Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 5. Mai 1995
Aktenzeichen: 6 U 114/94
(OLG Köln: Urteil v. 05.05.1995, Az.: 6 U 114/94)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. März 1994 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 0 753/93 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 6.000,-- abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet. Den Parteien wird nachgelassen, die von ihnen jeweils zu stellende Sicherheit in Form der unbedingten, unbefristeten, unwiderruflichen, selbstschuldnerischen schriftlichen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen. Die Beschwer der Klägerin wird auf DM 100.000,-- festgesetzt.
Gründe
Beide Parteien befassen sich mit der
Entwicklung, der Herstellung und dem Vertrieb von
Arzneimitteln.
Die Beklagte ist Inhaberin des mit
Priorität zum 15. Juli 1971 am 28. September 1973 unter der Nummer
... für pharmazeutische Erzeugnisse beim Deutschen Patentamt
eingetragenen Warenzeichens "S." (Bl. 112, 113 d.A.).
Unter dem Datum des 25. Juli 1986
beantragte die Beklagte beim Bundesgesundheitsamt (BGA) die
Zulassung für ein unter der Bezeichnung "S." angemeldetes
Humanarzneimittel, das zur Behandlung der Parkinson'schen
Krankheit vorgesehen war. Nach verschiedener, im Zeitraum bis 1991
zwischen einerseits der Beklagten und andererseits dem BGA
geführter Korrespondenz, in deren Rahmen der Beklagten diverse
Auflagen erteilt und Beibringungsfristen gesetzt worden waren,
wurde die Zulassung schließlich durch Bescheid des BGA vom 9. Juli
1991 versagt. Hinsichtlich der Einzelheiten insoweit wird auf die
Anlagen B 1 bis B 13 zur Klageerwiderung vom 18. Januar 1994 (Bl.
36 bis 51 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beabsichtigte ihrerseits,
das Zeichen "S." zu ihren Gunsten in die Warenzeichenrolle
eintragen zu lassen. Mit Schreiben vom 9. Februar 1989, welches
wiederum unter Bezugnahme auf ein vorangegangenes Schreiben der
Klägerin vom 12. Januar 1989 erging, berief sich die Beklagte "zur
rechtserhaltenden Benutzung" ihres Zeichens "S." auf dessen
Gebrauch in dem arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren beim
BGA. Die Klägerin meldete daraufhin am 28. Januar 1992 das
Warenzeichen "S." für sich an, welches am 20. Mai 1992 unter der
Nummer ,,,,,,, für Arzneimittel auch in die Warenzeichenrolle
eingetragen wurde. Hiergegen erhob die Beklagte Widerspruch und bot
der Klägerin den Verkauf ihres Warenzeichens ... "S." zum Preis
von DM 25.000,-- an. Die Klägerin lehnte dieses Angebot mit
Schreiben vom 14. Mai 1993 ab und drohte der Beklagten ihrerseits
Antrag auf Löschung des Warenzeichens ... "S." an. Unter dem
Datum des 10. Juni 1993 stellte die Klägerin dann tatsächlich
diesen Löschungsantrag. Da die Beklagte diesem Löschungsantrag
widersprach, hat das Deutsche Patentamt die Klägerin mit Bescheid
vom 1. September 1993 auf den Klageweg verwiesen.
Im Rahmen einer von der Klägerin am 14.
Dezember 1993 erhobenen zeichenrechtlichen Löschungsklage streiten
die Parteien nunmehr darüber, ob das Warenzeichen "S." der
Beklagten Löschungsreife erlangt hat bzw. ob die Beklagte sich zur
rechtserhaltenden Benutzung dieses Zeichens auf dessen Verwendung
im Rahmen des vorerwähnten arzneimittelrechtlichen
Zulassungsverfahrens berufen kann. Die Kälgerin hat geltend
gemacht, ihrer Ansicht nach stelle die Verwendung des Zeichens "S."
durch die Beklagte im Rahmen des arzneimittelrechtlichen
Zulassungsverfahrens keine rechtserhebliche Benutzungshandlung
dar, die Beklagte habe vielmehr, so die Auffassung der Klägerin,
das Warenzeichen innerhalb der letzten fünf Jahre vor ihrem - der
Klägerin - Lö-schungsantrag nicht benutzt.
