Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 9. Dezember 2008
Aktenzeichen: 31 Wx 106/08

(OLG München: Beschluss v. 09.12.2008, Az.: 31 Wx 106/08)

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 14. August 2008 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag auf Eintragung der Kündigung eines Beherrschungsvertrags.

Die beteiligte Gesellschaft, die B. Holding AG, schloss am 26.4.2007 mit ihrer Alleinaktionärin, der B. Group Beteiligungs GmbH, als herrschender Gesellschaft einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag. Letztere hatte ihre Anteile an der B. Holding AG im Lauf des Jahres 2007, nämlich nach dem 2.4.2007 erworben. Die Vorstände der beherrschten Gesellschaft sind zugleich Geschäftsführer der herrschenden Gesellschaft. Die Hauptversammlung stimmte dem Vertrag vom 26.4.2007 mit Beschluss vom selben Tag zu; die Aktionärin erklärte, auf die Anfechtung des Beschlusses zu verzichten.

Der Vertrag lautet auszugsweise wie folgt:

PräambelDer Organträger (B. Group Beteiligungs GmbH) hält sämtliche Geschäftsanteile am Grundkapital der Organgesellschaft (B. Holding AG) und ist damit alleinige Aktionärin der Organgesellschaft. Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Parteien was folgt:§ 1LeitungDie Organgesellschaft unterstellt die Leitung ihrer Gesellschaft dem Organträger. € Das Weisungsrecht wird nur durch Geschäftsführer des Organträgers ausgeübt und gilt ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieses Vertrages.§ 2Gewinnabführung1. €2. €3. Die Verpflichtung zur Gewinnabführung gilt erstmalig für den ganzen Gewinn des Geschäftsjahres, in dem dieser Vertrag wirksam wird. Sie wird jeweils am Schluss eines Geschäftsjahres fällig und ist ab diesem Zeitpunkt mit 5 % für das Jahr zu verzinsen.§ 3Verlustübernahme1. €2. § 2 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend für die Fälligkeit und Verzinsung der Verpflichtung zum Jahresausgleich.€ § 4Ausgleich, Barabfindung€ § 5Wirksamwerden und Vertragsdauer1. Dieser Vertrag steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gesellschafterversammlung des Organträgers und der Hauptversammlung der Organgesellschaft und wird mit seiner Eintragung ins Handelsregister der Organgesellschaft wirksam.2. Dieser Vertrag gilt hinsichtlich der Leitungs- und Weisungsrechte, der Gewinnabführungsverpflichtung und der Verlustausgleichsverpflichtung gemäß §§ 1 bis 3 dieses Vertrages erstmalig für das gesamte am 1.1.2007 beginnende Geschäftsjahr der Organgesellschaft, hinsichtlich der Leitungs- und Weisungsrechte jedoch frühestens ab dem Zeitpunkt seiner Eintragung im Handelsregister der Organgesellschaft.3. Der Vertrag kann erstmalig zum Ablauf des 31.12.2012 bzw., wenn zu diesem Zeitpunkt kein Geschäftsjahr der Organgesellschaft endet, zum Ende des nächsten nach diesem Datum endenden Geschäftsjahres der Organgesellschaft unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten ordentlich gekündigt werden. Wird er nicht gekündigt, verlängert er sich nach diesem Datum bei gleicher Kündigungsfrist jeweils um ein weiteres Kalenderjahr.4. Das Recht zur Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt unberührt. Der Organträger ist insbesondere zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, wenn die finanzielle Eingliederung i.S.d. KStG im Verhältnis zur Organgesellschaft aus Sicht des Organträgers nicht mehr gegeben ist. Endet der Vertrag, so hat der Organträger den Gläubigern der Organgesellschaft entsprechend § 303 AktG Sicherheit zu leisten.§ 6Steuern1. Die Parteien sind sich einig, dass die Voraussetzungen für eine steuerliche Organschaft gemäß § 14 Abs. 1 KStG erst mit Wirkung ab 1. Januar 2008 erfüllt sein werden und eine körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organschaft damit erst ab 1. Januar 2008 besteht.2. Sofern die Abführung der Gewinnabführung für das am 31. Dezember 2007 endende Geschäftsjahr der Kapitalertragssteuer unterliegt, ist die Organgesellschaft berechtigt, die Steuer von der Gewinnabführung einzubehalten und auf Rechnung der Organträgerin an das zuständige Finanzamt abzuführen. €.§ 7Salvatorische Klausel € B. Holding AG,B. Group Beteiligungs GmbH,vertreten durch den Vorstand vertreten durch die GeschäftsführerDr. T. L. und G. S.Dr. T. L. und G. S. (Unterschriften der drei Vorstände, Unterschriften der drei Geschäftsführer)Unter dem 28.9.2007 vereinbarten die am Vertrag beteiligten Gesellschaften, eine Schreibfehlerberichtigung in § 5 Abs. 2 des Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages (EAV) dahin vorzunehmen, dass es für den Zeitpunkt des Beginns €1.1.2008€ heißen müsse, denn es sei beabsichtigt gewesen, dass handels- und steuerrechtlicher Beginn nicht auseinanderfallen, sondern gleichlaufend sein sollten. Zur Verwechslung des Datums sei es gekommen, weil am Tag zuvor ein anderer Mandant der Verfahrensbevollmächtigten beim gleichen Notar einen nahezu wörtlich identischen EAV geschlossen habe, bei dem es in der entsprechenden Vorschrift tatsächlich €2007€ habe heißen müssen. Ferner vereinbarten die beiden Gesellschaften vorsorglich einen Verzicht der herrschenden Gesellschaft auf eine Abführung des Jahresüberschusses bzw. Bilanzgewinns der B. Holding AG zum 31.12.2007.

