Kammergericht:
Urteil vom 24. Mai 2007
Aktenzeichen: 10 U 196/06

(KG: Urteil v. 24.05.2007, Az.: 10 U 196/06)

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten vom 04. Oktober 2006 gegen das am 21. September 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 27 O 616/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufungsinstanz zu tragen.

3. Das Urteil ist in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 EUR, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

(gemäß §§ 542 Abs.1, 543, 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO) Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt (§ 517, 519 ZPO) und begründet (§ 520 ZPO) worden.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. Art 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Beklagten zu.

4Die streitige Textveröffentlichung vom 26. Januar 2006 in der €M. O.€ (M.) verletzt den Kläger rechtswidrig in seinem grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Nennung seines Vornamens im unmittelbaren Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Hochzeit seiner Mutter und deren dadurch erworbenen neuen Familiennamen greift unzulässigerweise in die Privatsphäre des Klägers ein, zu der grundsätzlich, insbesondere aber bei Minderjährigen, auch das Recht auf Wahrung der Anonymität gehört (vgl. Burckhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kapitel 10 Rdnr. 53).

In das Recht des minderjährigen Klägers, seine Anonymität zu wahren, hat die Beklagte rechtswidrig eingegriffen.

Die Beklagte hat in dem streitigen Artikel vom 26. Januar 2006 den vollen Namen des Klägers genannt. Zwar hat sie ihn nicht direkt mit €L. E. F.€ bezeichnet, durch die Nennung seines Vornamens unmittelbar nach der Mitteilung, dass seine Mutter aufgrund der Hochzeit nunmehr den Familiennamen F. führt, steht jedoch für den im Rahmen der Feststellung des Sinngehalts einer Meldung maßgeblichen Durchschnittsleser fest, dass der Kläger mit vollem Namen €L. E. F.€ heißt.

Die Namensnennung des Klägers am 26. Januar 2006 war nicht durch ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse gerechtfertigt (vgl. dazu KG NJW 1989, 398). Ob ein solches, dem Schutz des Persönlichkeitsrechts vorgehendes öffentliches Informationsinteresse vorliegt, ist im Einzelfall durch eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen festzustellen, wobei auch die Kriterien, die die Rechtsprechung im Rahmen der Auslegung der §§ 22, 23 KUrhG zur Bildveröffentlichung entwickelt hat, Berücksichtigung finden (OLG Brandenburg NJW 1999, 3339, 3342) können.

So ist dem öffentlichen Informationsinteresse regelmäßig der Vorrang einzuräumen, wenn der von der Berichterstattung Betroffene durch sein Verhalten zu einer entsprechenden Darstellung Veranlassung gegeben hat (OLG Brandenburg a.a.O.; BGH NJW 1994, 124 € Greenpeace; BGH NJW 2000, 1036, 1038 € Verdachtsberichterstattung). Ein solches Verhalten, das zu Gunsten der Beklagten ins Gewicht fallen würde, ist vorliegend jedoch nicht erkennbar. Ein eigenes Verhalten des Klägers kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil er zur Zeit der Berichterstattung noch ein Säugling war. Ob er sich im Rahmen der vorzunehmenden Güterrechtsabwägung ein entsprechendes Verhalten seiner Mutter zurechnen lassen müsste, kann dahin gestellt bleiben, da die Beklagte zu einem Verhalten der Mutter des Klägers, dass konkret zur Nennung des Vornamens des Klägers Veranlassung gegeben hätte, nichts vorträgt. Allein die Tatsache, dass die prominente Mutter des Klägers ihren Lebensgefährten, der zugleich der Vater des Klägers ist, geheiratet hat, mag eine Berichterstattung über diese Hochzeit und auch über die dabei vorgenommene Änderung des Familiennamens der Mutter rechtfertigen, nicht aber die gleichzeitige Nennung des Vornamens des Klägers. Dass eine ausdrückliche Einwilligung oder eine nachträgliche Genehmigung seitens der gesetzlichen Vertreter des Klägers in die Namensnennung vorlag, behauptet die Beklagte selbst nicht.

9Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs scheidet auch nicht deshalb aus, weil die Beklagte ihre €pressemäßige Sorgfalt€ im Rahmen der Recherche gewahrt hatte. Die Beklagte hätte den Vornamens des Klägers nicht ohne vorherige Nachfrage bei der Agentur der Mutter des Klägers verbreiten dürfen (vgl. Bamberger in Bamberger/Roth Beck`scher Online-Kommentar, Stand 01.02.2007, § 12 Rdnr. 196). Die Beklagte durfte ohne konkrete Nachrecherche auch im Hinblick auf die bereits am 25. Januar 2006 auf diversen Internetseiten sowie in der B.-Z. erfolgten Veröffentlichungen nicht davon ausgehen, dass die Eltern des Klägers mit einer Bekanntmachung seines Vornamens einverstanden waren. Bei den Internetseiten €w...b...-a...d...€ und €w...A...-E...I...€ handelt es sich um so genannte €fan-pages€, die weder von der Mutter des Klägers noch von ihrer Künstleragentur autorisiert sind. Dass der Vorname des Klägers unmittelbar zeitlich vor der hier streitigen Veröffentlichung zudem auf Online-Portalen der so genannten seriösen Presse genannt und von den großen Nachrichtenagenturen verbreitet wurde, mag die Beklagte von der Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Meldung entbunden haben, nicht aber von einer grundsätzlichen Recherchepflicht dahingehend, ob die Meldung überhaupt veröffentlicht werden durfte (so zuletzt OLG Nürnberg AfP 2007, 127, 128).

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann auch nicht allein aus der Vielzahl der weiteren zeitnah erfolgten Veröffentlichungen zwingend der Schluss auf das Vorliegen eines überragenden öffentlichen Interesses an der Nennung des Vornamens des Klägers gezogen werden. Zutreffend stellt das Ausgangsgericht in diesem Zusammenhang darauf ab, dass die Presse es nicht in der Hand haben kann, sich ein solches überwiegendes Öffentlichkeitsinteresse quasi selbst herbei zu schreiben.

Die für den Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr ist durch den rechtswidrigen Eingriff indiziert (BGH NJW 2004, 1035). Sie ist auch nicht durch die im Rahmen des diesem Rechtsstreit vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren abgegebenen einfachen Unterlassungserklärung entfallen; das Ausgangsgericht nimmt insoweit zutreffend Bezug auf die Entscheidung des BGH (NJW 1994, 1281, 1283), wonach die durch eine rechtswidrige Erstbegehung indizierte Wiederholungsgefahr in der Regel nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden kann (vgl. auch BayObLG 95, 174, 179 und OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, 244, 245).

Der Unterlassungsanspruch ist letztlich nicht wegen rechtsmißbräuchlichen Verhaltens des Klägers ausgeschlossen. Er entfällt insbesondere nicht schon deshalb, weil der Kläger möglicherweise nicht gegen alle Verletzungen seines Rechts auf Anonymisierung gerichtlich vorgegangen ist. Dass er seinen Anspruch willkürlich nur gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, behauptet diese selbst nicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO € grundsätzliche Bedeutung der Sache oder das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung € nicht vorlagen.






KG:
Urteil v. 24.05.2007
Az: 10 U 196/06


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