Soweit in einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofs (Beschluß vom 28. September 1977 in GRUR 1978,
294 ff. - "Orbicin" -) ausgeführt sei, daß der Gebrauch eines
Warenzeichens zur Benennung einer Arzneimittelspezialität im
"Registrierungsverfahren" beim BGA als rechtserhaltende Benutzung
im Sinne des § 5 Abs. 7 WarenzeichenG anzuerkennen sei, müsse
diese noch auf der Grundlage des bis zum 1. Januar 1978 gültig
gewesenen alten Arzneimittelrechts ergangene Rechtsprechung als
überholt angesehen werden. In dem bis zur Novellierung des
Arzneimittelrechts im Jahre 1978 geltenden Registrierungsverfahren
sei ein Arzneimittel nämlich mit einem Markennamen zu versehen
gewesen, der während des mehrjährigen Registrierungsverfahrens ohne
Rangverlust nicht habe geändert werden dürfen. Eben dies sei aber
der die vorbezeichnete Entscheidung des Bundesgerichtshofs
tragende Gesichtspunkt für die Anerkennung der rechtserhaltenden
Benutzung gewesen. Durch die mit Wirkung ab 1. Januar 1978
herbeigeführte Neuordnung des Arzneimittelrechts sei jedoch
insoweit eine Ànderung eingetreten. In dem nach dem jetzigen
Arzneimittelrecht vorgeschriebenen Zulassungsverfahren dürfe dem
zur Zulassung angemeldeten Arzneimittel jede Bezeichnung gegeben
werden, unter der dieses später in den Verkehr gebracht werden
soll. Die Bezeichnung könne noch im Verlauf des
Zulassungsverfahrens jederzeit beliebig oft geändert werden, ohne
daß hierdurch Rechtsverluste entstünden. Es bestehe daher, so hat
die Klägerin weiter vertreten, kein Grund mehr, an den in der
vorbezeichneten "Orbicin"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs
aufgeführten Grundsätzen festzuhalten. Hinsichtlich der
Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags der Klägerin hierzu
wird auf ihre Ausführungen in der Klageschrift, dort Seite 7 f.
(Bl. 8 f. d. A.) sowie im Schriftsatz vom 22. Februar 1994, dort
Seite 2 f. (Bl. 53 f. d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, darin
einzuwilligen, daß das Warenzeichen ... "S." in der Rolle des
Deutschen Patentamts in vollem Umfang gelöscht wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung
vertreten, daß auch nach der Novellierung des Arzneimittelrechts im
Jahre 1978 an der in der "Orbicin"-Entscheidung des
Bundesgerichtshofs zum Ausdruck gebrachten Rechtsprechung
festzuhalten sei, wonach die Verwendung eines Warenzeichens im
Rahmen des arzneimittelrechtlichen Registrierungs- bzw. jetzt:
Zulassungsverfahrens eine zeichenerhaltende Benutzung darstelle,
die daher einem auf die angebliche Nichtbenutzung gestützten
Löschungsbegehren mit Erfolg entgegengehalten werden könne.
Bezüglich der Einzelheiten im erstinstanzlichen Vorbringen der
Beklagten hierzu wird auf ihre Ausführungen in der Klageerwiderung
- dort Seite 2 bis 5 (Bl. 30 bis 33 d. A.) - verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage durch
Urteil vom 22. März 1994, auf welches zur näheren Sachdarstellung
Bezug genommen wird, abgewiesen. Die Klägerin, so hat das
Landgericht zur Begründung ausgeführt, könne die Löschung des für
die Beklagte eingetragenen Warenzeichens "S." nicht verlangen, weil
letztere dieses Zeichen innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem
Antrag auf Löschung benutzt habe. Die Beklagte habe dieses
Warenzeichen durch Verwendung in dem erst mit der Versagung der
Zulassung am 9. Juli 1991 beendeten arzneimittelrechtlichen
Zulassungsverfahren in rechtserhaltender Weise benutzt. Im
Hinblick auf den mit der Einführung des Benutzungszwangs
verfolgten Zweck stelle es sich als sinnwidrig dar, der Verwendung
eines Warenzeichens im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren
allein deshalb die Bedeutung als rechtserhaltende Benutzungsart
abzuerkennen, weil diese Benutzungsform nicht in den unter § 15
WarenzeichenG aufgeführten Benutzungsarten erwähnt sei. Dies sei
auch die den zitierten Beschluß des Bundesgerichtshofs tragende
Erwägung, die ungeachtet der Neuordnung des Arzneimittelrechts
fortgelte. Es bestehe nach wie vor kraft genereller gesetzlicher
Vorschrift im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren eine
Bezeichnungspflicht. Selbst wenn nach der Novellierung des
Arzneimittelgesetzes im Zulassungsverfahren die Bezeichnung nunmehr
ohne Rangverlust geändert werden könne, biete das allenfalls im
konkreten Fall Anlaß, die Frage des Mißbrauchs eines Zeichens zu
prüfen. Das führe aber nicht dazu, die Verwendung eines Zeichens im
arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren von vornherein von der
grundsätzlichen Anerkennung als rechtserhaltende Benutzungsart
auszuschließen.
