Oberlandesgericht Hamburg:
Urteil vom 22. Dezember 2009
Aktenzeichen: 3 U 33/09

(OLG Hamburg: Urteil v. 22.12.2009, Az.: 3 U 33/09)

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 9.2.2009 (Az. 315 O 527/08) teilweise abgeändert.

Die einstweilige Verfügung vom 30.10.2008 in der Fassung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 9.2.2009 (Az. 315 O 527/08) wird hinsichtlich des Verfügungstenors zu I.2. aufgehoben; der auf den Erlass der einstweiligen Verfügung zu I.2 gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I.

Die Parteien dieses Eilverfahrens sind in der sog. Stadtmöblierungsbranche tätig, errichten also auf der Grundlage mit den Kommunen geschlossener Werberechtsverträge Bushaltestellenhäuschen, WC-Häuschen, Stadtinformationsanlagen etc. als Träger von Außenwerbung.

Beide Parteien beteiligten sich an der im Jahr 2007 erfolgten Ausschreibung der Stadt Münster über die Vergabe von Werberechten ab dem Jahr 2009. In der Sitzung vom 24.9.2008 beschloss der Rat der Stadt Münster, den Werberechtsvertrag an die Antragsgegnerin zu vergeben. Die dem Ratsbeschluss vorausgegangene Beschlussempfehlung des Oberbürgermeisters enthält nach Maßgabe gewichteter Kriterien eine Bewertung der u.a. von den Parteien dieses Verfahrens eingereichten Angebote. Bei der Punktvergabe kommt dem Kriterium €Finanzen€, welches durch die Unterpunkte €Pacht€, €Preisnachlässe€ und €Werbeleistungen Stadt- und Kulturmarketing€ bestimmt wird, ein Gewicht von 50 % zu; hier erzielte die Antragstellerin 1,8 Punkte und die Antragsgegnerin 2,59 Punkte. Das Kriterium €Werbeträger/Wartehallen€, welches durch die Unterpunkte €Design/Stadtbildverträglichkeit€ und €Multifunktionalität/Barrierefreiheit€ bestimmt wird, wird mit 40 % gewichtet; hier erzielte die Antragstellerin 2,4 Punkte und die Antragsgegnerin 2,16 Punkte.

Am Tag des Ratsbeschlusses veröffentlichte die Beklagte auf ihrer Internet-Homepage unter der Überschrift €W. AG gewinnt Münster€ eine Presseerklärung, in der es u.a. heißt:

€In seiner heutigen Sitzung beschloss der Rat der Stadt Münster, die Werberechte auf städtischem Grund und Boden an die Berliner W. AG zu vergeben (...)

Der renommierte Architekt J. K. entwickelte das neue Stadtmöblierungsdesign für Münster, das durch geschwungene Linien € ein Wechselspiel von konkav-konvex-konkaven Elementen € charakterisiert wird. Diese Grundform geht auf die Barockbauten des Hofarchitekten Johann Conrad Schlaun zurück, die dem Stadtbild seine typischen Züge verleihen.

Die W. AG hat sich mit ihrem wegweisenden Außenwerbe- und Stadtmöblierungskonzept gegen die DSM, die seit 2004 zur Kölner S. AG gehört, sowie die Firma J. durchgesetzt. D. W. dazu: ,Die Entscheidung von Münster ist ein klarer Beweis für unsere Strategie, mit individuellem Design die Städte zu begeistern. Ich bin optimistisch, dass wir auf dem Heimatmarkt weitere Städte von unserem Qualitäts- und Innovationsanspruch überzeugen werden.€€

Der zwischen der Antragstellerin und der Stadt Münster bis zum Ablauf des Jahres 2008 bestehende Werberechtsvertrag enthielt eine sog. englische Klausel, welche der Antragstellerin bei der Neuausschreibung des Werberechtsvertrags das Recht einräumte, sich das etwaige beste Angebot eines Mitbieters zu eigen zu machen und auf dieser Basis eine Fortsetzung des Vertrags zu verlangen (€Vorpachtrecht€). Eine solche Klausel ist auch in einer Reihe weiterer Werberechtsverträge enthalten, die die Antragstellerin mit anderen Kommunen abgeschlossen hat. Nachdem die Stadt Münster nach dem genannten Ratsbeschluss der Antragstellerin das von der Antragsgegnerin unterbreitete Angebot offengelegt hatte, um dieser die Ausübung des €Vorpachtrechts€ zu ermöglichen, ließ die Antragstellerin die ihr hierzu eingeräumte Frist ohne Ausübung desselben verstreichen.

