Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Mai 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 160/01
(BPatG: Beschluss v. 02.05.2002, Az.: 25 W (pat) 160/01)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenabteilung 9.1. vom 12. Dezember 2000 aufgehoben.
2. Der Markeninhaberin wird Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr mit einem Zuschlag gewährt.
Gründe
I.
Die Schutzdauer der Marke Nr 1 000 600 ist am 11. April 1999 abgelaufen. Die Mitteilung vom 12. November 1999 gemäß § 47 Abs 3 Satz 4 des Markengesetzes in der damals geltenden Fassung, die die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr mit Zuschlag in Gang setzte, wurde der Markeninhaberin am 30. November 1999 zugestellt. Innerhalb der Frist erfolgte keine Zahlung. Mit einem am 26. August 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz beantragte die Markeninhaberin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte einen Verrechnungsscheck über DM ...,- bei. Die Mitteilung gemäß § 47 Abs 3 MarkenG sei bei dem damals stattfinden Umzug in neue Geschäftsräume von einer Hilfskraft versehentlich in einen Umzugskarton mit Archivmaterial gelegt worden und erst Anfang Juli 2000 entdeckt worden.
Die Markenabteilung 9.1. hat durch einen Beamten des höheren Dienstes mit Beschluss vom 12. Dezember 2000 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen, da bereits die zur Begründung der Wiedereinsetzung angeführten Tatsachen nicht hinreichend glaubhaft gemacht seien.
Gegen diesen Beschluss hat die Markeninhaberin Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss aufzuheben und die obige Marke wieder in den vorherigen Stand einzusetzen.
Die Markeninhaberin trägt vor, sie habe ohne Verschulden die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr versäumt, da eine Hilfskraft, Frau M..., entgegen ei- ner ausdrücklichen Weisung der Sekretärin Frau P... versehentlich die Mitteilung nach § 47 Abs 3 MarkenG bei dem Umzug in neue Geschäftsräume in einen Karton mit Archivmaterial statt für Eilbearbeitungssachen gelegt habe. Die Frist sei versäumt worden, da die Mitteilung deshalb erst Anfang Juli von einer Mitarbeiterin, Frau B..., entdeckt worden sei. Die Markeninhaberin hat im Beschwerdever- fahren eine eidesstattliche Erklärung von Frau B... eingereicht.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin (§ 66 Abs 1 und Abs 2 MarkenG) hat auch in der Sache Erfolg.
Der Markeninhaberin ist Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr gemäß § 47 Abs 3 MarkenG aF zu gewähren, da sie ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 91 MarkenG).
Für die Marke 1 000 600 lief die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr mit einem Zuschlag am 31. Mai 2000 ab, da die Mitteilung nach § 47 Abs 3 MarkenG in der damals geltenden Fassung am 30. November 1999 der Markeninhaberin zugestellt worden war. Die Markeninhaberin hat die Verlängerungsgebühr mit Zuschlag in Höhe von DM ...,-- erst am 26. August 2000 entrichtet. Die Marke kann jedoch nicht gemäß § 47 Abs 6 MarkenG in der damals geltenden Fassung gelöscht werden, da der Markeninhaberin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Die Markeninhaberin hat innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des (Zahlungs-)Hindernisses und vor Ablauf der Jahresfrist nach § 91 Abs 5 MarkenG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die versäumte Handlung nachgeholt. Das Hindernis ist Anfang Juli 2000 weggefallen, als die Mitteilung nach § 47 MarkenG und die Fristversäumung von einer Mitarbeiterin entdeckt wurde. Der Wiedereinsetzungsantrag enthält auch die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 91 Abs 3 Satz 1 MarkenG),nämlich dass die Frist wegen eines Umzugs und des Verschuldens einer Hilfskraft nicht eingehalten wurde und der Fehler Anfang Juli entdeckt worden sei. Diese Tatsachen wurden zwar erst in der Beschwerdeinstanz näher konkretisiert und durch eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin Frau B... glaubhaft gemacht, jedoch reicht es für die Zu- lässigkeit des Antrags aus, die wesentlichen Umstände darzulegen, die den Säumigen an der Einhaltung der Frist gehindert haben und ein Verschulden ausschließen sowie die Tatsachen darzulegen, aus denen sich die Einhaltung der Antragsfrist ergibt (Althammer/Ströbele Markengesetz, 6. Aufl § 91 Rdn 20).
