Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 4. Februar 2010
Aktenzeichen: I-6 W 45/09

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 04.02.2010, Az.: I-6 W 45/09)

Tenor

Die Rüge der Antragsgegnerin vom 24. Dezember 2009 wegen Verlet-zung rechtlichen Gehörs gegen den Beschluss des Senats vom 9. De-zember 2009 sowie die von ihr gestellten Anträge auf Außerkraftset-zung des vorgenannten Beschlusses bis zur endgültigen Entscheidung und auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die von ihr eingelegte Rechtsbeschwerde werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 9. Dezember 2009 hat der Senat die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 14. August 2009 zurückgewiesen, mit welcher das Landgericht auf Antrag der Antragsteller einen Sonderprüfer bestellt hat zur Überprüfung, ob Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit den Umständen, die zur Krise der Antragsgegnerin geführt haben, Pflichtverletzungen sowohl durch aktives Handeln als auch durch Unterlassen begangen haben bei der Aufnahme, Fortsetzung, Überwachung oder Ausweitung von Geschäften in oder mit Verbriefungs- oder Refinanzierungsgesellschaften, insbesondere der "E.", der "f.", der "G." und der "E." sowie bei Einrichtung und Auslagerung wesentlicher Funktionen auf die I-GmbH. Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Anhörungsrüge gemäß § 29a FGG a. F.

II.

Die zulässige Gehörsrüge ist nicht begründet. Auch die weiteren Anträge auf Außerkraftsetzung des gerügten Senatsbeschlusses bis zur endgültigen Entscheidung und auf Aussetzung des Verfahrens bis zur endgültigen Entscheidung des Bundesgerichtshofes über die von ihr eingelegte Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg.

1. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin findet § 70 FamFG keine Anwendung, so dass eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht in Betracht kam. Gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG richtet sich das vorliegende Verfahren nicht nach dem erst am 1. September 2009 in Kraft getretenen FamFG, denn es ist schon vor dessen Inkrafttreten eingeleitet worden.

Nach der Gesetzesbegründung zur Entwurfsfassung von Art. 111 FGG-RG soll sich die dort getroffene Übergangsregelung einheitlich auf die Durchführung des Verfahrens in allen Instanzen erstrecken (BT-Drs. 16/6308, S. 359 linke Spalte). Hieran hat sich auch durch die erst durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 3. April 2009 eingefügte Regelung des Art. 111 Abs. 2 FGG-RG nichts geändert. Nach dieser Vorschrift handelt es sich zwar bei jedem gerichtlichen Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, um ein selbständiges Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG. Aus der Begründung für die Beschlussempfehlung des Bundestags-Rechtsausschusses zur Einführung des Art. 111 Abs. 2 FGG-RG geht jedoch eindeutig hervor, dass diese Vorschrift nur der Klarstellung im Hinblick auf die Behandlung von laufenden Entscheidungen im Rahmen von sog. "Bestandsverfahren" - wie insbesondere im Betreuungs-, Vormundschafts- oder Beistandschaftsrecht - dienen soll und sich an der Intention des Gesetzgebers zur einheitlichen Anwendung des alten Verfahrensrechts auf sämtliche Rechtszüge in den bereits vor dem 01. September 2009 eingeleiteten Verfahren dadurch nichts geändert hat (BT-Drs. 16/11903, S. 61 rechte Spalte).