Die Antragsgegnerin veröffentlichte daraufhin am 23.10.2008 wiederum über das Internet unter der Überschrift €S./D. zieht Vorpachtrecht in Münster zurück€ eine Presseerklärung, in der es u.a. heißt:

€Die Stadt Münster informierte die W. AG, dass der Mitbewerber S./D. sein Vorpachtrecht für Werberechte auf städtischem Grund und Boden sowie die Bewirtschaftung öffentlicher Toilettenanlagen zurückgezogen hat. Damit steht einer baldigen Vertragsunterzeichnung zwischen der westfälischen Metropole und dem Stadtmöblierungs- und Außenwerbespezialisten nichts mehr im Wege.

,Durch den Rückzug des Mitbewerbers wird keine Zeit durch juristische Prozesse verloren€, so D. W., Vorstandsvorsitzender der W. AG. ,Nachdem wir uns in Reutlingen, Freiburg und Münster gegen die sogenannten englischen Klauseln durchgesetzt haben, werden diese auch bei kommenden Ausschreibungen keine Rolle mehr spielen.€€

Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die mit dem Antrag zu 1. angegriffene Aussage werde € betrachte man sie, wie es geboten sei, in ihrem Gesamtzusammenhang € von den angesprochenen Verkehrskreisen dahingehend verstanden, dass die Vorlage eines wegweisenden Außenwerbe- und Stadtmöblierungskonzepts ausschlaggebend für den Sieg der Antragsgegnerin gewesen sei bzw. dass die Stadt Münster sich wegen des angebotenen individuellen Designs der Stadtmöbel für die Antragsgegnerin entschieden habe. Diese Behauptung sei unzutreffend, weil die Antragsgegnerin lediglich ein finanziell besseres Angebot gemacht habe, wie dem Bewertungsergebnis zum Kriterium €Finanzen€ entnommen werden könne. Nicht aber habe sich das Angebot der Antragsgegnerin gerade wegen des Designs der Produkte durchgesetzt.

Mit der im Antrag zu 2. genannten Äußerung suggeriere die Antragsgegnerin, sie habe sich gegen das Vorpachtrecht der Antragstellerin €durchgesetzt€. Dies sei schon für sich genommen unzutreffend, da sie, die Antragstellerin, ihr Vorpachtrecht schlicht nicht ausgeübt habe, weil sich dieses für sie betriebswirtschaftlich nicht gelohnt habe; von einer irgendwie gearteten Durchsetzung könne keine Rede sein. Die Antragstellerin suggeriere weiter, dass das Vorpachtrecht bei kommenden Ausschreibungen keine Rolle mehr spielen werde, dass sein Schicksal gewissermaßen besiegelt sei. Dies sei gleichfalls unzutreffend, da aus der einmaligen Nichtausübung eines Vorpachtrechts nicht folge, dass ein solches in anderen Ausschreibungsverfahren keine Rolle mehr spiele. Es handele sich um eine auf einem Werturteil beruhende Tatsachenbehauptung, weil beim Adressaten der Eindruck konkreter, in eine Wertung eingekleideter Vorgänge hervorgerufen werde.

Von der Presseerklärung vom 24.9.2008 habe sie, die Antragstellerin, erstmals am 22.10.2008 Kenntnis erlangt; die weitere Presseerklärung sei ihr erstmals am 27.10.2008 bekanntgeworden.

Die Antragstellerin hat beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehen Ordnungsmittel zu verbieten,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu behaupten,

1. dass die W. AG das Ausschreibungsverfahren der Stadt Münster über die Vergabe von Werberechten aufgrund des individuellen Stadtmöbeldesigns und/oder eines wegweisenden Außenwerbe- und Stadtmöblierungskonzepts der W. AG gewonnen habe, wie nachstehend wiedergegeben: (es folgt Internet-Pressemeldung vom 24.9.2008)

2. dass die W. AG sich in Münster gegen das Vorpachtrecht von Ströer DSM durchgesetzt habe, wie nachstehend wiedergegeben: (es folgt Internet-Pressemeldung vom 23.10.2008).

