Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 8. Februar 2002
Aktenzeichen: 6 W 9/02
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 08.02.2002, Az.: 6 W 9/02)
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse der Klägerin.
Gründe
I.
Die Klägerin hat im vorausgegangenen Eilverfahren (2/3 O 612/00, Landgericht Frankfurt am Main) gegen die Beklagte am 20.12.2000 eine auf §§ 1, 14 UWG gestützte einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Beklagten die Aufstellung bestimmter Behauptungen im Internet untersagt worden ist. Nach Zustellung der Beschlussverfügung hat die Beklagte am 06.01.2001 die beanstandeten Aussagen im Internet entfernt. Auf Antrag der Beklagten vom 07.07.2001 ist der Klägerin mit Beschluss des Landgerichts vom 11.07.2001 aufgegeben worden, binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses beim Gericht der Hauptsache Klage zu erheben. Die Klägerin hat daraufhin innerhalb der gesetzten Frist im vorliegenden Verfahren Klage zur Hauptsache erhoben. In der Klageerwiderung hat die Beklagte die Einrede der Verjährung (§ 21 UWG) erhoben.
Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenbelastung beantragt. Das Landgericht hat der Klägerin mit Beschluss vom 15.11.2001 gemäß § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, da es unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung der Billigkeit (§ 91a ZPO) entspricht, die Beklagte mit den Kosten des Rechtsstreits zu belasten. Der Rechtsstreit hat dadurch seine Erledigung in der Hauptsache gefunden, dass die Beklagte in der Klageerwiderung mit Erfolg die Einrede der Verjährung erhoben hat. Eine Erledigung der Hauptsache ist nach allgemeinen Grundsätzen dann gegeben, wenn eine bei Klageerhebung zulässige und begründete Klage durch ein im Verlauf des Verfahrens eintretendes Ereignis unzulässig oder unbegründet wird. Dabei ist es für die Frage, ob eine Erledigung der Hauptsache vorliegt, grundsätzlich ohne Bedeutung, auf welchen Umständen die nachträgliche Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Klage beruht. Insbesondere tritt eine Erledigung im prozessualen Sinn auch dann ein, wenn die Klage aus Gründen unzulässig oder unbegründet wird, die allein im Verantwortungsbereich des Klägers liegen (vgl. BGH WRP 93, 755, 758 - Radio Stuttgart - für den vergleichbaren Fall, dass der Kläger durch eigene Benutzungsaufgabe ein ursprünglich bestehendes Titelschutzrecht verloren hat). Denn ob bei einer solchen Situation Billigkeitsgründe dafür sprechen, den Beklagten vor Kostennachteilen zu bewahren, kann - wenn der Beklagte sich der Erledigungserklärung anschließt - im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO ausreichend berücksichtigt werden; dagegen haben derartige Billigkeitserwägungen auf die Frage, ob eine Erledigung eingetreten ist, keinen Einfluss (vgl. BGH a.a.O. sowie bereits die Entscheidung des erkennenden Senats WRP 82, 422). Daher kann auch die Verjährung des Klageanspruchs zur Erledigung des Rechtsstreits führen, obwohl es der Kläger selbst in der Hand gehabt hätte, den Eintritt der Verjährung zu vermeiden (vgl. Senat a.a.O., OLG Frankfurt - 16. Zivilsenat - MDR 97, 1072).
Eine Erledigung der Hauptsache tritt nach Auffassung des erkennenden Senats auch dann ein, wenn die Verjährungsfrist für den Klageanspruch bereits bei Erhebung der Klage abgelaufen war, sich der Beklagte jedoch erstmals im Prozess auf die Verjährung beruft (ebenso OLG Frankfurt - 16. Zivilsenat - a.a.O., Pastor/Ahrens/Ulrich, Der Wettbewerbsprozess, 4. Auflage, Rdz. 11 zu Kapitel 58; Peters, NJW 2001, 2289 ff.; a.A.: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Rdz. 31 zu Kapitel 55; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Auflage, Rdz. 242a; El-Gayar, MDR 98, 698, 699). Denn solange der Schuldner die Einrede der Verjährung (§ 222 BGB) nicht - auch nicht außerhalb des Prozesses - erhoben hat, beseitigt der Ablauf der Verjährungsfrist die Durchsetzbarkeit des Klageanspruchs im Prozess nicht. Vielmehr wird die bis zu diesem Zeitpunkt zulässige und begründete Klage erst mit Erhebung dieser Einrede nachträglich unbegründet.
