Landgericht Stuttgart:
Urteil vom 12. April 2006
Aktenzeichen: 42 O 8/06 KfH

(LG Stuttgart: Urteil v. 12.04.2006, Az.: 42 O 8/06 KfH)

Tenor

1. Der Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit dem Logo "Wir unterstützen keine Kinderarbeit" wie nachstehend wiedergegeben zu werben:

An dieser Stelle folgt im Original eine Abbildung, die hier nicht wiedergegeben werden kann.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 189,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.01.2006 zu bezahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 10.000,00 Euro

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung irreführender Werbung im Sinne von § 5 UWG.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung von Verbraucherinteressen und die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gehört.

Die Beklagte betreibt in Sch einen Einzelhandel für Teppiche. Anlässlich eines Teppichverkaufs im Juli 2005 hat sie einen Farbprospekt herausgegeben und darin gegenüber Verbrauchern für die von ihr zum Verkauf angebotenen Teppichware geworben. In diesem Prospekt war ein vor dunklem Hintergrund mit weißer Füllfarbe ausgefüllter Kasten aufgedruckt mit folgender Werbeaussage:

"Sie können sicher sein, selbst Sonderangebote und auch noch so stark reduzierte Einzelstücke haben das Gütesiegel unseres Teppichzentrums."

Links und rechts neben diesem Text befanden sich, wie im Tenor ersichtlich, drei Logos, links oben das kreisförmige Logo in Farbdruck mit zwei Kinderfiguren und der Inschrift "Wir unterstützen keine Kinderarbeit". Dieses Logo ist unstreitig von der Beklagten selbst entworfen worden und nicht einer Organisation gegen Kinderarbeit zuzuordnen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die beanstandete Werbung der Beklagten irreführend im Sinne von § 5 UWG und daher zu unterlassen sei. Die angesprochenen Verbraucher verstünden die Werbung der Beklagten nicht nur dahin, dass die Beklagte selbst keine Kinderarbeit durchführe oder in Auftrag gebe, vielmehr dahin, dass sie keine Produkte anbiete, welche mit Hilfe von Kinderarbeit hergestellt worden seien, also im Sinne eines produktbezogenen Garantieversprechen der Beklagten, dass die von ihr angebotene Teppichware nicht durch Kinderarbeit hergestellt worden sei. Diese Aussage sei jedoch falsch, denn eine solche Garantie sei nicht möglich. Auch die Beklagte könne angesichts der Vielzahl und Größe relevanter Knüpfgebiete und der dortigen Verhältnisse gar nicht kontrollieren oder sicher stellen, dass nicht bei einzelnen Herstellern tatsächlich doch Kinderarbeit genutzt werde. Außerdem seien geeignete Kontrollmaßnahmen der Beklagten, die die Werbung mit einem dahin gehenden "Gütesiegel" rechtfertigen könnten, in Abrede zu stellen. Von einem Bagatellverstoß könne angesichts des Werbeumfangs und angesichts der Gefahr der Nachahmung durch andere Wettbewerber nicht gesprochen worden.

Der Kläger beantragt:

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass eine Irreführung nicht vorliegt.