Das Landgericht Hamburg hat am 30.10.2008 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen.

Mit ihrem Widerspruch hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, die Antragstellerin habe die Angelegenheit verzögerlich behandelt, da sie nach am selben Tag eingetretener Kenntnis von der Presseerklärung vom 24.9.2008 erst am 28.10.2008, also nahezu fünf Wochen später, den Verbotsantrag gestellt und die erlassene einstweilige Verfügung erst am 26.11.2008 € also weitere vier Wochen später € zugestellt habe.

Es bestehe keine Begehungsgefahr. Jedenfalls liege keine Irreführung vor. Die Presseerklärung enthalte lediglich die der Wahrheit entsprechende Behauptung, sie, die Antragsgegnerin, habe mit ihrem Außenwerbe- und Stadtmöblierungskonzept gegen die Antragstellerin und die Firma J. gewonnen. Hieraus könne allenfalls entnommen werden, dass im Rahmen des angebotenen €Gesamtpakets€ das Design in positiver Hinsicht mitberücksichtigt worden sei, nicht aber, dass es allein oder primär auf das Design angekommen sei. Diese Aussage sei zutreffend, denn ohne die hohe Punktzahl für das Design, hätte sie, die Antragsgegnerin, nicht gewonnen.

Hinsichtlich des Antrags zu 2. sei zunächst festzuhalten, dass sie, die Antragsgegnerin, sich tatsächlich gegen das Vorpachtrecht der Antragstellerin wirtschaftlich €durchgesetzt€ habe. Die Antragstellerin habe auf die Ausübung des Vorpachtrechts verzichtet, weil sie wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen sei, zu den gleichen Konditionen anzubieten, ohne Verlust zu erleiden. Ihr, der Antragsgegnerin, Angebot habe also als für die Antragstellerin nicht erfüllbar deren Angebot überwunden. Das Geschehen werde durch den in der Presseerklärung gewählten Begriff des €Rückzuges eines Mitbewerbers€ zutreffend beschrieben. Schließlich sei auch die auf die €englische Klausel€ bezogene Äußerung nicht irreführend. Es handele sich um eine Prognose, die ein subjektives Urteil, nicht eine Tatsachenbehauptung beinhalte.

Mit Urteil vom 9.2.2009, auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen im Übrigen verwiesen wird, hat das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 15, Az. 315 O 527/08, die einstweilige Verfügung mit der Maßgabe bestätigt, dass die untersagte Äußerung gemäß Verfügungstenor zu II.1 lautet: €dass die W. AG sich in Münster gegen das Vorpachtrecht von S.D. durchgesetzt habe und dies auch bei kommenden Ausschreibungen keine Rolle mehr spielen werde, wie nachstehend wiedergegeben (...)€.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht ergänzend geltend:

Die im Antrag zu 1. erstgenannte Aussage €W. gewinnt aufgrund wegweisenden Außenwerbe- und Stadtmöblierungskonzeptes€ sei zutreffend. Die zweite Aussage €W. gewinnt durch individuelles Design€ habe das Landgericht zu Unrecht aufgrund der Angabe €Die Entscheidung von Münster ist ein klarer Beweis für unsere Strategie, mit individuellem Design die Städte zu begeistern€ dahingehend interpretiert, sie, die Antragsgegnerin habe für ihr Design eine höhere Punktzahl erreicht als die Antragstellerin. Aus dem folgenden Satz werde deutlich, dass sich diese Äußerung nicht allein auf Design, sondern eine Kombination aus neuem Design (€Innovation€) und sonstigen Kriterien gehandelt habe. Auch die Formulierung, man habe €mit individuellem Design begeistert€, beinhalte nicht die Behauptung eines Punktsieges im Design.

