungen bereitzustellen (vgl. EuGH a. a. O. -Sieckmann; BGH GRUR 2001, 1154 -Farbmarke violettfarben; GRUR 1999, 730 -Farbmarke magenta/grau).

Nach der Rspr. des EuGH verlangen die Erfordernisse der mit der Bestimmtheit und der grafischen Darstellbarkeit verfolgten Zwecke zwar nicht notwendig die grafische Wiedergabe der Marke selbst. Es kann u. U. genügen, die Marke mit hinreichend eindeutigen Symbolen, insbesondere mit Hilfe von Figuren, Linien oder Schriftzeichen, zu umschreiben. Das setzt jedoch voraus, dass die (mittelbare) grafische Darstellung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist (vgl. EuGH a. a. O. -Sieckmann). Durch die Möglichkeit der mittelbaren grafischen Darstellung ist indes das Erfordernis einer eindeutigen Darstellung nicht entbehrlich. Zwar kann die Kombination einer Abbildung und einer wörtlichen Beschreibung in Betracht kommen (vgl. BGH PAVIS PROMA I ZB 07/05 -Kraftfahrzeugsitz), jedoch muss der Anmeldegegenstand hinreichend klar und eindeutig erkennbar sein. Auch wenn zugunsten der Markenanmelderin davon auszugehen ist, dass eine wirksame Markenanmeldung vorliegt, scheitert die Eintragung als Marke an einem hinreichend bestimmten Schutzgegenstand, da das Verhältnis der Länge der Begrenzungslinien in der ersten Richtung zur Länge der geraden Begrenzungslinie in der zweiten Richtung als "variabel" angegeben wird, d. h. die angemeldete Marke erscheint in der Breite und Höhe (bzw. Tiefe) variabel. Durch diese Variabilität, die nicht näher definiert bzw. konkretisiert oder eingegrenzt wird, entstehen je nach Vorstellungskraft des Betreffenden verschiedene bildliche Eindrücke, selbst wenn hierfür keine mathematischen Kenntnisse erforderlich sind. Durch § 3 MarkenG wird die Markenfähigkeit zwar auf gegenständliche, nicht jedoch auf abstrakte, nur unbestimmt angegebene Erscheinungsformen erweitert. Hierdurch würde anstelle des Schutzgegenstands der Schutzumfang in das Belieben der Anmelderin gestellt (vgl. BPatG GRUR 2006, 881, 882 -Farbmarke). Dass vier beispielhafte Darstellungen eingereicht wurden, vermag eine ausreichende grafische Darstellbarkeit jedenfalls nicht zu begründen, da diese Beispiele nicht dem Gegenstand der Anmeldung gleichgestellt werden können; der Anmeldegegenstand geht vielmehr darüber hinaus und schützt eine Vielzahl weiterer "variabler" Erscheinungsformen. Hängt indes der Anmeldegegenstand von der Vorstellungskraft des Betrachters ab, kann eine hinreichende Bestimmtheit nicht bejaht werden (vgl. EuGH GRUR Int. 2007, 324 -Dyson).

Schließlich vermag auch der Umstand, dass eine eingetragene Marke in Abwandlungen benutzt werden kann und die vorliegende Marke in der Absicht angemeldet worden ist, auch jene möglichen Benutzungsformen zu schützen, keine andere Betrachtung zu rechtfertigen. Grundgedanke des § 26 Abs. 3 MarkenG ist, dass der Schutz einer eingetragenen Marke auch gewisse Abwandlungen zulässt und deren ausreichende Benutzung dadurch nicht in Abrede gestellt werden kann. Eine für das Widerspruchsverfahren bestehende Regelung kann indes nicht die Erfordernisse an die grafische Darstellbarkeit im Anmeldeverfahren definieren bzw. relativieren.

Soweit die Anmelderin auf die Möglichkeit einer gewissen Abstraktheit bei der Darstellbarkeit für Zwei-Farben-Marken hinweist, lässt auch dies keine Variabilität wie vorliegend beansprucht zu, denn es ist bei der Beanspruchung einer abstrakten Farbkombination eine ausreichende grafische Darstellbarkeit nur gegeben, wenn die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind, d. h. mit fest definierter Schnittstelle der beteiligten Farben (vgl. EuGH GRUR 2004, 858, 859 -Heidelberger Bauchemie; BPatG a. a. O. -Farbmarke; GRUR 2000, 428, 429 -Farbmarke schwarz/gelb).

Zum anderen bestehen auch erhebliche Zweifel an der konkreten Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, da es sich bei sämtlichen denkbaren Varianten um eine einfache geometrische Figur handelt. Die Farbgebung als solche würde eine Unterscheidungskraft auch nur dann begründen, wenn auf den betreffenden Waren und Dienstleistungssektoren Farben nicht nur als dekorative oder sachbezogene Elemente in Betracht kommen oder der gewählte Farbton sich als unüblich darstellt. Dafür fehlen angesichts des breiten Waren-/Dienstleistungsspektrums konkrete Anhaltspunkte. Zum anderen gilt es zu bedenken, dass bei der hier angemeldeten Zeichenform die Anmelderin eine Farbgebung bzw. Ausstattung beansprucht, mit der sie nach eigenem Gutdünken die Ware versehen kann. Solchen freien Gestaltungen ist aber bereits eine Unterscheidungskraft von vornherein abzusprechen (vgl. BPatG a. a. O. -Farbmarke Schwarz/gelb).

Dr. Fuchs-Wissemann Reker Kopacek Bb






BPatG:
Beschluss v. 10.12.2008
Az: 26 W (pat) 60/08


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