Gegen dieses ihr am 11. April 1994
zugestellte Urteil richtet sich die am 11. Mai 1994 eingegangene
und mittels eines am 13. Oktober 1994 - nach entsprechender
Fristverlängerung - eingegangenen Schriftsatzes begründete
Berufung der Klägerin.
Die Klägerin hält an ihrer bereits
erstinstanzlich vertretenen und nunmehr noch vertiefend
begründeteten Auffassung fest, daß die Verwendung eines Zeichens im
Rahmen des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens nicht als
rechtserhaltende Benutzung einzuordnen, das Zeichen der Beklagten
daher löschungsreif sei. Nur vor dem Hintergrund des alten
Arzneimittelgesetzes sei ein Mißbrauch des Warenzeichens durch
Verwendung im seinerzeit geltenden Registrierungsverfahren
ausgeschlossen gewesen. Wollte man die Verwendung des Zeichens im
Rahmen des nach dem heute gültigen Arzneimittelgesetz
vorgeschriebenen Zulassungsverfahrens als rechtserhaltende
Benutzung anerkennen, seien hingegen - so die Ansicht der Klägerin
- den Mißbrauchsmöglichkeiten "Tür und Tor" geöffnet. Der
anmeldende pharmazeutische Unternehmer könne sich dann nämlich
beispielsweise durch mehrmaliges Auswechseln der Bezeichnungen des
zur Zulassung angemeldeten Arzneimittels für jedes einzelne Zeichen
auf eine rechtserhaltende Benutzung berufen. Hinsichtlich des
Vortrags der Klägerin hierzu im einzelnen wird auf ihre Darlegung
in der Berufungsbegründung, dort Seite 2 bis 5 (Bl. 89 bis 92 d.
A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das am 22. März 1994 verkündete Urteil
der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 0 753/93 -
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, darin einzuwilligen,
daß das Warenzeichen ... "S." in der Rolle des Deutschen
Patentamtes in vollem Umfang gelöscht wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin
zurückzuweisen.
Nach Auffassung der Beklagten könne
allein eine etwa bestehende Mißbrauchsmöglichkeit nicht dazu
führen, der Verwendung eines Warenzeichens im Rahmen des
arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens schlechthin die
Anerkennung als rechtserhaltende Benutzungshandlung zu versagen.
Jedenfalls aber, so die weitere Ansicht der Beklagten, liege ein
der Löschung ihres Warenzeichens entgegenstehender Fall der
Unzumutbarkeit einer Benutzung innerhalb der Fünfjahresfrist im
Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 erster und zweiter Halbsatz
WarenzeichenG vor. Ihr - der Beklagten - sei es nicht anzulasten
gewesen, daß sich das arzneimittelrechtliche Zulassungsverfahren
beim BGA so lange hingezogen habe. Es stelle sich auch als
wirtschaftlich vernünftig dar, das Zulassungsverfahren für ein
Arzneimittel unter einer von vornherein festgelegten Bezeichnung zu
betreiben. Sie - die Beklagte - könne nicht darauf verwiesen
werden, sich erst zu einem späteren Zeitpunkt für eine Bezeichnung
des Arzneimittels, unter der dieses nach erfolgter Zulassung in den
Verkehr gebracht werden solle, zu entscheiden. Bezüglich der
Einzelheiten im Vortrag der Beklagten hierzu wird auf ihre
Ausführungen in der Berufungserwiderung, dort Seite 4 bis 9 (Bl.