Hinsichtlich des vom Landgericht mit dem Urteil neu gefassten Tenors zu 2. sei die einstweilige Verfügung schon mangels Vollziehung aufzuheben, weil die Antragstellerin ihr, der Antragsgegnerin, das Urteil nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO habe zustellen lassen. Das Landgericht habe durch die Hinzunahme einer weiteren Teiläußerung in unzulässiger Weise den Streitgegenstand geändert. Der Antrag zu 2. sei mangels Irreführung jedenfalls unbegründet; es bestehe auch keine Begehungsgefahr.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 30.10.2008 und das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9.2.2009 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht ergänzend geltend:

Mit dem Antrag zu 1. seien die Behauptungen im Kontext der Presseerklärung angegriffen. Die Antragsgegnerin zerlege die Äußerung in unzulässiger Weise in ihre Einzelteile; sie seien hingegen in ihrem Gesamtzusammenhang zu betrachten.

Hinsichtlich des Antrags zu 2. bestehe auch in der durch das landgerichtliche Urteil klargestellten Fassung Wiederholungsgefahr. Denn auch insoweit sei der Antragsgegnerin die Äußerung €wie nachstehend wiedergegeben€, also im Kontext der gesamten Presseerklärung verboten worden. Die Presseerklärung insgesamt sei aber dahingehend zu verstehen, dass die Antragstellerin ihr Vorpachtrecht zurückgezogen habe und dieses auch zukünftig keine Rolle mehr spielen werde, weil sich die Antragsgegnerin gegen dieses u.a. in Münster durchgesetzt habe. Daraus lasse sich nur der Schluss ziehen, derartige €englische Klauseln€ seien in Zukunft €hinfällig€, €erledigt€ oder €gestorben€, also nicht mehr relevant. Die Angabe sei keine Meinungsäußerung, sondern eine Tatsachenäußerung, weil sie im Adressaten den Eindruck konkreter, in eine Wertung eingekleideter Vorgänge hervorrufen. Diese Angabe sei aber falsch, da sie, die Antragstellerin, lediglich ihr Recht nicht ausgeübt habe, womit noch nichts über die Möglichkeit der Ausübung in künftigen Ausschreibungsverfahren gesagt sei.

Eine erneute Vollziehung sei nicht erforderlich gewesen. Die Dringlichkeit sei gegeben, weil sie, die Antragstellerin, nur sechs Tage nach Kenntnisnahme von der Presseerklärung am 22.10.2008 den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gestellt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat hinsichtlich des Verfügungstenors zu I.1 keinen Erfolg (dazu nachfolgend 1.), führt jedoch hinsichtlich des Verfügungstenors zu I.2 zur Aufhebung des landgerichtlichen Verbots (dazu nachfolgend 2.).

1. Der Antragstellerin steht der mit dem Verfügungstenor zu I.1 titulierte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 5 UWG zu.

a) Gegenstand des Antrags ist das Verbot,

- im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

- zu behaupten, dass die W. AG das Ausschreibungsverfahren der Stadt Münster über die Vergabe von Werberechten aufgrund des individuellen Stadtmöbeldesigns und/oder

- eines wegweisenden Außenwerbe- und Stadtmöblierungskonzepts der W. AG gewonnen habe,

- wie nachstehend wiedergegeben: (es folgt die der einstweiligen Verfügung beigefügte Internet-Pressemeldung vom 24.9.2008)

Aus der €und/oder€-Verknüpfung der beiden genannten Behauptungen folgt zunächst, dass beide Angaben jeweils für sich betrachtet (€oder€) sowie kumuliert (€und€) Gegenstand des Verbots sein sollen. Es handelt sich um Behauptungen, die vom Wortlaut der konkreten Anzeige abstrahierend zwei bestimmte inhaltliche Aussagen charakterisieren, die jeweils wiederum durch den Zusatz €wie nachstehend wiedergegeben€ auf die konkrete Presseerklärung zurückbezogen werden. Es geht der Antragstellerin also nicht (nur) um das Verbot der in Bezug genommenen Presseerklärung, sondern um das verallgemeinerte Verbot der inhaltlich näher bestimmten Behauptungen nach Art der in Bezug genommenen Presseerklärung.

b) Beide mit dem Antrag angegriffenen Teiläußerungen sind irreführend.

aa) Die Antragstellerin macht geltend, die Presseerklärung werde in den hier maßgeblichen Teilen dahingehend verstanden, dass die Vorlage eines bezüglich des Designs wegweisenden Außenwerbe- und Stadtmöblierungskonzepts ausschlaggebend für den Sieg der Antragsgegnerin gewesen sei bzw. dass die Stadt Münster sich wegen des angebotenen individuellen Designs der Stadtmöbel für die Antragsgegnerin entschieden habe.

