Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg:
Urteil vom 8. Juli 2005
Aktenzeichen: 7 Sa 4/05

(LAG Baden-Württemberg: Urteil v. 08.07.2005, Az.: 7 Sa 4/05)

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.01.2004, 3 Ca 3924/03, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger gegen die Beklagte im Zusammenhang mit der Zeichnung von 6.000 Aktien in Höhe von EUR 30.000,00 wegen des bislang unterbliebenen Börsenganges Ansprüche zustehen.

Der am 0.0.1959 geborene Kläger war bei der R. GmbH (fortan: R. GmbH) vom 15.07.1999 bis Ende Januar 2001 als Vertriebsingenieur beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers. Die R. GmbH, gesetzlich vertreten durch Herrn G., war 100%ige Tochter der beklagten Muttergesellschaft R. S. AG, die am 07.10.1999 errichtet und am 12.11.1999 in das Handelsregister eingetragen wurde. Mitglied des Vorstands der Beklagten ist auch Herr G.. Die R. GmbH ist am 29.09.2003 durch Aufnahme nach § 2 Nr. 1 UmwG mit der übernehmenden Beklagten verschmolzen.

Die Geschäftsführer der R. GmbH unterrichtete mit per E-Mail am 23.07.1999 versandter Unterlage mit dem Titel Von Bullen und Bären - R. geht an die Börse die Mitarbeiter ihres Unternehmens einschließlich des Klägers von den Plänen zur Gründung der R. S. AG (Beklagte), dem anschließend beabsichtigten Börsengang und der Möglichkeit zur Zeichnung von Mitarbeiteraktien. In der Unterlage heißt es unter der Überschrift Börsengang der R. S. AG auszugsweise:

Die R. S. AG wird voraussichtlich am Neuen Markt emittieren. Der angestrebte Termin des Börsenganges ist Anfang 2000. Das genaue Datum wird von den Banken ausgewählt....

Wegen der weiteren Inhalte der Unterlage einschließlich der Begleitanlagen wird auf die Aktenseiten 76 bis 81 der Berufungsakte (= Anlage B 8) ergänzend Bezug genommen. Mit E-Mail der Beklagten vom 19.10.1999 erfolgte eine weitere Information der Mitarbeiter der R. GmbH sowie der Mitarbeiter der anderen Konzernunternehmen der Beklagten über ihren geplanten Börsengang und die Möglichkeit zur Zeichnung von Aktien. Der elektronischen Post war als Anlage ein Vorvertrag über die Zeichnung von Aktien der Beklagten beigefügt, in dem es auszugsweise lautet:

Risiko-Hinweis:

Die Börseneinführung im Marktsegment Neuer Markt wird voraussichtlich Anfang 2000 stattfinden, hierbei ist jedoch eine zeitliche Verschiebung nicht auszuschließen.

Am 28.10.1999 veranstaltete die Beklagte eine Versammlung für alle Mitarbeiter des Konzerns in den Geschäftsräumen der R. GmbH in S. (R. date), die eine Power-Point-Präsentation zur Information der Mitarbeiter mit dem Titel Fragen und Antworten zur Zeichnung von Mitarbeiteraktien zum Gegenstand hatte. Unter dem 16.11.1999 fertigte die Arbeitnehmerin der Beklagten, C. F., zu dem R. date vom 28.10.1999 ein Textprotokoll, in dem es unter Emissionsdatum auszugsweise heißt:

... Eine Rückgabe der Aktien bei Verschiebung des Börsenganges ist nicht möglich. Auch eine Verzinsung des eingezahlten Betrages wird es nicht geben, denn der Betrag ist kein Guthaben bei der R. S. AG, sondern eine Unternehmensbeteiligung, für die die Aktionärin/der Aktionär eine Stimmberechtigung erhält...