Dieser Beurteilung steht entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entgegen, dass der Erhebung der Verjährungseinrede zugleich eine gewisse materiellrechtliche Rückwirkung insoweit zukommt, als beispielsweise dem Gläubiger für die Zeit zwischen Ablauf der Verjährungsfrist und der Erhebung der Einrede keine Verzugszinsen auf eine verjährte Forderung zustehen (vgl. hierzu El-Gayar a.a.O. mit weiteren Nachweisen; Melullis a.a.O.). Denn diese materiellrechtliche Rückwirkung ändert nichts daran, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Klage zulässig und begründet war und erst in Folge der Verjährungseinrede nachträglich abweisungsreif geworden ist (vgl. Senat a.a.O.; Pastor/Ahrens/Ulrich a.a.O.; Peters a.a.O.). Auch in diesem Zusammenhang besteht kein Anlass, aus Billigkeitsgründen die Erhebung der Verjährungseinrede gegenüber einem bei Klageerhebung bereits verjährten Klageanspruch allein deshalb nicht als erledigendes Ereignis im prozessualen Sinne zu behandeln, weil in solchen Fällen der Beklagte stets vor Kostennachteilen bewahrt werden müsse (so aber Melullis a.a.O.). Denn jedenfalls dann, wenn der Beklagte vor Beginn des Prozesses von der Verjährungseinrede keinen Gebrauch gemacht hat, obwohl hierzu Gelegenheit bestand, kann dem Kläger kein - die Kostentragungspflicht in jedem Fall begründender - Vorwurf daraus gemacht werden, die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs zumindest versucht zu haben. Zum einen ist denkbar, dass dem Schuldner die Verjährung nicht bekannt ist; in diesem Fall ist es dem Gläubiger grundsätzlich nicht verwehrt, diese Unkenntnis auszunutzen. Zum anderen kann gerade bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen das vorprozessuale Absehen von der Verjährungseinrede auch darauf beruhen, dass der Beklagte ungeachtet des Ablaufs der durch die erste Verletzungshandlung in Lauf gesetzten Verjährungsfrist das beanstandete Wettbewerbsverhalten künftig wiederholen will und daher an einer gerichtlichen Auseinandersetzung darüber interessiert ist, wie das beanstandete Verhalten in der Sache zu bewerten ist. Unter dieser Voraussetzung wird sich der Beklagte auch im Rechtsstreit nicht auf die Verjährung berufen. Aus diesen Gründen erscheint es sachgerecht, auch die Erhebung der Verjährungseinrede gegenüber einem bei Klageerhebung bereits verjährten Anspruch als erledigendes Ereignis im prozessualen Sinn anzusehen und die Frage, ob der Geltendmachung des verjährten Anspruchs billigenswerte Erwägungen des Klägers zugrunde lagen oder nicht, im Rahmen der nach § 91a ZPO zu treffenden Kostenentscheidung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beantworten (insoweit a.A.: Peters a.a.O., Seite 2291).
Bei Anwendung der dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall sind der Beklagten die Kosten nach § 91a ZPO aufzuerlegen, da der Rechtsstreit sich durch die Erhebung der Verjährungseinrede in der Hauptsache erledigt hat und auch kein Anlass besteht, aus Billigkeitsgründen die Klägerin mit den Kosten zu belasten. Dass der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ursprünglich zustand, hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Gründe, die Kosten des Rechtsstreits trotz Eintritts eines erledigenden Ereignisses der Klägerin aus Billigkeitserwägungen heraus aufzuerlegen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Solche Gründe können im vorliegenden Zusammenhang etwa dann gegeben sein, wenn der Kläger einen bereits verjährten Anspruch rechtshängig gemacht hat, ohne dass der Beklagte überhaupt Gelegenheit hatte, die Verjährung zu prüfen und bereits vorprozessual geltend zu machen. Unter diesen Umständen läge der Klageerhebung allenfalls die durch keinerlei tatsächlicher Anhaltspunkte untermauerte Hoffnung zugrunde, der Beklagte werde - aus welchen Gründen auch immer - von der Erhebung der Verjährungseinrede absehen. Erhebt in einem solchen Fall der Beklagte sodann - wie vorherzusehen - diese Einrede, entspricht es der Billigkeit, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen; denn andernfalls hätte der Gläubiger eines verjährten Anspruchs einschränkungslos die Möglichkeit, diesen Anspruch ohne Kostenrisiko einzuklagen, obwohl er voraussichtlich nicht durchsetzbar sein wird.
Im vorliegenden Fall liegen die Umstände dagegen anders. Die Beklagte, gegen die die Klägerin eine dem Klageanspruch entsprechende einstweilige Verfügung erwirkt hatte, hat zu einem Zeitpunkt, als die Verjährungsfrist bereits abgelaufen war, gemäß § 926 ZPO beantragt, der Klägerin eine Frist zur Erhebung der Klage zur Hauptsache zu setzen. Die darin liegende Aufforderung zur Klageerhebung konnte die Klägerin dahin verstehen, dass die Beklagte eine sachliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung im Hauptsacheverfahren wünschte. Jedenfalls musste die Klägerin nicht damit rechnen, dass die Beklagte sie allein deshalb zur Klageerhebung veranlassen wollte, um im Klageverfahren sogleich die Einrede der Verjährung zu erheben. Denn das Ziel, den Verfügungstitel im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Verjährung zu beseitigen, hätte die Beklagte redlicherweise zunächst dadurch verfolgen können, dass sie die Klägerin unter gleichzeitiger Erhebung der Verjährungseinrede zum Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung aufforderte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO n.F.) liegen nicht vor.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 08.02.2002
Az: 6 W 9/02
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