101 bis 106 d. A.) verwiesen.
Hinsichtlich des Vorbringens der
Parteien im übrigen wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ó N D
Die Berufung ist zwar zulässig; in der
Sache bleibt ihr allerdings der Erfolg versagt.
Die Klägerin kann mit ihrer gegen das
Zeichen ... "S." gerichteten, auf dessen angebliche
Nichtbenutzung gestützten Löschungsklage nicht durchdringen, weil
die Beklagte dieses Zeichen in rechtserhaltender Weise benutzt
hat.
Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob
der Klägerin nach den §§ 49 Abs. 1, 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 des
auch für vor dem 1. Januar 1995 eingetragene Warenzeichen
anwendbaren Markengesetzes (§ 152 MarkenG) ein Anspruch auf
Einwilligung zur Löschung des vorgenannten Zeichens wegen
Nichtbenutzung bzw. Verfalls zusteht. Dies ist im gegebenen Fall
deshalb nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, weil sich
ein derartiger Anspruch aus den Vorschriften des durch das neue
Markengesetz abgelösten Warenzeichengesetzes, hier konkret § 11
Abs. 1 Nr. 4 WarenzeichenG, nicht ergibt.
§ 161 Abs. 2 des am 1. Januar 1995 in
Kraft getretenen Markengesetzes (Art. 50 Abs. 3
MarkenrechtsreformG) bestimmt, daß die Eintragung einer Marke nach
Maßgabe der §§ 49, 55 MarkenG auf eine vor dem 1. Januar 1995 gemäß
§ 11 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 WarenzeichenG erhobene Löschungsklage
nur dann zu löschen ist, wenn der Klage sowohl nach den bis zu
diesem Stichtag geltenden Bestimmungen als auch nach den Regelungen
des Markengesetzes stattzugeben ist. Die damit nur für den Erfolg
einer Löschungsklage erforderliche "doppelte" Prüfung erweist sich
im gegebenen Fall jedoch als entbehrlich, weil die Klägerin schon
nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 WarenzeichenG die Einwilligung zur Löschung
des Warenzeichens ... "S." nicht verlangen kann.
Die Beklagte hat die Benutzung des seit
erheblich mehr als fünf Jahren in die Warenzeichenrolle
eingetragenen Zeichens ... "S." zeitgerecht innerhalb von fünf
Jahren vor dem Stellen des Löschungsantrags aufgenommen, womit
eine etwa vorher bereits eingetretene Löschungsreife gemäß § 11
Abs. 1 Nr. 4 WarenzeichenG jedenfalls geheilt worden ist (vgl.
Baumbach/Hefermehl, Warenzeichenrecht, 12. Aufl., Rdnr. 59 zu § 11
WarenzeichenG).
Der Gebrauch des Zeichens ... "S."
zur Benennung (§§ 10 Abs. 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 Nr. 2 AMG) des von der
Beklagten entwickelten Arzneimittels im Zulassungsverfahren beim
BGA stellt eine die Eintragung erhaltende Benutzung im Sinne der §§
5 Abs. 7, 11 Abs. 1 Nr. 4 WarenzeichenG dar. Es handelt sich
hierbei zwar nicht um eine der in § 15 WarenzeichenG beschriebenen
Benutzungsarten, die eine Verwendung im Handelsverkehr zum
Gegenstand haben. Da die arzneimittelrechtliche Zulassung
Voraussetzung für das Inverkehrbringen des ein Warenzeichen als
Bezeichnung tragenden Arzneimittels ist (§ 21 Abs. 1 AMG) stellt
die Verwendung des Zeichens im Rahmen des der Zulassung
notwendigerweise vorgeschalteten Verfahrens vielmehr gerade keine
Verwendung im Handelsverkehr dar (BGH GRUR 1978, 294/296
-"Orbicin"-). Das schließt es jedoch nicht aus, den Gebrauch eines
Zeichens zur Benennung einer Arzneimittelspezialität im
Zulassungsverfahren als rechtserhaltende Benutzung anzuerkennen.