Wegen der weiteren Inhalte der Power-Point-Präsentation und des Textprotokolls wird auf die Aktenseiten 89 bis 105 (Anlagen B 11 und B 12) verwiesen. Der Kläger unterzeichnete am 17.11.1999 den der E-Mail vom 19.10.1999 beigefügten Vorvertrag über die Zeichnung von Aktien der Beklagten. Auf den Inhalt des Vorvertrages wird Bezug genommen (Aktenseite 106, 107 der Berufungsakte = Anlage B 13). Im Rahmen einer gemeinsamen Weihnachtsfeier des R.-Konzerns am 17.12.1999 wurde den Mitarbeitern ein Kurz-Exposé zum Börsengang der Beklagten zur Verfügung gestellt. Wegen des Inhalts des Kurz-Exposés wird auf die Aktenseiten 109 bis 120 der Berufungsakte (= Anlage B 14) Bezug genommen. Im Schreiben der Beklagten vom 27.01.2000 verweist sie auf die Unternehmenspräsentation vom 17.12.1999, wonach sich die mb S. AG verpflichtet, die Aktien der Beklagten zurückzukaufen, sollte ein Börsengang der Beklagten nicht bis zum 30.06.2001 erfolgt sein. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens (Aktenseite 121, 122 der Berufungsakte = Anlage B 15) und des Schreibens der mb S. AG vom 30.11.1999 (Aktenseite 7 der Vorakte) ergänzend verwiesen. Die Firma mb S. AG befindet sich seit 01.10.2001 in Insolvenz. Nach der am 18.05.2000 von der Hauptversammlung der Beklagten beschlossenen Erhöhung des Grundkapitals um bis zu 350.000,00 EUR durch Ausgabe neuer Stammaktien zeichnete der Kläger am 22.05.2000 6.000 Stammaktien der Beklagten zum Gesamtausgabepreis von insgesamt EUR 30.000,00. Auf den Inhalt des Zeichnungsscheins wird Bezug genommen (Aktenseite 99 der Vorakte = Anlage B 3). Die beschlossene Kapitalerhöhung wurde in voller Höhe durchgeführt und am 29.09.2000 in das Handelsregister der Beklagten eingetragen. Im Mai 2000 plante die Beklagte einen Börsengang an den Neuen Markt im zweiten Halbjahr 2000. Anfang April 2001 wurde der geplante Börsengang vom Vorstand der Beklagten im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat und in Abstimmung mit den beteiligten Konsortialbanken auf unbestimmte Zeit verschoben, da eine Platzierung der Aktien an der Börse zu akzeptablen Kursen nicht mehr möglich war. Am 17.08.2001 wurde von der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten beschlossen, den bislang nicht durchgeführten Beschluss, das Kapital für den Börsengang um bis zu 2 Mio. EUR zu erhöhen, aufgehoben. Der Börsengang ist bis zum heutigen Tage nicht erfolgt. Die Mitarbeiter im R.-Konzern wurden von der Beklagten über die Gründe der Verschiebung des Börsengangs mit elektronischer Post vom 12.09.2000 (Aktenseite 67 der Vorakte), vom 05.04.2001 (Aktenseite 127 der Berufungsakte = Anlage B 18), vom 11.04.2001 (Aktenseiten 129, 130 der Berufungsakte = Anlage B 19) und vom 02.05.2001 (Aktenseiten 131, 132 der Berufungsakte = Anlage B 20) unterrichtet.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von EUR 30.000,00 Zug um Zug gegen Übertragung von 6.000 Aktien der Beklagten zu. Wegen des streitigen Vorbringens der Parteien einschließlich ihrer Rechtsansichten wird auf die Seiten 3 bis 5 des Urteils des Arbeitsgerichts vom 30.01.2004 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht wies mit Urteil vom 30.01.2004 die Klage mit der Begründung ab, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei vorliegend gegeben, ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht durch die R. GmbH bestehe nicht, ein Anspruch des Klägers gemäß den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage scheide von vornherein aus, ein Anspruch des Klägers aus einer arbeitgeberseitigen Zusagepflicht scheide ebenso aus wie ein Schadensersatzanspruch wegen Betrugs. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf I und II der Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 05.05.2004 zugestellte Urteil legte dieser mit beim Landesarbeitsgericht am 04.06.2004 eingegangenem Schriftsatz Berufung ein und führte diese innerhalb der mit Verfügung vom 24.06.2004 bis zum 31.08.2004 verlängerten Begründungsfrist mit beim Berufungsgericht am 26.08.2004 eingegangenem Schriftsatz aus.

