Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 10. Februar 2000
Aktenzeichen: 7 E 299/99

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 10.02.2000, Az.: 7 E 299/99)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 25. Februar 1999 insoweit zu Recht abgeholfen, als es die zu erstattenden Kosten um eine Gebühr von 446,30 DM (Beweisaufnahmegebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) sowie um die wegen der eingeschränkten Beschwerdeeinlegung ohnehin nur noch strittigen Hälfte der geltend gemachten Fahrtkosten und des Abwesenheitsgelds bezüglich des Ortstermins vom 28. Oktober 1997 (§ 28 Abs. 2 und 3 BRAGO) reduziert hat. Der weitere vom Verwaltungs- gericht gegenüber dem Kostenfestsetzungsbeschluss vorgenommene - noch strittige - Abzug einer Gebühr von 446,30 DM (Bespre- chungsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) ist hingegen nicht gerechtfertigt; insoweit hat die Beschwerde Erfolg.

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. Dezember 1998 hat der Kläger die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. Zu den zu erstattenden Kosten der Beigeladenen zählen auch die Kosten, die für die Hinzuziehung ihrer Bevollmächtigten für das Vorverfahren angefallen sind, nachdem das Verwaltungsgericht diese Hinzuziehung mit Beschluss vom 16. Februar 1999 für notwendig erklärt hat.

Diese im Vorverfahren angefallenen Kosten erfassen auch eine Besprechungsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO. Eine solche, eine Gebühr auslösende Besprechung hat am 28. Oktober 1997 stattgefunden.

Allerdings ist nicht jeder - ggf. nur fernmündliche - Kontakt zwischen dem Bevollmächtigten und einem Behördenvertreter als "Mitwirken bei mündlichen Verhandlungen oder Besprechungen über tatsächliche oder rechtliche Fragen" nach der genannten Vorschrift zu werten. Es muss vielmehr eine Erörterung im Sinne des Austauschs von Informationen und Argumenten stattfinden, die z.B. über die bloße Informationsbeschaffung über Stand und Fortgang des Verfahrens hinausgeht.

Vgl.: OVG Hamburg, Beschluss vom 16. November 1993 - Bs VII 120/93 - NVwZ-RR 1994, 621 m.w.N..

Das war hier bei dem Ortstermin vom 28. Oktober 1997 geschehen. Zwar war dieser Ortstermin zunächst nur vereinbart worden, um Fragen im Zusammenhang mit einer Genehmigung der Betriebserweiterung zu besprechen, wie aus dem diesbezüglichen Schriftwechsel (Schreiben des Beklagten vom 29. September 1997 und der Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 10. Oktober 1997) folgt. Der Ortstermin ist jedoch auch gleichzeitig dazu genutzt worden, den anwesenden Vertreter der Beigeladenen und den anwesenden Bevollmächtigten über das bereits im Widerspruchsverfahren befindliche Begehren des Klägers auf ordnungsbehördliches Einschreiten gegen die Beigeladene zu informieren. Diese Information beschränkte sich nicht darauf, den Genannten lediglich Kenntnis von dem Widerspruchsverfahren zu verschaffen. Es fand vielmehr auch eine inhaltliche Erörterung statt. Dieser Vortrag der Beigeladenen wird durch den Vortrag des Beklagten und die von ihm vorgelegten Unterlagen bestätigt. So ist in dem Schreiben des Beklagten an die Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 29. Oktober 1997 diesen unter Bezugnahme auf die "Erörterung" vom Vortag Gelegenheit gegeben worden, sich zur Sache zu äußern. Im Antwortschreiben der Bevollmächtigten vom 3. November 1997 wird ausdrücklich auf konkrete Äußerungen des im Ortstermin anwesenden Vertreters der Beigeladenen Bezug genommen. Schließlich spricht der Beklagte selbst in seinem im Gerichtsverfahren vorgelegten Schriftsatz vom 4. Mai 1999 davon, dass im Ortstermin "sowohl das Verfahren 'Betriebsflächenerweiterung' als auch das Verfahren 'Antrag (des Klägers) auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde' erörtert" worden seien. Ein anderer Geschehensablauf würde auch jeder Lebenserfahrung widersprechen. Wenn ein Vertreter des betroffenen Betriebs und dessen Bevollmächtigter bei einem länger andauernden Gespräch mit Behördenvertretern vor Ort auf ein von einem Nachbarn eingeleitetes, im Widerspruchsverfahren befindliches Begehren auf ordnungsbehördliches Einschreiten gegen eben diesen Betrieb hingewiesen werden, ist selbstverständlich zu erwarten, dass dieses Verfahren nicht nur - mehr oder weniger stillschweigend - zur Kenntnis genommen, sondern auch inhaltlich erörtert wird. Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - die betriebliche Situation ohnehin den Anlass dazu gab, sich vor Ort zu treffen. Schließlich folgt das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "im Einverständnis mit dem Auftraggeber" hier schon daraus, dass die Erörterung in Anwesenheit eines Vertreters der Beigeladenen stattgefunden hat. Dafür, dass dieser mit dem Auftreten der Bevollmächtigten nicht einverstanden gewesen wäre, ist nichts dargetan oder sonst ersichtlich.

Die Beigeladene hat jedoch keinen Anspruch auf Erstattung einer Beweisaufnahmegebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO. Eine solche Gebühr kommt nur in Betracht, wenn der Bevollmächtigte an einer Beweisaufnahme mitwirkt, die von einer Behörde angeordnet worden ist, d.h. sich aktiv an den angeordneten Beweiserhebungen beteiligt.

