Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 29. April 2009
Aktenzeichen: 11 U 139/08

(OLG Hamm: Beschluss v. 29.04.2009, Az.: 11 U 139/08)

Tenor

1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 22.07.2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht aus Gründen der Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich erscheint, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

3. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 3 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses, § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung und Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften.

Der Kläger war bis zum 31.03.2007 als Innenrevisior bei der E eG beschäftigt.

Der Kläger war der Beklagten zu 1) wegen Nichterfüllung einer Auflage zur Zahlung eines Zwangsgeldes aufgrund Festsetzungsbescheides der Beklagten zu 1) vom 11.02.2000 in Höhe von 1.500,00 € (= 766,94 €) verpflichtet. Die gegen den Festsetzungsbescheid gerichtete Anfechtungsklage des Klägers wurde mit Gerichtsbescheid des VG Minden rechtskräftig abgewiesen.

Die Beklagte zu 1) forderte den Kläger mit Schreiben vom 28.05.2001 unter Hinweis aus den inzwischen bestandskräftigen Feststellungsbescheid zur Zahlung auf. Die Beklagte zu 1) gab den Vorgang im Hinblick auf die Vollstreckungszuständigkeit an die Beklagte zu 2) ab, die dem Kläger mit Schreiben 13.06.2001 die Vollstreckung ankündigte und ihn erneut zur Zahlung aufforderte.

Die Mutter des Klägers teilte der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 15.06.2001 mit, dass sie ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht 1.524,00 DM als Treuhandbetrag auf ein Konto der Beklagten zu 2) bei der C gezahlt habe; allerdings dürfe hierüber nur verfügt werden, wenn gewährleistet sei, dass auf ihre erste schriftliche Anforderung dieser Betrag unverzüglich auf ihr Konto überwiesen werde. Die Beklagte zu 2) leitete diesen Betrag an die Beklagte zu 1) weiter. Unter dem 29.06.2001 forderte die Mutter des Klägers den vorgenannten Betrag zurück. Die Beklagte zu 1) teilte dem Kläger unter dem 28.08.2001 mit, dass der Betrag an seine Mutter zurücküberwiesen worden sei und er nunmehr den Betrag bezahlen solle.

Am 06.09.2001 buchte der Kläger einen Betrag von 1.500,00 DM auf sein Konto bei der C2 um. Die Beklagte zu 1) stellte am 05.11.2001 einen Antrag auf Amtshilfe an die Beklagte zu 2). Mit Schreiben vom 24.01.2002 teilte die Beklagte zu 2) der Beklagten zu 1) die Kontoverbindungsdaten des Kontos des Klägers bei der E eG, Kontonummer ...#/..., mit.

Die Beklagte zu 1) vollstreckte mittels Pfändungs- und Überweisungsbeschluss am 25.01.2002 den Guthabenbetrag auf dem Konto des Klägers bei der E eG, Kontonummer ...#/... Die E sperrte das Konto und ein weiteres Konto des Klägers, wovon sie den Kläger mit Schreiben vom 29.01.2002 in Kenntnis setzte.

Unter dem 31.07.2002 teilte die Landesbeauftragte für den Datenschutz des Landes Nordrhein-Westfalen dem Kläger mit, dass sie die Beklagte zu 1) darauf hingewiesen habe, dass nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW ein Amtshilfeersuchen erst dann infrage komme, wenn der C3 die zur Aufgabenerfüllung benötigten Tatsachen unbekannt seien und sie diese nicht selber ermitteln könne. Nach § 12 Abs. 1 Satz 3 DSG NRW seien personenbezogene Daten in erster Linie bei der betroffenen Person selbst zu erheben. Erst wenn eine Nachfrage erfolglos bleibe, hätte die Beklagte zu 1) die zur Durchführung der Vollstreckung erforderlichen Angaben bei Dritten erheben dürfen. Mit weiterem Schreiben vom 27.09.2002 teilte sie dem Kläger mit, dass dem Fachbereich Einnahme/Sachbuch der Beklagten zu 1) seine Bankverbindung bei der C2 nicht bekannt gewesen sei. Lediglich der Fachbereich Personenkonto habe hiervon Kenntnis gehabt; allerdings sei ein Abgleich zwischen beiden Bereichen seinerzeit nicht erfolgt.

