Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 8. Juli 2013
Aktenzeichen: 6 W 64/13

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 08.07.2013, Az.: 6 W 64/13)

Hat sich der Beklagte in einem gerichtlichen Vergleich zur Unterlassung und für den Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, kann der Kläger aus diesem Vergleich in der Regel nicht die Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO betreiben, insbesondere keinen Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 II ZPO stellen.

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 2.000,- €

Gründe

I.

Die Parteien haben im einstweiligen Verfügungsverfahren am 30.11.2004 einen Vergleich geschlossen, wonach sich die Antragsgegner verpflichteten,

€wörtlich oder sinngemäß im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken folgende Behauptungen zu unterlassen:

a) Kunden der Verfügungsbeklagten zu 1 sind von Mitarbeitern der Verfügungsklägerin mit dem Ziel angesprochen worden, sie zur sofortigen fristlosen Kündigung der mit der Verfügungsbeklagten zu 1 geschlossenen Verträge und zu einem Wechsel zur Verfügungsklägerin zu bewegen;€ €

Nach Ziff. 2. des Vergleichs verpflichteten sich die Antragsgegner, für jeden Fall des Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung einen Betrag von € 5.000,00 an die Antragstellerin zu zahlen.

Die Antragsgegnerin zu 1 verschickte am 31.7.2012 ein Rundschreiben, in dem es heißt, einige ihrer Bestandskunden seien von einem inzwischen für die Antragstellerin tätigen Mitarbeiter mit dem Ziel kontaktiert worden, sie zur Kündigung der mit der Schuldnerin geschlossenen Verträge und zu einem Wechsel zu bewegen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

den Antragsgegnern für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das in Ziff. 1. a) des Vergleichs gegebene Unterlassungsversprechen ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen.

Die Antragsgegner haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 19.3.2013 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, der das Landgericht mit Beschluss vom 17.5.2013 nicht abgeholfen hat.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 II ZPO mit Recht zurückgewiesen. Der Vergleich kann nicht nach § 890 ZPO vollstreckt werden, weil die Parteien mit der Vertragsstrafe eine abweichende Regelung vereinbart haben.

Grundsätzlich kann eine Unterlassungsverpflichtung aus einem Prozessvergleich, der nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Vollstreckungstitel ist, gemäß § 890 ZPO vollstreckt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 2.2.2012 - I ZB 95/10, GRUR 2012, 957 - Vergleichsbeschluss im schriftlichen Verfahren; OLG Frankfurt, NJW-RR 2006, 1441). Es ist auch geklärt, dass beim Nebeneinanderbestehen von gerichtlichem Titel (einstweiliger Verfügung) und strafbewehrter Unterlassungserklärung der Gläubiger das Ordnungsmittelverfahren neben der Beitreibung der Vertragsstrafe betreiben kann ( BGH GRUR 2010, 355 Rn. 32 - Testfundstelle; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 20 Rn. 22). Es stellt sich die Frage, ob etwas anderes gilt, wenn sich der Schuldner in einem Prozessvergleich für den Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet hat, der Titel also bereits selbst die Sanktionierung regelt.

Nach einer in Teilen der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Meinung hat der Gläubiger auch in einem solchen Fall bei einem späteren Verstoß die Wahl, ob er die Zwangsvollstreckung betreibt oder die Vertragsstrafe geltend macht (OLG Stuttgart WRP 2012, 500 Rn. 23 - bei juris; Köhler in Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 12 Rn. 2.128; Jestaedt in GroßKomm-UWG, Vor § 13 E. Rn. 78). Zu dieser Ansicht neigt auch der 3. Zivilsenat des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1998 - III ZR 103/97, GRUR 1998, 1053). Lediglich bei der Höhe sei die jeweils früher verhängte Sanktion zu berücksichtigen bzw. anzurechnen (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1998 - III ZR 103/97, GRUR 1998, 1053; für den Fall des Nebeneinanderbestehens von einstweiliger Verfügung und strafbewehrter Unterlassungserklärung: BGH GRUR 2010, 355 Rn. 32 - Testfundstelle). Der Gefahr einer doppelten Sanktionierung könne der Schuldner dadurch entgehen, dass er entweder keine Vertragsstrafe verspreche oder auf einem ausdrücklichen Verzicht des Gläubigers auf einen Antrag nach § 890 Abs. 2 ZPO bestehe.

Nach anderer Ansicht kann die Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel gemäß § 890 II ZPO mangels Rechtsschutzbedürfnisses jedenfalls dann unzulässig sein, wenn nicht neuerliche Umstände die Gefahr künftiger Zuwiderhandlung gegen den Prozessvergleich begründen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.12.2001 - 6 W 101/01). Denn das Vertragsstrafeversprechen des Schuldners in einem Prozessvergleich beseitige die Wiederholungsgefahr. Für die Ordnungsmittelandrohung nach Wirksamwerden des Vergleichs sei deshalb der Titelverstoß erforderlich.

Nach einer dritten Ansicht liegt in der versprochenen Vertragsstrafe zugleich eine vollstreckungsbeschränkende Abrede oder ein Verzicht auf das Antragsrecht nach § 890 II ZPO. Es könne in aller Regel nicht davon ausgegangen werden, dass der Schuldner freiwillig eine Vertragsstrafeverpflichtung übernommen hätte, wenn dem Gläubiger gleichzeitig auch noch die Durchsetzung mit den gesetzlichen Ordnungsmittel offen stünde (OLG Hamm, GRUR 1985, 82; Fezer/Büscher, Lauterkeitsrecht, § 12 Rn. 383).

Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Ansicht an. Die Parteien, die sich im Vergleichswege nicht nur auf eine Unterlassungsverpflichtung, sondern auch für den Fall der Zuwiderhandlung auf Zahlung einer bestimmten Vertragsstrafe einigen, sind sich in der Regel zugleich einig, dass damit die Beantragung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO ausgeschlossen sein soll. Denn der Unterlassungsschuldner hat normalerweise keinen Anlass, sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe zusätzlich zur Unterwerfung unter die Ordnungsmittel des § 890 ZPO zu verpflichten. Die Unterwerfungserklärung beseitigt die Wiederholungsgefahr und hat - soweit sie außerhalb eines gerichtlichen Vergleichs abgegeben wird - gerade die Funktion, den Unterlassungsgläubiger klaglos zu stellen und auf diese Weise den Erlass eines gerichtlichen Titels gegen den Schuldner zu vermeiden. Mit dieser Funktion der Unterwerfungserklärung wäre es - auch aus der Sicht eines verständigen Unterlassungsgläubigers - in der Regel nicht vereinbar, wenn der Schuldner im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs dem Gläubiger eine doppelte Sanktionsmöglichkeit zur Verfügung stellen wollte. Eine solche Doppelsanktionierung ist mit erheblichen Nachteilen verbunden, auch wenn Vertragsstrafe und Ordnungsgeld aufeinander angerechnet werden können. Die Zwangsvollstreckung erfolgt in einem zusätzlichen gerichtlichen Verfahren, das die Parteien mit dem auch den Zuwiderhandlungsfall regelnden Vergleich gerade umgehen wollen.

Auch im Streitfall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien abweichend von diesen allgemeinen Erwägungen eine Doppelsanktionierung vereinbaren wollten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 2, 97 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 574 II Nr. 2 ZPO). Die Rechtsfrage ist entscheidungserheblich. Für die Androhung nach § 890 II ZPO kommt es nicht darauf an, ob die Schuldner mit dem Schreiben vom 31.7.2012 gegen die Verpflichtung aus dem Vergleich verstoßen haben.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 08.07.2013
Az: 6 W 64/13


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