Dieses Verkehrsverständnis trifft zu. Die Presseerklärung meldet zunächst die Tatsache der Vergabeentscheidung als solche und beschreibt sodann € insoweit im hiesigen Tatbestand nicht wiedergegeben € weitere Aspekte der Entscheidung (Dauer der bisherigen Vertragsbindung an die Antragstellerin, Anbieterwechsel nach Privatisierung, Streit im Ausschreibungsverfahren, Umfang der anstehenden Investitionen). Am Ende des zweiten Absatzes wird sodann das Design des Angebots der Antragsgegnerin anpreisend und klangvoll beschrieben, indem der Name des €renommierten Architekten€ genannt sowie Aspekte der architektonischen Formensprache (€Wechselspiel von konkav-konvex-konkaven Elementen€) und bauhistorische Bezüge (€Barockbauten des Hofarchitekten Johann Conrad Schlaun€) hervorgehoben werden. Im ersten Satz des dritten Absatzes wird sodann das €Außenwerbe- und Stadtmöblierungskonzept€ erwähnt. Aufgrund des Zusammenhangs mit den zuvor enthaltenen, ausdrucksstark formulierten, auf das Design der Antragsgegnerin bezogenen Angaben ist davon auszugehen, dass ein wettbewerbsrechtlich hinreichend relevanter Anteil der angesprochenen Verkehrskreise den Begriff des €Außenwerbe- und Stadtmöblierungskonzepts€ in Bezug auf das zuvor herausgestellte Design der Antragsgegnerin beziehen wird. Gleiches gilt für die Formulierung, sich €mit diesem Konzept€ durchgesetzt zu haben: hier wird zumindest im Verständnis eines hinreichend relevanten Teils der Adressaten impliziert, gerade das zuvor gepriesene Design habe den Ausschlag gegeben. Sodann folgt das Zitat des Herrn W., wonach €die Entscheidung von Münster (...) ein klarer Beweis für unsere Strategie [sei], mit individuellem Design die Städte zu begeistern€. Diese Angabe wird ebenfalls dahingehend aufgefasst, dass gerade das Design zum Gewinn des Auftrags (€Städte zu begeistern€) geführt habe.

bb) Die im vorstehend beschriebenen Sinne zu verstehenden Angaben sind unzutreffend und daher irreführend. Nach dem unstreitigen Ergebnis der Angebotsbewertung hat die Antragsgegnerin bei dem Kriterium €Werbeträger/Werbehallen€, welches die Aspekte €Design/Stadtbildverträglichkeit€ beinhaltete, gegenüber der Antragstellerin nach Punkten zurückgelegen. Dieser Umstand ist mit der durch die Presseerklärung hervorgerufenen Aussage, gerade das Design der Antragsgegnerin habe den Ausschlag gegeben, nicht vereinbar.

cc) Wiederholungsgefahr besteht, weil € wie sich aus dem Vorstehenden ergibt € die Antragsfassung das Verkehrsverständnis der angegriffenen Angaben charakteristisch wiedergibt.

dd) Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, von der Presseerklärung vom 24.9.2008 erstmals am 22.10.2008 Kenntnis erlangt zu haben. Sie hat sodann am 28.10.2008, also knapp eine Woche nach Erscheinen der zweiten Presseerklärung, das Eilverfahren beantragt, somit nicht verzögerlich gehandelt. Die Ausschöpfung der Vollziehungsfrist des § 929 ZPO ist vorliegend unschädlich.