Die E eG fusionierte in der Folgezeit mit der W eG. Die E eG kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 25.01.2007 zum 31.03.2007. In dem Kündigungsschreiben heißt es auszugsweise:

"hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgerecht gemäß Anstellungsvertrag für beide Seiten mit sechs Wochen zum Ende eines Kalendervierteljahres, die ist der ...#2007.

Ab dem ...2007 stellen wir Sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Bezüge unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Etwaige noch offene Urlaubs- und sonstige Freizeitausgleichsansprüche werden in dieser Zeit in natura gewährt. Sollten Sie während der Freistellungsphase anderweitigen Verdienst erzielen, ist dieser auf Ihre Entgeltansprüche bei uns anrechenbar. Sie haben uns solchen Verdienst unverzüglich schriftlich anzuzeigen.

Tragen Sie bitte Sorge dafür, dass Sie alle sich in Ihrem Besitz befindenden

Gegenstände, Unterlagen und Arbeitsmittel an Ihrem letzten Arbeitsplatz an

uns herausgeben.

Bitte beachten Sie, dass Sie verpflichtet sind, sich unverzüglich bei der für Sie zuständigen Agentur für Arbeit persönlich arbeitssuchend zu melden. Ferner müssen Sie auch selber aktiv nach einem neuen Arbeitsplatz suchen. Anderenfalls riskieren Sie eine Kürzung Ihres Arbeitslosengeldes."

Mit Schreiben vom 02.02.2007 teilte die E eG auf Anfrage des Klägers diesem die Hintergründe der Kündigung mit. Auszugsweise heißt es wie folgt:

"hiermit teilen wir Ihnen auf Ihre mündliche Anfrage die maßgeblichen Gründe mit, die uns zur Kündigung bewogen haben:

In dieser Angelegenheit nehmen wir unsere geführten Gespräche sowie die verschiedenen Mitarbeiterbesprechungen zur Fusion mit der W zum ...2007 auf. Leider müssen wir Ihnen nach internen Beratungen mitteilen, dass eine Übernahme als Mitarbeiter insbes. der Innenrevision zur W eG nicht möglich ist.

Eine andere Verwendung haben wir geprüft, jedoch bitten wir auch hier zu bedenken, dass in der Vergangenheit seitens der D insbes. zum Kassenzeichen ...# vom ...2002 Kontopfändungen ausgebracht wurden, die das Vertrauensverhältnis erheblich belasteten.

Auch haben diese Vorkommnisse zu anhaltender Unruhe unter den Mitarbeitern unseres Hauses geführt und Ihre Reputation und Ihr Ansehen irreparablen Schaden genommen. Ihre Weiterbeschäftigung erfolgte mangels Alternative - hierüber haben wir ausführlich gesprochen. Wir bedauern daher, das Anstellungsverhältnis nun zum ...2007 beenden zu müssen."

Der Kläger hat behauptet, dass er am 08.09.2001 der Beklagten zu 1) per Boten eine Einzugsermächtigung für ein bei der C2 geführtes Konto erteilt habe. Im Übrigen sei dieses Konto der Beklagten zu 1) bekannt gewesen, da hierüber Grundbesitzabgaben abgebucht worden seien.