Der Kläger vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Nebenpflichten falsch gewürdigt und die von ihm dargestellte Wertlosigkeit der gezeichneten Aktien nicht berücksichtigt. Das Arbeitsgericht hätte bei der Beurteilung des Umfangs der Fürsorge- bzw. Aufklärungspflicht berücksichtigen müssen, dass die Initiative zum Abschluss des Zeichnungsvertrages allein von seiner vormaligen Arbeitgeberin ausgegangen sei. Rechtsgrund für die Möglichkeit der Zeichnung der Aktien der Beklagten sei allein der zwischen ihm und seiner vormaligen Arbeitgeberin bestehende Arbeitsvertrag gewesen. Beliebige Dritte hätten die Aktien der Beklagten nicht zeichnen können. Richtig sei zwar, dass für die R. GmbH keine Pflicht zur allgemeinen Rechtsberatung bestanden habe. Jedoch hätte die R. GmbH ihn über alle Auswirkungen des Zeichnungsvertrages unterrichten müssen. Zwar habe eine Klausel bestanden, wonach die Rückgabe der Aktien bei Verschiebung des Börsenganges nicht möglich sei. Es habe aber keine Aufklärung für den Fall der endgültigen Aufgabe des Börsenganges gegeben. Die von ihm gezeichneten Aktien im Gesamtwert von 30.000,00 EUR seien auch wertlos. Zwar verkörperten die gezeichneten Aktien einen nominellen Wert. Dieser könne aber von ihm nicht realisiert werden, da er auf dem freien Markt keine Käufer für die gezeichneten Aktien finden werde. Das Arbeitsgericht habe auch die Funktion des Herrn G. nicht genügend gewürdigt. Zwar sei er im Vorstand der Beklagten, jedoch seien sämtliche erstinstanzlich vorgelegten Schreiben von ihm als Geschäftsführer der R. unterzeichnet. Die R. GmbH hafte auch aufgrund ihrer Sachwalterstellung. Er habe die Aktien nur deshalb gezeichnet, weil ein besonderes Vertrauen in das Arbeitsverhältnis bestanden und seine vormalige Arbeitgeberin dieses Aktienbeteiligungsmodell beworben habe. Er könne die Beklagte auch direkt in Anspruch nehmen. Die Rechtsprechung des BGH zu den so genannten ad-hoc-Mitteilungen sei auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen. Der Emissionsprospekt sei von vornherein fehlerhaft gewesen, der dort angekündigte Börsengang habe nicht stattgefunden. Die fehlerhafte, Herrn G. zuzurechnende Angabe sei für ihn investitionsentscheidend gewesen.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2004, Az.: 3 Ca 3924/03, wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 30.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung von 6.000 Aktien der R. S. AG mit der WKN-Nr. 546.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, unzutreffend sei es, von einer alleinigen Initiative der R. GmbH zur Zeichnung der in Rede stehenden Aktien auszugehen. Die Zeichnung der Aktien sei weder durch die R. gezielt beworben noch seien deren Mitarbeiter zur Zeichnung der Aktien gedrängt worden. Ebenso wie den übrigen Mitarbeitern der R. GmbH und den Mitarbeitern anderer Tochterunternehmen sowie Kunden, Geschäfts- und Vertriebspartnern der Beklagten sei auch dem Kläger lediglich angeboten worden, im Rahmen von Kapitalerhöhungen der Beklagten neue Aktien dieser Gesellschaft zu zeichnen. Über die Möglichkeit zur Aktienzeichnung sei der Kläger in sachlicher Weise informiert worden. Er habe sich in ausschließlich eigener Verantwortung entschlossen, mit dem Zeichnungsschein vom 22.05.2000 6.000 Stück Aktien der Beklagten zum Gesamtausgabepreis von insgesamt 30.000,00 EUR zu zeichnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien einschließlich ihrer Rechtsansichten wird auf deren Schriftsätze (Kläger vom 24.08.2004 und 10.02.2005; Beklagte vom 02.11.2004 und 29.06.2005) nebst Anlagen, soweit noch nicht auf sie Bezug genommen worden ist, ergänzend verwiesen.

Gründe

I.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Eine Anspruchsgrundlage besteht nicht. Die Beklagte ist weder originär noch kraft übergegangener Verbindlichkeit zur Leistung verpflichtet.