Die rechtserhaltende Benutzung eines Warenzeichens ist nicht auf
die § 15 WarenzeichenG aufgeführten Verwendungsarten beschränkt.
Der in § 11 Abs. 1 Nr. 4 WarenzeichenG enthaltene Benutzungsbegriff
ist vielmehr eigenständig unter Berücksichtigung des mit der
Einführung des Benutzungszwangs verfolgten Zwecks, die
Geltendmachung bloß formaler Zeichenrechte zu verhindern,
auszulegen. Das gilt sowohl für die Abgrenzung der
Verwendungsarten, die als Benutzung i.S. des § 11 Abs. 1 Nr. 4
WarenzeichenG anzuerkennen sind, als auch für Umfang, Intensität
und Dauer einer für die Aufrechterhaltung des Zeichens
erforderlichen Benutzung. Ob danach eine dem Zweck des
Benutzungszwangs Rechnung tragende Benutzung vorliegt, kann nur
unter Würdigung der den jeweiligen Einzelfall prägenden Umstände
beurteilt werden, wobei die Anforderungen an Art, Umfang und Dauer
der Benutzung am objektiven Maßstab des für die fragliche Ware
jeweils Verkehrsüblichen und wirtschaftlich Angebrachten gemessen
werden müssen (vgl. von Gamm in GRUR 1980, 390 ff./391; BGH GRUR
1982, 417 ff./418 - "Ranger" -; BGH GRUR 1980, 289 f./290 - "Trend"
-; BGH GRUR 1980, 1075 ff./1076 - "Frisium" -; BGH GRUR 1980, 52
f./53 - "Contiflex" -; BGH GRUR 1978, 294 ff./295 f. - "Orbicin"
-).
Demzufolge können jedenfalls
grundsätzlich auch solche Verwendungsarten als rechtserhaltende
Benutzung i.S. des § 11 Abs. 1 Nr. 4 WarenzeichenG in Betracht
kommen, die nicht zu den Benutzungsarten des § 15 WarenzeichenG
zählen, sondern in deren Vorstadium liegen (BGH a.a.0. - "Orbicin"
-). Dabei ist maßgeblich darauf abzustellen, ob schon in diesem
Stadium das Warenzeichen in einer nicht als bloß formal zu
beurteilenden Weise benutzt wird. Das wiederum setzt voraus, daß
die Marke nicht lediglich im innerbetrieblichen Bereich zur
Bezeichnung oder in bezug auf die Ware verwendet wird, sondern in
der Weise, daß sie in ihrer §/WarenzeichenG entsprechenden Funktion
zur Kennzeichnung der Ware aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb
stammend Verwendung findet (vgl. BGH GRUR 1982, 417 ff., 418 -
"Ranger" -; BGH GRUR 1980, 289 ff./290 - "Trend" -; Seite 1075
ff./1076 - "Frisium" -; Seite 52 ff./53 - "Contiflex" -; BGH GRUR
1978, 294 ff./296 - "Orbicin" -; Busse/Stark, WZG, 6. Aufl., § 54;
Althammer, WZG, 4. Aufl., Rdnr. 41).
Sämtlichen der vorerwähnten
Anforderungen hat die Beklagte hier genügt, indem sie das für
Arzneimittel eingetragene Zeichen "S." gegenüber dem BGA, also
nicht lediglich innerbetrieblich, als Bezeichnung des von ihr
entwickelten Arzneimittels gewählt hat.
Die Verwendung eines Warenzeichens im
Rahmen des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens gemäß §§
21 ff. AMG stellt grundsätzlich einen der Art, der Dauer und dem
Umfang nach als rechtserhaltende Benutzung im Sinne der §§ 5, 11
WZG anzuerkennenden Zeichengebrauch dar.