Er hat gemeint, dass ihm die Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet seien. Zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses sei es allein wegen der Kontenpfändung gekommen. Er sei - unstreitig - dort als Innenrevisor beschäftigt gewesen. Aufgrund der erfolgten Pfändungsmaßnahme sei es zu einer erheblichen Belastung des Vertrauensverhältnisses zu seinem Arbeitgeber und zu anhaltender Unruhe unter den Mitarbeitern gekommen. Ihm sei verdeutlicht worden, dass ihm deswegen die Kündigung erklärt werde, sobald die Fusion abgeschlossen werde. Bis dahin sei er weiterbeschäftigt worden, da ein geeigneter Ersatz für ihn bis zur Fusion nicht zu finden gewesen sei. Soweit der Zeuge B Abweichendes bekundet habe, liege eine Falschaussage vor. Mithin basiere die Kündigung auf der Kontopfändung, welche aus dem unzulässigen Amtshilfeersuchen ermöglicht worden sei, zumal es eine Beschäftigungsgarantie im Zusammenhang mit der Fusion gegeben habe. Die Kündigung sei rechtmäßig gewesen und sei nur mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht fristlos erfolgt. Sein zu ersetzender Schaden bestehe in seinem durch den Verlust seines Arbeitsplatzes eingetretenen Einkommensverlust.

Ihm stehe ein Anspruch nach § 20 DSG NRW zu. Die Erhebung personenbezogener Daten ohne seine Kenntnis sei pflichtwidrig gewesen. Denn ein Fall der §§ 12 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz, 13 Abs. 2 Satz 1 DSG NRW habe nicht vorgelegen, zumal der Beklagten zu 1) bekannt gewesen sei, dass es sich bei der E eG um seinen Arbeitgeber gehandelt habe. Im Übrigen sei die heimliche Erhebung von Kontodaten nur bei Verdacht schwerer Straftaten möglich. Die Beklagten hätten grob fahrlässig, und hinsichtlich des Verstoßes gegen den Datenschutz sogar vorsätzlich im Sinne des § 33 DSG NRW gehandelt. Des Weiteren stehe ihm ein Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zu. Die Beklagte zu 1) habe es unterlassen, ihn hinsichtlich der Abfrage der Kontoverbindungsdaten zu befragen. Zudem habe sie versäumt, zu prüfen, ob ein Amtshilfeersuchen überhaupt nötig gewesen sei. Der Verlust seines Arbeitsplatzes stelle seinen Schaden dar.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an ihn

1. 13.511,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, und zwar aus 12.010,24 € seit dem 30.11.2007 sowie aus 1.501,28 € seit dem 30.12.2007,

2. beginnend mit Dezember 2007 bis einschließlich März 2008 bis zum 30. eines jeden Monats jeweils 1.501,28 € (insgesamt 6.005,12 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz, und zwar ab dem jeweilig darauf folgenden Tag des jeweiligen 30. eines Monats zu zahlen,

3. beginnend mit April 2008 bis zum 30. eines jeden Monats jeweils vorbehaltlich tarifvertraglicher Anpassungen 3.779,00 € (Tarifgruppe 8, 11. Berufsjahr) nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz, und zwar ab dem jeweilig darauf folgenden Tag des jeweiligen 30. eines Monats zu zahlen,

4. 3.229,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 10 Manteltarifvertrag für alle privaten Kreditinstitute (Sonderzahlung) seit Klageerhebung zu zahlen,

5. vorgerichtliche Kosten in Höhe von 899,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben gemeint, ein amtspflichtwidriges Verhalten liege nicht vor. Unverständlich sei, dass der Kläger einen Betrag extra auf sein Konto bei der C2 umgebucht habe, statt diesen Betrag direkt auf das Konto der Beklagten zu 1) zu überweisen.

