Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Mai 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 24/97

(BPatG: Beschluss v. 04.05.2000, Az.: 17 W (pat) 24/97)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 4. Oktober 1987 beim Deutschen Patentamt unter der Bezeichnung

"Leitungsschutzschalter"

eingereicht worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse H 01 H mit Beschluß vom 25. Oktober 1996 wegen mangelnder Neuheit zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie verfolgt ihre Anmeldung auf der Grundlage der am 27. Juni 1995 eingegangenen Ansprüche 1 bis 3, einer am 4. Mai 2000 eingegangenen Beschreibungsergänzung, im übrigen mit der Beschreibung und den Figuren vom Anmeldetag weiter.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

Leitungsschutzschalter in Schmalbauweise, mit einem Magnetauslöser und einer dem Magnetauslöser benachbarten Lichtbogenlöschkammer, wobei ein Jochschenkel des Magnetauslösers an die Lichtbogenlöschkammer angrenzt, dadurch gekennzeichnet, daß

der Jochschenkel (3) mit einer parallel zur Lichtbogenlöschkammer (2) verlaufenden und zu ihr hin gerichteten Rippe (7) versehen ist.

Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Anmelderin hinsichtlich des vorveröffentlichten deutschen Gebrauchsmusters DE-GM 8208877 vor, daß die dort offenbarte Lichtbogenleitschiene aus einem anderen Material als der Jochschenkel bestehe. Der dortige Jochschenkel habe nicht die Aufgabe, den Lichtbogen zu führen. Deshalb könne die Lichtbogenleitschiene nicht als Rippe des Jochschenkels betrachtet werden. Ferner sei nicht offenbart, daß die Lichtbogenleitschiene schmaler sei als der Jochschenkel, so daß auch in dieser Hinsicht die Lichtbogenleitschiene keine Rippe des Jochschenkels sei. Schließlich sei aus der Zeichnung dieses Gebrauchsmusters ersichtlich, daß sich zwischen dem Jochschenkel bzw der Abschirmplatte und der Lichtbogenleitschiene ein Luftpolster befinde.

Deshalb sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem deutschen Gebrauchsmuster DE-GM 8208877 patentierbar. Dieses gelte auch hinsichtlich des weiterhin genannten Standes der Technik.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluß des Deutschen Patentamtes vom 25. Oktober 1996 aufzuheben und ein Patent mit den geltenden Unterlagen zu erteilen.

Mit Schriftsatz vom 28. April 2000, eingegangen am 4. Mai 2000, hat die Anmelderin auf die gestellten Anträge verwiesen und mitgeteilt, daß sie den Termin der mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen werde.

II.

Die in rechter Frist und Form eingelegte Beschwerde ist unbegründet, da dem beanspruchten Gegenstand die Neuheit fehlt, §§ 1, 3 PatG.

Der geltende Anspruch 1 weist in seinem kennzeichnenden Teil das Merkmal auf, daß der Jochschenkel mit einer Rippe versehen ist.

Zur Auslegung dieses Merkmals ist der Beschreibung zu entnehmen, daß die Rippe die Funktion hat, den Lichtbogen zu zentrieren und daß der Lichtbogen bevorzugt auf der erhöhten Rippe laufen soll (Seite 3, Zeilen 8-12). Zu dem Ausführungsbeispiel gemäß den Fig 1 bis 3 ist hinsichtlich der Geometrie der Rippe angegeben, daß die Rippe aus dem unteren Jochschenkel ausgeprägt ist (Seite 4, Zeile 3; Fig 3).

Daraus entnimmt der Fachmann, daß unter der im Anspruch 1 bezeichneten Rippe ein längliches, aus dem unteren Jochschenkel in Richtung auf die Löschkammer hervortretendes Element zu verstehen ist, dessen Breite kleiner ist als die Breite des unteren Jochschenkels.

Bezüglich der Angabe, daß der Jochschenkel mit der Rippe versehen ist, wird in der Beschreibung auf Seite 2 in den letzten beiden Zeilen angegeben, daß die Rippe geprägt sein kann oder aus auf dem Jochschenkel aufgetragenem Material bestehen kann. Ferner ist als Funktion des unteren Jochschenkels angegeben, daß dieser als Laufschiene fungiert, wobei der Lichtbogen bevorzugt auf der erhöhten Rippe laufen soll (Seite 3, 2. Absatz).