Mit Schreiben vom 10.12.2007 erklärte die herrschende Gesellschaft unter Hinweis auf die mögliche Formunwirksamkeit der Schreibfehlerberichtigung die außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung, die beherrschte Gesellschaft erklärte sich am selben Tag damit einverstanden. Am 4.4.2008 wurde zur Eintragung im Handelsregister der beteiligten Gesellschaft angemeldet, dass der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zum 10.12.2007 durch Kündigung beendet sei.

Das Registergericht lehnte die Eintragung der Kündigung mit Beschluss vom 13.5.2008 ab, da ein tragfähiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Hinblick auf die konkreten Umstände (nicht nachvollziehbarer Wille des Abschlusses für einen späteren Zeitpunkt, Kündigung erst Monate nach behauptetem Entdecken des Versehens, fehlende steuerliche Auswirkungen, interne Freistellung von den Vertragspflichten) nicht ersichtlich sei. Gegen die Entscheidung des Registergerichts legte die beteiligte Gesellschaft Beschwerde ein. Zur Begründung führte sie aus, § 5 Abs. 4 des Vertrages umfasse auch die Konstellation des bereits anfänglichen Auseinanderfallens von steuerrechtlichem und handelsrechtlichem Beginn des Vertrages, denn der Wille der Parteien habe gerade darin bestanden, generell ein zeitliches Auseinanderfallen zu vermeiden. Überdies entstünden im Falle der Wirksamkeit des EAV zum 31.12.2007 erhebliche, von den Parteien so gerade nicht gewollte steuerliche Auswirkungen/Nachteile. So wäre die Gesellschaft gehalten, den gesamten im Geschäftsjahr 2007 angefallenen Gewinn zum 31.12.2007 an ihre Alleinaktionärin abzuführen und in ihren Büchern auszubuchen; die Alleinaktionärin wiederum wäre gehalten, eine entsprechende Einbuchung vorzunehmen. Nach Hinweis des Landgerichts auf Umstände, die gegen einen zum 1.1.2008 gewollten Vertragsbeginn sprächen, nämlich § 6 Abs. 2 des Vertrages und die bereits kurz nach Vertragsschluss erfolgte Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister, führte der Verfahrensbevollmächtigte der Gesellschaft aus, die Beschwerdeführerin habe €den Fehler gemacht, von einem Vertrag eines Mandanten der Kanzlei des Unterzeichners abzuschreiben, der am 25.4.2007 (also einen Tag zuvor) bei demselben beurkundenden Notar € abgeschlossen€ worden sei. Versehentlich sei lediglich das dort genannte Datum €30. September€ durch €31. Dezember€ ersetzt worden, ohne zugleich auch €2007€ durch €2008€ zu ersetzen. Weiter sei versehentlich €der unsinnige § 6 Abs. 2 aus der Vorlage verwendet€ worden, der § 5 Abs. 2 des Vertrages der Beteiligten entspreche. Die mangelnde Eintragungsfähigkeit in 2007 für den ab 1.1.2008 gewollten Vertrag sei der Beschwerdeführerin nicht bewusst gewesen; der beurkundende Notar habe €diesen Umstand nicht bemerkt, weil die Beschwerdeführerin ihm gerade die falsche Vorlage geliefert€ habe. Das Landgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 14.8.2008 zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde, die insbesondere darauf gestützt wird, dass der Beschwerdeführerin und ihrer Alleinaktionärin daran gelegen sei, durch einen kompletten Neuabschluss des gekündigten Vertrages mit Wirkung zum 1.1.2008 rechtliche und wirtschaftliche Risiken über die Frage des Bestands des gekündigten Vertrags vollständig auszuschließen, was nur möglich sei, wenn die Beendigung des Vertrags vom 26.4.2007 in das Handelsregister eingetragen werde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Registergericht hat es zu Recht abgelehnt, die Beendigung des eingetragenen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 10.12.2007 in das Handelsregister einzutragen.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Das Registergericht sei berechtigt gewesen, die materielle Richtigkeit der angemeldeten Tatsachen zu überprüfen, denn es gebe Anhaltspunkte dafür, dass ein wichtiger Grund für eine Kündigung nicht vorgelegen habe. Bevor hinsichtlich einer Willenserklärung über die Möglichkeit einer Anfechtung bzw. hinsichtlich eines abgeschlossenen Vertrages über die Möglichkeit einer Kündigung befunden werden könne, müsse durch Auslegung ermittelt werden, was als Inhalt der Willenserklärung bzw. des Vertrages anzusehen sei. Nach dem Wortlaut des Unternehmensvertrages habe dieser handelsrechtliche Wirkungen ab 1.1.2007, steuerliche Wirkung jedoch erst ab 1.1.2008 entfalten sollen. Nach dem Sachvortrag der Beschwerdeführerin handele es sich insoweit jedoch um ein Schreibversehen, tatsächlich sei das zeitliche Auseinanderfallen des handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Beginns von beiden Vertragsparteien niemals beabsichtigt gewesen. Es sei daher nicht auf den objektiven Erklärungssinn abzustellen, sondern auf das tatsächliche Wollen der beiden Vertragsparteien. Wenn ein übereinstimmender Wille der Parteien bestehe, dann sei dieser allein rechtlich maßgeblich, auch wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden habe. Das übereinstimmend Gewollte habe den Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung. Der tatsächliche Wille der Parteien finde Anklang in § 5 Abs. 4 des Vertrages, aus dem sich ergebe, dass ein Auseinanderfallen von handelsrechtlichem und steuerrechtlichem Beginn nicht gewollt gewesen sei. Der übereinstimmende Wille, dass der Vertrag insgesamt erst ab dem 1.1.2008 Wirkung entfalten solle, ergebe sich aus dem Sachvortrag der Beschwerdeführerin und werde erhärtet durch das vorgelegte Schreiben vom 28.9.2007. Da die Auslegung zu dem Ergebnis führe, dass der Vertrag insgesamt erst ab 1.1.2008 Wirkung entfalten sollte, scheide eine fristlose Kündigung zum 10.12.2007 aus. Die Gültigkeit des Vertrages erst zum 1.1.2008 scheitere auch nicht am Erfordernis der Zustimmung, denn die den Vertrag unterzeichnenden Personen und die in den Gesellschafterversammlungen beschließenden Personen bzw. deren Vertreter seien identisch.

2. Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO), erweist sich aber im Ergebnis als richtig.

19a) Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass das Registergericht bzw. das an seine Stelle tretende Beschwerdegericht in die materielle Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung eintreten muss, wenn Anhaltspunkte für das Fehlen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 297 Abs. 1 AktG bestehen (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 233/234; Hüffer AktG 8. Aufl. § 298 Rn. 5; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht 5. Aufl. § 298 Rn. 9; MünchKommAktG/Altmeppen 2. Aufl. § 298 Rn. 13). Dass die Eintragung der unverzüglich anzumeldenden Beendigung des Unternehmensvertrages nur deklaratorische Bedeutung hat (§ 298 AktG; vgl. Hüffer aaO), ändert nichts am Umfang der Prüfung des Registergerichts, dessen Pflicht es ist, unrichtige Eintragungen in das Handelsregister zu verhindern (vgl. Krafka/Willer Registerrecht 7. Aufl. Rn. 153).

b) Rechtsfehlerhaft ist die Auffassung des Landgerichts, dem Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag vom 26.4.2007 könne nach dem Grundsatz €falsa demonstratio non nocet€ im Wege der Auslegung entnommen werden, dass Vertragsbeginn auch in handelsrechtlicher Hinsicht der 1.1.2008 sei. Das Landgericht hat zum einen die für die Auslegung von Unternehmensverträgen geltenden Maßstäbe verkannt, zum anderen die Anforderungen an den Nachweis eines bei Vertragsabschluss vorhandenen, vom Wortlaut des förmlichen Vertrages abweichenden übereinstimmenden Willens der Vertragsparteien zu niedrig angesetzt.

aa) Unternehmensverträge, insbesondere Beherrschungsverträge, reichen in ihren Wirkungen über diejenigen schuldrechtlicher Austauschverträge hinaus. Sie sind zugleich Organisationsverträge, denn sie führen bei äußerlich unveränderter Fortgeltung der Satzung der beherrschten Gesellschaft zu einer Strukturänderung, die sich in der Weisungsbefugnis des herrschenden Unternehmens und in der Maßgeblichkeit des Konzerninteresses niederschlägt (vgl. Hüffer § 291 Rn. 17). Dementsprechend sehen die gesetzlichen Vorschriften für die Wirksamkeit eines Unternehmensvertrages Form- und Zustimmungserfordernisse vor. So bedarf der Unternehmensvertrag der schriftlichen Form (§ 293 Abs. 3 AktG), mündliche Abreden sind formnichtig (§ 125 Abs. 1 BGB). Der Vertrag ist der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister beizufügen (§ 294 Abs. 1 Satz 2 AktG) und wird erst mit der Eintragung wirksam (§ 294 Abs. 2 AktG). Die Formerfordernisse dienen der Rechtsklarheit und der Gewährleistung der Publizität, die eine ausreichende Unterrichtung der Gläubiger und der Öffentlichkeit, namentlich künftiger Aktionäre, sicherstellen soll (vgl. Hüffer § 293 Rn. 26; KK AktG/Koppensteiner 3. Aufl. § 294 Rn. 2; MünchKommAktG/Altmeppen § 293 Rn. 16). Der Vertrag wird ferner nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam (§ 293 Abs. 1 AktG). Der Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung ist notariell zu beurkunden (§ 293 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 130 Abs. 1 AktG). Gegenstand des Beschlusses der Hauptversammlung ist der Vertrag und nur das, was ihr als Vertrag und als dessen Inhalt vorgelegt worden ist (MünchKommAktG/Altmeppen § 293 Rn. 56). Was nicht vom Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung gedeckt ist, kommt auch nicht als Interpretations- und Auslegungshilfe in Betracht (MünchKommAktG/Altmeppen § 293 Rn. 62). Vertragsteile, die nicht zum Gegenstand des Hauptversammlungsbeschlusses gemacht wurden, können nicht wirksam werden (Hüffer § 293 Rn. 12; KK AktG/Koppensteiner § 293 Rn. 36).