Ein Verstoß gegen § 20 DSG NRW liege schon deswegen nicht vor, weil es sich hierbei um einen reinen verwaltungsinternen Akt gehandelt habe. Im Übrigen treffe die Beklagte zu 2) auch kein Verschulden, da sie keine eigene Überprüfungspflicht hinsichtlich des Amtshilfeersuchens der Beklagten zu 1) gehabt habe. Zudem fehle es schon an der Kausalität zwischen einer unterstellten Amtspflichtverletzung und dem gerügten Schaden in Form der durch den Arbeitsplatzverlust bedingten Einkommensverluste. Die Kündigung sei nicht wegen der ein halbes Jahrzehnt zuvor erfolgten Pfändung erfolgt, sondern sei durch die Fusion der E eG mit der W eG bedingt gewesen, infolge derer die Stelle des Klägers überflüssig geworden sei. Zudem habe es der Kläger versäumt, gegen die Kündigung arbeitsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Das Landgericht hat nach uneidlicher Vernehmung des Zeugen X die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger kein Anspruch zustehe. Es fehle bereits an der schuldhaften Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht. Die Entscheidung der Beklagten zu 1), in das seitens der Beklagten zu 2) benannte Konto zu vollstrecken, sei nicht zu beanstanden. Aufgrund der bestandskräftigen Festsetzung sei der Kläger zur Zahlung des eingezogenen Betrages verpflichtet gewesen. Er sei bereits mit Schreiben vom 13.06.2001 darauf hingewiesen worden, dass Vollstreckungsmaßnahmen ohne weitere Ankündigung erfolgten. Auch auf weitere Aufforderung vom 28.08.2001 habe der Kläger keine Zahlung geleistet. Soweit sich der Kläger auf eine erteilte Einzugsermächtigung berufe, sei zu berücksichtigen, dass diese keine Erfüllung darstelle, da der Schuldner einer Geldschuld nach § 270 BGB den geschuldeten Betrag an den Wohnsitz des Gläubigers zu übermitteln habe. Erfüllung trete dann mit Gutschrift auf dem Gläubigerkonto ein. Im Übrigen habe der Kläger keinen Beweis für seine behauptete Erteilung einer Einzugsermächtigung angetreten. Dass die Beklagte zu 1) Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet habe, sei nicht pflichtwidrig gewesen. Dies gelte auch dann, wenn die Beklagte zu 1) Kenntnis davon gehabt hätte, dass der Kläger bei der E eG beschäftigt gewesen sei.

Ein Schadensersatzanspruch stehe dem Kläger auch nicht nach § 20 DSG NRW zu. Denn die Beklagte zu 2) habe nicht schuldhaft gegen das DSG NRW verstoßen. Die Übermittlung der Kontoverbindungsdaten an die Beklagte zu 1) sei im Rahmen rechtmäßiger Aufgabenerfüllung, nämlich zur Einziehung einer öffentlichrechtlichen Geldforderung gegen den Kläger, erfolgt. Da der Beklagten zu 2) nicht bekannt gewesen sei, dass der Kläger bei der E eG beschäftigt gewesen sei, habe kein Grund zur Annahme entgegenstehender Interessen des Klägers bestanden. Anlass zu einer Rechtmäßigkeitsprüfung habe nicht bestanden.

Gegen dieses Urteil richtet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er rügt - unter Erweiterung seiner Klage -, dass die tatbestandlichen Feststellungen teilweise falsch seien. Zudem habe das Landgericht verkannt, dass die seinerseits erteilte Einzugsermächtigung unstreitig bei der Beklagten zu 1) eingegangen sei. Damit habe er die Forderung - falls diese überhaupt bestehe - durch Hinterlegung und Erteilung der Einzugsermächtigung erfüllt. Bereits deswegen sei die später erfolgte Vollsteckung rechtswidrig gewesen.

Die Amtshilfeersuchen vom 13.06.2001 und 05.11.2001 seien rechtswidrig gewesen, da der Fachbereich Finanzen der Beklagten zu 1) problemlos einen Abgleich zwischen Sach- und Personenkonto habe vornehmen können, die Möglichkeit bestanden habe, bei ihm nachzufragen und er seinen Wohnsitz in G gehabt habe. Nach ständiger Rechtsprechung sei die heimliche Datenerhebung nur bei einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Recht oder Rechtsgut zulässig. Soweit überhaupt, hätten sich die Beklagten in einem vermeidbaren Verbotsirrtum befunden.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

II.

Dem Kläger war Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren nicht zu bewilligen, da die Voraussetzungen der §§ 114, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Berufung des Kläger hat keine Aussicht auf Erfolg. Dem Kläger steht - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagten zu.

1.

Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW besteht nicht.

a)

Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 1) gegen Vorschriften des DSG NRW verstoßen hat.

b)

Denn es fehlt an der nach § 20 Abs. 1 DSG NRW erforderlichen Kausalität zwischen einem unterstellten rechtswidrigen Handeln der Beklagten zu 1) und dem geltend gemachten Schaden (vgl. Stähler/Pohler, Datenschutzgesetz NRW, 3. Aufl., § 20 Rn. 3; Weyer, Datenschutzgesetz NW-Kommentar, § 20 Rn 5). Einen Verstoß gegen Vorschriften des DSG NRW unterstellt, ist zu fragen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten zu 1) genommen hätten und wie sich die Vermögenslage des Klägers in diesem Falle darstellte. Darlegungs- und beweisbelastet ist der Kläger (vgl. Gola/Schomerus/Klug, BDSG, 9. Aufl. 2007, § 7 Rn. 7).

Dass die Erhebung der Kontodaten durch die Beklagte zu 1) die Vollstreckungsmaßnahme erst ermöglichte, ist zu Gunsten des Klägers zu unterstellen. Allerdings steht aufgrund der durchgeführten erstinstanzlichen Beweisaufnahme und der unstreitigen Umstände fest, dass die Pfändungsmaßnahme nicht ursächlich für die Kündigung des Klägers war.

Bereits das Kündigungsschreiben enthält keinen Hinweis auf die durch die Pfändung eingetretene Belastung des Vertrauensverhältnisses des Klägers. Soweit die E eG in ihrem Schreiben vom 02.02.2007 sowohl die Belastung des Vertrauensverhältnisses als auch die Unruhe unter den Mitarbeitern als Kündigungsgrund umschreibt, steht nicht zwingend fest, dass es sich um die alleinigen Kündigungsgründe gehandelt hätte. Denn aufgrund der Bekundung des Zeugen X steht fest, dass nicht die in diesem Schreiben aufgeführten Gründe für die Kündigungsentscheidung maßgeblich waren, sondern der Umstand, dass eine Innenrevisorstelle aufgrund der Fusion schlicht überflüssig war und ein geeigneter Mitarbeiter als Innenrevisor tätig bleiben sollte. Soweit der Kläger der Ansicht ist, dass der Zeuge falsch ausgesagt habe, ist hierfür eine tragfähige Grundlage nicht erkennbar. Insbesondere widerspricht seine Bekundung nicht dem Schreiben vom 02.02.2007. Denn dass die im Schreiben vom 02.02.2007 genannten Gründe nicht völlig unmaßgeblich sind, hat auch der Zeuge bestätigt. Gegen die Annahme des Klägers, dass allein aufgrund der Pfändung die Kündigung erfolgt sei, spricht im Übrigen, dass schlicht unplausibel ist, dass die E eG den Kläger - trotz der behaupteten schweren Belastung des Vertrauensverhältnisses und der Unruhe unter den Mitarbeitern - gleichwohl in der Zeit vom 25.01.2002 bis zum 01.02.2007, dem Zeitpunkt seiner Freistellung, jedenfalls aktiv beschäftigt hat. Wäre vor dem Hintergrund der seitens der E eG empfundenen Belastungen eine Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr zumutbar gewesen, so bleibt schlicht unverständlich, dass eine Weiterbeschäftigung für diesen Zeitraum erfolgt ist. Die Behauptung des Klägers, ausreichend qualifiziertes Personal habe gefehlt, um ihn zu ersetzen, unterstellt der Senat zu seinen Gunsten als richtig. Umso mehr bleibt unverständlich, dass die E eG einen derart qualifizierten Mitarbeiter nicht unmittelbar nach Bekanntwerden der Pfändung entlässt, sondern weitere Jahre beschäftigt und erst nach einem Zeitraum von über fünf Jahren sein Arbeitsverhältnis kündigt. Plausibel ist dies nur damit zu erklären - wie auch der Zeuge X bekundet hat -, dass die Stelle des Klägers schlicht überflüssig war und damit der eigentliche Kündigungsgrund nicht der Vertrauensverlust, sondern die mit der Fusion eintretenden Synergieeffekte waren. Dass die E eG in Mitteilungen anlässlich ihrer Fusion ihre Mitarbeiter darauf verwies, dass es eine Beschäftigungsgarantie gebe, deutet nicht zwingend gegen diese Schlussfolgerung. Denn wahrscheinlicher ist, dass die E eG die Jahre zurückliegende Pfändung zum Anlass genommen hat, eine tatsächlich abzuschaffenden Stelle unter vorgeblicher Beachtung der Beschäftigungsgarantie abzubauen.