Da es sich bei der gemäß § 22 Abs. 1
Nr. 2 AMG in den Zulassungsunterlagen anzugebenden Bezeichnung um
diejenige handeln muß, unter der das Arzneimittel zugelassen und
in den Verkehr gebracht werden soll (Klösel/Cyran,
Arzneimittelrecht, Rdnr. 13 zu § 22 AMG), ist es für den
pharmazeutischen Unternehmer eine wirtschaftlich sinnvolle
Maßnahme, eine bereits eingetragene Marke, die für das Arzneimittel
im Falle seiner Zulassung verwendet werden soll, bereits im
Zulassungsverfahren anzugeben. Selbst wenn es sich bei dieser
Bezeichnung nicht um ein Warenzeichen handeln muß und spätere
Ànderungen der zunächst gewählten Bezeichnung möglich sind,
hindert das nicht, die Verwendung des bereits für die Warenart
eingetragenen Zeichens im arzneimittelrechtlichen
Zulassungsverfahren als wirtschaftlich sinnvoll anzuerkennen. Das
Zeichen wird damit im Ergebnis gerade dem Zweck zugeführt, für den
es vorgesehen ist. Allein der Umstand, daß die Möglichkeit besteht,
die Bezeichnung des Arzneimittels bereits im Stadium des
Zulassungsverfahrens zu ändern, rechtfertigt es nicht, der
Verwendung einer vorhandenen Marke im arzneimittelrechtlichen
Zulassungsverfahren die Anerkennung als rechtserhaltende Benutzung
abzusprechen. Angesichts der regelmäßig mehrjährigen Dauer
arzneimittelrechtlicher Zulassungsverfahren wäre ein
pharmazeutischer Unternehmer, der ein schon eingetragenes
Warenzeichen für ein von ihm entwickeltes Arzneimittel, welches
sich noch im Zulassungsverfahren befindet, verwenden will,
andernfalls gezwungen, dieses Zeichen formal für andere Zwekke
als den eigentlich vorgesehenen zu verwenden, um das Zeichen vor
dem Verfall durch Nichtbenutzung zu retten. Damit wären aber gerade
die Scheinbenutzungshandlungen provoziert, die mit der Einführung
des Benutzungszwangs vermieden werden sollten. Daß der
pharmazeutische Unternehmer nicht darauf verwiesen werden kann, die
Eintragung des für die Bezeichnung eines Arzneimittels vorgesehenen
Warenzeichens erst nach erfolgter Zulassung zu betreiben, liegt
schon im Hinblick auf die Bedeutung und die Auswirkungen der
zeitlichen Priorität von Warenzeichen auf der Hand und bedarf
keiner näheren Begründung.
Sollte es tatsächlich - wie die
Klägerin dies in diesem Zusammenhang einwendet - zu einem
mehrfachen Wechsel der Bezeichnungen des Arzneimittels durch den
anmeldenden pharmazeutischen Unternehmer kommen, bietet dies daher
allenfalls Anlaß zu einer Prüfung der Frage, ob eine mit dem Sinn
der Einführung des Benutzungszwangs zu vereinbarende "ernsthafte"
Benutzung vorliegt, oder ob die Verwendung des Zeichens in
Wirklichkeit nur zur Aufrechterhaltung einer formalen
zeichenrechtlichen Position eingesetzt wurde, also lediglich eine
"Scheinbenutzungshandlung" vorliegt. Eben dies geht im Ergebnis
auch aus dem von den Parteien zitierten Beschluß des
Bundesgerichtshofs vom 28. September 1977 - "Orbicin" - (GRUR 1978,
Seite 294 ff./296) hervor. In dieser zu § 5 Abs. 7 WarenzeichenG
ergangenen Entscheidung, in welcher der Bundesgerichtshof die
Verwendung eines Warenzeichens im Rahmen eines
arzneimittelrechtlichen Registrierungs- bzw. (nach heutigem AMG)
Zulassungsverfahrens grundsätzlich als eine mit dem Sinn und Zweck
der Einführung des zeichenrechtlichen Benutzungszwangs vereinbare
Benutzungsart anerkannt hat, ist lediglich unter dem Gesichtspunkt
eines etwaigen Mißbrauchs die Möglichkeit diskutiert, daß das
Zeichen im Verlauf des Zulassungsverfahrens ausgewechselt werden
kann. Ein derartiger Mißbrauch, der einen mit Sinn und Zweck der
Einführung des Benutzungszwangs zu vereinbarenden Zeichengebrauch
ausschließen würde, wurde dabei wegen des mit dem Auswechseln der
Bezeichnung nach dem alten AMG verbundenen zeitlichen Rangverlusts
der Anmeldung verneint. Daraus kann aber nicht - wie die Klägerin
dies vertritt - darauf geschlossen werden, daß allein die nach dem
seit 1. Januar 1978 gültigen AMG bestehende Möglichkeit, die
Bezeichnung eines zur Zulassung angemeldeten Arzneimittels ohne
zeitlichen Rangverlust zu verändern, der Ernsthaftigkeit der
Benutzung eines bereits eingetragenen Zeichens im Rahmen des
Zulassungsverfahrens entgegensteht. Dies liefe auf eine
generalisierende Betrachtungsweise hinaus, die sich schon deshalb
verbietet, weil sich die Frage, ob ein Zeichen rechtserheblich
benutzt ist, nur anhand einer auf den konkreten Einzelfall
bezogenen Würdigung beantworten läßt.