1. Der Berufungskammer war es verwehrt, die Richtigkeit der vom Arbeitsgericht angenommenen Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen zu überprüfen. Denn gemäß § 65 ArbGG prüft das Berufungsgericht nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Die Voraussetzungen für die Annahme einer Ausnahme von der vorgenannten Prüfungssperre liegen nicht vor.

a) Aus § 48 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 17 - 17b GVG folgt zunächst, dass es sich bei der Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs um eine von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung handelt. Nach dem in Bezug genommenen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG hat das Gericht über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen vorab zu entscheiden, wenn eine Partei insoweit eine Rüge anbringt. Nach § 65 ArbGG prüft das Berufungsgericht nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Dies setzt jedoch selbstverständlich voraus, dass im erstinstanzlichen Verfahren die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs ordnungsgemäß geprüft und verfahrensmäßig einwandfrei entschieden worden ist, dass also insbesondere die entsprechende Rüge einer Partei nicht verfahrensfehlerhaft übergangen worden ist, sondern eine entsprechende Vorabentscheidung erlassen wurde (BAG, Urteil vom 26.03.1992 - 2 AZR 443/91 - AP Nr. 7 zu § 48 ArbGG 1997, zu II 3 b aa der Gründe). Bejaht das Arbeitsgericht trotz vorheriger Rüge die Zulässigkeit des Rechtswegs nur in den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung, dann ist die Berufung nach dem so genannten Meistbegünstigungsgrundsatz (auch) als sofortige Beschwerde gemäß § 17a Abs. 4 GVG zu behandeln, wenn der Berufungskläger seine erstinstanzlich erhobene Rüge im Berufungsverfahren aufrechterhält bzw. die Verfahrensweise des Arbeitsgerichts beanstandet (Schwab/Weth-Schwab, ArbGG, 1. Auflage, § 65 Rz. 22 m. w. N.).

b) Hieran gemessen ergibt sich, dass vorliegend die Prüfungssperre des § 65 ArbGG gegeben ist. Das Arbeitsgericht war nicht gehalten, im Wege des Beschlusses vorab über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges zu entscheiden. Die Pflicht zur Vorabentscheidung ist vorliegend entfallen, weil die Beklagte mit Schriftsatz vom 03.07.2003 mitgeteilt hat, dass sie die Rechtswegrüge nicht mehr aufrechterhalte.

2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein originärer Anspruch zu. Eine Anspruchsgrundlage ist nicht gegeben.

a) Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von EUR 30.000,00 Zug um Zug gegen Rückgabe von 6.000 Aktien ergibt sich nicht aus § 346 Satz 1 BGB a. F. i. V. m. §§ 349, 348 BGB. Der Kläger hat sich nämlich nicht ein vertragliches Rücktrittsrecht vorbehalten.

aa) Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) Anwendung, da vorliegend das in Rede stehende Schuldverhältnis weit vor dem 01.01.2002 entstanden ist.

bb) Der Kläger hat sich im Zeichnungsvertrag mit der Beklagten kein Rücktrittsrecht vorbehalten.

(1) Nach § 346 Satz 1 BGB a. F. sind die Parteien, wenn der Rücktritt erfolgt, verpflichtet, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, sofern sich ein Vertragspartner einen Rücktritt vorbehalten hat. Ob dem so ist, ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln (z. B. Hk-BGB/Schulze, 3. Auflage, § 346 Rz. 5).

(2) Der Kläger hat sich kein Rücktrittsrecht vorbehalten. Ein solches kann dem gem. § 185 Abs. 1 AktG typisierten Zeichnungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht entnommen werden. Der Zeichnungsvertrag kommt durch die Zeichnung als Antrag und die Vertragsannahmeerklärung der Aktiengesellschaft, die gem. § 151 Satz 1 BGB dem Zeichner gegenüber nicht erklärt zu werden braucht, zustande (Hüffer, AktG, 6. Auflage, § 185 Rz. 4). Der vom Kläger mit Unterschrift vom 22.05.2000 erklärten Zeichnung kann kein Rücktrittsrecht entnommen werden. Zwar heißt es in der Zeichnungserklärung, die Zeichnung werde unverbindlich, wenn die Durchführung der Kapitalerhöhung nicht bis zum 31.12.2000 in das Handelsregister eingetragen worden sei. Diese ist jedoch am 29.09.2000 in das Handelsregister eingetragen worden. Dass von einem vorbehaltenen Rücktrittsrecht nicht ausgegangen werden kann, belegt auch der Umstand, dass sich die Firma mb S. AG mit Schreiben vom 30.11.1999 verpflichtet hat, die gezeichneten Aktien zurückzukaufen, wenn ein Börsengang der Beklagten nicht bis zum 30.06.2001 erfolgt.

b) Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf ein gesetzliches Rücktrittsrecht nach §§ 280 Abs. 2 Satz 2 BGB a. F., 286 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. i. V. m. § 346 Satz 1 BGB a. F. stützen. Der Börsengang ist nämlich nicht Gegenstand des Zeichnungsvertrages.

aa) Wie bereits vorstehend ausgeführt, findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts Anwendung.

bb) Der Zeichnungsvertrag als Schuldverhältnis zwischen den Parteien ist kein gegenseitiger Vertrag im Sinne der §§ 320 ff BGB, sondern ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag (Hüffer a. a. O., § 185 Rz. 4 m. w. N.), weswegen ausschließlich die Bestimmungen der §§ 280, 286 BGB a. F. zur Anwendung kommen (Hüffer a. a. O., § 185 Rz. 30 m. w. N.; Hk-BGB/Schulze, a. a. O., vor §§ 320 - 327 Rz. 1).

cc) Der Zeichnungsvertrag der Parteien beinhaltet nicht die Verpflichtung der Beklagten, an die Börse zu gehen. Zum einen enthält der Zeichnungsschein vom 22.05.2000 keinen diesbezüglichen Inhalt. Zum anderen ist der Zeichnungsvertrag gesetzlich typisiert, hat also bestimmte gesetzlich vorgesehene Inhalte (§ 185 Abs. 1 Satz 3 AktG), zu denen Aussagen zum Börsengang nicht gehören.

c) Losgelöst von der Frage des Schadens kann der Kläger sein Begehren in Form des Schadenersatzes auch nicht auf die Bestimmungen der §§ 280, 286 BGB a. F. stützen. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen unter II b Bezug genommen werden. Der Börsengang ist nämlich nicht Inhalt der Leistungspflicht der Beklagten nach dem Zeichnungsvertrag.

d) Auch unter dem vom Kläger angezogenen Gesichtspunkt der Zusagepflicht ergibt sich kein Anspruch gegen die Beklagte.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Gründe im Urteil des Arbeitsgerichts vom 30.01.2004 unter II 3 Bezug genommen.

e) Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo stützen.

aa) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass vorliegend auf die gesetzliche Verbriefung der culpa in contrahendo in § 311 Abs. 2 BGB n. F. nicht abgestellt werden kann.

bb) Eine der Beklagten zuzurechnende Pflichtverletzung ist jedenfalls im Rahmen des vorvertraglich begründeten Schuldverhältnisses zwischen den Parteien nicht gegeben. Die Beklagte hat den Kläger von Anbeginn der Aufnahme von Vertragsgesprächen bis zum Abschluss des Vorvertrages über die Zeichnung von Aktien der Beklagten vom 17.11.1999 bzw. bis zum Abschluss des Zeichnungsvertrages über die im Kontext zur Ausgabe der Aktien stehenden Umstände des geplanten Börsenganges sachlich und inhaltlich zutreffend informiert. So heißt es in der per E-Mail am 23.07.1999 versandten Unterlage mit dem Titel Von Bullen und Bären - R. geht an die Börse - , R. plane, an die Börse zu gehen, der angestrebte Termin des Börsenganges sei Anfang 2000, das genaue Datum werde von den Banken ausgewählt. Das der E-Mail der Beklagten vom 19.10.1999 beigefügte Vorvertragsmuster enthält unter der Überschrift Risikohinweis folgende Mitteilung: Die Börseneinführung im Marktsegment Neuer Markt wird voraussichtlich Anfang 2000 stattfinden, hierbei ist jedoch eine zeitliche Verschiebung nicht auszuschließen. Im Textprotokoll des R. date vom 28.10.1999 ist auf Seite 3 unter der Überschrift Emissionsdatum Folgendes festgehalten:

Der Termin des Börsenganges ist u. a. abhängig von der allgemeinen Situation am Neuen Markt, den Verhandlungen mit den Banken sowie der schnellen Unternehmensplanung der Tochterunternehmen. Es ist vorgesehen bis Mitte des zweiten Quartals 2000 an die Börse zu gehen...