c)

Aber selbst zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass tatsächlich die Pfändung der eigentliche Grund für die Kündigung gewesen ist, so hat der Kläger schuldhaft versäumt, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden; § 20 Abs. 3 Satz 1 DSG NRW in Verbindung mit § 839 Abs. 3 BGB. Denn er ist nicht gegen die Kündigung im Wege einer Kündigungsschutzklage vorgegangen.

Der Kläger behauptet, dass die Kündigung lediglich aus Rücksichtnahme auf seine familiären Verhältnisse als ordentliche Kündigung ausgesprochen worden sei; eine fristlose außerordentliche Kündigung wäre gerechtfertigt gewesen. Der Kläger verkennt dabei, dass eine auf die Pfändungsmaßnahme gestützte fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB lediglich innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Pfändungsmaßnahme erfolgen konnte, so dass eine fünf Jahre später erfolgte - außerordentliche - Kündigung ohnehin unwirksam gewesen wäre.

Soweit die ordentliche Kündigung selbst betroffen ist, wäre eine aus Anlass der Fusion erklärte Kündigung unwirksam. Handelte es sich bei der Fusion um den Übergang eines Betriebes im Sinne des § 613a BGB, wäre eine ordentliche Kündigung nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam. Handelte es sich hingegen um eine Umwandlung, so hätte sich nach § 323 Abs. 1 UmwG die kündigungsrechtliche Stellung des Klägers für die Dauer von zwei Jahren nicht verschlechtert. Zwar ist der genaue Regelungsgehalt des § 323 Abs. 1 UmwG nicht völlig klar und deshalb in Einzelheiten umstritten. Allerdings ist jedenfalls gesichert, dass dem Kläger ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung, gegebenenfalls zu geänderten Bedingungen, in dem neu geformten Unternehmen zustand, wie sich bereits aus § 1 Abs. 2 KSchG ergibt, der auch gegenüber dem, gegebenenfalls neuen, Arbeitgeber gilt.

Der Kläger hätte daher arbeitsgerichtlichen Schutz in Anspruch nehmen müssen, um den ihm entstanden Schaden abzuwehren. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass eine entsprechend betriebene Kündigungsschutzklage auf Feststellung des Weiterbestehens des Arbeitsverhältnisses unbegründet gewesen wäre. Denn, wie bereits ausgeführt, scheiterte die außerordentliche Kündigung an § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB und eine etwaige ordentlich erklärte Kündigung an § 613a BGB. Nur für den Fall, dass es sich um eine Umwandlung gehandelt hätte, hätte eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG erfolgen müssen. Hätte die E eG dabei die Pfändung und die hierdurch bedingte Belastung des Vertrauensverhältnisses in die Sozialauswahl eingestellt, so wäre die Kündigung trotz dringender betrieblicher Erfordernisse sozial ungerechtfertigt gewesen, wenn die E eG einzig diese Gründe in ihre Abwägung eingestellt hätte. Eine etwaig erklärte verhaltensbedingte Kündigung wäre wegen Fehlens einer entsprechenden Abmahnung ohnehin unwirksam gewesen.

2.

Aus den gleichen Erwägungen scheidet auch ein Anspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG gegen die Beklagte zu 1) und ein Anspruch nach § 20 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW und § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG gegen die Beklagte zu 2) aus.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

III.

Da die Berufung keine Aussicht aus Erfolg hat, beabsichtigt der Senat, nach eingehender Überprüfung angesichts der zuvor dargestellten Sach- und Rechtslage die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

IV.

Der Kläger und Berufungskläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.






OLG Hamm:
Beschluss v. 29.04.2009
Az: 11 U 139/08


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