Im konkreten Fall liegen aber keinerlei
Anhaltspunkte für eine mißbräuchliche Verwendung des Zeichens
... "S." durch die Beklagte vor. Vielmehr hat sie im Gegenteil
im Rahmen des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens selbst
mehrfach ihren ernsthaften Willen zum Ausdruck gebracht, das
Warenzeichen "S." als Bezeichnung des von ihr entwickelten
Arzneimittels zu verwenden. Die Beklagte hat sich nicht nur - wie
aus der Korrespondenz mit dem BGA hervorgeht - bemüht, den auf die
Zulassung des Arzneimittels "S." bezogenen Beanstandungen des BGA
abzuhelfen, sondern mit Schreiben vom 15. Januar 1990 auch weitere
Varianten des Arzneimittels unter der Bezeichnung "S." zur
Zulassung angemeldet. Der Umstand, daß die Beklagte ihr
Warenzeichen "S." der Klägerin im Jahre 1993 zum Kauf anbot,
rechtfertigt keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Benutzung
dieses Zeichens i.R. des arzneimittelrechtlichen
Zulassungsverfahrens.
Die nach alledem in der Verwendung des
Zeichens "S. " im Rahmen des arzneimittelrechtlichen
Zulassungsverfahrens liegende Aufnahme der Benutzung fand auch
rechtzeitig innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor
Einreichen der Löschungsklage am 10. November 1993 statt.
Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob
die rechtserhaltende Benutzung des Warenzeichens mit Abschluß des
Zulassungsverfahrens durch Bescheid des BGA vom 9. Juli 1991 endete
und die Beklagte sich daher bis zu diesem Datum auf eine Benutzung
ihres Zeichens im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 WarenzeichenG berufen
kann. Dem kommt hier deshalb keine streitentscheidende Bedeutung
zu, weil die Beklagte noch mit Schreiben vom 15. Januar 1990, also
jedenfalls noch innerhalb der erwähnten Fünfjahresfrist, die
Zulassung weiterer Varianten des Arzneimittels "S." beantragt
hat.
Diese Benutzung ist schließlich auch
zeitgerecht vor Androhung der Löschung aufgenommen worden (§ 11
Abs. 5 Nr. 1 WarenzeichenG). Die Klägerin hat der Beklagten
gegenüber erstmals mit Schreiben vom 14. Mai 1993 den Antrag auf
Löschung angedroht. Daß eine derartige Löschungsandrohung bereits
mit Schreiben vom 12. Januar 1989 ausgesprochen worden sei,
behauptet weder die Klä-gerin selbst, noch geht dies aus dem
Sachverhalt im übrigen hervor.
Hat danach die Beklagte das Zeichen
"S." rechtzeitig innerhalb der Fünfjahresfrist vor Stellen des
Lö-schungsantrags durch die Klägerin benutzt, so muß die auf die
angebliche Nichtbenutzung gestützte Löschungsklage gemäß § 11 Abs.
1 Nr. 4 und Abs. 2 WarenzeichenG i.V.m. § 161 Abs. 2 MarkenG
scheitern.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97
Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 108, 708 Nr.
10, 711 ZPO.
Die nach § 546 Abs. 2 ZPO
festzusetzende Beschwer der Klägerin entspricht dem Wert ihres
Unterliegens im vorliegenden Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 05.05.1995
Az: 6 U 114/94
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