Der Wiedereinsetzungsantrag ist nunmehr auch begründet, da die Markeninhaberin nach dem im Beschwerdeverfahren vorgetragenen und glaubhaft gemachten Sachvortrag kein Verschulden an der Fristversäumung trifft (§ 91 Abs 1 MarkenG).
Ohne Verschulden ist eine Fristversäumung erfolgt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall nach den subjektiven Verhältnissen des Betroffenen zumutbar war (Althammer/Ströbele aaO § 91 Rdn 11). Versehen von Hilfskräften, insbesondere Büropersonal, muss sich der Betroffene nicht zurechnen lassen, sofern er bei der Auswahl und Beaufsichtigung dieser Hilfskräfte keine Obliegenheitsverletzung begangen hat (Althammer/Ströbele, aaO, Rdn 11; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl, § 233 Rdn 41).
Die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr wurde wegen eines Versehens einer Hilfskraft versäumt. Frau M..., eine Mitarbeiterin der Markeninhaberin, hat die amtliche Mitteilung nach § 47 Abs 3 MarkenG aF bei dem Umzug in die neuen Geschäftsräume nicht in den dafür vorgesehenen Umzugskarton mit Eilvorgängen verpackt, sondern versehentlich entgegen einer Anordnung der Sekretärin Frau P... in einen Karton mit Archivmaterial. Dadurch wurde die Mitteilung erst nach Ablauf der Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr entdeckt und die Frist deshalb versäumt.
Die Markeninhaberin trifft an der Fristversäumung auch kein Organisationsverschulden. Da die Sekretärin Frau P... ihrer Mitarbeiterin Frau M... den Auf- trag erteilte, die Mitteilung in den Umzugskarton für Schriftsachen zu legen, die einer sofortigen Bearbeitung bedurften, hat die Markeninhaberin organisatorisch bei dem anstehenden Umzug dafür Sorge getragen, dass die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr hätte eingehalten werden können. Bei dem Verpacken eines Schriftstücks in einen angegeben Umzugskarton für eilbedürftige Sachen handelt es sich um eine einfache Tätigkeit, die der Mitarbeiterin ohne Organisationsverschulden übertragen werden durfte.
Ein Organisationsverschulden kann auch nicht darin gesehen werden, dass die Markeninhaberin dem Deutschen Patent- und Markenamt die neue Adresse erst im August 2000 mitgeteilt hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es hier überhaupt ein Organisationsverschulden darstellt, wenn eine Adressenänderung nicht mitgeteilt wird, da die Frist an die Zustellung der Mitteilung anknüpfte und nicht an die bloße Absendung der Mitteilung. Da im vorliegenden Fall die Mitteilung genau in den Zeitpunkt des Umzugs fiel, ist es jedenfalls keine Sorgfaltspflichtverletzung, wenn die Markeninhaberin zu diesem Zeitpunkt Schriftstücke sich noch an die alte Adresse schicken ließ und die Mitarbeiter die Post weiterleiteten.
Die angegebenen Tatsachen wurden durch die in der Beschwerdeinstanz eingereichte eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin Frau B..., die bei der Mar- keninhaberin seit 1990 tätig ist, und die amtliche Mitteilung in dem Karton für Archivmaterial entdeckt hat, glaubhaft gemacht.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher statt zu geben und der Beschluss der Markenabteilung vom 12. Dezember 2000 aufzuheben.
Kliems Brandt Bayer Pü
BPatG:
Beschluss v. 02.05.2002
Az: 25 W (pat) 160/01
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d871f1e096fa/BPatG_Beschluss_vom_2-Mai-2002_Az_25-W-pat-160-01