Eine Rückgabe der Aktien bei Verschiebung des Börsenganges ist nicht möglich. Auch eine Verzinsung des eingezahlten Betrages wird es nicht geben, denn der Betrag ist kein Guthaben bei der R. S. AG, sondern eine Unternehmensbeteiligung, für die die Aktionärin/der Aktionär eine Stimmberechtigung erhält.

Ersichtlich hat die Beklagte den Kläger über den Verlauf und Stand des Themas Börsengang durchgehend sachlich korrekt informiert (vgl. auch die Feststellung im Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 17.11.2004 - 2 Sa 46/04 - JURIS, zu II 1.2 der Gründe). Obgleich dem Kläger das Risiko auch des Ob und Wann des Börsengangs im Hinblick auf die von der Beklagten gegebenen Informationen bewusst war, hat er gleichwohl Aktien gezeichnet. Es liegt nicht nur keine Pflichtverletzung der Beklagten vor, auch die Ursächlichkeit einer solchen wäre in Bezug auf den Abschluss des Zeichnungsvertrages nicht gegeben.

f) Auch auf der Grundlage der im Beurteilungszeitpunkt gesetzlich noch nicht geregelten Störung (Wegfall) der Geschäftsgrundlage ergibt sich nichts anderes.

aa) Die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sind eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird dabei durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen (z. B. BGH, Urteil vom 05.10.2004 - X ZR 25/02 - FamRZ 2005, 337 f, zu III 3 der Gründe), bei Abschluss des Vertrages zu Tage getretenen und dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem zukünftigen Eintritt gewisser Umstände gebildet, auf denen der Geschäftswille der Parteien sich aufbaut. Für die Annahme einer wesentlichen Störung der Geschäftsgrundlage ist außerdem eine Unzumutbarkeit der unveränderten Vertragsdurchführung im Einzelfall erforderlich. Neben der grundsätzlichen Rechtsfolge der Vertragsanpassung kann auch ausnahmsweise im Falle der Unzumutbarkeit die Vertragsauflösung Rechtsfolge sein (z. B. Hk-BGB/Schulze, a. a. O., § 242 Rz. 63 f).

bb) In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht ist auch für die Berufungskammer bereits zweifelhaft, ob der Börsengang als Geschäftsgrundlage des Zeichnungsvertrages anzusehen ist. Die Beklagte hat in ihrem Protokoll vom 16.11.1999 zum R. date vom 28.10.1999 unter der Überschrift Emissionsdatum deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Zeichnung von Aktien um eine Unternehmensbeteiligung handelt, für die der Aktionär eine Stimmberechtigung enthält. Damit kommt vordergründig das Interesse der Beklagten am Verkauf einer Unternehmensbeteiligung zum Ausdruck. Der mit dem Aktienkauf verbundene spekulative finanzielle Mitnahmeeffekt, der nur durch einen Börsengang realisiert werden kann, kommt nicht zum Ausdruck. Aber selbst dann, wenn man insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung der Firma mb S. AG vom 30.11.1999 vom Börsengang als Geschäftsgrundlage des Zeichnungsvertrages ausgeht, ergibt sich nichts anderes. Das Arbeitsgericht hat nämlich zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger nichts dafür vorgetragen hat, weshalb das Festhalten am Vertrag für ihn unzumutbar ist. Mangels derzeitiger Verwertbarkeit der Aktien an der Börse im geregelten Verkehr mag durchaus ein Wertverlust gegenüber dem Emissionswert bestehen. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Erwerb von Aktien stets um ein Risikogeschäft handelt und selbst bei einem Börsengang der Beklagten der Kläger nicht davor gefeit wäre, mit erheblichen Verlusten rechnen zu müssen. Die durch den Aktienerwerb eingetretene Unternehmensbeteiligung verschafft dem Kläger durch sein anteilmäßiges Stimmrecht Einfluss in der Hauptversammlung der Beklagten. Worin also eine Unzumutbarkeit des Klägers am Festhalten des Zeichnungsvertrages zu sehen ist, ist nicht erkennbar.