Dieses Verständnis des Art. 111 Abs. 2 FGG-RG entspricht der in der Rechtsprechung (OLG Köln FGPrax 2009, 240; FGPrax 2009, 241; OLG Düsseldorf; BeckRS 2009, 27032; OLG Stuttgart, BeckRS 2009, 28407; OLG Hamm BeckRS 2009, 29531, OLG Dresden BeckRS 2009, 88195; OLG Schleswig NJW 2010, 242; OLG Bremen BeckRS 2010 00303; für das Rechtsbeschwerdeverfahren implizit auch BGH FamRZ 2009, 1994) einhellig und in der Literatur (Bork/Jacoby/Schwab/Zorn, FamFG, vor § 151 FamFG Rn 19; Schulte-Bunert/Weinreich/Schürmann, FamFG, 2. Auflage, Art. 111 FGG-RG Rn 12; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 30. Auflage, vor § 606, Rn. 3; Pabst, MüKo ZPO, 3. Auflage, Art. 111 FGG-RG Rn 16; Zöller/Feskorn, ZPO, 28. Auflage, vor § 58 FamFG Rn 7; Schlünder/Nickel, Das familiengerichtliche Verfahren, Rn 840; Schael FamFR 2010, 1) ganz überwiegend vertretenen Ansicht.

Eine Auseinandersetzung mit der vereinzelt gebliebenen und sich mit den Gesetzesmaterialien nicht auseinandersetzenden Gegenansicht von Prütting/Helms, FamFG, Art. 111 FGG-RG Rn 5, der sich - soweit ersichtlich - bisher nur Zöller/Geimer, a.a.O., Einl FamFG Rn 54 angeschlossen hat, war in dem Senatsbeschluss vom 09. Dezember 2009 schon deshalb nicht notwendig, weil die Antragsgegnerin - wie ihre Beschwerdeschrift zeigt - bis dahin auch selbst offenkundig von der Anwendbarkeit des FGG ausgegangen ist. Allein, dass eine Anwendbarkeit des FamFG ihr nach ihrem Schriftsatz vom 28. September 2009 "nicht völlig ausgeschlossen" erschien und sie deshalb "aus Gründen äußerster Vorsorge" ihre Beschwerde zusätzlich auch bei dem Landgericht eingereicht hat, gab zu einer näheren Auseinandersetzung mit der jetzt aufgeworfenen Frage zum damaligen Zeitpunkt noch keine Veranlassung.

2. Nach dem hier somit noch anwendbaren Verfahrensrecht des alten FGG ist die mit der Rüge angegriffene Senatsentscheidung unanfechtbar. Eine weitere sofortige Beschwerde oder ein sonstiges Rechtsmittel dagegen sind unzulässig, weil der Instanzenzug nach dem FGG - jedenfalls in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes und abgesehen von dem hier nicht gegebenen Sonderfall eines Vorlageverfahrens nach § 28 Abs. 2 FGG - bei dem Oberlandesgericht endet (Lutter/K. Schmidt/Spindler, AktG, § 142 AktG 62; Jänig, BB 2005, 949, 953; Keidel/Kunzte/Winkler/Kahl, FGG 15. Auflage, § 19 FGG Rn 48; a.A. Wilsing/Neumann DB 2006, 31, 35 und Hüffer, AktG, 8. Auflage § 142 AktG Rn 30, die sich jedoch offenbar irrtümlich noch auf den alten, bis zum Inkrafttreten des UMAG geltenden Rechtszustand beziehen, wonach die Beschwerdezuständigkeit für die hier in Rede stehenden Verfahren noch beim Landgericht lag und daher eine weitere sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht noch möglich war). Hiervon ausgehend ist die von der Antragsgegnerin nunmehr beantragte Aussetzung des Verfahrens analog §§ 24 Abs. 2 oder 3 FGG schon deswegen nicht möglich, weil das Verfahren spätestens mit der Entscheidung über die Anhörungsrüge bereits abgeschlossen ist. Auch eine Aussetzung des Verfahrens analog § 148 ZPO kommt aus dem gleichen Grunde bereits von vornherein nicht in Betracht.

