Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 17. Januar 2008
Aktenzeichen: 13 Ta 816/07
(LAG Hamm: Beschluss v. 17.01.2008, Az.: 13 Ta 816/07)
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 13.11.2007 - 3 BV 75/07 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf
14.000,00 festgesetzt.
Die Arbeitgeberin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe einer gemäßigten Gebühr von 20,00 zu tragen.
Gründe
I.
Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf Fortbestand seines Mandats in Anspruch genommen, nachdem die M1 H1gesellschaft mbH & Co. OHG den Betrieb des Baumarktes L1 mit Wirkung zum 01.09.2007 auf die Arbeitgeberin übertragen hatte. Im Baumarkt L1 war ein dreiköpfiger Betriebsrat gewählt worden. Unter anderem unter Hinweis auf einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG a. F. vom 10.09.1999 hatte die Arbeitgeberin den Fortbestand des Betriebsrats in Abrede gestellt.
Mit dem am 14.09.2007 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat daraufhin folgende Anträge angekündigt:
"1. Es wird festgestellt, dass das Mandat des Betriebsrats auch nach dem Übergang des Betriebes des Baumarktes L1, D1 Str. 12-34, 12345 L1, auf die Arbeitgeberin per 01.09.2007 fortbesteht,
2. der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen, den Betriebsrat in der Ausübung seiner Tätigkeit dadurch zu behindern, dass gegenüber den Arbeitnehmern des Baumarktes L1 behauptet wird, der Betriebsrat bestehe nicht mehr."
Nach Rücknahme der Anträge im Ausgangsverfahren hat das Arbeitsgericht auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats durch Beschluss vom 13.11.2007 den Gegenstandswert für das Ausgangsverfahren auf 16.000,00 festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss vom 13.11.2007, zugestellt am 16.11.2007, wendet sich die Arbeitgeberin mit der am 30.11.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass der Gegenstandswert insgesamt mit 4.000,00 bemessen werden müsse. Der Feststellungsantrag, mit dem der Fortbestand des Mandats des Betriebsrats über den 01.09.2007 hinaus begehrt werde, sei nicht vergleichbar mit Verfahren über die Anfechtung einer Betriebsratswahl. Das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers sei im vorliegenden Fall weitaus geringer. Der Unterlassungsantrag sei identisch mit dem Feststellungsantrag, es handele der Sache nach um einen uneigentlichen Hilfsantrag.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet, im Wesentlichen ist sie unbegründet.
Der Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren war gemäß § 23 Abs. 3 RVG auf 14.000,00 festzusetzen. Der Feststellungsantrag war mit 10.000,00 , der Unterlassungsantrag mit 4.000,00 zu bemessen.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (früher: § 8 Abs. 2 BRAGO) stellt eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist ebenso wie früher § 8 Abs. 2 BRAGO insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Wege nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG aber immer erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt bereits hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstands vielfach im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm, Beschluss vom 24.11.1994 LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 NZA-RR 2005, 435; GK/Wenzel, ArbGG, § 121 Rz. 194, 441 ff.).
Zutreffend gehen die Beteiligten wie auch das Arbeitsgericht für den vorliegenden Fall davon aus, dass es sich bei dem Ausgangsverfahren um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG handelt. Die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden Streitsachen sind typischerweise nicht vermögensrechtlicher Natur (Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 445). Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat den Fortbestand seines Mandats über den 01.09.2007 hinaus in Folge eines Betriebsübergangs geltend gemacht. Insoweit handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit, für die grundsätzlich der Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG maßgeblich ist.
Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin konnte aber der Feststellungsantrag nicht mit dem einfachen Auffangwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von 4.000,00 bemessen werden. Der Gegenstandswert für den Feststellungsantrag beträgt vielmehr in Anlehnung an die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des erkennenden Gerichts zur Festsetzung des Gegenstandswerts in Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG 10.000,00 .
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren, mit dem eine Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG angefochten wird, richtet sich regelmäßig nach der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder, die gemäß § 9 BetrVG durch die Größe des Betriebs bestimmt wird. Dies entspricht der überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte (LAG Berlin, Beschluss vom 17.12.1991 NZA 1992, 327; LAG Thüringen, Beschluss vom 13.11.1998 AuR 1999, 146; LAG Köln, Beschluss vom 10.10.2002 NZA-RR 2003, 493; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.07.2003 LAGE BRAGO § 8 Nr. 55). Die zuständigen Kammern des Beschwerdegerichts haben sich dieser Auffassung in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (LAG Hamm, Beschluss vom 09.03.2001 LAGE BRAGO § 8 Nr. 48 a = NZA-RR 2002, 104; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 NZA-RR 2005, 435; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 461, 464). Ein Wahlanfechtungsverfahren, das die Wahl eines dreiköpfigen Betriebsrats zum Gegenstand hätte, würde hiernach mit einem Gegenstandswert von 10.000,00 bewertet.
Für den Feststellungsantrag im Ausgangsverfahren, der den Fortbestand des Mandats des Betriebsrats über den 01.09.2007 hinaus zum Gegenstand hatte, kann nichts anderes gelten. Dass das vorliegende Verfahren nicht direkt im Zusammenhang mit einer anstehenden Betriebsratswahl eingeleitet worden ist, erscheint für die Wertfestsetzung unerheblich (vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 17.12.1996 LAGE BRAGO § 8 Nr. 37). Sachgerecht auch für das vorliegende Verfahren ist es, bei der Wertfestsetzung an die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer anzuknüpfen. Dies sind im vorliegenden Fall ca. 32 Beschäftigte. Insoweit erscheint es angemessen, auch bei der Wertfestsetzung für den Feststellungsantrag von den für Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG entwickelten Grundsätzen auszugehen. Auch im vorliegenden Verfahren erscheint der Rückgriff auf die Stufen des § 9 BetrVG angemessen, weil sich in diesen Stufen und der dort jeweils festgelegten Anzahl der Mitglieder des Betriebsrats die Bedeutung der Angelegenheit widerspiegelt (vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 17.12.1996 LAGE BRAGO § 8 Nr. 37; LAG Bremen, Beschluss vom 12.05.1999 LAGE BRAGO § 8 Nr. 43). Angesichts der Größe des Baumarktes M2 und des dort gewählten Betriebsrat kann nicht vom einfachen Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ausgegangen werden (so auch: LAG Niedersachsen, Beschluss vom 02.01.2008 10 Ta 543/07 -).
Zu dem Wert für den Feststellungsantrag von 10.000,00 war für den vom Betriebsrat gestellten Unterlassungsantrag der Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von 4.000,00 hinzuzurechnen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin betrafen der Feststellungsantrag und der Unterlassungsantrag nicht denselben Streitgegenstand. Während der Betriebsrat mit dem Feststellungsantrag den Fortbestand seines Mandats über den 01.09.2007 hinaus geltend gemacht hat, hat er mit dem Antrag zu 2) die Unterlassung der Behinderung seiner Betriebsratstätigkeit (§ 78 BetrVG) geltend gemacht. Hierbei handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände. Zwischen den Anträgen besteht keine wirtschaftliche Identität.
III.
Nach § 1 Satz 2 GKG hat die Arbeitgeberin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (KV 8614 GKG), da der Beschwerde nicht stattgegeben worden ist. Dabei hat die Kammer im Hinblick auf den teilweisen Erfolg der Beschwerde von der Möglichkeit der Ermäßigung der Gebühr Gebrauch gemacht.
Dr. Müller /N.
LAG Hamm:
Beschluss v. 17.01.2008
Az: 13 Ta 816/07
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