Daraus ergibt sich, daß dieses Merkmal so auszulegen ist, daß Rippe und Jochschenkel über die gesamte Rippenlänge unmittelbar miteinander verbunden sind.

Aus dem vorveröffentlichten deutschen Gebrauchsmuster DE-GM 8208877 ist unter Bezugnahme auf die Wortwahl des geltenden Anspruchs 1 ein Leitungsschutzschalter in Schmalbauweise mit einem Magnetauslöser 2 und einer dem Magnetauslöser 2 benachbarten Lichtbogenlöschkammer 1 bekannt (siehe insbesondere die Fig).

Das Magnetgestell 10 des Magnetauslösers 2 weist einen unteren, in dem Gebrauchsmuster DE-GM 8208877 nicht näher bezeichneten Jochschenkel auf, der entsprechend der auf Seite 3, vierter Absatz, angegebenen Ausführungsform -unter Verzicht auf die Abschirmplatte 9 - unmittelbar an die Lichtbogenlöschkammer 1 angrenzt (siehe zusätzlich die Figur).

Dieses Gebrauchsmuster offenbart weiter eine obere Lichtbogenleitschiene 5 (S 3, 3. Abs), welche in der Fig nur in Seitenansicht dargestellt ist. Auch die Beschreibung gibt keine näheren Hinweise auf den Querschnitt der Leitschiene. Nach der Rechtssprechung des BGH (GRUR 1995, S 330 ff "Elektrische Steckverbindung") ist durch eine zum Stand der Technik gehörende Schrift im Sinne des § 3 Abs 1 Satz 2 PatG für den Fachmann alles als offenbart und damit als neuheitsschädlich vorweggenommen anzusehen, was für den Fachmann als selbstverständlich oder nahezu unerläßlich zu ergänzen ist oder was er bei deren aufmerksamer Lektüre ohne weiteres erkennt und in Gedanken gleich mitliest.

Unter einer Schiene wird sprachüblich ein längliches Bauteil verstanden, dessen Länge größer ist als die Breite. Somit gibt bereits die Bezeichnung "Leitschiene" dem Fachmann einen Hinweis darauf, daß die Breite der Schiene 5 geringer sein kann bzw sein soll als die Breite des unteren Jochschenkels des Magnetgestells 10 und er wird dies bei aufmerksamer Lektüre mitlesen.

Da somit der Fachmann diesem Gebrauchsmuster entnimmt, daß die Breite der Lichtbogenleitschiene 5 geringer sein kann bzw sein soll als die Breite des unteren Jochschenkels des Magnetgestells 10, stellt die dort offenbarte Lichtbogenleitschiene 5 eine parallel zu der Lichtbogenlöschkammer (Löschblechpaket 1) verlaufende und zu ihr hin gerichtete Rippe dar (siehe insbesondere auch die Fig).

Die Lichtbogenleitschiene 5 grenzt - wie bereits aufgezeigt - unmittelbar an den Jochschenkel an. Dies ergibt sich für den Fachmann im übrigen auch aus der auf Seite 3, 2. Absatz, angegebenen Funktion dieser Schiene, welche als Festkontakt, dh als Anschlag für den beweglichen Kontaktteil, fungiert. Wäre die Lichtbogenleitschiene 5 von dem Jochschenkel getrennt, so gäbe es an dieser Stelle - je nach ihrem momentanen Biegezustand - instabile Kontaktzustände. Dies ist dem Fachmann bekannt und bei verständiger Würdigung des gesamten Offenbarungsgehalts des Gebrauchsmusters wird er diesem entnehmen, daß die Lichtbogenleitschiene 5 fest mit dem Jochschenkel verbunden ist. Somit ist der Jochschenkel auch mit einer Lichtbogenleitschiene versehen, die im Sinne des Anspruchs 1 des Patentbegehrens einer parallel zur Lichtbogenlöschkammer verlaufende und zu ihr hin gerichtete Rippe darstellt.

Daher fehlt dem geltenden Anspruch 1 im Hinblick auf das deutsche Gebrauchsmuster DE-GM 8208877 die Neuheit.

Dieser Anspruch ist somit nicht gewährbar.

Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die Ansprüche 2 und 3 nicht gewährbar.

Grimm Bertl Püschel Schuster Hu






BPatG:
Beschluss v. 04.05.2000
Az: 17 W (pat) 24/97


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d7a3026fcf8f/BPatG_Beschluss_vom_4-Mai-2000_Az_17-W-pat-24-97




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share