3. Der Senat hat durch den angefochtenen Beschluss den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 29a Abs. 1 FGG). Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen der Antragsgegnerin, mit denen sie lediglich "falsche" Rechtsansichten des Senats rügt. Von Bedeutung kann im Rahmen der Anhörungsrüge nur eine unrichtige Behandlung des Tatsachenvortrages sein. Selbst wenn der Senat der Antragsgegnerin weitere Gelegenheit zur Stellungnahme hätte geben müssen, hätte das im Rahmen der Anhörungsrüge nunmehr nachgeholte Vorbringen außerdem nicht zu einer anderen Entscheidung des Senats geführt.

a) Soweit sich die Antragsgegnerin sowohl zur Begründung ihrer Eilanträge wie auch im Zusammenhang mit der erforderlichen Interessenabwägung im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Folgen einer Sonderprüfung für ihr Unternehmen zur Begründung ihrer Rüge wiederum auf die zu ihren Lasten in der Vergangenheit bereits angefallenen und in Zukunft weiter befürchteten Rechtsverteidigungskosten bezieht, ist zunächst schon nicht zu erkennen, welchen in dieser Hinsicht von ihr vorgebrachten Tatsachenvortrag der Senat unter Verletzung ihres rechtlichen Gehörs bei seiner Entscheidung vom 09. Dezember 2009 außer Betracht gelassen haben soll.

Hiervon abgesehen kann es für die Verhältnismäßigkeit der Sonderprüfung ohnehin nur auf die künftig erst noch zu erwartenden Kosten der Rechtsverteidigung ankommen, denn solche Kosten, die in der Vergangenheit bereits angefallen sind, werden auch durch einen Verzicht auf die Sonderprüfung nicht mehr wegfallen. Zu berücksichtigen sind daher allenfalls solche Kosten, die zusätzlich noch dadurch entstehen könnten, dass sich weitere Kläger durch die Entscheidung über die Durchführung der Sonderprüfung oder - was wahrscheinlicher erscheint - durch deren denkbares Ergebnis zur Einleitung von zusätzlichen, bisher noch nicht rechtshängigen Verfahren veranlasst sehen oder allenfalls noch, dass Kläger ein bisher bereits eingeleitetes Verfahren in der Hoffnung auf den Ausgang der Sonderprüfung fortsetzen, in dem sie ohne diese ihre Klage wegen Aussichtslosigkeit zurückgenommen hätten. Solche zusätzlichen, erst für die Zukunft noch zu befürchtenden Kosten legt die Antragsgegnerin aber auch mit ihrer Rüge nicht in konkret nachvollziehbarer Weise dar. Insbesondere gehören dazu auch nicht die beiden in London anhängigen Klagen von H. und K. und die beiden in den USA anhängigen Sammelklagen, die sämtlich auch durch einen denkbaren Verzicht auf die Sonderprüfung nicht mehr ungeschehen gemacht werden können.

Berücksichtigt man weiter, dass jedenfalls die Verfahrenskosten in den auf Seite 89 unten des Geschäftsberichts der Antragsgegnerin für das Geschäftsjahr 2008/2009 (Anlage AR 2) im einzelnen aufgezählten Fällen in einer - nach wie vor unbestrittenen - Höhe von 1,1 Mrd. € von der mit der KfW getroffenen Freistellungsvereinbarung abgedeckt sind und dass die Antragsgegnerin auch mit ihrer Anhörungsrüge nach wie vor nicht konkret zu der Höhe der möglichen Ersatzansprüche gegen ihre Organmitglieder Stellung nimmt, so besteht auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vortrages der Antragsgegnerin im Rahmen des Rügeverfahrens keine Veranlassung dazu, die nachteiligen Folgen der Sonderprüfung für deren Unternehmen aus heutiger Sicht im Ergebnis anders zu bewerten, als dies bereits in der Entscheidung vom 09. Dezember 2009 der Fall gewesen ist. Der Senat wäre hier vielmehr auch in Kenntnis der Rügevortrages der Antragsgegnerin nach wie vor zu dem gleichen Ergebnis gelangt. Das gilt erst recht auch deswegen, weil selbst aus noch künftig zu erwartenden Verfahren zusätzliche Kosten der Antragsgegnerin im wesentlichen nur dann zu erwarten wären, wenn sie in solchen Verfahren im Ergebnis unterliegen sollte. Das aber setzt wiederum voraus, dass sich zunächst der bestehende Verdacht gegen die Antragsgegnerin bestätigt, dass also die vermuteten Pflichtverletzungen ihres Vorstandes und ihres Aufsichtsrates tatsächlich vorgelegen haben. Wirtschaftliche Nachteile, die der Beklagten somit nur aus einem im Ergebnis begründeten Vorwurf der Pflichtverletzung erwachsen würden, können aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ohnehin nur begrenzt ins Gewicht fallen. Denn das berechtigte Interesse der Beklagten an der Vermeidung von Nachteilen aus einem unrechtmäßigen Handeln ihrer Organe ist jedenfalls deutlich weniger schutzwürdig als das Interesse an dem Schutz eines ordnungsmäßig und in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Gesetzes und der Satzung geführten Unternehmens.