22bb) Für die in Unternehmensverträgen enthaltenen körperschaftlichen Regelungen gilt hinsichtlich der Auslegung nichts anderes als für Satzungen. Sie sind objektiv auszulegen, denn sie wenden sich € im Gegensatz zu individualrechtlichen Bestimmungen € an einen unbestimmten Personenkreis, insbesondere künftige Gesellschafter und Gläubiger. Die Auslegung hat deshalb einheitlich und gleichmäßig allein aufgrund des Vertrages zu erfolgen, wobei im Rahmen der Vertragsbestimmungen Sinnzusammenhang und erkennbarer Zweck berücksichtigt werden können. Außer Betracht zu bleiben haben Umstände, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen und nicht allgemein erkennbar sind; dazu gehören die Entstehungsgeschichte, Vorentwürfe sowie Vorstellungen und Äußerungen von Personen, die an der Abfassung des Vertrages mitgewirkt haben (vgl. Palandt/Ellenberger BGB 68. Aufl. § 133 Rn. 12; MünchKommAktG/ Altmeppen § 291 Rn. 33 f.; Passarge BB 2006, 2769/2770 zum Unternehmensvertrag; BGHZ 123, 347/351; BGH WM 1989, 1809; OLG Hamm NZG 2003, 545 jeweils zur Satzung; MünchKommBGB/Busche 5. Aufl. § 133 Rn. 37; Staudinger/Singer BGB Bearbeitungsstand 2004 § 133 Rn. 72 f. zu Gesellschaftsvertrag und Satzung).

23cc) Den vertraglichen Bestimmungen über das Wirksamwerden eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages kommt körperschaftsrechtliche Bedeutung zu, denn sie legen fest, wann die mit dem Unternehmensvertrag einhergehende Strukturänderung eintritt. Sie sind deshalb einheitlich und aus sich heraus auszulegen. Eine unabsichtliche Falschbezeichnung, die auch bei formbedürftigen Erklärungen unschädlich ist (vgl. BGH NJW 2008, 1658 m.w.N.; Palandt/Ellenberger § 133 Rn. 19), kann daher nur angenommen werden, wenn sich aus der Vertragsurkunde selbst oder allgemein erkennbaren Umständen außerhalb der Urkunde ergibt, dass es sich um eine solche handelt. Das ist hier nicht der Fall; aus der Urkunde selbst ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der in § 5 Abs. 2 festgelegte Vertragsbeginn zum 1.1.2007 nicht der von den Parteien auch tatsächlich gewollte ist. Die übereinstimmende nachträgliche Behauptung der Vertragsparteien, tatsächlich gewollt sei der 1.1.2008 gewesen, kann im Rahmen der gebotenen objektiven Auslegung nicht berücksichtigt werden.