Es sei zwar richtig, dass eine Garantie dahingehend, dass die Teppiche nicht ohne die Nutzung von Kinderarbeit hergestellt worden seien, nicht möglich sei, jedoch gebe sie eine solche Garantie mit dem beanstandeten Logo und dem Textteil gar nicht ab. Sie weise lediglich und zutreffender Weise darauf hin, dass sie keine Kinderarbeit unterstütze. Dies sei Ausdruck ihrer Unternehmensethik und Hinweis auf die von ihr unternommenen Anstrengungen, bei Bezug der von ihr angebotenen Teppiche nach Möglichkeit sicher zu stellen, dass bei der Herstellung tatsächlich nicht auf Kinderarbeit zurückgegriffen worden sei. Sie beziehe ihre Ware von einzelnen, speziell ausgesuchten Manufakturen im Iran, Indien und Pakistan, im Übrigen nur bei zwei ihr bekannten seriösen Teppichgroßhändlern. Von daher sei die Aussage, keine Kinderarbeit zu unterstützen, gerechtfertigt. Eine produktbezogene Garantie werde nur mit den anderen beiden in dem Kasten abgedruckten Logos gegeben. Auch der Verbraucher gehe von einem einem Gütesiegel vergleichbaren produktbezogenen Garantieversprechen nur dann aus, wenn auch eine entsprechende textliche Aussage wie "garantiert nicht unter Nutzung von Kinderarbeit" oder "100 % ohne Kinderarbeit" gemacht werde. Die Aussage, dass die Beklagte selbst keine Kinderarbeit durchführe oder solche in Auftrag gebe und auch nicht wissentlich auf Produkte und Zulieferprodukte zurückgreife, welche sich Kinderarbeit bedienen, sei angesichts der von ihr durchgeführten Kontrollen und der Auswahl ihrer Bezugsquellen nicht falsch, sondern richtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 15.03.2006 Bezug genommen.

Gründe

Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Ziff. 2 UWG klagebefugt. Der Antrag des Klägers, der Beklagten zu verbieten, mit dem Logo "Wir unterstützen keine Kinderarbeit", wie im Tenor wiedergegeben, zu werben, ist begründet. Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach §§ 3, 5 UWG sind gegeben.

Der Kläger greift Aussage nebst Logo in der konkreten Aufmachung und in dem konkreten Bezug zu den weiter abgebildeten Logos und der dazwischen befindlichen Textaussage an, welche lautet: "Sie können sicher sein, dass selbst Sonderangebote und auch noch so stark reduzierte Einzelstücke haben das Gütesiegel unseres Teppichzentrums". Die so beanstandete Werbeaussage ist irreführend gemäß § 5 UWG und daher unzulässig (§ 3 UWG).

Eine Angabe ist schon dann irreführend, wenn sie - zumindest bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher - die Wirkung einer unzutreffenden Angabe ausübt. Es genügt die Gefahr einer Täuschung, wobei maßgeblich ist das tatsächliche Verkehrsverständnis, nicht wie der Verkehr eine Angabe objektiv nur auffassen sollte.

Bei Teppichen als Teil einer üblichen Einrichtung von Wohnräumen handelt es sich um Gegenstände des allgemeinen Bedarfs. Durch die streitgegenständliche Werbung wird also potentiell jeder Verbraucher angesprochen. Maßgeblich abzustellen ist auf den Standpunkt eines unbefangenen und unkritischen Durchschnittsbetrachters oder wie der BGH zwischenzeitlich formuliert der Standpunkt eines situationsadäquaten durchschnittlich aufmerksamen informierten und verständigen Verbrauchers (BGH WRP 2002, 527, 530). Ein solcher wird jedoch nach Überzeugung des Gerichts der Werbung nicht nur bei flüchtiger, sondern auch bei genauerer Betrachtungsweise hinreichend bestimmte Angaben und Hinweise zu den angebotenen Produkten entnehmen, damit letztlich eine Qualitäts- bzw. Herkunftsangabe zu den einzelnen Teppichen, und jedenfalls nicht nur einen Hinweis auf Leitbild oder Credo des Anbieters. Im übrigen gesteht die Beklagte selbst zu, mit diesem Logo auf die "besondere" Herkunft ihrer Ware hinweisen und damit auch eine auch auf die Teppiche bezogene Aussage machen zu wollen.

Produktbezogene Werbeaussagen, die verschiedenen Verständnismöglichkeiten der Verbraucher offen stehen, sind dann irreführend, wenn sie nach einer der (ernsthaft) in Betracht kommenden Begriffsinhalte vom maßgebenden Verkehr in einem unzutreffenden Sinne verstanden werden. Im entscheidenden Kontext mit Bild und Textteil im Übrigen betrachtet ist aber nach Überzeugung des Gerichts auch davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der hinreichend aufmerksamen und verständigen Verbraucher der Werbung eine "Garantie" der Beklagten, jedenfalls aber deren Zusicherung einer in Bezug auf den Einsatz von Kinderarbeit - zwar nicht von einem unabhängigen Dritten, jedoch von der Beklagten - "besonders" geprüften und ausgezeichneten Ware entnimmt.