Auf den Umstand, dass in dem - insoweit richtig zu stellenden - Sachverhalt des angefochtenen Beschlusses irrtümlich von 140 gewonnenen Anlegerklageverfahren die Rede ist, obwohl tatsächlich bisher nur 86 Verfahren für die Antragsgegnerin positiv ausgegangen und die übrigen Verfahren teils in erster und teils in zweiter Instanz noch anhängig sind, kommt es nach alledem nicht entscheidend an. Künftig noch zu erwartende Kosten in einer Höhe, die geeignet sein könnte, das Abwägungsergebnis des Senats im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Sonderprüfung in Frage zu stellen, sind aus diesen Verfahren auch unter Berücksichtigung des genannten Irrtums nicht zu erwarten.

b) Auch im Hinblick auf die in dem gerügten Beschluss vom 09. Dezember 2009 geäußerten Ansichten des Senats zur Frage des Verdachts, dass die Organmitglieder der Antragsgegnerin gegen den satzungsgemäßen Unternehmenszweck verstoßen haben, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragsgegnerin nicht vor.

aa) Zu dem von ihnen geltend gemachten Satzungsverstoß haben die Antragsteller bereits in der Antragsschrift ausführlich vorgetragen und auch die Antragsgegnerin hat dazu auf den Seiten 14 und 15 ihrer Antragserwiderung bereits Stellung genommen. Soweit die Antragsgegnerin die auf der Grundlage dieses Vortrages gefundene Rechtsauffassung des Senats zur Auslegung der Satzung nicht teilt, kann dies nicht im Wege einer Rüge nach § 29a FGG angegriffen werden.

bb) Der Senat wäre außerdem auch unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin vorgetragenen Tatsache, dass sowohl den Wirtschaftsprüfern der Antragsgegnerin als auch der Bankenaufsicht die Existenz und das Volumen ihrer Geschäfte bekannt waren und in regelmäßigen Abständen überprüft wurden, ohne dass es zu Beanstandungen gekommen ist, nicht zu einem anderen Ergebnis gelangt, weil nicht die Wirtschaftsprüfer und die Bankenaufsicht, sondern der Vorstand das Unternehmen satzungsgemäß zu führen hat. Sofern es überhaupt in die Zuständigkeit von Wirtschaftsprüfern und Bankenaufsicht fällt, die Satzungsgemäßheit des Vorstandshandelns zu überprüfen und diese hier also versagt hätten, könnte der Vorstand mit deren Versagen nicht auch noch sein eigenes entschuldigen.

cc) Auch der weitere Vortrag der Antragsgegnerin in deren Schriftsatz vom 28. Januar 2010 vermag ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Der von ihr nunmehr angegriffene Vortrag der Antragsteller, wonach sich das Volumen der Portfolioinvestments der Antragsgegnerin und der mit ihr verbundenen Zweckgesellschaften im Geschäftsjahr 2006/2007 auf 24,7 Mrd. € und somit auf 47 % der Bilanzsumme der Antragsgegnerin belaufen habe, war ebenfalls bereits in der Antragsschrift enthalten und die Antragsgegnerin hatte daher auch hierzu bereits ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme.