dd) Selbst wenn die Auslegung der fraglichen Bestimmung uneingeschränkt wie bei rein schuldrechtlichen Vereinbarungen nach §§ 133, 157 BGB vorgenommen werden könnte, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn im Interesse der durch die Formvorschriften bezweckten Ziele der Rechtssicherheit und Beweisbarkeit sind strenge Anforderungen zu stellen an den Nachweis dessen, was entgegen der in der gesetzlich vorgeschriebenen Form niedergelegten Erklärung von den Parteien tatsächlich gewollt war. Für die Urkunde streitet die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit; die Last der Widerlegung obliegt dem, der einen abweichenden Geschäftsinhalt behauptet (Staudinger/Singer § 133 Rn. 34). Der Sachvortrag der beteiligten Gesellschaft widerlegt diese Vermutung nicht.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist das Schreiben vom 28.9.2007 zur €Schreibfehlerberichtigung€ des Datums in § 5 Abs. 2 des Vertrages nicht geeignet, einen hinreichend sicheren Nachweis für die Behauptung der beteiligten Gesellschaft zu erbringen, es habe bereits bei Abschluss des Vertrages am 26.4.2007 ein übereinstimmender Wille bestanden, dass der Vertrag insgesamt erst mit dem 1.1.2008 wirksam werden sollte. Das Schreiben ist fünf Monate nach Vertragsschluss verfasst worden und kann keinen Beleg für einen vom schriftlich niedergelegten Vertragsinhalt abweichenden Willen der Vertragsparteien darstellen. Die schlichte Behauptung, es liege ein Schreibfehler vor, reicht dafür nicht aus. Denn wie bereits das Registergericht zutreffend hervorgehoben hat, sprechen die übrigen Bestimmungen des Vertrages dagegen, dass in § 5 Abs. 2 versehentlich eine falsche Jahreszahl angegeben wurde. Vielmehr sind die gesamten Regelungen in § 5 und § 6 des Vertrages nur dann in sich schlüssig, wenn Vertragsbeginn € wie in § 5 Abs. 2 angegeben € tatsächlich der 1.1.2007 ist. Denn § 6 Abs. 1 hält ausdrücklich fest, €dass die Voraussetzungen für eine steuerliche Organschaft gemäß § 14 Abs. 1 KStG erst mit Wirkung ab 1. Januar 2008 erfüllt sein werden€, womit deutlich wird, dass die Parteien von einem Auseinanderfallen von handelsrechtlichem und steuerlichem Wirksamwerden ausgehen. Darüber hinaus regelt § 6 Abs. 2 ausdrücklich die €Gewinnabführung für das am 31. Dezember 2007 endende Geschäftsjahr€. § 5 Abs. 2 legt fest, dass der Vertrag hinsichtlich der Leitungs- und Weisungsrechte, der Gewinnabführungsverpflichtung und der Verlustausgleichsverpflichtung €erstmalig für das gesamte am 01.01.2007 beginnende Geschäftsjahr der Organgesellschaft, hinsichtlich der Leitungs- und Weisungsrechte jedoch frühestens ab dem Zeitpunkt seiner Eintragung im Handelsregister der Organgesellschaft€ gelten soll, geht also ersichtlich davon aus, dass der Vertragsbeginn vor der noch vorzunehmenden Eintragung im Handelsregister liegt. Dass all diese mit einem für den 1.1.2008 gewollten Vertragsbeginn nicht zu vereinbarenden Regelungen bei Abschluss des Vertrages von den handelnden Vertretern der beteiligten Gesellschaften nicht bemerkt worden sein sollen, ist nicht nachvollziehbar, zumal jedenfalls zwei der Vorstände bzw. Geschäftsführer auch als Rechtsanwälte tätig sind.

Die von der Beschwerdeführerin auf Nachfrage des Landgerichts hierzu abgegebene Erläuterung, sie habe den Fehler gemacht, von einem anderen Vertrag abzuschreiben und die in diesem enthaltene unsinnige Regelung zu den Steuern zu übernehmen, erscheint ebenfalls nicht plausibel. Der nach dem Vortrag der beteiligten Gesellschaft als Vorlage verwendete Vertrag vom 25.04.2007, der zwischen zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung geschlossen wurde, weist in nahezu jeder Ziffer Abweichungen zu dem verfahrensgegenständlichen Vertrag vom 26.4.2007 auf. Insbesondere ist auch die Bestimmung zum Wirksamwerden keineswegs wortgleich, denn im Vertrag vom 25.4.2007 lautet sie: €Der Vertrag wird wirksam mit der Eintragung in das Handelsregister der Organgesellschaft und gilt erstmalig für das gesamte am 30. September 2007 endende Geschäftsjahr der Organgesellschaft.€

Anders als das Landgericht meint, bietet auch § 5 Abs. 4 Satz 2 des Vertrages vom 26.4.2007 keinen Beleg für die behauptete Absicht der Vertragsparteien, handelsrechtliche und steuerrechtliche Wirksamkeit nicht auseinanderfallen zu lassen. Diese Bestimmung berechtigt den Organträger zur außerordentlichen Kündigung für den Fall, dass die finanzielle Eingliederung im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes nicht mehr gegeben ist. Sie räumt damit einer Vertragspartei ein Kündigungsrecht für eine in der Zukunft möglicherweise eintretende Fallgestaltung ein, besagt aber nichts über den Vertragsbeginn.