2. Der Antragstellerin steht der mit dem Verfügungstenor zu I.2 ausgesprochene Unterlassungsanspruch nicht gemäß §§ 3, 5 UWG zu.

a) Gegenstand des vom Landgericht ausgesprochenen, gegenüber dem ursprünglichen Antrag durch Hinzufügung des nachfolgend durch Unterstreichung hervorgehobenen ersichtlichen Umfang modifizierten Verbots ist es,

- im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

- zu behaupten, dass die W. AG sich in Münster gegen das Vorpachtrecht von S. D. durchgesetzt habeund dies auch bei kommenden Ausschreibungen keine Rolle mehr spielen werde,

- wie nachstehend wiedergegeben: (es folgt die der einstweiligen Verfügung beigefügte Internet-Pressemeldung v. 23.10.2008).

aa) Ebenso wie im Falle des Antrags zu 1.a) € auf obige Ausführungen wird verwiesen € handelt es sich hier um ein verallgemeinertes Verbot der inhaltlich näher bestimmten Behauptung nach Art der in Bezug genommenen Presseerklärung.

bb) Das Landgericht hat allerdings durch die € von Amts wegen ohne vorherigen Hinweis erfolgte € Hinzufügung des Aspekts €kommende Ausschreibung€ in den Verbotstenor die einstweilige Verfügung nicht € wie das Landgericht meint € vollen Umfangs bestätigt, sondern sie der Sache nach insoweit (teilweise) aufgehoben und den Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen, als der gestellte Antrag allein auf das Verbot der auf die €Durchsetzung des Vorpachtrechts€ bezogenen Behauptung gerichtet war. Denn der nunmehr zugesprochene Verbotstenor bleibt in seiner Reichweite hinter dem ursprünglich gestellten Antrag zurück, welcher den Aspekt €kommende Ausschreibung€ (gemeint war die Täuschung über die zukünftige Relevanz der €englischen Klausel€) nicht enthielt.

In dieser Hinzufügung liegt keine den Antrag ausschöpfende bloße Klarstellung; dies auch nicht € worauf das Landgericht verweist € deswegen, weil die konkrete Verletzungsform, d.h. der Text aus der Presseerklärung, in Bezug genommen wird. Denn mit dem Antrag angegriffen ist nicht die Presseerklärung als solche, sondern € wie aus der Voranstellung €zu behaupten€€ folgt € eine verallgemeinerte Behauptung lediglich nach Maßgabe der als Verletzungshandlung in Bezug genommenen Presseerklärung. Der Antrag beinhaltet seiner Struktur nach also eine vom Wortlaut der Presseerklärung gerade abstrahierende Äußerung, welche ursprünglich nur den Aspekt der €Durchsetzung gegen das Vorpachtrecht€ thematisierte.

Durch die kumulative Hinzufügung (€und€) des inhaltlichen Elements €kommende Ausschreibung€ in den von der Antragstellerin gewählten Antragswortlaut ist die Reichweite des Verbots vielmehr eingeschränkt worden. Denn der Antragsgegnerin war danach die Behauptung nur in ihrer Gesamtheit, also bei Nennung beider inhaltlicher Aspekte €Durchsetzung gegen das Vorpachtrecht€ und €kommende Ausschreibung€ verboten, wohingegen nach der ursprünglichen Antragsfassung allein die auf die €Durchsetzung des Vorpachtrechts€ bezogene Behauptung verboten war. Nicht hingegen ist unter Verstoß gegen § 308 ZPO durch Hinzufügung eines Sachverhaltselements der Rahmen des gestellten Antrags überschritten worden (vgl. BGH GRUR 2001, 181, 182 € dentalästhetika I; BGH GRUR 2007, 161 Tz 9 € dentalästhetika II). Denn die Antragsgegnerin hat die zur Begründung des Verbotselements €kommende Ausschreibung€ heranzuziehende lebenssachverhaltliche Fehlvorstellung € Täuschung über die Relevanz der €englischen Klausel€ bei zukünftigen Ausschreibungen € bereits zur Begründung des ursprünglichen Antrags in der Antragsschrift vorgetragen und lediglich versäumt, ihrem u.a. auch darauf gestützten Antrag das für den insoweit gerügten Verstoß charakteristische Gepräge zu geben.