Weder das Eine noch das Andere entspricht den objektiven Gegebenheiten, so dass maßgebende Teile des Verkehrs, da sie die Werbeaussage im Kontext in diesem letztlich unzutreffenden Sinne verstehen bzw. verstehen können, der Gefahr der Irreführung unterliegen.

Dem hinreichend entgegen stehende Einschränkungen sind nicht gegeben. Die Wortwahl reicht hierfür nicht, auch wenn die Worte "wir unterstützen keine Kinderarbeit" isoliert betrachtet keinen unmittelbaren Bezug zu Qualität und Herkunft der Ware aufweisen. Gleichwohl wird dem Logo mit dieser Inschrift bei Betrachtung der Werbung im Ganzen, nicht zuletzt auch wegen des Begriffs "Gütesiegel", von sehr vielen Verbrauchern eine produktbezogene Garantie oder Zusicherung entnommen werden. Ebensowenig verdeutlicht der Umstand, dass der zwischen drei abgebildeten Siegeln stehende Text nur auf "das Gütesiegel" im Singular hinweist, dass (gegebenenfalls) nicht gerade das beanstandete Logo das maßgebliche Gütesiegel sein soll, auf welches die Beklagte besonders hinweist. Dagegen spricht, dass nicht unerhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs, was Qualität und Herkunft von Teppichen betrifft, zumindest wissen, dass es weder nur handgeknüpfte, noch nur aus Wolle bestehende Teppiche gibt. Folglich dürften sie eher davon ausgehen, dass gerade die anderen beiden Logos nicht jedem der angebotenen Stücke anhaften.

Sonach kann die Beklagte bei der konkreten Werbung weder darauf vertrauen, dass (auch) der durchschnittlich aufmerksame, informierte und verständige Verbraucher nur ihr "Firmenethos" zur Kenntnis nimmt, noch dass er sich überwiegend nur auf die engste Verständnismöglichkeit der - letztlich im Gesamterscheinungsbild des "Werbekastens" mit (Farb-)Logos und Werbetext im übrigen in den Hintergrund tretenden - Worte "wir unterstützen keine Kinderarbeit" beschränken wird.

Eine echte "Garantie" kann, wie auch die Beklagte zugesteht, nicht gegeben werden. Darüber hinaus kann jedoch auch, die entsprechenden Darlegungen der Beklagten als zutreffend unterstellt, von einer besonderer Prüfung und besonderen Kontrollen unterliegenden Auswahl der Ware, die es rechtfertigen könnte im Sinne eines produktbezogenen Gütesiegels für sich in Anspruch zu nehmen, zumindest hinreichend sicher sagen zu können, keine mittels Kinderarbeit hergestellte Teppiche anzubieten, nicht ausgegangen werden.

Es mag sein, dass die Beklagte, wie sie für sich in Anspruch nimmt, sich um die Herkunft der Teppiche kümmert und grundsätzlich nur bei wenigen ihr auch seit langem, teilweise persönlich bekannten Manufakturen und Händlern bezieht. Das Vorhandensein eines im Ansatz schlüssigen, hinreichend zuverlässigen und einigermaßen dichten Kontroll- und Überprüfungssystems kann jedoch den tatsächlichen Ausführungen des Geschäftsführers der Beklagten hierzu nicht entnommen werden. Dies gilt zum einen für die hiernach ein- bis zweimal jährlich von ihm selbst durchgeführten Besuche bei den Manufakturen, bei welchen die Beklagte direkt herstellen läßt. Diese sind zuvor bekannt und dienen dem Einkauf und der persönlichen Kontaktpflege im Übrigen. Sie können von daher schon im Ansatz nicht als geeignete Kontrollmaßnahmen gesehen werden. Ähnliches gilt für die geschilderten Qualitätskontrollen der produzierten Ware in den Manufakturen durch Beauftragte in den Herkunftsländern. Auch der Bezug bei nur wenigen ausgewählten und als seriös bekannten oder eingestuften Großhändlern rechtfertigt nicht die in der Werbeaussage enthaltene Behauptung einer im Hinblick auf die Umstände der Produktion besonders geprüften Ware, zumal weitergehende Kontrollen der Beklagten auch hinsichtlich der Bezugsquellen dieser Großhändler gar nicht behauptet werden.