Soweit die Antragsgegnerin den dahingehenden Vortrag der Antragsteller weder in der ersten Instanz noch mit ihrer Beschwerde angegriffen hat, war es - auch unter Berücksichtigung des im FGG-Verfahren selbst bei einem echten Streitverfahren der hier vorliegenden Art gemäß § 12 FGG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes - nicht die Aufgabe des Senats, diese von der Antragstellerin aus dem ursprünglichen Geschäftsbericht für das Jahr 2006/2007 hergeleiteten Zahlen von sich aus in Frage zu stellen und durch einen Vergleich mit dem - von der Antragsgegnerin erst jetzt in das Verfahren eingeführten - Geschäftsbericht 2007/2008 oder in sonstiger Weise auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen.

Dessen ungeachtet lassen außerdem auch die von der Antragsgegnerin auf der Seite 4 ihres Schriftsatzes vom 28.01.2010 nunmehr selbst genannten Zahlen zu dem Umfang ihrer Aktivitäten im Verbriefungsbereich nach wie vor den Verdacht fortbestehen, dass die Aktivitäten der Antragsgegnerin in diesem Bereich und die dabei von ihr eingegangenen Risiken einen Umfang eingenommen haben, der mit dem Sinn und Zweck ihres satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes nicht mehr vereinbar gewesen ist. Eine feste Prozentgrenze, bei deren Überschreitung eine derartige Verletzung des Satzungszweckes erst denkbar erscheint, kann der Beurteilung in diesem Zusammenhang ohnehin nicht zugrunde gelegt werden.

dd) Der Senat bedauert den durch die Verwendung des Zitats von X. bei der Antragsgegnerin offenbar entstandenen Eindruck der Voreingenommenheit. Eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragsgegnerin kann aber auch in diesem Zusammenhang nicht erkannt werden. Abgesehen davon, dass das Zitat von X. im Internet öffentlich zugänglich und seit geraumer Zeit in der Presse in aller Munde ist (z. B. Online vom 6. Juli 2007 "Kreditderivate - Investments wie Zeitbomben" von Y.), diente dieses Zitat nur einer plastischen Veranschaulichung der zuvor in dem gerügten Beschluss eingehend dargelegten Intransparenz des Verbriefungssektors und der Erkennbarkeit derselben. Eine verfahrensrelevante Tatsache, zu der sich die Antragsgegnerin vor der Entscheidung erst noch hätte äußern müssen, liegt in der Verwendung dieses Zitates jedoch nicht.

c) Der Senat verbleibt auch unter Berücksichtung des Rügevortrages bei seiner Ansicht, nach der ein für die Durchführung der Sonderprüfung ausreichender Verdacht begründet ist, dass der Vorstand der Antragsgegnerin seine Pflichten verletzt hat, weil er seine Entscheidungen entweder auf einer nicht ausreichenden Informationsgrundlage getroffen hat oder sogar wissentlich unvertretbar große Risiken eingegangen ist. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragsgegnerin ist auch in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen und ergibt sich insbesondere nicht schon daraus, dass der Senat den Tatsachenstoff des Verfahrens rechtlich nicht in der von der Antragsgegnerin erhofften Weise bewertet hat.

aa) Zutreffend ist allerdings der Einwand der Antragsgegnerin, dass ihre Handelslinien in der sich zuspitzenden Krise durch die Q-Bank und nicht durch die W-Bank gesperrt worden sind. In diesem Punkt ist der gerügte Beschluss daher wegen offensichtlicher Unrichtigkeit zu berichtigen. Eine Entscheidungsrelevanz dieser Korrektur im Hinblick auf die Frage des für eine Sonderprüfung ausreichenden Verdachts der Pflichtverletzung durch die Organmitglieder oder in sonstiger Hinsicht ist jedoch nicht zu erkennen.