cc) Die Antragstellerin hat die Teilzurückweisung des ursprünglichen Antrags zu 2. hingenommen. Denn sie hat in der Berufungsinstanz nicht etwa (Anschluss-) Berufung mit dem Ziel eingelegt, eine ihr günstige Änderung des landgerichtlichen Urteils € nämlich den Neuerlass des einstweiligen Verbots zu I.2 im ursprünglichen Umfang € zu erlangen, sondern lediglich Zurückweisung der Berufung beantragt und hierdurch zu erkennen gegeben, dass sie das vom Landgericht zugesprochene Verbot, welches aus den vorstehend dargelegten Gründen nur über eine verminderte Reichweite verfügt, lediglich verteidigen möchte.

b) Das Verbot zu I.2 in der Fassung des landgerichtlichen Urteils ist nicht bereits deshalb aufzuheben, weil die Antragstellerin die gemäß § 929 ZPO rechtzeitige Vollziehung des Urteils versäumt hätte.

Wird eine Beschlussverfügung im Widerspruchsverfahren abgeändert bestätigt, so ist eine erneute Vollziehung nicht erforderlich, wenn die Abänderung gegenüber dem früheren Verbot "unwesentlich" ist, d. h. entweder nur eine Klarstellung oder nur eine Beschränkung des Verbots in der Weise erfolgt ist, dass im Widerspruchs- oder Berufungsverfahren ausgrenzbare Verbotseinschränkungen gegenüber der Beschlussverfügung erfolgen (Senat, Urteil v. 12.04.2007, Az. 3 U 290/06, MD 2008, 787; OLG Düsseldorf WRP 1983, 411; OLG Frankfurt WRP 1991, 405; OLG Hamm WRP 1981, 222; OLG Koblenz; OLG Köln WRP 1987, 669, WRP 2002, 738; Zöller-Vollkommer, ZPO, 27. Auflage 2009, § 929 ZPO Rz. 7, 15). Denn in diesen Fällen ist ein Schutzbedürfnis des Schuldners, welches eine Wiederholung der Vollziehung erforderlich machen könnte, nicht gegeben. Dieser hat keinen Anlass anzunehmen, der Gläubiger, welcher seinen Vollstreckungswillen durch Zustellung einer zunächst weiterreichenden einstweiligen Verfügung zum Ausdruck gebracht hat, werde nunmehr von der Vollstreckung eines eingeschränkten Verbots Abstand nehmen. Das ist etwa bei der bloßen Konkretisierung eines zuvor allgemein gefassten Verbots gegeben (OLG Hamm WRP 1991, 406; OLG Karlsruhe WRP 1997, 57) oder wenn die einstweilige Verfügung nur in einer Ziffer des Verbotsausspruchs bestätigt wird, während die übrigen Ziffern entfallen. Entsprechendes gilt bei mehreren Begehungsformen, die im bestätigenden Urteil nur teilweise übernommen werden. Eine erneute Vollziehung ist hingegen stets dann erforderlich, wenn die Verfügung im Widerspruchs- oder Berufungsverfahren erweitert oder im Sinne eines aliud inhaltlich geändert wird, denn insoweit - hinsichtlich des neuen Verbots - hatte es noch keine Vollziehung gegeben (statt aller: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 27. Auflage, 2009, § 12 UWG Rz. 3.66).

Im vorliegenden Fall hat das landgerichtliche Urteil die einstweilige Verfügung, wie vorstehend zu a)bb) ausgeführt, nicht inhaltlich geändert, sondern einschränkend bestätigt, so dass eine erneute Vollziehung nicht erforderlich war. Insofern ist es unschädlich, dass die Antragstellerin das am 9.2.2009 verkündete Urteil des Landgerichts den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin erst am 11.3.2009 und damit nach Ablauf der Monatsfrist des § 929 ZPO im Parteibetrieb hat zustellen lassen.

c) Die den Gegenstand des Verbots zu I.2 bildende Behauptung ist nicht irreführend.