Nach alledem ist nicht nachgewiesen, dass es sich bei dem in § 5 Abs. 2 des Vertrages genannten Datum €01.01.2007€ um eine versehentliche Falschbezeichnung handelte. Dem Vertrag kann insoweit kein anderer Inhalt beigemessen werden als der schriftlich niedergelegte.

3. Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, denn der von der beteiligten Gesellschaft vorgetragene Sachverhalt ist nicht geeignet, ein Recht der herrschenden Gesellschaft zur Kündigung des Unternehmensvertrags aus wichtigem Grund (§ 297 Abs. 1 AktG) zu begründen.

a) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 297 Abs. 1 AktG liegt vor, wenn für den Vertragsteil, der die Kündigung erklärt, die weitere Fortsetzung des Vertragsverhältnisses wegen ernsthafter und nicht oder nicht in angemessener Art und Weise behebbarer Schwierigkeiten unzumutbar ist (vgl. Hüffer § 297 Rn. 3, 4). Als Beispiel nennt § 297 Abs. 1 Satz 2 AktG, dass der andere Vertragsteil voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine Vertragspflichten zu erfüllen. Solche Umstände sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Fortsetzung des Vertrages nicht deshalb unzumutbar, weil er zur Abführung des im Geschäftsjahr 2007 angefallenen Gewinns der beherrschten Gesellschaft an die herrschende Gesellschaft führt. Das ist eine der Hauptpflichten, die sich aus dem Vertrag ergibt. Dass sich daraus steuerliche Auswirkungen ergeben, deren Eintritt die Vertragsparteien € wie im Schriftsatz vom 26.6.2008 vorgetragen - nicht beabsichtigten, rechtfertigt nicht die außerordentliche Kündigung. Überdies enthält § 6 Abs. 2 des Vertrages eine ausdrückliche Regelung zur Verfahrensweise hinsichtlich der Kapitalertragsteuer.

Der übereinstimmende Wunsch der Vertragsparteien, den Vertrag noch im laufenden Jahr 2007 wieder zu beenden, stellt keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Dies käme einer Umgehung der in § 296 AktG festgelegten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Unternehmensvertrages gleich. Nach § 296 Abs. 1 AktG kann ein Unternehmensvertrag nur zum Ende des Geschäftsjahres oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums erfolgen. Ebenso ist eine rückwirkende Aufhebung ausgeschlossen.

b) Die außerordentliche Kündigung vom 10.12.2007 kann auch nicht auf ein vertraglich vereinbartes Kündigungsrecht gestützt werden. Die Parteien können im Unternehmensvertrag den Eintritt bestimmter Sachverhalte als wichtigen Grund festlegen (vgl. BGHZ 122, 211/228 ff.). Hier haben die Vertragsparteien in § 5 Ziffer 4 Satz 2 des Vertrages vereinbart, dass die herrschende Gesellschaft insbesondere zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt ist, wenn die finanzielle Eingliederung im Sinne des KStG aus ihrer Sicht nicht mehr gegeben ist. Diesem Fall € dass künftig die finanzielle Eingliederung entfällt € kann nicht gleichgestellt werden, dass im ersten Jahr der Geltung des Vertrages, nämlich im am 1.1.2007 beginnenden Geschäftsjahr eine steuerliche Organschaft nicht erreicht werden kann. Denn diese Sachlage setzt der Vertrag voraus, wie § 6 Abs. 1 zeigt. Dort wird ausdrücklich festgehalten, dass die Parteien sich einig sind, dass die Voraussetzungen für eine steuerliche Organschaft erst mit Wirkung ab 1. Januar 2008 erfüllt sein werden. Der Eintritt der im Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Rechtsfolgen kann keine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Der Umstand, dass die Beteiligten später eine andere Gestaltung für vorzugswürdig halten, lässt ein Festhalten an dem geschlossenen Vertrag nicht unzumutbar erscheinen.






OLG München:
Beschluss v. 09.12.2008
Az: 31 Wx 106/08


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