bb) Dass der Senat den Vortrag der Antragsgegnerin zu den Zeitabläufen im Hinblick auf das Zusammenbrechen des ABCP-Marktes und der existenzbedrohenden Krise bei der Antragsgegnerin nicht übergangen, sondern durchaus zur Kenntnis genommen hat, räumt diese unter zutreffendem Verweis auf die Wiedergabe des Sach- und Streitstandes in Ziffer I des gerügten Senatsbeschlusses - siehe dort Seite 6 - sogar selbst ein. Ihr dennoch erhobener Vorwurf, der Senat habe auf Seite 21 seiner Entscheidung unter Ziffer II 2 b) bb) aaa) (1) einen abweichenden Sachverhalt zugrunde gelegt, geht schon deshalb fehl, weil die gerügte Beschlusspassage lediglich Ausführungen zu einem bestimmten Ursachenzusammenhang enthält, der durchaus auch dann vorgelegen haben kann, wenn man die rein zeitlichen Abläufe entsprechend dem Vortrag der Antragsgegnerin als zutreffend unterstellt. Im Ergebnis kann außerdem letztlich dahinstehen, ob der ABCP-Markt bereits vor, während oder nach der Krise der Antragsgegnerin zusammengebrochen ist. Ungeachtet der zeitlichen Abläufe im Detail besteht zumindest der erhebliche Verdacht, dass die vom Platzen der Spekulationsblase überraschten Organe der Antragsgegnerin in intransparente und daher zur unbemerkten "Blasenbildung" überhaupt fähige Anlageformen investiert hatten, ohne die Tragweite ihrer Entscheidungen hinreichend überschauen zu können.

cc) Entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerin auf Seite 25 ihrer Antragserwiderung, sie habe nicht nur externe Ratings, sondern auch eigene Marktbeobachtungen herangezogen, um ihre Investments zu bewerten, ergibt sich die jedenfalls faktisch am Ende allein ausschlaggebende Bedeutung der externen Rating-Agenturen für die von ihr getroffenen Investitionsentscheidungen schon daraus, dass die einzig vorgetragene Konsequenz aus der heraufziehenden Krise ganz offenbar das "noch stärkere Achten auf hohe Ratings" gewesen ist. Damit können nur externe Ratings gemeint sein. Das einzig sinnvolle Ergebnis eines funktionierenden internen Ratings, nämlich zumindest einen Teil der Geschäfte nicht zu tätigen, hat sich nicht ergeben. Damit allein liegt schon der Verdacht nahe, dass es ein Vorstandsversagen gegeben haben muss. Der in dieser Überlegung liegende Rückschluss auf die damalige Situation aus der Ex-Post-Perspektive ist jedenfalls zur Begründung des die Sonderprüfung bereits rechtfertigenden Verdachts einer möglichen Pflichtverletzung nach der Überzeugung des Senats zulässig. Die Unzulässigkeit eines derartigen Rückschlusses in einem späteren Schadensersatzprozess gegen die Organe der Antragsgegnerin steht diesen Überlegungen nicht entgegen. Die näheren Umstände des Versagens des internen Ratingsystems sind durch die Sonderprüfung erst noch zu klären. Gründe, die bereits einen Verzicht auf eine solche Klärung rechtfertigen könnten, trägt die Antragsgegnerin auch mit ihrer Anhörungsrüge nicht vor.