Selbst wenn es so wäre, dass tatsächlich keiner der angebotenen Teppiche unter Beteiligung von Kinderarbeit produziert worden wäre, so ist die konkrete Werbeangabe in diesem nahe liegenden weiteren Verständnis nicht zweifelsfrei richtig und damit zumindest möglicherweise falsch.

Des Nachweises der Unrichtigkeit einer Aussage bedarf es für die Annahme einer irreführenden Werbung nicht. Allerdings muss den Belangen des Werbenden bei (möglicherweise) richtigen Angaben trotz des Verbots der konkreten Werbung hinreichend Rechnung getragen sein.

Dies ist vorliegend der Fall. Der Beklagten bleibt es trotz Untersagung der konkreten Werbung unbenommen, in anderer Weise zu verlautbaren, dass sie sich mit einem gewissen Aufwand darum bemüht, keine mittels Kinderarbeit hergestellte Teppichware in ihrem Angebot zu haben. Wie dies ohne Irreführungsgefahr geschehen könnte und müsste, und ob sie zu diesem Zweck ein selbst geschaffenes Logo in dieser oder anderer Form und/oder in anderem Kontext, auch ohne weitere verbale Einschränkung, verwenden kann, ist nicht streitgegenständlich und daher nicht zu entscheiden.

Jedenfalls in der konkreten Aufmachung beinhaltet die Werbung - wie ausgeführt - für einen erheblichen Teil der Verbraucher, ohne dass es sich hierbei nur um mögliche, nicht ausschließbare Missverständnisse einzelner oder mehrerer flüchtiger oder uninteressierter Leser handelt, weder nur einen Hinweis auf ihr Credo noch einen Hinweis auf dem entsprechende Bemühungen.

Die Werbung ist auch geeignet, dass sich maßgebliche Verkehrskreise gerade aufgrund dessen mit diesem Angebot befassen, ohne sich eben über einen allein nach den gewählten Worten nur sehr eingeschränkten Aussagegehalt "wir unterstützen keine Kinderarbeit" bewusst zu sein, vielmehr auf diese Mitteilung als zugesichertes Gütesiegel der angebotenen Teppiche vertrauend.

Die Werbung ist damit auch geeignet, den Wettbewerb zu beeinflussen, ungeachtet einer tatsächlich bestehenden Nachahmungsgefahr wegen der Gefahr der Kreation von anderen Eigenlogos und "Gütesiegeln" durch andere Anbieter.

Die Irreführungsgefahr ist schließlich auch nicht deshalb zu verneinen, weil grundsätzlich die Möglichkeit bestünde, die so angesprochenen Verbraucher vor Ort bei näherem Nachfragen entsprechend aufzuklären, um den Bedeutungsgehalt von Logo und Aussage auf die enge Verständnismöglichkeit, jedenfalls wissentlich keine Kinderarbeit zu unterstützen, zu reduzieren.

Der Kläger hat die Beklagte hiernach zu Recht auf Unterlassung in Anspruch genommen. Folglich ist die Beklagte verpflichtet, die Kosten der Mahnung, welche mit 189,00 Euro angemessen berechnet worden sind, zu tragen (§ 12 Abs. 1 UWG).

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.






LG Stuttgart:
Urteil v. 12.04.2006
Az: 42 O 8/06 KfH


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