aa) Wiederholungsgefahr besteht zwar, weil die im Verbot enthaltene Angabe

dass die W. AG sich in Münster gegen das Vorpachtrecht von S. D. durchgesetzt habeund dies auch bei kommenden Ausschreibungen keine Rolle mehr spielen werde,

in der Presseerklärung zwar nicht wörtlich, aber sinngemäß enthalten ist. Erkennbar bezieht sich die auf kommende Ausschreibungen bezogene Tenorierung des Landgerichts auf die in der Presseerklärung enthaltene Angabe €Nachdem wir uns in (€) Münster gegen die sog. englischen Klauseln durchgesetzt haben, werden diese auch bei kommenden Ausschreibungen keine Rolle mehr spielen€. Der Verbotswortlaut ist im Sinne dieses Bezugs dahingehend zu interpretieren, dass € natürlich € nicht das nach Beendigung des Ausschreibungsverfahrens in Münster gegenstandslose dortige Vorpachtrecht, sondern die mit weiteren Städten in €englischen Klauseln€ vereinbarten Vorpachtrechte in zukünftigen Ausschreibungen keine Rolle mehr spielen würden.

bb) Die Antragstellerin trägt vor, die Angabe werde von den angesprochenen Verkehrskreisen wie folgt verstanden: Die Antragsgegnerin habe sich gegen das Vorpachtrecht der Antragstellerin €durchgesetzt€ im Sinne €aktiven Tuns€. Das Vorpachtrecht werde bei kommenden Ausschreibungen keine Rolle mehr spielen werde, sein Schicksal sei gewissermaßen besiegelt. Die Antragstellerin stelle sich als Unternehmen dar, welches mit Auswirkung auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens kämpferisch seine Wettbewerbssituation verbessert habe.

Dieses Verkehrsverständnis trifft nicht zu. €Durchsetzen€ wird im Kontext der angegriffenen Äußerung nicht in dem von der Antragstellerin vertretenen strengen aktiven Sinn verstanden. Die Überschrift der Presseerklärung lautet €S.D. zieht Vorpachtrecht in Münster zurück€; gleiches ergibt sich aus dem ersten Satz der Pressemeldung. Aus dem Gesamtzusammenhang ist also klar zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin hier nicht im Wege aktiven Tuns, etwa eines Gerichtsprozesses, sondern durch €Aufgabe€ der Antragstellerin erfolgreich gewesen ist.

Hinsichtlich der Rolle des Vorpachtrechts bei zukünftigen Ausschreibungen trifft das von der Antragstellerin im Sinne einer Tatsachenbehauptung vorgetragene Verkehrsverständnis ebenfalls nicht zu. Denn es handelt sich bei der diesbezüglichen Angabe nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern eine erkennbar bewertende Prognose der Antragsgegnerin, also eine Meinungsäußerung, die nicht zur Irreführung geeignet ist.

Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, vergangene oder zukünftige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens; sie betreffen bereits Geschehenes oder Bestehendes, das zur Erscheinung gelangt und in die Wirklichkeit getreten ist (BGH NJW 1998, 1223, juris Rz. 29, unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 18. Oktober 1973, Az. III ZR 192/71, DRiZ 1974, 27, BGH, Urteil vom 31. März 1976, Az. 3 StR 6/76, JR 1977, 28, 29 sowie RGSt 41, 193 und 55, 129). Für die Zukunft angekündigte Ereignisse, die noch nicht geschehen sind und demgemäß auch nicht dem Beweise zugänglich sind, stellen keine Tatsachen dar (BGH NJW 1998, 1223, unter Hinweis auf RGSt 67, 2).

Die angegriffene Angabe ist im Kontext der Presseerklärung dahingehend zu verstehen, dass die Antragsgegnerin auf der Basis des Geschehens in Münster eine subjektive Einschätzung zukünftiger Verfahrensausgänge dahingehend äußert, dass €englische Klauseln€ auch zukünftig nicht relevant würden. Dass es sich hierbei lediglich um die werblich motivierte Mitteilung einer Erwartung handelt, die naturgemäß spekulativ ist, liegt deutlich zutage. Ein € über die Erlangung der Aufträge in den genannten Städten hinausgehender € Tatsachengehalt wohnt dieser Angabe nicht inne; sie ist hinsichtlich der mitgeteilten Erwartung dem Wahrheitsbeweis nicht zugänglich. Daher handelt es sich auch nicht um eine Tatsachenbehauptung im Gewande einer Meinungsäußerung, die bei dem Adressaten die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.1991, Az. VI ZR 169/91, juris-Rz. 34).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.






OLG Hamburg:
Urteil v. 22.12.2009
Az: 3 U 33/09


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