dd) Abgesehen davon, dass der Senat die Aussage des Bundesrechnungshofs in seinem Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages (Anlage AG 13, Seite 20 Ziffer 3.5) "nach § 88 Abs. 2 BHO zur Prüfung der geschäftlichen Aktivitäten zwischen der KfW und der R. sowie des Risikomanagements der KfW gegenüber der R.", "dass der damalige Vorstand der R. und seine Geschäftsstrategie in erster Linie verantwortlich für die Krise der R." bereits dem von der Antragsgegnerin selbst als AG 13 vorgelegten vollständigen Bericht und nicht erst dem Schriftsatz der Antragsteller vom 8. Dezember 2009 entnommen hat, handelt es sich bei dieser Aussage nur um ein Indiz, das der Senat zusätzlich zu der im Übrigen bereits ausreichenden Begründung seiner Auffassung bezüglich des gegen die Organe der Antragsgegnerin bestehenden Verdachtes herangezogen hat. Bei dieser Auffassung verbleibt der Senat auch unter Berücksichtigung des Rügevorbringens der Antragsgegnerin. Es geht hier nicht um eine endgültige Bewertung des Handelns der Organmitglieder der Antragsgegnerin, sondern nur um die Frage, ob es den Verdacht eines Organversagens gibt. Zur Beantwortung dieser Frage ist wie bereits ausgeführt - auch eine Ex-Post-Betrachtung zulässig.

ee) Soweit die Antragsgegnerin beanstandet, dass die Antragsteller zu konkreten Pflichtverletzungen des Aufsichtsrates nichts vorgetragen hätten, ist darauf hinzuweisen, dass ihr Streithelfer in der Anlage zu seinem Schriftsatz vom 16. Oktober 2009 auf den Seiten 21 ff. ausführlich die behaupteten Sorgfaltspflichtverletzungen durch den Aufsichtsrat dargelegt hat.

Abgesehen davon, dass der Aufsichtsrat auch schon aufgrund der Geschäftsberichte seit 2001 und damit lange vor dem erst im Juni 2007 festgestellten Jahresabschluss 2006/2007 das ständig wachsende Engagement der Antragsgegnerin im Verbriefungssektor kritisch hätte hinterfragen müssen, hätte er sich mit der Antwort des Vorstands auf die entsprechende Nachfrage des Aufsichtsrats in seiner Sitzung vom 27. Juni 2007, "dass keine signifikanten Risiken aus dem Subprime Investment der Antragsgegnerin resultieren", nicht begnügen dürfen, sondern auf einer eingehenden Erläuterung der Risiken bestehen müssen.

ff) Die Antragsgegnerin kann dem Senat schließlich auch nicht vorwerfen, er habe sich bei seiner Entscheidung in unzulässiger oder zumindest unvorhersehbarer Weise auf ein vertrauliches Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P. gestützt. Der gerügten Entscheidung zugrunde gelegt wurde lediglich die von dem Streithelfer wiedergegebene Zusammenfassung der Ergebnisse dieses Gutachtens in einem Artikel der n Zeitung vom 25. März 2009, dessen Inhalt von der Antragsgegnerin - auch noch in ihrer Rügeschrift - nicht bestritten worden ist. Auch den von der Antragsgegnerin erhobenen Einwand des fehlenden Kausalzusammenhangs zwischen der vermuteten Pflichtverletzung des Vorstandes und einem etwaigen, der Gesellschaft entstandenen Schaden hat der Senat auf den Seiten 24 und 25 des angegriffenen Beschlusses bereits eingehend erörtert. Die abweichenden Rechtsansichten der Antragsgegnerin zu dieser Frage, die diese auf den Seiten 38 bis 40 ihrer Rügeschrift nochmals im Einzelnen darlegt, ändern daran nichts. Insbesondere rechtfertigen sie nicht den Vorwurf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, der es erfordern würde, das Verfahren auf die Anhörungsrüge der Antragsgegnerin weiter fortzusetzen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verpflichtung zur Tragung der durch die Zurückweisung der Anhörungsrüge gemäß § 131d Satz 1 KostO angefallenen Gerichtskosten ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Außergerichtliche Kosten sind durch das Verfahren der Anhörungsrüge nicht zusätzlich angefallen, denn dieses gehört gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 RVG zum Beschwerderechtszug (Jansen/Briesemeister, FGG, 3. Auflage, § 29a FGG Rn 26).






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 04.02.2010
Az: I-6 W 45/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d805934abcec/OLG-Duesseldorf_Beschluss_vom_4-Februar-2010_Az_I-6-W-45-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share