g) Als Anspruchsgrundlage kommen Bestimmungen des AktG nicht in Betracht. Die §§ 46, 47, 48, 93 AktG liegen tatbestandlich nicht vor. Sie betreffen nicht das Verhältnis eines Aktionärs zur Aktiengesellschaft.

h) Soweit sich der Kläger auf § 31 WpHG wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht beruft, kann ihm nicht gefolgt werden. Die Beklagte ist kein Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne der §§ 1, 2, 2a WpHG. Für eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 31 WpHG fehlt es an einer Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat den sachlichen Anwendungsbereich durch Begriffsbestimmungen enumerativ abschließend geregelt.

i) Eine Prospekthaftung der Beklagten auf der Grundlage des § 44 Abs. 1 Satz 1 Börsengesetz kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil der Kläger kein Erwerber von Wertpapieren ist, die aufgrund eines Prospekts zum Börsenhandel zugelassen sind.

j) Ebenfalls scheidet § 13 Abs. 1 des Wertpapier-Verkaufsprospekt-Gesetzes vom 09.09.1998 als Anspruchsgrundlage aus. Die entsprechende Anwendung der §§ 44 bis 47 des Börsengesetzes kommt nicht in Betracht, weil die Beklagte nicht verpflichtet ist, einen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, §§ 2 Nr. 1 bis 3, 4 Abs. 1 Nr. 4 Wertpapier-Verkaufsprospekt-Gesetz.

k) Schadensersatzansprüche des Klägers auf der Grundlage des Rechts der unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB, § 826 BGB scheiden aus, weil der Kläger keine Tatsachen vorgetragen hat, die geeignet sind, von der Vorspiegelung falscher Tatsachen auszugehen. Die Formulierung des Klägers, der Börsengang sei möglicherweise nicht ernsthaft beabsichtigt gewesen, ist unschlüssig. Insoweit handelt es sich in Übereinstimmung mit der Auffassung des Arbeitsgerichts um eine reine Behauptung ins Blaue. Dementsprechend entfällt auch eine Haftung nach § 826 BGB, weil kein Vortrag gegeben ist, der eine bewusst unrichtige Auskunft aus eigennützigen Interessen aufzeigt (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 22.06.1992 - II ZR 178/90 - NJW 1992, 3167 ff., zu A III 4 der Gründe).

3. Die Beklagte haftet dem Kläger auch nicht aus einer kraft Gesetzes auf sie übergegangenen Verbindlichkeit der R. GmbH. Auch insoweit besteht keine Anspruchsgrundlage.

a) Infolge der Verschmelzung im Wege der Aufnahme nach § 2 Nr. 1 UmwG ging am 29.09.2003 das Vermögen der R. GmbH einschließlich ihrer Verbindlichkeiten auf die Beklagte über, § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG.

b) Eine Verbindlichkeit der R. GmbH gegenüber dem Kläger im Zusammenhang mit seinem Aktienerwerb wurde nicht begründet.

c) Ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Verletzung der Fürsorgepflicht durch die R. GmbH ist nicht gegeben. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die Berufungskammer schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II 1 der Entscheidungsgründe vollinhaltlich an und sieht deshalb insoweit zur Vermeidung wortgleicher Wiederholungen von der Wiedergabe der Gründe ab. Die Berufung bringt hiergegen im Kern weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Neues vor. Sie versucht nur vergeblich, ihre Rechtsauffassung anstelle derjenigen des Arbeitsgerichts zu setzen. Dies erfordert nicht eine erneute systematische Darstellung der Obersätze und der Subsumtion.

4. Soweit der Kläger Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit begehrt, würde er auch im Falle der Begründetheit seiner Hauptforderung keinen Erfolg haben. Insoweit verweist die Berufungskammer auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.02.2005 (- 10 AZR 602/03 - zitiert nach Juris, zu II 5 der Gründe), von der abzuweichen sie keine Veranlassung hat.II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision hat seine Grundlage in § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

gez. Pfeiffer,&.. gez. Flemming,&.. gez. Stocker,&..






LAG Baden-Württemberg:
Urteil v. 08.07.2005
Az: 7 Sa 4/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d82f5dbf9e68/LAG-Baden-Wuerttemberg_Urteil_vom_8-Juli-2005_Az_7-Sa-4-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share