Vgl.: BVerwG, Urteil vom 22. März 1996 - 8 C 11.95 - NVwZ-RR 1996, 711 m.w.N..

Dabei setzt das Entstehen einer Gebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO mit dem Merkmal "Beweisaufnahme, die von einer Behörde angeordnet worden" ist, voraus, dass es der Behörde um mehr als eine bloße Information über den für das betreffende Verfahren maßgeblichen Sachverhalt geht. Eine Beweisaufnahme hat zum Ziel, beweisbedürftige erhebliche Umstände mittels Beweismitteln zu beweisen, d.h. die Behörde von der Wahrheit oder Unwahrheit bestimmter Tatsachen zu überzeugen.

Vgl.: Madert in Gerold/Schmidt, BRAGO, 11. Aufl. 1991 § 118 RdNr. 10.

Dies setzt voraus, dass die Tatsache, deren Wahrheit oder Unwahrheit durch Beweisaufnahme geklärt werden soll, strittig ist. Zudem muss sie entscheidungserheblich sein und die Behörde muss mit der Beweisaufnahme die Absicht verfolgen, die umstrittene, entscheidungserhebliche Tatsache in einem zulässigen Beweisaufnahmeverfahren auch wirklich zu klären.

Vgl.: Hartmann/Albers, Kostengesetze, 28. Aufl. 1999, § 31 BRAGO RdNrn. 110, 115, 117 und 119.

Für all das gibt schon der eigene Vortrag der Beigeladenen nichts her. Der "Eindruck", den ihr Bevollmächtigter im Orts- termin vom 28. Oktober 1997 gewonnen haben will, ist unerheblich. Nach seinem weiteren Vorbringen will er die Vertreter des Beklagten im Ortstermin zwar auf gewisse, aus seiner Sicht für das Widerspruchsverfahren entscheidungserhebliche Umstände hingewiesen haben. Dass diese strittig gewesen sind und es dem Beklagten gerade auf ihre Klärung ankam, um das hier in Rede stehende Widerspruchsverfahren entscheidungserheblich fördern zu können, trägt er jedoch selbst nicht vor. Dementsprechend spricht auch der Beklagte im Zusammenhang mit dem Ortstermin nur von "Erörterung" und nicht auch von "Beweisaufnahme". Der Umstand, dass diese Erörterung "vor Ort" stattfand, besagt über den Charakter als Beweisaufnahme nichts. Es entspricht im Übrigen durchaus üblichen Gepflogenheiten im Verwaltungs- und auch Gerichtsverfahren, Verfahren nicht nur in der Behörde bzw. dem Gericht, sondern auch "an Ort und Stelle" zu erörtern, ohne dass damit zwangsläufig auch eine Beweisaufnahme zur Klärung strittiger Fragen verbunden ist. Dagegen, dass hier eine vom Beklagten für das in Rede stehende Widerspruchsverfahren angeordnete Beweisaufnahme stattgefunden hat, spricht schließlich auch, dass die Erörterung des auf ordnungsbehördliches Einschreiten gegen die Beigeladene gerichteten Begehrens des Klägers nur gleichsam "bei Gelegenheit" des ohnehin aus anderen Gründen vorgesehenen Zusammentreffens stattgefunden hat.

Der letztgenannte Gesichtspunkt schließt es zugleich aus, dass der Kläger der Beigeladenen auch die von ihr gemäß § 28 Abs. 2 und 3 BRAGO geltend gemachten Fahrtkosten nebst Abwesenheitsgeld ihres Bevollmächtigten jedenfalls hälftig zu erstatten hat. Die Reise diente hier ausschließlich der mit den Schreiben vom 29. September/10. Oktober 1997 vereinbarten Durchführung des Ortstermins in der Angelegenheit "Betriebsflächenerweiterung". Der Umstand, dass die Gelegenheit des Zusammentreffens vor Ort auch dazu genutzt wurde, das hier in Rede stehende Widerspruchsverfahren zu erörtern, führt noch nicht dazu, dass die Reise damit zugleich auch im Sinne von § 29 BRAGO mehreren Geschäften diente. Im Gegenteil ist auch nicht ansatzweise erkennbar, dass es zu einer Erörterung vor Ort und damit dem Anfall der Kosten für die Geschäftsreise gekommen wäre, wenn es nur um die Information über das Widerspruchsverfahren (mit anschließender Erörterung) gegangen wäre.

Die auf § 155 Abs. 1 VwGO beruhende Kostenentscheidung trägt dem in etwa gleichen Obsiegen und Unterliegen des Klägers und der Beigeladenen Rechnung. Eine kostenmäßige Berücksichtigung des im Beschwerdeverfahren nicht mehr verfolgten Betrags von 24,36 DM - insoweit geht die Erledigungserklärung der Beigeladenen wegen der auf Grund der nur beschränkten Beschwerdeeinlegung eingetretenen Unanfechtbarkeit des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts ins Leere - kommt wegen der relativ geringen Höhe dieses Betrags nicht in Betracht. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 2 GKG.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 10.02.2000
Az: 7 E 299/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d7bbafe15ad0/OVG-Nordrhein-Westfalen_Beschluss_vom_10-Februar-2000_Az_7-E-299-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share